Protokoll der Sitzung vom 14.09.2018

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nun zu dem zweiten Ziel des Antrags. Die Zahlen zeigen auch, dass offensichtlich ein Bedarf besteht, die Möglichkeiten, die in § 25 a und b geboten werden, auch kundzutun, sozusagen an die Betroffenen zu bringen, beispielsweise durch Beratung. Auch da gibt es bei den Ausländerbehörden ganz offensichtlich noch Nachholbedarf, weil diese Regelungen zwar bekannt sind, aber nicht ausreichend kommuniziert werden.

Ich nenne nur ein Beispiel aus Köln. Seit März 2018 gibt es dort das Projekt „Bleiberechtsprüfung für Langzeitgeduldete“. Das hat man dort im März auf den Weg gebracht. Ich glaube, das ist ein gutes Beispiel dafür, wie man diese Möglichkeiten noch viel offensiver kommunizieren und Menschen eine solche Perspektive eröffnen kann.

Wir möchten mit diesem Antrag auf die Menschen in diesen prekären rechtlichen Situationen aufmerksam machen. Eine solche vergleichsweise einfache Regelung kann das Leben vieler Menschen positiv beeinflussen, verbessern und ihre Integration oder Teilhabe noch stärker fördern.

Wir als Land können kein Interesse daran haben, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass Menschen bis zu zehn Jahre oder länger in einem Status der Kettenduldung, also in einem Wartestatus, sowohl für sich selbst, für ihr Leben als auch für ihre gesamte Existenz, verharren.

(Glocke des Präsidenten)

Das erschwert Perspektive. Das erschwert wirklich, sich ein Leben aufzubauen, und führt andererseits auch zu Frust, zu Komplikationen und Schwierigkeiten. Daran können wir auch kein Interesse haben, gerade wenn wir hier eine wirklich einfache Möglichkeit haben, dies aus der Welt zu schaffen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Daher müssen wir einerseits bei den Altersregelungen ansetzen, wie wir es hier vorschlagen, und andererseits dafür sorgen, dass die Ausländerbehörden das bestehende Recht stärker nutzen und den Betroffenen überhaupt die Basis dafür geben, sich erfolgreich einzubringen und sich hier eine Perspektive aufzubauen.

Dieser Antrag geht zurück auf einen Antrag der Jamaika-Koalition in Schleswig-Holstein, die daraufhin eine Bundesratsinitiative auf den Weg gebracht hat - die ich ausdrücklich begrüße.

(Glocke des Präsidenten)

Vom Timing her ist unser Antrag sehr gut gewählt - ich will mir aber kein Eigenlob aussprechen -, um genau dieser Initiative im Bundesrat noch beikommen zu können. Ich glaube, das Farbenspiel Jamaikas macht schon deutlich, dass wir hier sowohl die CDU als auch die FDP hoffentlich an unserer Seite wähnen können.

Aber auch die SPD - dies hat der Flüchtlingsrat Niedersachsen auch noch einmal deutlich gemacht - hat sich erfreulicherweise sehr positiv hierzu geäußert. Auch auf Bundesebene hat man schon deutlich gemacht, sowohl im Wahlprogramm als auch im Koalitionsvertrag - - -

Herr Kollege, dann ist es ja auch schon bekannt. Sie sind jetzt 30 Sekunden über Ihrer Redezeit.

Ich schließe mit meinem letzten Satz: Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. Ich freue mich auf die weiteren Beratungen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herzlichen Dank. - Für die CDU-Fraktion hat sich nun der Kollege Eike Holsten gemeldet. Bitte schön!

(Beifall bei der CDU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag „Bleiberechtsregelung verbessern - echte Perspektiven für integrierte junge Menschen schaffen“ beschert uns in meinen Augen eine eher unnötige Diskussion in diesem Haus.

(Belit Onay [GRÜNE]: Oh!)

