Protokoll der Sitzung vom 15.11.2018

höhere Beitragsleistungen der Mitgliedstaaten finanziert werden. Uns allen ist bewusst, dass die EU zur Finanzierung aus Eigenmitteln verpflichtet und für zukünftige Aufgaben finanziell angemessen auszustatten ist. Neben den traditionellen Einnahmequellen werden aktuell auch zusätzliche und alternative Einnahmequellen wie die Digital- und Finanztransaktionssteuer diskutiert - unter Aspekten der Gerechtigkeit und des fairen Wettbewerbs ein absolut sinnvoller Lösungsansatz.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, beginnend mit dem 29. Mai 2018 hat die Kommission Verordnungsvorschläge für die Kohäsionspolitik, aber auch für den Europäischen Sozialfonds nach 2020 veröffentlicht.

Die Mittelausstattung für die Kohäsionspolitik soll danach insgesamt 330 Milliarden Euro betragen. Für Deutschland sollen davon 15,5 Milliarden Euro bereitgestellt werden, was einer Mittelreduzierung von mindestens 20 % gegenüber der laufenden Förderperiode gleichkäme. Sicherlich sind infolge des Brexit und aufgrund des Hinzukommens neuer Aufgaben Kürzungen unvermeidlich. Gleichzeitig sind die finanziellen Einschnitte bei der EUKohäsions- und Agrarpolitik in ihrer jetzt vorgeschlagenen Form nicht zielführend. Viele Ziele der bisherigen Förderung sind noch nicht erreicht und können nicht faktisch für erledigt erklärt werden, weil sich nun der Maßstab verschoben hat.

Um den drohenden erheblichen Rückgang abzumildern, hier insbesondere der Mittel für die ländliche Entwicklung in der zweiten Säule und die Absenkung der EU-Kofinanzierungssätze, sind wir der festen Überzeugung, dass die Vorschläge nachgebessert werden müssen. Nur dadurch wird die europäische Strukturpolitik in der Fläche weiterhin sichtbar bleiben, ganz abgesehen davon, dass Deutschland in besonderer Weise zur Schließung der durch den Brexit entstehenden Einnahmelücke beiträgt. Ferner ist auch eine Kürzung der Gesamtmittel für die Europäische Territoriale Zusammenarbeit, INTERREG, vorgesehen, obwohl die EU-Kommission hier den bedeutenden Mehrwert anerkennt. Die ursprüngliche Absicht, eine Finanztransaktionssteuer einzuführen, ist von der EU-Kommission nicht weiterverfolgt worden. Das geht für uns nicht zusammen, verehrte Kolleginnen und Kollegen.

Vor diesem Hintergrund gilt es, Niedersachsen für den kommenden Mehrjährigen Finanzrahmen stark aufzustellen. Genau das findet in dem vorliegenden Entschließungsantrag seinen Niederschlag.

Darin bitten wir die Landesregierung und hier im Besonderen Sie und Ihr Haus, Frau Ministerin Honé, die strategische Ausrichtung der niedersächsischen Förderpolitik mit Blick auf den kommenden Finanzrahmen abgestimmt weiterzuentwickeln. Wir wollen Sie in Ihrer kraftvollen Rolle als Europa- und Regionalministerin dabei unterstützen, dass der für Deutschland vorgesehene überproportionale Rückgang der Strukturfondsmittel, der Rückgang der GAP-Förderung und die ebenfalls beabsichtigte Absenkung der EU-Kofinanzierungssätze mindestens abgemildert werden, sodass Niedersachsen auch in Zukunft stark in die Strukturförderung einbezogen und europäische Strukturpolitik in der Fläche sichtbar bleibt.

Bei der Diskussion um die Erschließung neuer Einnahmequellen haben wir die klare Erwartungshaltung, dass die Finanztransaktionssteuer auf allen Ebenen weiterverfolgt wird. Die Stabilisierung und Regulierung von Finanzmärkten durch die Verringerung des spekulativen und technischen Handels genießen für uns höchste Priorität.

Wir haben allerdings nicht nur klare inhaltliche Vorstellungen, sondern auch solche zum zeitlichen Ablauf der Beratungen. Es ist in unserem vitalen Interesse, dass die Beratungen für die neue Förderperiode bis zur Europawahl im Mai 2019 abgeschlossen werden. Eine Förderstrategie muss intensiv vorbereitet werden, damit die Förderperiode auch effektiv am 1. Januar 2021 beginnen kann und nicht das passiert, was wir schmerzhaft zu Beginn der jetzt laufenden Förderperiode erfahren mussten, die statt in 2013 effektiv erst in 2015 begann. Genau das gilt es im Interesse Europas, Niedersachsens, seiner Regionen und vor allem unserer Bürgerinnen und Bürger zu verhindern.

In diesem Sinne freue ich mich auf die Ausschussberatungen und danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU sowie Zustimmung bei der GRÜNEN)

Danke, Herr Dr. Pantazis. - Jetzt spricht für die FDP-Fraktion der Kollege Horst Kortlang.

