Mit „Opfer nicht aus dem Blick verlieren“ meine ich, dass es möglicherweise - es gibt dafür nicht unerhebliche Anhaltspunkte - ein Großteil an Opfern gibt, die mit diesen lange zurückliegenden Erlebnissen abgeschlossen haben, und dass es dabei auch bleiben soll. Die wollen damit nichts mehr zu tun haben. Es wird eine ganz sensible Gratwanderung, wie man mit solchen Einstellungen wird umgehen müssen; denn die Frage des Aussageverweigerungsrechts stellt sich bei Nichtverwandten dann nicht.
Vielen Dank, Frau Ministerin. - Die erste Zusatzfrage für die CDU-Fraktion stellt der Abgeordnete Scharrelmann.
Frau Präsidentin! Ich frage die Landesregierung, ob es im Zusammenhang mit sexuellem Missbrauch bereits Verfahren gegeben hat.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Scharrelmann, natürlich hat es in der Vergangenheit immer schon Verfahren gegen Kirchenleute, also Kleriker, wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern gegeben. Auf die Abfrage, die Herr Dr. Birkner im Rahmen der Kleinen Anfrage zunächst gestellt hatte, war zunächst aufgelistet worden, dass es Verfahren bei den Staatsanwaltschaften Oldenburg und Göttingen gegeben hat, die, glaube ich, mittlerweile abgeschlossen sind. Auch ich persönlich habe in der Vergangenheit als Vorsitzende einer Jugendschutzkammer wegen dieses Vorwurfs zwei Verfahren gegen Geistliche geführt. Diese sind auch zu Haftstrafen verurteilt worden.
Insofern hat es so etwas immer gegeben. Es ist immer die Frage, ob es bestimmte Personen gibt, die man anklagen kann.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Ministerin, ich bedauere, dass ich meine erste Zusatzfrage darauf verwenden muss - weil wir nur zwei Zusatzfragen haben -, Sie um die Beantwortung der Frage 1 unserer schriftlich eingereichten Frage zu bitten. Denn sie bezieht sich auf die Haltung der Landesregierung zu der Frage, ob ein Anfangsverdacht besteht oder nicht. Wie die Generalstaatsanwaltschaften das sehen, wissen wir. Wir wollen wissen: Teilt die Landesregierung die Auffassung der drei Generalstaatsanwaltschaften, dass kein Anfangsverdacht vorliegt?
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Dr. Birkner, die Landesregierung hatte zum Zeitpunkt Ihrer Abfrage, als Sie diese Kleine Anfrage gestellt haben, keinen Zweifel an der Einschätzung der Generalstaatsanwaltschaften, dass es zu diesem Zeitpunkt keinen konkreten Anfangsverdacht gegeben hat.
(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Die Frage 1 lautet: Teilt die Landesregierung die Auffassung der Generalstaatsanwalt- schaften? - Zuruf von Christian Grascha [FDP] - Anja Piel [GRÜNE]: Zum heutigen Zeitpunkt!)
- Genau, ich bin gerade dabei. Bis zu dem Zeitpunkt hat es keinen konkreten Anfangsverdacht gegeben. An dieser Einschätzung habe ich keinen Zweifel.
Ich habe Ihnen die Auffassung der Generalstaatsanwaltschaften, der Staatsanwaltschaften und auch der Landesregierung mitgeteilt, dass die fortlaufende Auswertung der Studie durchaus dazu führen kann, dass man - möglicherweise über die Vernehmung von Zeugen, also etwa der Wissenschaftler, die die Studie verfasst haben, oder aber durch Einsicht in die Personalakten - Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt wird einleiten können, um dann zu gucken, ob man es nicht auch konkretisieren kann.
Ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt einzuleiten, heißt, dass ich den Anfangsverdacht einer Straftat habe, aber noch nicht gegen eine bestimmte Person. Wenn Sie fragen, ob ich im Moment die Auffassung der Generalstaatsanwaltschaften dahin gehend teile, ob es einen bestimmten Anfangsverdacht gegen eine bestimmte Person gibt: Nein, ich habe keine Namen - und die Staatsanwaltschaften auch noch nicht. Deswegen kann ich das bislang allenfalls auf Prüfvorgänge beschränken bzw. auf Verfahren gegen Unbekannt, die sich aus den weiteren Prüfungen ergeben werden und sich hoffentlich mit Beweismitteln weiter konkretisieren werden.
Mehr kann ich dazu derzeit noch nicht sagen. Das ist der derzeitige Stand. Sie dürfen bitte auch nicht vergessen, dass die Studie erst seit dem 27. September dieses Jahres offenliegt. Es wird geprüft, ja.
Vielen Dank, Frau Ministerin. - Es folgt für die SPD-Fraktion mit der ersten Zusatzfrage der Abgeordnete Zinke. Bitte!
