Protokoll der Sitzung vom 14.09.2018

Die Forderung, dass das Land von Beginn des neuen Ausbildungsjahres an - sprich: ab sofort - das Schulgeld in der Fachrichtung Physiotherapie übernehmen soll, ist übereilt und greift zu kurz.

Wir haben niedersachsenweit ein verstreutes Angebot an öffentlichen sowie privaten Schulen für diverse Gesundheitsfachberufe, in einigen Regionen konzentrierter als in anderen, teilweise in enger Verzahnung mit der Praxis, teilweise beschränkt auf eine rein schulische Ausbildung. Dieses Konstrukt einen ganzheitlichen Ansatz, einen Plan.

Zur Vermeidung eines deutschlandweiten Flickenteppichs sind wir gefordert, gemeinsam mit dem Bund diese Thematik aufzugreifen. Die Abschaffung von Schulgeldern und eine Stärkung der Entlohnung sind bereits erklärte Ziele der Politik.

Die CDU-Fraktion freut sich auf die Beratung im Ausschuss.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Eilers. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen nun Frau Kollegin Janssen-Kucz. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am 25. August gab es die bundesweite Kreideaktion „Therapeuten am Limit“. Die Therapeuten brachten ihren Protest erstmals gebündelt auf die Straße. Sie suchten das Gespräch mit der Bevölkerung, sie suchten das Gespräch mit der Politik.

Gestern gab es ein Gespräch beim Bundesgesundheitsminister, Jens Spahn, in Berlin. Dort trafen sich die Vertreter der Heilmittelverbände und vier unabhängige Therapeuten. Vorher wurde eine Petition zur Verbesserung der Gesundheitssituation von Physiotherapeuten und anderen Heilberufen übergeben, die von rund einer Viertelmillion Menschen unterstützt wird. Die Verbände fordern zu Recht eine bessere Vergütung, den direkten Zugang der Patienten ohne Überweisung, eine Modernisierung der Ausbildung und Schulgeldfreiheit.

Ich will aber ein Szenario, das mir zugetragen wurde, hier skizzieren: Vor dem lange erbetenen Gespräch mit Minister Spahn - das geht nämlich schon seit Monaten - gab es ein Videocasting. Die unabhängigen Therapeuten, die teilnehmen wollten, mussten sich wie bei Dieter Bohlen mit einem Video bewerben und wurden anhand des Videos ausgewählt. - So geht man nicht mit den berechtigten Anliegen der Therapeuten um! Ich finde, das ist ein Affront.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Das gesamte Agieren der Kollegen der GroKo hier und der GroKo in Berlin zeugt von einer Hinhaltetaktik. Die Einlösung der im Koalitionsvertrag auf Bundesebene festgehaltenen Versprechen liegt immer noch in weiter Ferne. Die Abschaffung des Schulgeldes soll in einem Gesamtkonzept zu Ausbildungsfragen angegangen werden, und zur Aufwertung der Gesundheitsberufe - Sie haben es auch angesprochen - gibt es bisher gar keine Idee.

Übel finde ich, dass die AfD versucht hat, die Aktion „Therapeuten am Limit“ für ihre Zwecke zu vereinnahmen. In Erfurt wurde sogar versucht, eine Demo für die Therapeuten auf die Beine zu stellen; sie wurde aber abgesagt. Ich kann Ihnen nur sagen: Hören Sie auf, die Therapeuten vor Ihren Karren spannen zu wollen, um sich ein sozial- und gesundheitspolitisches Mäntelchen umzuhängen! Ihr Antrag - das hat der Kollege Schwarz deutlich gemacht - ist oberflächlich und zeugt wirklich nicht von viel Sachkenntnis.

Meine Damen und Herren, Fakt ist: Die Heilmittelerbringer sind die Stiefkinder der Gesundheitspolitik. Wir müssen uns mal die Zahlen anschauen: Trotz der Erhöhung um 2 Milliarden Euro auf 8,5 Milliarden Euro werden nur 2,7 % des gesamten Gesundheitsetats für Heilmittel verbraucht. Während sich in der Pflege langsam die Erkenntnis durchsetzt, dass Verbesserungen bei den Arbeitsbedingungen und bei der Vergütung wichtig für die Qualität der Versorgung von Patienten und Pflegebedürftigen sind, leben viele Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Podologen weiterhin am Existenzminimum und darunter. Altersvorsorge können sie nicht betreiben.

