Wir haben Erfolg in einer bestimmten Ausrichtung, nämlich in den MINT-Fächern, also im technischen Bereich. Das ist eine Strategie. Aber ich glaube, wir müssen noch viel stärker auch an die kleinen Fächer denken; denn Vielfalt und Interdisziplinarität sind mehr als die Zusammenarbeit in einem Team in den MINT-Fächern. Wir brauchen die Zusammenarbeit von Natur- und Geisteswissenschaften; denn alles, was im Bereich der Naturwissenschaften entwickelt wird, was eventuell auch mal marktreif wird, müssen die Menschen nutzen können. Die Menschen müssen verstehen, was dort gemacht wird, und das muss kommuniziert werden. Dafür sind die Geisteswissenschaften sicherlich wichtig, dies auch unter soziologischen Gesichtspunkten anzuschauen.
Forschung im Elfenbeinturm ist out! Das gilt auch für Harvard und Oxford. Deshalb ist es wichtig, die Menschen in Niedersachsen mitzunehmen. Vor allen Dingen darf eines nicht passieren - trotz all der Freude über diesen großen Erfolg und den großen Geldsegen, den die Universitäten und Cluster jetzt eingeworben haben -: Es darf keine Wettbewerbsverzerrung in der Wissenschaftslandschaft in Niedersachsen geben. Unis ohne Cluster dürfen nicht benachteiligt werden. Das muss unser vorderstes Ziel sein.
Vielen Dank, Frau Kollegin Viehoff. - Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor, sodass die Behandlung der Anfrage der CDU damit beendet ist.
b) Strafrechtliche Aufarbeitung der Fälle sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche - Anfrage der Fraktion der FDP - Drs. 18/1854
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auf der Deutschen Bischofskonferenz in Fulda im September 2018 stellte die katholische Kirche die Ergebnisse einer bundesweiten Studie zu sexuellem Missbrauch durch Geistliche vor. Die Studie wurde anschließend auf den Seiten der Deutschen Bischofskonferenz zum elektronischen Abruf bereitgestellt. Aus Niedersachsen sind Fälle in den Bistümern Hildesheim, Osnabrück und Münster zum Gegenstand der Studie geworden.
Unterteilt in mehrere Teilstudien, wertet die Untersuchung u. a. die Informations- und Datenlage in den deutschen Diözesen - anonymisiert -, Interviews mit Betroffenen und Beschuldigten sowie bereits strafrechtlich verfolgte Sachverhalte aus. Auf Seite 5 der Studie wird ausgeführt:
„Im Rahmen des Forschungsprojektes wurden Personal- und Handakten von 38 156 Klerikern der 27 Diözesen aus den Jahren 1946 bis 2014 durchgesehen (TP6). Dabei fanden sich bei 1 670 Klerikern der katholischen Kirche Hinweise auf Beschuldigungen des sexuellen Missbrauchs Minderjähriger. … Den 1 670 beschuldigten Klerikern konnten nach den Personal- und Handakten insgesamt 3 677 Kinder und Jugendliche als von sexuellem Missbrauch betroffen zugeordnet werden.“
In einem Interview der HAZ vom 5. Oktober 2018 wird Justizministerin Havliza mit der Aussage zitiert:
Einen Moment, bitte, Herr Kollege Dr. Birkner! Es gibt eine sehr große Unruhe im Plenarsaal. Ich bitte um etwas mehr Ruhe hier. - Bitte fahren Sie jetzt fort!
Auf eine Kleine Anfrage zur kurzfristigen schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 2 GO LT, welche Maßnahmen von den Staatsanwaltschaften im Zusammenhang mit der Berichterstattung hinsichtlich der öffentlich mitgeteilten, aber nicht an die Staatsanwaltschaft weitergeleiteten Fälle ergriffen wurden, antwortete die Landesregierung am 16. Oktober 2018, dass nach übereinstimmender Einschätzung aller niedersächsischen Generalstaatsanwaltschaften keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für das Vorliegen einer verfolgbaren Straftat einer konkreten Person gegeben seien, sodass mangels notwendigen Anfangsverdachts auch keine Ermittlungsverfahren eingeleitet oder geführt werden konnten.
