Protokoll der Sitzung vom 25.10.2018

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der CDU)

und zweitens, unter welchen Voraussetzungen und wie unter Vorspiegelung falscher Tatsachen in Großbritannien Wahlkampf gemacht wurde,

(Helge Limburg [GRÜNE]: Richtig! Geld aus Russland! - Gegenruf von Wiard Siebels [SPD]: So ist es!)

und zwar von Menschen mit revisionistischen Tendenzen, die nicht das Beste für ihr Land im Sinne hatten, dann muss ich sagen: Es ist angebracht, ein zweites Referendum durchzuführen, damit die Menschen über das abstimmen können, was wirklich beim Brexit herauskommt.

(Beifall bei der FDP, bei der SPD, bei der CDU und bei den GRÜNEN)

Aber ich wollte eigentlich gerade anregen, verehrter Kollege Bothe, dass wir als Bundesland bzw. als Niedersächsischer Landtag eine Partnerschaft mit einer englischen Region eingehen, z. B. mit South West England, einer Region, mit der wir bereits heute sehr viele städtepartnerschaftliche Verbindungen haben. Frau Landtagspräsidentin, Herr Ministerpräsident bzw. in Vertretung liebe Frau Ministerin Honé: Bewegen Sie das bitte in Ihrem Herzen! Ich hielte das für einen Gewinn für Niedersachsen, aber auch für Europa insgesamt.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen, meine Herren, niemand weiß, ob der Brexit tatsächlich kommt. Aber wir müssen uns darauf vorbereiten, und ich habe heute nicht den Eindruck, dass die Landesregierung die damit verbundenen Herausforderungen tatsächlich bis in alle Winkel durchdrungen hat. Nehmen Sie das bitte nicht auf die leichte Schulter, so nach dem Motto: Die EU und der Bund - das werden wir wahrscheinlich gleich hören - werden das alles schon regeln. - Dafür, verehrte Kolleginnen und Kollegen, steht zu viel auf dem Spiel: Arbeitsplätze, Handelsfragen, die gerade für uns als Logistikland - ich schaue nach Cuxhaven - sehr wichtig sind, und viele Forschungskooperationen.

Das Thema ist es wert, sich mehr Mühe zu geben, als es die Landesregierung bisher tut.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Oetjen. - Es folgt für die SPD-Fraktion Herr Abgeordneter Dr. Pantazis. Bitte!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Brexit, für den die Briten am 23. Juni 2016 mit knapper Mehrheit gestimmt haben - Herr Kollege Oetjen hat gerade erläutert, unter welchen Bedingungen das passiert ist -, ist nicht nur ein ernstes, sondern vor allem auch ein tragisches Ereignis. Denn wie auch immer das Ergebnis der Verhandlungen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich aussehen wird - diesseits und jenseits des Ärmelkanals werden die Menschen, die Wirtschaft und andere Akteure mit negativen Folgen rechnen müssen. Schließlich geht es bei den Verhandlungen zum Brexit ausschließlich um Schadensbegrenzung.

Wie sehr der Austritt Großbritanniens aus der EU die Menschen auch in Niedersachsen bewegt, zeigt sich auch am anhaltend hohen Interesse britischer Bürgerinnen und Bürger an Einbürgerungen. Ich möchte an dieser Stelle allerdings betonen: Ich wünsche mir, dass Großbritannien auch nach seinem Austritt ein enger und vertrauensvoller Partner Europas bleibt. Denn so tragisch die Entwicklung sein mag: Es hat Europa in den letzten Jahrzehnten mitgeprägt und mitgestaltet - politisch, wirtschaftlich und auch kulturell.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir müssen allerdings feststellen, dass die Brexit-Verhandlungen, die seit dem Juni 2017 geführt werden, bisweilen schwierig verlaufen. Der Chefunterhändler der EU, Michel Barnier, schätzt zwar, dass mittlerweile über 90 % des Textes für das Austrittsabkommen stehen. Nach wie vor ist aber in einer zentralen Frage noch kein Durchbruch gelungen, nämlich in der Frage der Zukunft der Grenze zwischen Irland und Nordirland. Hierbei geht es auch um den Erhalt des Karfreitagsabkommens, das vor 20 Jahren die Gewalt auf der irischen Insel beendet hat. Europa bedeutet demnach Frieden - ganz konkret auf dieser Insel an dieser ehemaligen Grenze. Dementsprechend ist Europa bzw. die Europäische Union zu Recht Trägerin des Friedensnobelpreises 2012.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, Frau Ministerin Honé hat bereits Anfang Oktober richtig angemerkt: Das Zeitfenster für ein Brexit-Abkommen schließt sich bald. Die Zeit drängt! Wir brauchen jetzt Bewegung - vor allem auf britischer Seite. Denn wenn jemand keinen Plan hat, dann ist es die britische Regierung.