Frau Präsidentin, herzlichen Dank. - Vor dem Hintergrund der hier gemachten Vorwürfe und der Ausführungen der Ministerin hinsichtlich ihrer Aufforderung frage ich die Landesregierung: Hat es auch in anderen Bundesländern irgendwelche Aufforderungen gegeben? Hat es also beispielsweise im Bundesland Bayern Aufforderungen - auch der Staatsanwaltschaft - gegeben, Akten herauszugeben?
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Meines Wissens hat es in keinem anderen Bundesland bislang irgendwelche über unsere Maßnahmen hinausgehenden Maßnahmen gegeben. Die Bayern sind nach meinem Kenntnisstand einen anderen Weg gegangen. Die Generalstaatsanwaltschaften haben dort wie hier zunächst gesagt: Wir haben keinen Anfangsverdacht und keine zureichenden Tatsachen. - Quasi als Ersatz für das, was ich mit der Einladung an die Bischöfe gemacht habe, haben dort die Generalstaatsanwaltschaften die Bistümer angeschrieben und gebeten, ob man ihnen eventuell Einblick in die Akten gewähren würde. Das ist im Sinne einer Bitte. Auch dort wird im Moment also nicht mehr Möglichkeit gesehen.
Vielen Dank, Frau Ministerin. - Die zweite Zusatzfrage für die CDU-Fraktion stellt Frau Kollegin Dr. Niewerth-Baumann. Bitte!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Ministerin, warum gestaltet sich eine Durchsuchung bei den Bistümern eigentlich so schwierig?
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe vorhin in meiner Rede schon angefangen, das auszuführen. Die Institution Kirche mit den Bistümern ist im Sinne
der Strafprozessordnung Dritter. Die Kirche ist ja nicht der Beschuldigte, sondern der einzelne mögliche Täter wäre der Beschuldigte. Bei Dritten Durchsuchungen vorzunehmen, unterliegt besonders engen Voraussetzungen, weil Durchsuchungen sich immer als schwerwiegender Grundrechtseingriff darstellen, für den man ganz enge Voraussetzungen prüfen muss. Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben, solange man den konkreten Anfangsverdacht noch nicht bejaht hat.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Ministerin, vor dem Hintergrund, dass im Rahmen der Causa VW ein Verfahren der Staatsanwaltschaften eingeleitet wurde aufgrund der Mitteilung von VW, dass es bei den CO2-Angaben zu den Kraftfahrzeugen zu Unregelmäßigkeiten gekommen ist - ein Bericht von VW führte damals also dazu, dass die Staatsanwaltschaften einen AR-Vorgang angelegt und dann in diesem Verfahren ermittelt haben -, frage ich Sie, warum bei diesem ja von der Sache her vergleichbaren Sachverhalt im Rahmen der katholischen Kirche Sie sich als Ministerin mit in diese Verfahren einmischen und Gespräche führen - während das bei dieser VW-Geschichte damals ganz normal die Staatsanwaltschaften gemacht haben. Also: Warum mischt sich bei einer Institution eine Ministerin ein und warum bei der anderen Institution nicht?
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Dr. Birkner, als die Causa VW damals losging, war ich noch nicht Ministerin. - Das ist das Erste.
Das Zweite ist: Bei VW gab es einen konkreten Sachverhalt mit einer bestimmten Firma. Der Vorwurf der Manipulation stand da ja im Raum.
Das Dritte ist - das will ich hier einmal ganz offen sagen; das sage ich mit tiefer Überzeugung -: Ich mische mich nicht ein.
Ich versuche auf der politischen Ebene, auf möglichst kleinem Weg den größtmöglichen Erfolg im Sinne einer Aufklärung zu erzielen, damit die Staatsanwaltschaften gut arbeiten können und die Akten zur Verfügung gestellt bekommen. Warum? - Weil ich zutiefst davon überzeugt bin, dass die Justiz hier aufzuklären hat; denn es handelt sich um Offizialdelikte, die man aufklären muss. Das ist einfach meine Überzeugung.
Im Übrigen möchte ich einmal darauf hinweisen, dass nach meinem Kenntnisstand ich die einzige Landesministerin bin und Niedersachsen das einzige Land ist, das in dieser Art und Weise derzeit vorgeht. Die anderen Bundesländer machen nach meinem Kenntnisstand überhaupt nichts.
(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Die Gene- ralstaatsanwaltschaft Bayern ermittelt im Vorverfahren! Da passiert ja nicht nichts!)
Vielen Dank, Frau Ministerin. - Jetzt folgt Herr Kollege Helge Limburg mit der ersten Zusatzfrage für Bündnis 90/Die Grünen. Bitte!