1. Teilt die Landesregierung die Auffassung der drei niedersächsischen Generalstaatsanwaltschaften, dass trotz der in den Diözesen aktenkundlichen bzw. anderweitig bekannten Fälle sexuellen Missbrauchs in keinem Fall ein Anfangsverdacht vorliege, der weitere Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörden nach dem Legalitätsprinzip erfordern würde, und gegebenenfalls warum?
2. Was wird die Landesregierung aufgrund der Erkenntnisse der Studie „Sexueller Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz“ zur politischen bzw. strafrechtlichen Aufarbeitung veranlassen?
3. Kommt es nach Auffassung der Landesregierung auf die von Ministerin Havliza erwartete „gute und konstruktive Zusammenarbeit“ der Bistümer mit der Justiz für die strafrechtliche Aufarbeitung der Studie an, und gegebenenfalls aus welchen Gründen?
Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Birkner. - Für die Landesregierung antwortet Frau Justizministerin Havliza. Bitte!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die anlässlich der Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz vom 27. September 2018 veröffentlichte Studie „Sexueller Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz“ ist in der Öffentlichkeit und in den Medien zu Recht auf große Resonanz gestoßen.
Die im Internet von jedermann abrufbare Studie bezieht sich auf den Untersuchungszeitraum in den Jahren 1946 bis 2014. Das Ergebnis der Studie macht betroffen, und es macht auch mich sehr betroffen. Bei 1 670 Klerikern der katholischen Kirche wurden laut Studie Hinweise auf sexuellen Missbrauch von Minderjährigen gefunden, und zwar sollen bundesweit 3 677 Minderjährige missbraucht worden sein.
Eines möchte ich auch hier mit aller Deutlichkeit sagen. Betroffenheit allein reicht als Reaktion auf die Studie natürlich nicht aus. Das habe ich mit meinen Generalstaatsanwälten seit Erscheinen der Studie auch genau so gesehen.
Daher habe ich bereits kurz nach Veröffentlichung der Studie eine umfassende Aufklärung der im Raum stehenden Vorwürfe durch die Ermittlungsbehörden sowie eine konstruktive Mitarbeit durch die Kirche gefordert. Dann stellt sich die Frage: Wie kann eine solche Aufklärung nach Recht und Gesetz vonstattengehen?
Meine Damen und Herren, zunächst habe ich bereits unmittelbar nach Veröffentlichung der Studie eine Abfrage bei den niedersächsischen Staatsanwaltschaften veranlasst, um nähere Erkenntnisse über bereits anhängige Verfahren zu erhalten, die im Zusammenhang mit dieser besagten Studie stehen - also nicht zu den Verfahren, die ohnehin bereits wegen solcher Vorwürfe geführt worden sind. Darauf haben die drei niedersächsischen Generalstaatsanwaltschaften, wie Herr Dr. Birkner zu Recht ausgeführt hat, zunächst mitgeteilt, dass nach Einschätzung der ihnen jeweils nachgeordneten Staatsanwaltschaften die durch die Studie bisher öffentlich bekannt gewordenen Fälle im Ausgangspunkt zu wenig konkret sind, um zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer verfolgbaren konkreten Straftat einer konkreten Person mit einem konkreten Tatort zu begründen.
Ein strafprozessualer Anfangsverdacht ist jedoch unabdingbare Voraussetzung für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen einen Beschuldigten. Ob ein Anfangsverdacht bejaht werden kann, unterliegt bis heute - und immer weiter - der fortlaufenden tatsächlichen und rechtlichen Prüfung durch die Staatsanwaltschaften. Dementsprechend prüfen die Staatsanwaltschaften in Abstimmung mit den Generalstaatsanwaltschaften in Niedersachsen, und dies tun sie fortlaufend seit Erscheinen der Studie Ende September 2018 bis heute und darüber hinaus. Ich möchte an der Stelle betonen: Heute haben wir den 26. Oktober 2018; es wird also seit noch nicht einmal einem Monat geprüft.
