Protokoll der Sitzung vom 10.12.2018

Tagesordnungspunkt 1: Mitteilungen der Präsidentin

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie, sich von den Plätzen zu erheben und mit mir gemeinsam Henry Korman zu gedenken.

Henry Korman ist am 22. November im Alter von 98 Jahren gestorben. Mit ihm ist einer der letzten Überlebenden von Auschwitz, Bergen-Belsen und des KZ Hannover-Mühlenberg von uns gegangen - ein Mahner, ein Brückenbauer, ein Versöhner.

Erst vor einem Monat, am 9. November, bei der Gedenkstunde zum 80. Jahrestag der Reichspogromnacht, saß Henry Korman noch hier im Plenarsaal - in unserer Mitte.

Zeit seines Lebens war es ihm ein Anliegen, die Erinnerung an das dunkelste Kapitel deutscher Geschichte wachzuhalten.

Henry Korman ist gerade 21 Jahre alt, als er 1941 mit seiner Familie in das Ghetto seiner polnischen Heimatstadt Radom eingewiesen wird. Im August 1942 werden seine Eltern und drei seiner vier Schwestern von dort aus deportiert. Bis auf seine Schwester Genia werden die Nationalsozialisten seine gesamte Familie ermorden.

Henry Kormans Leidensweg führt ihn durch mehrere Konzentrationslager, darunter Auschwitz-Birkenau. Im Februar 1945 gelangt er nach Hannover in das KZ Mühlenberg, ein Außenlager des KZ Neuengamme. Von hier aus beginnt für ihn und 300 Mithäftlinge der zweitägige Todesmarsch nach Bergen-Belsen. Die Grausamkeit des Todesmarsches und das KZ Bergen-Belsen übersteigen alles, was er zuvor erleiden musste: „Wir hatten keine Seele mehr“, so hat Henry Korman den Zustand völliger Erschöpfung und Verzweiflung später beschrieben.

Nach der Befreiung des Lagers durch Soldaten der britischen Armee am 15. April 1945 geht Henry Korman zunächst nach Schweden und emigriert

später in die USA. Eine Rückkehr nach Polen kommt für ihn zu keinem Zeitpunkt infrage. Er sieht in seiner früheren Heimat für sich keine Zukunft mehr. Deutschland will er nie wieder betreten. Dennoch führt ihn 1958 ein Besuch bei alten Freunden nach Hannover, und seit Mitte der 1970er-Jahre lebt er die Hälfte des Jahres dort, die andere in den USA. Henry Korman hat Vertrauen gefasst zu einem neuen Deutschland nach dem Krieg, zu einem demokratischen und rechtsstaatlichen Deutschland.

In zahllosen Vorträgen und Gesprächen erzählt er vor allem Schülerinnen und Schülern eindringlich seine Geschichte. Es kostet ihn viel Kraft. Doch diese Begegnungen mit den jungen Menschen sind Henry Korman wichtig. Er will sich für Humanität, für Demokratie und gegen Menschenfeindlichkeit engagieren. Die junge Generation gebe ihm „Mut und Hoffnung“, so sagte er.

Henry Korman hat uns die Hand zur Versöhnung gereicht. Für dieses Geschenk sind wir ihm zutiefst dankbar. Zugleich verpflichtet es uns, jeder Form von Antisemitismus und Ausgrenzung entgegenzutreten und alles zu tun, dass solche Verbrechen sich nicht wiederholen.

Henry Kormans mahnende Stimme ist für immer verstummt. Der Landtag wird ihm ein ehrendes Andenken bewahren.

Ich danke Ihnen.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, ich stelle die Beschlussfähigkeit des Hauses fest.

Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, gratuliert das Präsidium der Abgeordneten Editha Westmann. Sie hat heute Geburtstag. Alles Gute!

Zur Tagesordnung: Die Einladung für diesen Tagungsabschnitt sowie die Tagesordnung einschließlich des Nachtrages und der Informationen zu den von den Fraktionen umverteilten Redezeiten liegen Ihnen vor. Ich stelle das Einverständnis des Hauses mit diesen geänderten Redezeiten fest. Die heutige Sitzung soll demnach gegen 20.05 Uhr enden.

Im Mittelpunkt unseres Tagungsabschnittes steht die Beratung des Haushalts für das Jahr 2019. Sie beginnt morgen Vormittag mit dem Bericht des Vorsitzenden des Haushaltsausschusses und der anschließenden allgemeinpolitischen Debatte. Die Debatte über ausgewählte Haushaltsschwerpunkte ist, wie üblich, in Blöcke gegliedert und für Dienstag und Mittwoch vorgesehen. Abgeschlossen

werden die Haushaltsberatungen am Donnerstag mit den notwendigen Abstimmungen, die nach der vorgegebenen Haushaltsgliederung und weitgehend gebündelt durchgeführt werden sollen. - Es ist, liebe Kolleginnen und Kollegen, also ein umfangreiches Programm, das uns in den nächsten Tagen erwartet.

Für die Initiative „Schulen in Niedersachsen online“ werden in dieser Woche Schülerinnen und Schüler der Waldschule aus Hatten mit einer Online-Redaktion live aus dem Landtag berichten. Die Patenschaft dafür hat der Abgeordnete Axel Brammer übernommen. Vielen Dank, Herr Kollege.

(Beifall)

Die mir zugegangenen Entschuldigungen teilt Ihnen nunmehr Herr Schriftführer Belit Onay mit. Bitte!