Frau Präsidentin! Verehrtes Präsidium! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen, meine Herren! Mit dem Thema „Mehrjähriger Finanzrahmen“ müssen wir uns immer wieder beschäftigen. Der kommende aber steht - das wurde von mei

nem Vorredner auch schon alles mit Zahlen belegt - unter veränderten Vorzeichen. Die Briten haben, wie wir alle wissen, infolge eines innenpolitisch geführten Wahlkampfs mit knapper Mehrheit für den Brexit votiert, mit nicht bedachten verheerenden Folgen für das Königreich, aber auch für uns, was bei uns die Aufmerksamkeit darauf lenkt, wie wir mit unseren Arbeiten weiter fortfahren können. Mit Großbritannien fällt ein großer Nettozahler weg. In der Summe fehlen der EU jährlich 12 bis 13 Milliarden Euro, wenn nicht sogar noch mehr. Das wurde hier eben auch schon gesagt.

Da ja unsere EU-Schuldenbremse greift, dürfen keine neuen Schulden gemacht werden. Von daher gibt es nur zwei Möglichkeiten: Dieser Fehlbetrag ist entweder auszugleichen, oder alle Länder beteiligen sich daran, die Kürzungen, die in den Ausgabentöpfen anstehen, aufzufüllen.

Jetzt schimpfen die Populisten und Euroskeptiker der EU: „Der Bürger wird zur Kasse gebeten“, und bedienen ihr Klischee weltauf und weltab mit Halbwahrheiten, vergessen aber, welchen unfassbaren Wert Europa für unser Sicherheitsgefühl hat.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, die meisten Menschen müssen nur ihre Eltern, Großeltern oder sogar die Urgroßeltern befragen, um zu erfahren, wie es zu den Zeiten ohne Frieden gewesen war. Frieden ist schön, aber er wird mit zunehmender Dauer immer fragiler. Es bedarf großer Anstrengungen von uns allen, um ihn zu erhalten.

Meine Damen und Herren, da der größte Ausgabentopf - das wurde eben auch schon angesprochen - der landwirtschaftliche ist, wird es diesen besonders hart treffen. Das wissen wir alle; Sie auch, Frau Ministerin. Man sollte aber nicht vergessen: Dieser Wirtschaftszweig wird gefördert - das wird ja oftmals auch in der Presse laut und deutlich dargestellt -, aber er wird auch geregelt. Wir legen Regeln auf, wie sich die Betriebe zu verhalten haben. Das ist auch mit Kosten verbunden. Das muss man sehen. Das hat mein Vorredner auch schon anklingen lassen.

Um den drohenden Einschnitten entgegenzuwirken, die die Landwirte direkt treffen würden, gibt es auch noch ältere Anträge der FDP. Das möchte ich nur erwähnen. Die haben wir hier mit abzuarbeiten. Das werden wir auch tun.

Nun aber liegt uns dieser Antrag der Regierungsfraktionen vor. Zunächst kann man dazu nichts sagen, Herr Pantazis. Wir hatten uns ja im Vorfeld

schon darüber unterhalten. Wir werden mitziehen und werden auch etwas machen. Aber wir möchten die Landesregierung auffordern, sich auf allen Ebenen starkzumachen, damit es das Agrarland Nummer eins nicht so hart trifft. Es darf zu keinen Mittelkürzungen bei den marktbezogenen Ausgaben und den Direkthilfen sowie der Mittel zur Entwicklung des ländlichen Raums kommen. Sprich: Die erste und die zweite Säule müssen eigentlich so beibehalten werden, wie wir sie haben.

Mit der Bezeichnung „Agrarland Nummer eins“ wird gern für Niedersachsen geworben. Das tue auch ich. Aber was wird für das Agrarland getan, müssen wir uns ab und zu fragen. Die Regierung des Agrarlandes Nummer eins muss sich gegen Verlagerungen massiv auflehnen. Die Gestaltungshoheit für Strategien, Programmierung, Umsetzung und Entwicklung im Land muss beim Land bleiben, damit man den niedersächsischen Spezifika gerecht werden kann.

Ohne Landwirte, meine Damen und Herren - das muss ich hier ganz klar sagen -, gibt es keine Kulturlandschaft und ohne Kulturlandschaft keinen Tourismus, der ja für uns auch sehr wichtig ist, und auch keine nachgelagerten Lebensmittelbereiche.

(Beifall bei der FDP)

Somit verschwinden, was existenziell ganz wichtig ist, immer schneller und vermehrt Arbeitsplätze. Das möchte ich hier noch einmal ganz klar zum Ausdruck bringen.

(Beifall bei der FDP)

Ich freue mich auf die Beratungen, die im Ausschuss noch anstehen werden, und ich freue mich, dass unsere Anträge mit bearbeitet werden. Daraus können wir auch noch Lehrreiches ziehen.

Danke für das Zuhören.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Kollege Kortlang. - Für die AfDFraktion spricht jetzt Herr Stefan Wirtz.