Diese Studie umfasst 356 Seiten und muss sorgfältig auf die Frage eines möglichen Anfangsverdachts und auf Ermittlungsansätze ausgewertet werden. Die Studie umfasst im Wesentlichen den Zeitraum von 1946 bis 2014; teilweise geht sie in den Ausführungen sogar bis 1931 zurück - und das für die gesamte Bundesrepublik. Sie nennt weder Namen von möglichen Tätern oder Opfern noch konkrete Tatorte - also genau das nicht, was zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen eine Person erforderlich ist.
Die Auswertung der Informationen dauert an. Nach der zum Stichtag heute mitgeteilten Einschätzung der Staatsanwaltschaften kann möglicherweise über die Befragung bzw. Vernehmung der an der Studie beteiligten Wissenschaftler ein Zugang zu konkreten Informationen gewonnen werden. Verfahren gegen Unbekannt würden also eingeleitet. Eines muss man allerdings wissen: Auch den Wissenschaftlern lag das Informations- und Aktenmaterial nur in anonymisierter und bearbeiteter Form vor.
Anhand der von den Wissenschaftlern erhaltenen Unterlagen und Auskünfte ließe sich dann bewerten, ob abstrakt beschriebene Taten - wie sie in der Studie vorkommen - strafrechtlich relevant wären und noch verfolgt werden können. Ich nenne hier nur einmal die Stichworte Versterben der möglichen Beschuldigten, Verjährung usw. Allerdings - auch das will ich als Tätigkeit der Landesregierung insoweit betonen -: Nach gegenwärtigem Stand werden die Bistümer die Akten der Justiz übergeben. Das ist eine Reaktion auf unsere Abfragen und die Einladung für den 16. November.
Grundsätzlich will ich dazu Folgendes sagen: In unserem demokratischen Rechtsstaat sind staatsanwaltschaftliche Ermittlungen an gesetzliche Vo
raussetzungen geknüpft. Nach § 152 Abs. 2 der Strafprozessordnung haben die Staatsanwaltschaften bei Kenntnis zureichender tatsächlicher Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Straftat ein Ermittlungsverfahren von Amts wegen einzuleiten. Mit gutem Grund: Zum Ausschluss willkürlicher Ermittlungshandlungen dürfen diese nur bei Vorliegen entsprechender Anhaltspunkte vorgenommen werden.
Das Herausfiltern derartiger möglicher Anhaltspunkte wird von den Staatsanwaltschaften derzeit und fortlaufend geprüft. Nur in solchen Fällen kommen dann Ermittlungsmaßnahmen und dann grundsätzlich auch Eingriffsmaßnahmen wie etwa Durchsuchungen o. Ä. in Betracht. An eine Durchsuchung sind aus Gründen der Verhältnismäßigkeit immer hohe Anforderungen zu stellen. Das Bundesverfassungsgericht hat dazu schon vor vielen Jahren entschieden, dass es gerade nicht zulässig ist, eine Durchsuchung dafür zu nutzen, überhaupt erst die Tatsachen zu ermitteln, die für die Begründung eines Anfangsverdachts notwendig sind. Die Staatsanwaltschaft darf also nicht einfach losgehen und irgendwo in den Bistümern durchsuchen in der vagen Hoffnung, man werde schon etwas finden, was einen Verdacht gegen eine noch unbestimmte Person begründen wird. Dies gilt in besonderem Maße, wenn die Durchsuchung bei einem selbst nicht tatverdächtigen Dritten - hier ist das die Institution Kirche - stattfinden soll.
