Die Bundesregierung möchte gerne, dass wir der Meinung sind, dieser Global Compact sei ein eher harmloser völkerrechtlicher Vertrag, der zum einen überhaupt keine Rechtsbindung entfalte und zum anderen doch einer guten Sache diene.
Beides, meine Damen und Herren, ist bei genauerer Betrachtung falsch. Rechtsbindung bedeutet bei einem Gesetz, dass bei allen Entscheidungen von Gerichten und Behörden dieses Gesetz nicht gebrochen werden darf, dass es berücksichtigt werden muss. Ein völkerrechtlicher Vertrag hat nicht dieselbe direkte Bindungswirkung. Er wird aber - und das ist der Punkt, an dem Medien und Bundesregierung uns hier hinters Licht führen wollen - trotzdem wirksam.
Ich will Ihnen nicht das gesamte System der Juristerei erklären, aber in unserem Rechtssystem sitzt ein Richter oft genug da und muss eine Entscheidung treffen, auch in Fällen, die nicht eindeutig sind. Dazu sammelt er Kriterien für die eine oder andere Entscheidung und legt die Argumente in eine Waagschale.
Einen Moment, bitte, Herr Kollege Wichmann! Entschuldigung, dass ich Sie unterbreche. - Ich darf um etwas mehr Ruhe im Plenarsaal bitten. Ich bitte, insbesondere die Gespräche, die am Rande des Plenarsaals geführt werden, einzustellen. Wir werden erst fortfahren, wenn Ruhe eingekehrt ist. - Vielen Dank.
Dieser Vertrag, meine Damen und Herren, ist ein solches Kriterium. Er wird in eine Waagschale gelegt werden, er wird Entscheidungen beeinflussen - und dadurch wird er rechtswirksam. Alles andere sind Märchen, die sich gut anhören und die doch nichts anderes sind als wieder einmal der Versuch, unser Land ohne jede Diskussion immer
Wenn Sie wirklich der Meinung sind, völkerrechtliche Verträge - und speziell dieser - entfalteten keine Rechtsbindung, dann schauen Sie sich doch erst einmal andere völkerrechtliche Verträge an. Ist die Genfer Konvention für uns nicht bindend? Ist der Atomwaffensperrvertrag für uns nicht bindend? Der EU-Vertrag? Die Europäische Menschenrechtskonvention? Alles nicht bindend? - Das sind alles völkerrechtliche Verträge. Meine Damen und Herren, machen Sie sich nichts vor und den Leuten bitte auch nicht! Bleiben Sie bei der Wahrheit und verstecken Sie nichts!
Schauen wir doch einmal in den Vertrag! Es ist zwar immer wieder die Rede von „freiwillig“ und „nicht rechtsverbindlich“ usw. Deswegen ändert sich aber doch die deutsche Juristerei nicht. Dieser Vertrag ist eine Selbstverpflichtung, und er wird natürlich als solche bei Entscheidungen Wirksamkeit entfalten. Herr Birkner, das wissen Sie ganz genau.
Da ist plötzlich in dem Vertrag von „resettlement“ die Rede, übersetzt heißt das „Umsiedlung“. Umgesiedelt werden aber - jedenfalls nach deutschem Sprachgebrauch - nicht Flüchtlinge. Wie kann man etwas unterschreiben, das so uneindeutig ist?
In Punkt 8 des Vertrages ist die Rede davon, dass Migration eine Quelle von Wohlstand, Innovation und nachhaltiger Entwicklung sei. Punkt! Negative Folgen werden nicht erwähnt. Wer das unterschreibt, legt sich also fest, dass Migration immer etwas Gutes sei. Ich erinnere noch einmal an die Waagschale. Aber es hat keine Rechtswirkung?
In Punkt 10 heißt es: Die Unterzeichner wollen sicherstellen, dass über Vorteile und Herausforderungen von Migration in den Unterzeichnerstaaten informiert werden soll, mit dem Ziel, negative Einstellungen zur Migration zu verhindern.
So geht es in einem fort, immer mit dem Tenor: Migration ist prima, Migration ist erwünscht! Und eine Unterscheidung zwischen Wohlstandsmigranten und Flüchtlingen findet man auch nicht mehr. Meine Damen und Herren, dieser Pakt hätte auch eine Völkerwanderung als positiv dargestellt. Selbst wenn in diesem Pakt positive, wünschenswerte Ziele enthalten sind, gehen sie in dieser permanenten Litanei „Migration ist gut“ selbstverschuldet unter.
pflichtung einbaut, dass nur diese Sichtweise in den Unterzeichnerstaaten zu verbreiten sei, gibt den Unterzeichnerstaaten einen Auftrag an die Hand, Gehirnwäsche zu betreiben, bei seinem eigenen Volk darauf hinzuwirken, dass es keine abweichende Meinung in dieser Frage geben darf.
Die Demokratie ist eine Gesellschaftsform, in der die Mindermeinung stets die Chance haben muss, zur Mehrheitsmeinung zu werden, ansonsten ist es keine Demokratie.
Wie kann ich dann in einem gesellschaftlich so wichtigen Punkt, Herr Siebels, den Staat darauf festlegen, nur noch eine Meinung haben zu dürfen? - Das ist doch Unfug!
Dieser Vertrag ist viel mehr als ein unverbindliches, gut gemeintes Etwas. Er engt das Spektrum erlaubter Meinungen ein. Er nimmt entgegen allen Behauptungen Einfluss auf den deutschen Rechtsstaat. In seiner derzeitigen Form ist er nur eines: Er ist nicht zu unterschreiben.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe selten so viel Falsches in so kurzer Zeit über das Völkerrecht gehört wie an dieser Stelle.