Es besteht wirklich dringender Handlungsbedarf. Denn der Therapeutenmangel wirkt sich auf die Patienten aus: Es gibt Wartezeiten von drei, vier Wochen, und Hausbesuche gibt es nur noch selten. Ich kenne sogar Fälle, in denen die Krankenkasse Privatrezepte ausgestellt hat, damit über

haupt etwas passiert, damit sich Kassenpatienten einschlängeln und als Privatpatienten behandelt werden können.

Wichtig ist aus meiner, aus unserer Sicht, dass die therapeutischen Berufe grundsätzlich aufgewertet werden und dass die Schulgeldfreiheit sowie die Einführung einer Ausbildungsvergütung für die Physiotherapeuten auf Bundesebene auf den Weg gebracht werden. Die Stundenvergütung dieser Selbstständigen sollte mindestens so hoch sein wie die Vergütung für eine Handwerkerstunde. Das gilt natürlich auch für die angestellten Therapeuten entsprechend ihrer Qualifikation und Fortbildung.

Ich freue mich auf die Beratung. Ich glaube, es ist deutlich geworden: Wir müssen uns sehr intensiv mit diesem Thema beschäftigen. Es geht um das Berufsbild, aber es auch geht um die Patienten in einer zunehmend alternden Gesellschaft.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Es gibt eine Kurzintervention vom Kollegen Bothe. Bitte schön!

Vielen Dank, Herr Präsident. - Werte Kollegin, Sie haben nicht das alleinige Recht, soziale Themen zu setzen. Es ist das Recht einer demokratischen Partei, solche Themen einzubringen. Da kann ich Ihre Argumente überhaupt nicht verstehen.

Ich möchte zum Hintergrund sagen: Ich arbeite seit 13 Jahren in der Pflege. Ich bin examinierter Altenpfleger. Ich habe sechs Jahre in der Altenpflege gearbeitet und sieben Jahre im Maßregelvollzug psychisch kranke Straftäter betreut.

Mir mangelnde sozialpolitische Kompetenz zu unterstellen, ist eine Frechheit. Das sollten Sie bitte in Zukunft lassen. Wir können das auch und machen das weiter.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Frau Janssen-Kucz möchte antworten. Bitte sehr!

Ich glaube, die Antwort kann ich in einem Satz geben. Sie haben ja Ihre persönliche berufliche Biografie bewusst noch einmal dargestellt.

Es ging um den Antrag. Man muss die Ebenen sehr sauber trennen: Wo sind die Zuständigkeiten der Bundesebene, die Zuständigkeiten der Landesebene? Was ist wirklich umsetzbar?

Man kann nicht einen Antrag vorlegen und sagen: Schulgeldfreiheit ab sofort! - Das Schuljahr läuft aber schon für die Physiotherapeuten. Da steht nämlich jetzt: „ab … Herbst 2018“. Lesen Sie einfach wirklich einmal diesen Antrag! Er ist wirklich hingehuscht.

Sie müssen wirklich fach- und sachkundiger werden, wenn Sie hier sozialpolitische Kompetenz erlangen wollen.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Vielen Dank. - Für die FDP-Fraktion spricht nun der Kollege Försterling. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich erlaube mir, Ihnen die Doppelungen zu ersparen, weil schon von den Kolleginnen und Kollegen der CDU, der SPD und der Grünen viel Richtiges zu dem Antrag der AfD-Fraktion gesagt worden ist. Ich will dies nur um einen Punkt ergänzen.

Ich glaube, es ist tatsächlich zu kurz gesprungen, wenn wir hier nur über die Schulgeldfreiheit für die Physiotherapeuten reden, im nächsten Schritt dann über die Ergotherapeuten und im nächsten Schritt dann über die Logopäden. Ich glaube, wir müssen uns insgesamt mit dem System der Finanzhilfe für die vollzeitschulischen Berufsausbildungen in Niedersachsen auseinandersetzen, weil diese vollzeitschulischen Berufsausbildungen wichtig sind. Man kann sicherlich auch darüber diskutieren, was in duale Ausbildungen zu überführen wäre und was lieber nicht. Aber generell müssen wir dafür sorgen, dass auch die vollzeitschulischen Berufsausbildungen in Niedersachsen möglich sein werden, ohne Schulgeld dafür zu bezahlen.

Um diesen Gedanken möchte ich das Ganze einfach noch ergänzen, weil ich glaube, da können wir tatsächlich noch das eine oder andere investieren.

