Protokoll der Sitzung vom 15.11.2018

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen der FDP-Fraktion! Nun bringen Sie mich wirklich mal in die Bredouille. Ich spreche immer lieber über Zusammenhänge und Inhalte. Aber was soll ich sagen? - Es ist gerade erst fünf Monate her, dass wir hier im Plenum einen Antrag der Fraktionen der SPD und der CDU angenommen haben, und zwar mit den Stimmen aller anwesenden FDP-Abgeordneten.

Das war ja auch eine gute Sache. Ich kann verstehen, dass Sie da zugestimmt haben. Aber über Ihren Antrag muss ich mich wundern. Ich rufe kurz in Erinnerung: Im Antrag „Niedersächsische Wirtschaftsdüngerüberschüsse effizient managen - Entwicklung innovativer Maßnahmen beschleunigen und gesetzliche Rahmenbedingungen anpassen“ in der Drucksache 18/848 haben wir die Landesregierung neben anderen Punkten dazu aufgefordert, die Länderermächtigung gemäß § 13

Abs. 2 und 6 der Düngeverordnung zum Schutz unseres Grundwassers anzuwenden. Vielen Dank für Ihre Zustimmung!

Aber nun muss ich in Ihrem Antrag lesen - das habe ich gerade von Herrn Grupe auch bestätigt bekommen -, dass Sie Ihre Meinung doch recht schnell geändert haben. Sie fordern nun, dass die Landesregierung keine spezifischen niedersächsischen Landesregelungen nach § 13 Abs. 2 und 6 der Düngeverordnung erlassen soll. Das wundert mich doch ein wenig.

Aber genug dazu, und schnell zurück zu Inhalten und Zusammenhängen in Ihrem Antrag! - Bei meiner Redezeit passt im Übrigen irgendetwas nicht.

Vorweg: Artikel 20 a des Grundgesetzes lautet:

„Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen ….“

Unser Grundwasser ist neben der Luft und dem Boden eines der höchsten Güter. Diese Güter haben wir alle nach allen Kräften zu schützen. Aber wir haben ein Problem: In Teilen des Landes gibt es zu hohe Nitratwerte im Grundwasser. Deshalb müssen wir handeln. Das tut die Bundesregierung mit der Düngeverordnung. Hier wird geregelt, wie viel Dünger - also wie viel Stickstoff und wie viel Phosphat - wo, wie und wann auf den Acker darf.

Im vorliegenden Antrag möchten Sie die Landesregierung dazu auffordern, bedarfs- und standortgerechte Nährstoffversorgung in Bezug auf verschiedene Pflanzenarten zum Maßstab der Düngung zu machen, und dabei noch die Boden- und Klimaverhältnisse sowie die natürlichen Gegebenheiten berücksichtigt wissen. Mehr individuelle Berücksichtigung, zu schauen, welche Pflanze wie viel Dünger braucht und was schon im Boden ist, macht sicherlich Sinn. Gut, dass wir die Düngeverordnung haben.

Ich würde das alles gerne ganz genau ausführen, aber meine Redezeit ist kurz. Deswegen - die Zeit drängt - über § 3 zu § 4 und dann lieber schnell zur Anlage 4 der Düngeverordnung, zu den Tabellen, die zur Berechnung des Stickstoffdüngebedarfs herangezogen werden müssen. Das sind zwölf Tabellen - alle zur Unterscheidung zwischen Bodenverhältnissen bei Raps, Weizen, Rhabarber, Endivien, Gurke, japanischem und deutschem Rettich und jeder Menge mehr Gemüse.

Dann gibt es noch Hinweise auf Humusgehalte und Zwischenfrüchte, Grünland- und Feldfutter - also jede Menge Differenzierungen. Die im Boden verfügbare Stickstoffmenge und das Ertragsniveau werden übrigens auch berücksichtigt.

Zu den Länderermächtigungen - für diejenigen, die vielleicht nicht im Thema sind -: Ganz wichtig für die Landesparlamente ist § 13 der Düngeverordnung. Wie schon ausgeführt, haben wir die Anwendung im Juni-Plenum beschlossen. Seitdem warten wir auf die Umsetzung der Absätze 2 und 6.