In der Sache unnötig, da junge Geduldete, die eine Ausbildung absolvieren, bereits heute eine echte Perspektive auf ein Bleiberecht in Deutschland haben. Unnötig aber auch bezogen auf den Adressaten, weil die Große Koalition im Bund bereits dran ist, mögliche Hürden, wenn es die in dem Bereich denn geben sollte, zeitnah abzubauen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Angelegenheit ist ausgesprochen technisch - Herr Onay ist da eingestiegen -, weshalb es bei den Arbeitgebern und auch bei vielen jungen Geduldeten eine gewisse Unsicherheit geben mag. Auch in manchen

unserer Behörden darf man auf die Anwendung bestimmter Instrumente verschiedentlich noch einmal hinweisen. Ich nenne gerne eine kleine Zusammenstellung der bereits aktuell möglichen Maßnahmen:

Bereits heute haben junge Geduldete, die eine Ausbildung absolvieren, eine echte Perspektive auf ein Bleiberecht in Deutschland. Wer als Geduldeter eine qualifizierte Berufsausbildung absolviert, bekommt eine spezielle Ausbildungsduldung nach § 60 a Abs. 2 Satz 4 AufenthG für die Dauer dieser Ausbildung und im Anschluss - zunächst für zwei Jahre - eine Aufenthaltserlaubnis zur Beschäftigung nach § 18 AufenthG. Dabei handelt es sich um die sogenannte Drei-plus-zwei-Regelung.

Die Erteilung der Duldung und der anschließenden Aufenthaltserlaubnis ist zu Recht als Rechtsanspruch formuliert, gerade vor dem Hintergrund dieser großen Integrationsleistung. Und es bleibt technisch: Im Anschluss daran haben die Ausländerbehörden dann die Möglichkeit, einen Aufenthaltstitel nach § 8 AufenthG zu erteilen und so die weitere Ausübung des erlernten Berufs zu ermöglichen. Nach spätestens acht Jahren Aufenthalt in Deutschland ist dann ein Aufenthaltstitel wegen nachhaltiger Integration nach § 25 b AufenthG zu erteilen.

Die Möglichkeiten sind da, meine sehr geehrten Damen und Herren. Wir wollen diese vorhandenen Möglichkeiten zur Zuwanderung in den Arbeitsmarkt sehr gerne besser nutzbar machen. Dazu muss man diese Möglichkeiten bekannter machen, man muss gegebenenfalls den bürokratischen Aufwand verringern. Dazu bedarf es Aufklärungsarbeit bei den Arbeitgebern wie auch bei den jungen Menschen, damit sie ihre guten Perspektiven auch erkennen. Aber das ist nicht Aufgabe der Legislative. Was wir wollen, müssen andere machen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der Grünen, Sie wollen trotzdem mit diesem Antrag über den Bundesrat den Bundestag adressieren, da wir in diesem Haus am Aufenthaltsgesetz ohnehin nichts ändern können. Ich habe eingangs gesagt, dass dies wohl unnötig ist, da die Große Koalition im Bund bereits dran ist, mögliche notwendige Änderungen vorzunehmen. Was wir brauchen, ist ein einheitliches, durchschaubares und an den Bedarfen der Unternehmen orientiertes Zuwanderungsrecht.

Ich möchte hierzu gerne einen kurzen Auszug der Koalitionsvereinbarung der Großen Koalition auf Bundesebene zitieren. Da heißt es:

„Unser Land braucht geeignete und qualifizierte Fachkräfte in großer Zahl. Kein Arbeitsplatz soll unbesetzt bleiben, weil es an Fachkräften fehlt. Den Fachkräftezuzug nach Deutschland haben wir in den vergangenen Jahren bereits erheblich verbessert und vereinfacht. Dieser Bedarf wird voraussichtlich in den nächsten Jahren aufgrund unserer guten wirtschaftlichen Entwicklung und wegen der rückläufigen Zahl junger Menschen, die neu ins Erwerbsleben eintreten, weiter steigen.

Deshalb werden wir ein Regelwerk zur Steuerung von Zuwanderung in den Arbeitsmarkt und das damit verbundene Recht des Aufenthalts und der Rückkehr in einem Gesetzeswerk erarbeiten, das sich am Bedarf unserer Volkswirtschaft orientiert. Ein solches Gesetz wird die bereits bestehenden Regelungen zusammenfassen, transparenter machen und, wo nötig, auch effizienter gestalten.

Maßgeblich zu berücksichtigen für den Zuzug nach Deutschland sind der Bedarf unserer Volkswirtschaft, Qualifikation, Alter, Sprache sowie der Nachweis eines konkreten Arbeitsplatzes und die Sicherung des Lebensunterhalts.“

Liebe Kolleginnen und Kollegen, vieles hiervon ist, wie eingangs geschildert, bereits über die bestehenden Instrumente geregelt. Es bedarf aber sicher der genannten Vereinfachung. Anderes wird sicher in Angriff genommen, und wenn die Großkoalitionäre im Bund, denen ich zutraue, dieser Aufgabe gewachsen zu sein, bei der Gelegenheit sicher das Aufenthaltsgesetz anfassen werden, werden sie wissen, ob es an § 25 b etwas zu werkeln gibt oder nicht.