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der MFR stellt eine Obergrenze - das Wort wird tatsächlich verwendet, und zwar von den zuständigen Leuten im Landesministerium - für Ausgaben innerhalb der EU dar, und zwar für Ausgaben überwiegend von Steuergeldern.

Das ist nicht populistisch, Herr Kortlang, das ist ganz einfach Tatsache. Das Geld, das von der EU ausgegeben wird, das zahlen zum überwiegenden Teil wir alle.

(Wiard Siebels [SPD]: Überwiegender Teil? Wo kommt das denn?)

Damit kann man nicht großzügig sein. Damit sollte man haushalten und sparsam sein.

Sie mögen jetzt damit loslegen, dass es auch noch Zölle gibt. Das könnte auch noch eine Einnahmequelle sein. Aber die Steuergelder sind der größte Block innerhalb der EU, den es zu verteilen gibt.

Der Brexit führt zu Einnahmenausfällen von 12 bis 14 Milliarden Euro; das haben wir jetzt deutlich gehört. Aufgefangen werden sollen diese Ausfälle durch Einsparungen. Zum einen will man auf der Ausgabeseite etwa die Hälfte einsparen - das macht Ihnen ein bisschen Sorgen; denn wie wir gehört haben, ist der Agrarbereich der größte Bereich, in dem Ausgaben notwendig werden. Dort Einsparungen vorzunehmen, ist problematisch, weil dieser Wirtschaftszweig förderbedürftig und auch förderwürdig ist. Es gibt also Einschnitte, die wir in Niedersachsen spüren werden.

Die andere Hälfte der Einnahmeausfälle soll ausgeglichen werden durch Mehreinnahmen. Diese Mehreinnahmen - Sie dürfen e schon erraten, woher die kommen - kommen von uns. Sie kommen aus Deutschland, sie kommen aus deutschen Steuerkassen.

Und niemand Geringeres als die neue, letzte Hoffnung der CDU - man könnte auch sagen: das letzte Aufgebot der CDU -, Friedrich Merz, hat schon angekündigt, dass sich Deutschland an diesen neuen Ausgaben überproportional beteiligen wird. Das ist praktisch seine erste Amtshandlung gewesen. Er hat gesagt: Wir geben mehr aus. Wir legen uns mehr ins Zeug und werden mehr von diesen Geldern ausgleichen.

(Zurufe)

- Ja, das ist nun einmal Ihre Neubesetzung. Sie verjüngen sich, indem Sie eine 61-jährige, ausgebrannte Kanzlerin und Parteivorsitzende durch einen 62-jährigen Lobbyisten und Heuschreckeninvestoren-Vertreter ersetzen.

(Beifall bei der AfD)

Herr Wirtz, das geht aber nicht. Herr Wirtz, so geht das jetzt nicht.

Das wird Ihre Verjüngung sein, und das wird das sein, was uns viele Milliarden zusätzlich kosten wird.

(Beifall bei der AfD- Christian Grascha [FDP]: Die Angst muss ziemlich groß sein vor Friedrich Merz! - Zuruf Wiard Siebels [SPD])

Sie sprechen auch - Herr Pantazis hat es gesagt - von neuen Aufgabenfeldern, für die zusätzlich 10 Milliarden Euro ausgegeben werden sollen. Das sind keine neuen Aufgabenfelder. Das sind Sachen wie Grenzsicherung, das sind Sachen wie Abfangen der Kosten durch Migration. Die Aufgaben sind alt. Sie sind allerdings nie wahrgenommen worden innerhalb der EU. Jetzt kommt man auf die Idee: Wir haben Außengrenzen und müssen sie sichern. Dafür brauchen wir ja Geld. - Denn das allein den Griechen und Italienern zu überlassen, hat offensichtlich nicht funktioniert. Nun wird auch noch dort in die Kasse gegriffen und Mehraufwand betrieben, der schon längst hätte eingeplant werden sollen.

(Christian Grascha [FDP]: Mit Kassen kennen Sie sich aus! - Heiterkeit bei der SPD)

Damit Sie mehr Geld ausgeben können - gerade Sie von der FDP müssen nicht so viel von „Kassen“ reden; Sie freuen sich gerade so -, reden Sie von alternativen Geldquellen. Wir haben in dem Antrag festgestellt: Sie haben es eilig.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Es muss jetzt dringend ruhiger werden.

Sie haben selber gesagt, Herr Pantazis: Es muss jetzt schnell gehen, bis Mai 2019. Die Wahlen für die EU stehen bevor. Sie müssen jetzt ganz schnell die Umverteilung vornehmen, in die deutschen Steuerkassen greifen - Sie haben es eilig -, bevor andere Mehrheiten zustande kommen und Sie vielleicht hindern. Das ist der einzige Grund, warum es einmal schnell gehen soll hier im Hause und in der EU.

Was meinen Sie mit „alternativen Geldquellen“? Sie haben wieder einmal den berüchtigten Finanztransaktionssteuergedanken vorgekramt. Der ist wunderbar. Den haben die Mitgliedsländer der EU oft abgelehnt - warum? -, Großbritannien ganz