Kurz zu Absatz 6: Vereinfacht wollen wir eine Düngedatenbank: Wie viele Rinder habe ich? Wie viel Gülle produzieren die? Wo lasse ich die Gülle? Das wird genauso kontrollierbar wie: Wie viel Acker habe ich? Was baue ich da an? Wie viel Dünger packe ich da drauf? - In der Umsetzung wenig spaßig - das weiß ich -, aber mit unserem Grundwasser ist auch nicht zu spaßen.

Zu Absatz 2: In Gebieten mit belasteten Grundwasserkörpern kann man Extramaßnahmen erlassen. Man könnte beispielsweise auch Maßnahmen umsetzen, die die Nährstoffkreisläufe fördern können. Wie Sie Nährstoffkreisläufe fördern wollen, konnte ich Ihrem Antrag nicht so ganz entnehmen.

Zur Wirtschaftlichkeit und zum Wettbewerb mit anderen Bundesländern: Sie möchten ja gern verhindern, dass Niedersachsens Wettbewerbsfähigkeit eingeschränkt wird. Bayern und NRW z. B. haben bereits drei Maßnahmen festgelegt. Es ist wichtig, unser Grundwasser zu schützen. Das haben die Bayern verstanden. Dann sollten wir hier das doch auch verstehen.

Über mehr Messstellen können wir gerne noch reden. Aber wie viele Messstellen und wozu genau müssten Sie mir, bitte, im Ausschuss erläutern. Denn eine bestehende Überschreitung kann man nicht so einfach rückgängig machen. Wenn sie da ist, ist sie da. Deswegen - so leid es mir tut - brauchen wir verbindliche Regelungen zur Reduzierung der Nährstoffeinträge - und hier geht es nicht darum, ob man Bauernfeind oder Bauernfreund ist.

Zurück zum Ausgangspunkt: Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen. Grundgesetz! Und um nichts Geringeres geht es.

Bei Ihren Antrag wird für mich nicht ganz deutlich, welches Ziel Sie gerade verfolgen: Bürokratieabbau, Wasser oder Landwirte schützen? Die Landwirte hatten wir in unserem Antrag, dem sie zugestimmt haben, auch im Blick. Genehmigungsver

fahren wollen wir erleichtern, und Förderungen sollen geprüft werden. Wir bewegen uns bei der Anwendung der Länderermächtigung des § 13 mal wieder in einem Balanceakt zwischen der Überforderung der Branche und der Sicherstellung hochwertigen Trinkwassers. Wir machen hier nun einmal Gesetze und stellen Anträge, damit die Exekutive Verordnungen erlässt, um Dinge zu regeln, die in der Regel geregelt werden müssen.

Glauben Sie mir: Bei einigen tue ich mich schwer. Allzu oft gibt es eine Gruppe von Menschen, auf deren Kosten das Ganze geht. Aber wenn es um unser Trinkwasser und eine Gefährdung geht, die letztendlich beim Wasserkunden landet, dann brauchen wir erst einmal wirksame Maßnahmen - Maßnahmen, die nicht nur bei Überschreitung greifen, sondern auch weitere Überschreitungen verhindern. Also nicht minimieren, sondern verhindern!

Wir Menschen haben oft genug zu spät reagiert, und daraus sollten wir lernen. Also lassen Sie uns, bitte, bevor wir anfangen, Überregulierungen zu vermeiden, erst einmal wirksame Maßnahmen zum Schutz unseres Grundwassers umsetzen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie Zustim- mung bei der CDU und bei den GRÜ- NEN)

Danke, Frau Hanisch. Sie sind ja mit der Zeit wunderbar ausgekommen. Sie können aber gleich noch einmal anderthalb Minuten bekommen; denn der Kollege Grupe hat sich zu einer Kurzintervention auf Ihren Beitrag gemeldet.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Hanisch, erst mal vielen Dank, dass Sie deutlich herausgestellt haben, dass wir eine Vielzahl von ganz unterschiedlichen Zielen unter einen Hut bringen müssen. Das ist so, wenn man in der Natur wirtschaftet. Das ist der Reiz, aber auch das Schwierige an der Aufgabe.