Herr Kollege Wichmann, die rechtliche Verbindlichkeit ist hier eindeutig nicht gegeben. Das müssten eigentlich auch Sie wissen. Sie entziehen eigentlich jeder sachlichen Debatte schon die Grundlage, weil Sie hier - vermutlich wider besseres Wissen - davon sprechen, das sei ein völkerrechtlicher Vertrag. Ich empfehle Ihnen einen Blick in die Wiener Vertragsrechtskonvention. Da kön
nen Sie dann sehen, was ein völkerrechtlicher Vertrag ist. Sie können es auch den Rechtsquellen des Völkerrechts, Artikel 38 des IGH-Statuts, entnehmen.
Was wir hier haben, ist in der Form übrigens auch nichts Neues. Im Umweltvölkerrecht finden Sie viele politische Erklärungen der Staatengemeinschaft, um ein neues Problem, das sich auf globaler Ebene ergibt, irgendwie anzugehen. Weil es 193 Akteure sind und weil die Staatengemeinschaft so vielfältig ist, kommt gerade bei neuen Herausforderungen vielfach erst einmal gar keine rechtliche Bindung zustande, weil man sagt, wir wollen erst einmal einen unverbindlichen Handlungsrahmen für Grundsätze definieren, um überhaupt eine Basis für eine Diskussion zu haben.
Das, was Sie hier finden, ist - das ist völlig unstreitig und eindeutig - in keiner Weise ein völkerrechtlicher Vertrag. Deshalb wird es auch kein Zustimmungsgesetz im Deutschen Bundestag dazu geben. Es liegt kein völkerrechtlicher Vertrag vor, und damit entsteht auch keine Rechtsbindung und keine Transformation in nationales Recht.
Was wir haben, ist eine Deklaration. So, wie die Beschlüsse der Generalversammlung der Vereinten Nationen einen unverbindlichen Charakter haben, so ist dies auch bei den Abschlussdokumenten dieser Konferenz, die hier als Pakt beschrieben sind, der Fall.
Wenn im englischen Originaltext des Vertrages, den Sie dann auch heranziehen müssen, von „committment“ die Rede ist, so sind das Dinge, die zunächst einmal eine politische Verbindlichkeit herbeiführen sollen. Also eine politische Bindungswirkung und eben keine rechtliche - und das ist ein entscheidender Unterschied.
Aber eigentlich ist das gar nicht das Entscheidende. - Nein, entscheidend ist es schon, weil es die Grundlage Ihrer gesamten Diskussion ist. Aber der ist schon komplett der Boden entzogen. Ich bin einigermaßen erschüttert, dass Sie hier so offen Falsches behaupten.
Sie werden keinen Völkerrechtler finden, der Ihre Meinung unterstützt. Da bin ich mir sehr, sehr sicher; denn es ist so eindeutig, wie es in der Juris
terei selten der Fall ist. Ich würde Ihnen empfehlen, mal eine völkerrechtliche Vorlesung zu hören oder sich wenigstens mal zu erinnern, was Sie da möglicherweise mal gehört haben. Es ist eben mit anderen völkerrechtlichen Verträgen, die Sie alle genannt haben und die unzweifelhaft Bindungswirkung haben, nicht zu vergleichen; denn das ist hier gerade nicht der Fall.
Aber lassen wir das alles einmal beiseite; denn das ist vielleicht gar nicht so entscheidend. Entscheidend ist vielmehr - wenn man einmal über die Inhalte spricht, um die es geht -, dass die Staatengemeinschaft mit über 190 Staaten erkannt hat: Migration, also die Bewegung von Menschen von einem Staat in einen anderen Staat, ist ein globales Phänomen, und dieses globale Phänomen wird sich auch in den nächsten Jahren und Jahrzehnten zeigen.
Deshalb ist es gerade richtig, sich im Hinblick auf die Probleme und die Herausforderungen, die mit Migration zusammenhängen, auf internationaler Ebene zusammenzufinden und zu versuchen, einen gemeinsamen Handlungsrahmen zu finden,
und dies eben in einem ersten Schritt in unverbindlicher Weise. Es ist ja nicht ausgeschlossen, dass man in der weiteren Debatte bei einzelnen Punkten später einmal sagt - im Umweltrecht war das nach Jahrzehnten -: Dazu machen wir noch mal einen Vertrag; denn das muss jetzt verbindlich geregelt werden. - Das ist jetzt also erst einmal der Auftakt dieser Diskussion.
Sie unterschlagen auch, dass man dort, weil man offensichtlich Menschen wie Sie im Blick hatte, eindrücklich davon spricht, dass die Souveränität der Staaten unangetastet bleibt. Es ist dort klar geregelt, dass es eben keine völkerrechtliche Verpflichtung ist. Das unterschlagen Sie alles.
Sie haben offensichtlich große Angst vor Migration. Übrigens stehen die FDP-Fraktion und die FDP insgesamt ganz klar dafür, dass wir ein Einwanderungsgesetz brauchen. In diesem Einwanderungsgesetz wollen wir unsere Rahmenbedingungen,
unsere Voraussetzungen für gewollte Migration definieren, weil wir auch ein Interesse daran haben, dass es in bestimmten Teilbereichen zu Migration kommt. Da scheinen Sie ja grundsätzlich Angst zu haben. Deshalb ist es auch richtig, dies auf internationaler Ebene anzusprechen.