Es haben sich entschuldigt: von der Landesregierung Sozialministerin Dr. Carola Reimann, von der Fraktion der SPD Dr. Christos Pantazis, von der Fraktion der CDU bis 17.00 Uhr Karsten Heineking und Petra Joumaah.

Vielen Dank, Herr Onay.

Bevor ich Tagesordnungspunkt 2 aufrufe, hat sich zur Geschäftsordnung Herr Abgeordneter Wichmann, AfD-Fraktion, zu Wort gemeldet. Bitte, Sie haben das Wort!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der AfD beantragt eine Aussprache zu der Gedenkstunde des Landtages zur Reichspogromnacht.

Nachdem unser letzter Geschäftsordnungsantrag diesbezüglich nicht behandelt wurde, da auf Wunsch einiger Abgeordneter die Angelegenheit zunächst im Ältestenrat verhandelt werden sollte, stelle ich nun fest, dass sich die Präsidentin für die unwürdige Gestaltung der Gedenkstunde nicht entschuldigt hat.

Ich stelle fest, dass die Präsidentin und der Ältestenrat - jedenfalls Teile davon - es für angemessen halten, bei der Gedenkstunde zur Reichspogromnacht von der deutschen Freude über die gewonnene Fußballweltmeisterschaft 1954 als einer nationalsozialistischen Freude zu sprechen,

(Zuruf von Wiard Siebels [SPD])

dass es für akzeptabel gehalten wird, die Kollektivschuld des ganzen deutschen Volkes bezüglich des Holocaust zu behaupten - - -

Herr Kollege Wichmann, Sie kennen die Geschäftsordnung. Sie können sich hier zum Verfahren äußern, aber nicht zum Inhalt.

(Klaus Wichmann [AfD]: Ich darf schon die Hintergründe darstellen!)

Sie kennen die Geschäftsordnung. Bitte, fahren Sie fort! Sonst bin ich gezwungen, Ihnen das Wort zu entziehen.

Ein solcher Beitrag sorgt nicht für würdiges Gedenken. Er sorgt für Verärgerung und Wut. Er verschreckt die Gutwilligen.

Die Präsidentin zieht sich nun auf die Position zurück - alle Abgeordneten haben das Recht, das zu erfahren, weil sie nicht alle im Ältestenrat dabei waren -, sie habe den Vortrag gar nicht gekannt.

(Zuruf von Ulrich Watermann [SPD])

Ich sage, da reicht die leiseste Beschäftigung mit Herrn Salzborn, und Sie wissen, wen Sie einladen. Sie kommen ja auch beide aus Göttingen. Und hilfsweise wird vorgetragen, es handele sich um Wissenschaftsfreiheit. Sich davon zu distanzieren, sei Zensur.

Herr Kollege Wichmann, ich bitte Sie um Nachsicht, aber ich werde jetzt einschreiten, da Sie hier zum Inhalt reden und nicht zum Verfahren. Wenn Sie weiter zum Verfahren reden möchten, können Sie fortfahren. Sonst bin ich gezwungen, Ihnen das Wort zu entziehen. Bitte!

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Wichmann. - Ebenfalls zur Geschäftsordnung hat nun Herr Kollege Nacke, CDU-Fraktion, das Wort. Bitte!

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Wichmann, der von Ihnen angesprochene Punkt ist auf Ihre Bitte und - wenn ich mich recht erinnere, sogar auf meinen Vorschlag - ausführlich im Ältestenrat erörtert worden. Ich stelle fest, dass Sie im Ältestenrat den Wunsch nach einer Aussprache im Plenum nicht geäußert haben.

Ich weise Sie vorsichtshalber darauf hin, dass die Beratungen im Ältestenrat nicht öffentlich sind. Sie mögen der Auffassung sein, dass alle Abgeordneten in diesem Hause einen Anspruch darauf haben, zu erfahren, was die Präsidentin im Ältestenrat vorgetragen hat. Aber Sie haben nicht die Befugnis, das hier vorzutragen. Das würde dann schon der Präsidentin selbst obliegen.

Ich stelle jedenfalls fest, dass sich nach meiner Erinnerung die übrigen Fraktionen dieses Hauses zumindest in dem Punkt einig waren, dass ein Vortrag eines Wissenschaftlers, der ohne jeden Zweifel ein ausgewiesener Experte in dieser Frage ist, von uns nicht bewertet werden soll, auch dann nicht, wenn man einzelne Passagen oder große Teile seines Vortrages nicht teilt.

Das haben die vier Fraktionen gemeinschaftlich festgestellt. Deswegen ist im Ältestenrat ein weiteres Verfahren nicht vereinbart worden, und ich denke, dabei wird es bleiben. Ihr Antrag wird von uns abgelehnt werden.

(Lebhafter Beifall bei der CDU, bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Nacke. - Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Von daher können wir diese Debatte beenden. Vielen Dank.

Ich rufe auf - - -

(Zurufe von der AfD: Abstimmen!)

- Herr Kollege Wichmann weist darauf hin, dass er eine Abstimmung über seinen Antrag wünscht.

Bitte, Herr Kollege Nacke, zur Geschäftsordnung!

Ich bitte um Nachsicht, Frau Präsidentin, dass ich mich noch einmal gemeldet habe. Ich bitte, auch in diesem Fall so zu verfahren, wie üblicherweise in diesem Hause verfahren wird.