Ich möchte zwei Punkte ansprechen.

Das mit dem § 13 haben Sie anders verstanden, als wir es meinen. Wir haben das auch ausgeführt: Die Regelungen nach § 13 führen dazu oder können im Falle des Nutzens der Länderermächtigung dazu führen, dass überreguliert wird, obwohl die Messwerte der Grundwassermessstellen den Nit

ratgrenzwert nicht überschreiten und keinen negativen Trend aufweisen. In den Fällen möchten wir, dass nicht überreguliert wird. Wir sagen nicht, dass die Länderermächtigung grundsätzlich nicht genutzt werden soll. Ich habe deutlich betont: Da, wo Probleme sind, wollen wir ran und die Probleme lösen. Die höhere Anzahl von Messstellen brauchen wir, um ein wirklich repräsentatives Bild zu haben und zu sehen, wo Probleme bestehen.

Es gibt ein Belastungsmessnetz, bei dem wirklich nur kritische Stellen untersucht werden. Aber dann wird gesagt: Es sieht im ganzen Land so schlecht aus. - Das stimmt nicht, das stimmt definitiv nicht. Das behauptet auch eigentlich kein vernünftiger Mensch. Deswegen brauchen wir ein repräsentatives Messstellennetz, bei dem wir sehen können, wo es Probleme gibt und wo die Dinge in Ordnung sind.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Frau Hanisch möchte antworten.

Kurz zu den von Ihnen zitierten Grundlagen aus der Begründung: Eine Forderung an die Landesregierung ist, „keine spezifischen niedersächsischen Landesregelungen nach § 13 der Düngeverordnung zu erlassen, die ‚überregulieren‘“ usw.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Überregu- lieren! Das relativiert! - Horst Kortlang [FDP]: Das haben wir mit Absicht ge- macht! - Gegenruf von der SPD: Das ist irritierend!)

- Im ersten Satz steht: „keine spezifischen niedersächsischen Landesregelungen nach § 13 der Düngeverordnung zu erlassen“. Das kann man so oder so sehen. Vielleicht könnte man da einfach noch etwas deutlicher werden, und dann hätte man es schon.

Zu den Messstellen möchte ich gerne noch kurz sagen: Auch ich möchte nach den Ursachen forschen. Ich finde es bloß etwas schwierig: Sie haben über Ihren Antrag eine gute Überschrift gesetzt, aber Sie haben in Ihren Forderungen an die Landesregierung keine konkreten Maßnahmen, wie genau die Kreislaufwirtschaft gefördert werden soll, formuliert.

(Zustimmung bei der SPD)

Danke sehr. - Wir fahren mit dem Beitrag der CDUFraktion von Herrn Dr. Marco Mohrmann fort.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU - Dr. Stefan Birkner [FDP]: Er hat doch noch gar nichts gemacht! - Gegenruf von Dr. Marco Mohrmann [CDU]: So läuft das bei uns!)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Antrag „Nährstoffkreisläufe verbessern - Pflanzen bedarfsgerecht ernähren - Wasserqualität sichern“ spricht die FDP ein Thema an, das auch meiner Fraktion sehr am Herzen liegt. Vielen Dank dafür!

Die Wasserversorger, meine Damen und Herren, bringen wiederholt ihre Sorge um die Reinhaltung des Grundwassers zum Ausdruck, so wie es der Geschäftsführer des Wasserverbandstages, Godehard Hennies, mit deutlichen Worten in der Anhörung im Agrarausschuss getan hat. Gleichzeitig hat Herr Hennies auf die gute und erfolgreiche Kooperation mit der Landwirtschaft in den Trinkwasserschutzgebieten Niedersachsens hingewiesen.