In meinen Augen ist das in Anbetracht des bestehenden Rechts nicht nötig. Das obliegt aber dem Bundesgesetzgeber. Der wird in Zukunft genauso harmonisch und konstruktiv zusammenarbeiten, wie das die Große Koalition dieser Regierung tut und seiner Aufgabe, die nicht die unsere ist, sicher nachkommen.

In diesem Sinne: Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Holsten. - Es gibt eine Kurzintervention vom Kollegen Onay. Bitte sehr!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Vielen Dank, Herr Kollege. Ich will ein paar Punkte aus Ihrer Rede aufgreifen, um Sie und die CDU-Fraktion vielleicht doch noch dazu zu bewegen, bei diesem Thema noch einmal in sich zu gehen.

Sie sprachen richtigerweise den Fachkräftemangel an. Das ist ja nicht nur ein Thema im Bereich des Aufenthaltsrechts, sondern das zieht sich durch viele Bereiche. Wir hatten gerade mit der Diskussion um den „Spurwechsel“ aktuell eine sehr intensive Debatte. Ich glaube, auch diese Debatte muss einfach schon deshalb geführt werden, weil sie sich an der Realität orientiert. Das Problem existiert tatsächlich.

Sie sagen, die Maßnahmen sind ausreichend. Ich hatte Ihnen ja die Zahlen genannt, die unsere Anfrage ergeben hat, wie viele Tausend junge Menschen unter 35 Jahre geduldet sind. Es sind knapp 15 000 Menschen, aber bloß 670 kommen in den Genuss dieser Regelung. Da zeigt sich doch, dass dieses System eben nicht funktioniert.

(Beifall bei den GRÜNEN - Jörg Hill- mer [CDU]: Die haben alle eine Aus- bildung?)

- Sehr gute Frage! Meine Antwort dazu: Der Antrag geht genau auf diesen Personenkreis ein. Wir reden hier von Menschen, die im Grunde die Integrationsleistung, die das Gesetz verlangt, erbracht haben, die aber an dieser Altersgrenze - nämlich bis 21 Jahre - scheitern. Da geht es nicht um die Frage: integriert oder nicht? Die Integrationsleistung wäre nach dem Maßstab des Gesetzes erbracht, aber die Altersgrenze stellt ein Problem dar.

Insofern wäre es wirklich gut, Herr Kollege, wenn Sie sich da noch nicht festlegen. Hören Sie auf Ihre Kolleginnen und Kollegen in SchleswigHolstein! Telefonieren Sie ruhig auch noch einmal mit ihnen. Ich glaube, da hat es auch sehr intensive Beratungen gegeben, und auch dort gibt es ähnliche Zahlen, die die Schwierigkeit noch einmal deutlich machen.

Es wäre sehr gut, wenn wir an dieser Stelle offen in die Diskussion im Ausschuss gehen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Schönen Dank. - Herr Kollege Holsten möchte antworten.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Onay, völlig richtig: Wir wollen in die Beratung über das Zuwanderungsrecht einsteigen. Wir gucken uns diese Fälle dann ganz genau an, und wir nehmen auch gerne den Hinweis an, uns noch einmal mit den Kolleginnen und Kollegen aus Schleswig-Holstein zu unterhalten. Ziel ist es, Fachkräfte in diesem Land für uns zu sichern, und wenn das ein Weg ist - wir gucken uns das genau an -, dann werden wir das so halten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und Zustimmung von Belit Onay [GRÜNE])

Herzlichen Dank. - Die nächste Wortmeldung kommt vom Kollegen Jens Ahrends, Fraktion der AfD. Bitte sehr!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der hier vorliegende Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Entschließung zielt darauf ab, die Bleiberechtsregelung für geduldete Flüchtlinge zu erleichtern. Geduldete Personen sind Personen, deren Asylantrag abgelehnt wurde, und die nach § 60 a AufenthG einen Duldungsstatus haben, d. h. ihre Abschiebung ist vorübergehend ausgesetzt. Wichtig dabei: Diese Personen sind und bleiben ausreisepflichtig. Von diesen geduldeten Personen haben wir derzeit in Deutschland ca. 700 000, die auch weiterhin Geldleistungen beziehen und somit den deutschen Steuerzahler Milliarden Euro pro Jahr kosten.