(Zustimmung bei der SPD)

Gelingt dies nicht, käme es am 29. März 2019, 23 Uhr, zu einem sogenannten harten Brexit, und alle EU-Verträge fänden keine Anwendung mehr auf Großbritannien. Verantwortungsvoll und vorausschauend müssen wir insbesondere als Niedersachsen auf alle Szenarien vorbereitet sein; denn die Auswirkungen eines ungeregelten Brexits wären für uns und unsere Wirtschaft erheblich. Das Vereinigte Königreich als zweitwichtigstes Exportland ist für uns als Agrar- und Automobilland von besonderer Bedeutung, selbst wenn sich unsere Unternehmen bereits vielfach auf die drohende Situation eingestellt haben und beginnen, ihre Produktionswege neu zu organisieren, wie Handelsstatistiken nahe legen.

Der federführende Ausschuss hat sich seit Anfang dieser Wahlperiode eingehend mit der Brexit-Frage und den Auswirkungen auf unser Land beschäftigt. Mehrmalige Unterrichtungen durch die Landesregierung haben stattgefunden; eine ganztägige Anhörung zu den Auswirkungen des Brexits ist durchgeführt worden, und ein erster Entschließungsantrag zu den Auswirkungen auf unsere Hochseefischerei in Cuxhaven - ich schaue Richtung Cuxhaven; Herr Lottke, Herr Santjer - ist eingebracht worden. Denn durch den Brexit droht der Verlust von Fanggebieten für die Hochseefischerei in der Nordsee.

Wir haben daher sehr wohl feststellen können, dass unsere Landesregierung hierzu richtig gut aufgestellt ist. Bei der jüngsten Einbringung des Haushaltsplanentwurfes durch die Ministerin ist dies in genau diesem Zusammenhang von den Vertretern der Opposition ausdrücklich gelobt worden. Daher verstehe ich die grundsätzliche Stoßrichtung dieser Aktuellen Stunde nicht.

Ich nenne einige Beispiele - die Ministerin kann das sicherlich vervollständigen -: Niedersachsen stellt einen von zwei Bundesratsbeauftragten, die an Sitzungen der Ratsarbeitsgruppe teilnehmen. Der Informationsfluss ist gewährleistet. Seit Juli 2017 finden zudem regelmäßige Sitzungen der von Niedersachsen initiierten inoffiziellen BundLänder-AG „Brexit“ in Berlin statt, deren Vorsitz Niedersachsen bis Ende Juni innehatte. Es ist ein Runder Tisch für die regionalen Akteure in Niedersachsen eingerichtet worden, und es gibt zahlreiche Informationsangebote.

Intern hat man sich sowohl auf den geregelten wie auch auf den ungeregelten Brexit eingestellt; denn beide Szenarien sind weiterhin möglich. Für den

Fall eines geregelten Brexits hat Niedersachsen als erstes Bundesland ein umfangreiches Normenscreening durchgeführt, und in einem Pressegespräch wurde ein niedersächsisches BrexitÜbergangsgesetz angekündigt. Im Fall eines ungeregelten Brexit wäre das Vereinigte Königreich ein Drittland. Auch hier wird Niedersachsen sicherlich in enger Abstimmung mit EU-Kommission und Bundesebene Notfallpläne im Bereich der Zollkontrolle, des Flugverkehrs, der Lieferkettensicherheit und der Prüfanforderungen entwickeln, obwohl auch hier die Hauptlast der Rechtsanpassungen beim Bund und bei der EU liegen. Das sind nur einige Beispiele.

Abschließend komme ich auf die Frage der Aktuellen Stunde zurück: „Der Brexit und die Folgen für Niedersachsen - Landesregierung ohne Plan?“ Herr Oetjen, im Gegenteil!

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Diese Landesregierung und diese Ministerin haben einen Plan. Und genau das sollten Sie bei der Anmeldung Ihrer nächsten Aktuellen Stunde beherzigen.