Ich selber komme aus einem Landkreis mit sehr vielen Biogasanlagen, einer überdurchschnittlichen Viehdichte und einem Stickstoffsaldo aus organischer Herkunft in einer Größenordnung von 170 kg/ha. Wir sind quasi voll und haben an mehreren Erfolgskontrollmessstellen erhöhte Nitratwerte im Grundwasser festgestellt. Gleichwohl ist die Qualität unseres Trinkwassers ganz hervorragend. Die Nitratwerte im Wasser liegen nach Mitteilung unserer Versorger teilweise unter 1 mg pro Liter. Das sind im positiven Sinne Spitzenwerte, trotz hoher Viehkonzentration.

Der Schlüssel für gutes Wasser liegt in einer bodennahen Ausbringtechnik, den richtigen Düngezeitpunkten und natürlich einer Düngung streng nach Entzug. Genau hier liegt - gerade für die sehr gewissenhaft arbeitenden Landwirte - der Hase im Pfeffer, da die Düngeverordnung in ihrer jetzigen Ausgestaltung mit einer starren Grenze von 170 kg/ha diese Frage nach dem tatsächlichen Entzug nur unzureichend beantwortet.

Da nicht alle so intensiv in diesem Thema stecken können, will ich den Zusammenhang kurz unter dem Stichwort „Derogation“ erläutern.

In Grünlandregionen sind die Werte für die Nitratgehalte an den Messstellen regelmäßig sehr nied

rig. Gleichzeitig wurde hier in den vergangenen Jahren bis zu 400 kg Stickstoff pro Hektar und Jahr gedüngt, weil eben auch über Heu, Silage und Frischgras in dieser Größenordnung entzogen wurde. Das ist mithin mehr als das Doppelte der in Rede stehenden 170 kg. Derogation heißt hierbei nichts anderes als Ausnahmeregelung. Die wünscht man sich verständlicherweise in den betroffenen Regionen, da die Erträge ansonsten erheblich leiden. Das wiederum kommt einer Ressourcenverschwendung gleich, was wir uns im Übrigen in Zeiten der durchaus richtigen Diskussion um Nachhaltigkeit schlicht nicht erlauben können.

Ich will in diesem Zusammenhang aber auch klarstellen: Das Vertragsverletzungsverfahren der EU gegen Deutschland, das sich auf Nitratmesswerte bis zum Jahr 2016 bezieht, ist natürlich auch nicht einfach vom Himmel gefallen. Insbesondere Niedersachsen ist hier als veredlungsintensives Bundesland mit ganz erheblicher Wertschöpfung aus Biogas und Viehhaltung im Fokus. Das wiederum betrifft in der Regel die Regionen mit den Betrieben auf den schwachen Böden, die sich zumeist - im Gegensatz zu den klassischen Ackerbauregionen - auch noch dadurch auszeichnen, dass sie zumeist relativ wenige Hektar Eigentum haben.

Kurzum: Vor dem Hintergrund des lastenden Verfahrens sind wir unter besonders scharfer Beobachtung und müssen daher sehr sorgfältig darauf achten, welche Signale wir mit dieser Debatte an die geneigte Zuhörerschaft geben. Denn trotz der von mir geschilderten Zusammenhänge haben wir in Niedersachsen an mehr als 30 % der Messstellen Werte von über 50 mg Nitrat pro Liter Grundwasser. Ich wiederhole: im Grund-, nicht im Trinkwasser. Allerdings ist die Fähigkeit der Böden zum Nitratabbau dabei auch durchaus begrenzt.

Daher sind wir selbstverständlich gut beraten, alles dafür zu tun, diese Probleme in den Griff zu bekommen und den Menschen - ebenso wie der EU - glaubhaft zu machen, dass uns der Trinkwasserschutz wichtig ist. Ich ahne, dass wir uns über Dinge wie Derogation trotz fehlenden Kausalzusammenhangs zur Nitratbelastung in Brüssel nicht unterhalten zu brauchen, bevor wir die anderen Hausaufgaben nicht gemacht haben.

Hierbei begrüße ich als eine Maßnahme das neue Förderprogramm des Landwirtschaftsministeriums zum Bau neuer Wirtschaftsdüngerlagerstätten ausdrücklich. Auch dies war übrigens eine Forde