Ansonsten ist zu dem Antrag der AfD-Fraktion schon alles gesagt worden.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung von Uwe Schwarz [SPD] sowie von Meta Janssen-Kucz [GRÜNE])

Vielen Dank, Herr Kollege. - Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit schließen wir die Beratung.

Wir kommen zur Ausschussüberweisung.

Federführend soll der Ausschuss für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung sein, mitberatend der Ausschuss für Haushalt und Finanzen. Wer möchte dem so folgen? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? Das ist einstimmig so beschlossen.

Wir kommen zu dem letzten Punkt in der Tagesordnung

Tagesordnungspunkt 26: Erste Beratung: Bleiberechtsregelung verbessern - echte Perspektiven für integrierte junge Menschen schaffen - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 18/1528

Für die einbringende Fraktion hat sich der Kollege Onay gemeldet. Bitte schön!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Herr Präsident hat ja den Titel unseres Antrags schon vorgelesen. Es geht um eine Verbesserung der Bleiberechtsregelung, die wir uns wünschen.

Worüber reden wir? - Wir sprechen hier über eine Personengruppe der sogenannten gut integrierten Jugendlichen und Heranwachsenden. Diese können nach der geltenden Rechtslage des § 25 a Abs. 1 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis erhalten. Dazu müssen neben dem 21. Lebensjahr als Altersgrenze u. a. ein vierjähriger Aufenthalt in Deutschland sowie ein vierjähriger Schulbesuch bzw. ein Berufsabschluss in Deutschland nachgewiesen werden. Etwas Ähnliches gilt nach dem § 25 b für gut integrierte Erwachsene. Hier sind die Fristen für den Aufenthalt mit sechs bzw. acht Jahren noch länger.

Diese beiden Regelungen sind definitiv sinnvoll, weil sie einen Weg aus der Situation der prekären Kettenduldungen zeigen und damit gerade auch Heranwachsenden die Möglichkeit bieten, sich, wie es das Gesetz formuliert, noch stärker zu integrieren, teilzuhaben oder sich eine wirkliche Perspektive aufzubauen.

Die Altersgrenze ist allerdings ein wirkliches Hindernis. Viele an sich infrage kommenden geflüchteten Personen sind leider schon zu alt, um bis zu ihrem 21. Lebensjahr das Aufnahmeverfahren und danach noch vier Jahre Schule zu durchlaufen. Die Altersgrenze lässt diese Integrationsleistung im Sinne des Gesetzes somit häufig unberücksichtigt - was wirklich schade ist. Daher wäre es nur sinnvoll, diese Grenze, wie in unserem Antrag gefordert, auf das 27. Lebensjahr anzuheben. Dabei ist das 27. Lebensjahr natürlich nicht zufällig oder willkürlich gewählt, sondern orientiert sich am SGB VIII, also dem Kinder- und Jugendhilfegesetz, welches einen Rechtsanspruch auf Hilfe in Ausnahmen bis zum 27. Lebensjahr gewährleistet.

Das Ziel dieses Antrags ist damit ein doppeltes: Zum einen sollen mehr Menschen über die in dem Gesetz beschriebenen Integrationsleistungen ein Bleiberecht erwerben können und damit aus dem unsicheren Status der Duldung endlich herauskommen. Das ist besonders relevant, wenn man sich einmal die Zahlen anschaut. Dazu hatte ich ja eine Anfrage gestellt. Momentan leben in Niedersachsen gerade einmal 670 Menschen mit einem Bleiberecht nach § 25 a Abs. 1 AufenthG. Dazu kommen dann noch 106 Eltern dieser Jugendlichen und Heranwachsenden sowie 78 minderjährige Kinder. Dem, meine sehr geehrten Damen und Herren, stehen allerdings fast 17 000 geduldete Personen gegenüber, von denen wiederum mehr als 5 500 bereits mehr als vier Jahre geduldet sind. Insgesamt sind mehr als 12 000 der Geduldeten unter 35 Jahre alt.

Hier geht es also um viele junge Menschen, denen durch die mangelnde Rechtssicherheit eine erfolgreiche Teilhabe, eine echte Perspektive erschwert wird. Um genau diese Zahlen zu reduzieren und mehr Menschen die Möglichkeit zu geben, sich hier langfristig erfolgreich zu integrieren und ihren Beitrag zu unserer Gesellschaft zu leisten, ist die Anhebung der Altersgrenze ausdrücklich erforderlich.

(Beifall bei den GRÜNEN)