Danke sehr.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Pantazis. - Nun hat das Wort für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Herr Kollege Pancescu. Bitte!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP! Ich bin sehr überrascht über das, was Sie, Herr Oetjen, als bekennender Europäer uns gerade vorgetragen haben.

Seien Sie bitte nicht unfair gegenüber der Niedersächsischen Landesregierung, besonders nicht gegenüber dem Ministerpräsidenten Stephan Weil!

(Zustimmung bei der SPD)

Er ist heute nicht da, aber er kriegt das alles mit.

Der Ministerpräsident verfügt über hervorragende Beziehungen zu Großbritannien. Ein Blick auf die Homepage der Staatskanzlei unter der Rubrik „Fotogalerie“ zeigt einen im royalblauen Anzug perfekt gekleideten Stephan Weil und die Queen bei einem ihrer letzten Besuche in Niedersachsen.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Ach!)

Der Ministerpräsident hat in dieser heißen Phase vor dem Brexit, in diesem wichtigen Sommer für Europa vieles geleistet: Er war auf Geisterjagd mit den Ghostbusters im Heide Park; er ist gut gelaunt im Wing Coaster mit den Dämonen geflogen; er hat Hintergrundgespräche mit den Soltauer Piraten Captain Morgan und Admiral Lafitte geführt; er hat sich bei einer Teezeremonie in Ostfriesland entspannt, und er hat seine Englischkenntnisse bei seinen Reisen in Südafrika und Kanada verbessert.

Aber ich frage mich, und ich frage Sie, Herr Weil: Wie oft haben Sie in diesem Jahr Theresa May, die britische Regierungschefin, in London besucht? Wie oft haben Sie mit ihr über das Thema Brexit persönlich telefoniert?

Liebe Kolleginnen und Kollegen, hier gilt keine Ausrede, wie: „Frau May kriegt man gar nicht zu sprechen“. Sie, Herr Weil, haben neulich sogar ohne Probleme eine Audienz beim Papst bekommen, und der ist meiner bescheidenen Meinung nach viel beschäftigter als Theresa May.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der FDP - Jörg Bode [FDP]: Genau!)

Die gleiche Frage gilt selbstverständlich auch für den stellvertretenden Ministerpräsidenten und Wirtschaftsgladiator Bernd Althusmann.

(Heiterkeit bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Sehr geehrte Damen und Herren, die kulturellen, wirtschaftlichen und zwischenmenschlichen Verbindungen mit dem Vereinigten Königreich sind sehr vielfältig und eng. Wir brauchen unverzüglich Brexit-Masterpläne für Niedersachsen. Inoffizielle Bund-Länder-Arbeitsgemeinschaften reichen nicht aus.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Zum Thema Brexit und Fischerei: Ich hatte Sie schon im Frühjahr im Rahmen des Europaausschusses aufgefordert, sehr geschätzter und leider abwesender Herr Ministerpräsident, sich darum zu kümmern. Ich habe Sie aufgefordert, die Fischerei gleich zu gewichten wie die Autoindustrie in Niedersachsen.

Zum Thema kleine Fische, zu den Krabben, wurde - das muss ich zugeben - etwas unternommen, aber die großen Fische sind auch sehr wichtig.

Herr Ministerpräsident, ich fordere Sie auf: Butter bei die Fische! Herr Ministerpräsident, machen Sie den Hering und die Makrele zur Chefsache!

Sehr geehrte Damen und Herren, es gibt sehr viele Möglichkeiten und Lösungen für Niedersachsen, dem Brexit entgegenzutreten. Bilden Sie eine Taskforce Brexit, und leiten Sie sie persönlich, Herr Weil - oder Sie, Herr Althusmann! Machen Sie sich Gedanken über einen Notfonds Brexit! Ringen Sie für uns, für Niedersachsen, um zusätzliche Finanzmittel aus Brüssel.

Eine weitere Möglichkeit ist - wie in NRW - die Gründung einer Enquetekommission. NRW handelt aktiv, um sich auf den Brexit vorzubereiten.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Auf den Vorschlag der Grünen in NRW hat der Landtag gemeinsam mit allen Fraktionen die Einsetzung dieser Kommission beschlossen. - Auch wir werden diesbezüglich einen Antrag auf dem Weg bringen. - Sie soll in Bereichen, die vom Brexit betroffen sind - wie Wirtschaft, Verbraucherschutz, Wissenschaft, Kultur -, rechtliche Fragestellungen schnell bearbeiten und Lösungen entwickeln.