Die Strafprozessordnung - genau: § 103 StPO - macht Durchsuchungen bei Unbeteiligten von zusätzlichen Voraussetzungen abhängig. Die katholischen Bistümer, in deren Archiven strafverfolgungsrelevante Informationen sein könnten, sind - auch das möchte ich hier betonen - insoweit solche Unbeteiligte.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, für mich stand und steht außer Frage, dass auch ich angesichts dieser Situation die Hände nicht in den Schoß legen darf und das auch nicht tun werde. Genau deshalb habe ich sofort nach Erscheinen der Studie meine Erwartung formuliert - Herr Dr. Birkner hat sie gerade zitiert -, dass die katholischen Bistümer den Staatsanwaltschaften alle Sachverhalte mitteilen, die Anlass zu einer strafrechtlichen Klärung geben könnten, und vorhandene Dokumente zur Verfügung stellen. Dann können die Staatsanwaltschaften, welchen allein und ausschließlich - das möchte ich hier betonen - die strafrechtlichen Ermittlungen obliegen, ihre
Diese Erwartung gegenüber der Kirche werde ich als Landesministerin jedenfalls für Niedersachsen auch weiterhin mit Nachdruck verfolgen.
Ich habe deshalb bereits Anfang der vergangenen Woche die Bischöfe der in Niedersachsen gelegenen Bistümer zu einem persönlichen Gespräch eingeladen. Alle haben die Einladung angenommen, sie werden also alle kommen. In diesem Gespräch werde ich meine Position sehr deutlich zum Ausdruck bringen und mit den Kirchenvertretern klären, wie eine Einsichtnahme in die dort vorliegenden Unterlagen auch sozusagen technisch erfolgen kann.
Zu Frage 1: Die niedersächsischen Generalstaatsanwaltschaften haben auf die Abfrage meines Hauses gleich nach Erscheinen der Studie mitgeteilt, dass zum Zeitpunkt ihrer Antworten weder der öffentlich zugänglichen Studie noch sonstigen vorliegenden Erkenntnisquellen zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer konkreten verfolgbaren Straftat einer bestimmten Person entnommen werden konnten. Die Untersuchungen dazu dauern weiter an. Den derzeitigen Stand habe ich gerade geschildert.
Zu Frage 2: Wie bereits ausgeführt, habe ich mein Haus zeitnah nach Veröffentlichung der Studie gebeten, eine Abfrage bei den niedersächsischen Staatsanwaltschaften vorzunehmen, um Erkenntnisse zu Verfahren im Zusammenhang mit der Studie zu erhalten. Die bisherigen strafprozessualen Zwischenergebnisse habe ich Ihnen in meinen vorangestellten Ausführungen mitgeteilt. Daran können Sie sehen, es ist ein dynamischer Prozess.
Gegenüber der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung habe ich Anfang Oktober 2018 zudem meine politische und auch moralische Forderung an die Bistümer zum Ausdruck gebracht. Dabei habe ich klargestellt, dass die Ermittlung und Aufklärung der im Raum stehenden Vorwürfe originäre Aufgabe allein der Justiz und nicht der Kirche ist. Diese Ermöglichung der juristischen Aufarbeitung werde ich weiter vorantreiben. Im Rahmen des bereits erwähnten Gesprächs mit den Kirchenvertretern werde ich mich auch vehement dafür einsetzen,
Zu Frage 3: Allein aufgrund der vorliegenden, öffentlich verfügbaren Informationen zu den in der Studie angesprochenen Verdachtsfällen wurde im Rahmen der Abfrage meines Hauses seitens der Staatsanwaltschaften bis dahin noch kein Anfangsverdacht einer konkreten Straftat bejaht. Daher waren bisher weitergehende Ermittlungsmaßnahmen wie etwa Durchsuchungen o. Ä. bislang rechtlich ausgeschlossen.
Ein konkreter Anfangsverdacht kann sich jederzeit natürlich auch dadurch ergeben, dass sich ein Opfer an die Staatsanwaltschaft wendet und Angaben macht, ein Täter ein Geständnis ablegt oder wenn die Bistümer die relevanten Dokumente, insbesondere Personalakten, vorlegen.
Eines will ich abschließend noch sagen: Wir dürfen bei alldem bitte die Opfer nicht aus dem Blick verlieren.