Die Liste der zu Beteiligenden ist, wie wir gesehen haben, lang. Leicht ist gesagt, man tritt aus. In den letzten zwei Jahren konnte man den Eindruck gewinnen, dass kaum jemandem klar war, was ein EU-Austritt bedeutet, dass er ganz und gar nicht mit dem Austritt aus einem Verein oder einer Partei zu vergleichen ist, wie sich das wohl einige vorgestellt haben. Deshalb gab es auch nach dem Referendum zunächst einmal gar keinen Plan. Von den entsprechenden Herren hat man gar nichts gehört. Sie haben wohl überhaupt nicht damit gerechnet, dass es so kommt.
Meine Damen und Herren, ich möchte mich für eine Fraktion, die nicht in der Regierung ist, dafür bedanken, dass Sie diesen Gesetzentwurf ausgearbeitet haben. Ich bedanke mich als Vertreter der Opposition auch bei der Ministerin, dass sie uns im vorherigen Zeitraum vernünftig und sachgemäß
unterrichtet hat. Das ist immer so gewesen. Wenn das so ist, soll man es auch einmal sagen und nicht immer nur Kritik üben.
Ich hoffe, dass wir den Gesetzentwurf schließlich auch verabschieden und dass wir die Ausschussberatungen vielleicht gar nicht mehr brauchen, dass die Vernunft, wie ich es eingangs gesagt habe, siegen wird.
Vielen Dank, Herr Kollege Kortlang. - Für die AfD rufe ich den Abgeordneten Stefan Wirtz auf. Herr Wirtz, bitte sehr!
Danke sehr. - Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Endlich ist es auch in großen Teilen des Parlaments und in der Landesregierung angekommen, dass der Brexit sehr wahrscheinlich unausweichlich kommen wird. Was gerade bei den Briten selbst noch zur Debatte steht, ist die Art des geregelten Austritts. Den Briten - das muss man hier noch einmal klar sagen - geht das, was vereinbart ist, nicht weit genug. Deshalb wird sich vielleicht keine Mehrheit finden. Die Briten können also jederzeit noch auf einen ungeregelten Austritt umschwenken. Aber eines kann ich Ihnen sagen: Sie werden austreten.
Was heute vorliegt, ist eine Art Vorrats- oder auch Vorsichtsgesetz, spät, aber nicht zu spät von der Landesregierung eingebracht. Hierbei geht es immerhin um den 30. März. Es wird langsam Zeit. Wir sind tief im Dezember. Also gehen wir jetzt von einem sehr kurzlebigen Gesetz aus, für das es aber höchste Eisenbahn war, das jetzt langsam fällig war.
Der Übergangszeitraum, so er denn vereinbart wird, endet am 31. Dezember 2020. Damit wäre die rechtliche Vereinbarung auch schon wieder Geschichte. Wir müssen dafür sorgen, dass alle Gesetze, in denen Großbritannien noch als EUMitglied genannt wird, bis zu diesem Endzeitpunkt erhalten bleiben. Wir erledigen also eine Aufgabe in Rechtssicherheit, nichts anderes. Es werden immerhin keine finanziellen oder anderen Rechtsfolgen berührt; denn es geht nur um die Fortsetzung eines im Moment noch bestehenden Regelwerks.
In diesem Sinne brauchen wir eigentlich keine Debatte hier, und wir brauchen hoffentlich auch keine Debatte nachfolgend im Ausschuss. Denn es geht im Wesentlichen um die Erledigung der Hausaufgaben der Landesregierung, und dafür ist es höchste Zeit.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Mit diesem Gesetzesvorschlag berücksichtigen wir das Referendum, das im Vereinigten Königreich stattgefunden hat, dass Großbritannien mit Mehrheit, wenn auch mit knapper Mehrheit, entschieden hat, aus der Europäischen Union auszutreten. Diese Entscheidung soll in Großbritannien und selbstverständlich auch hier in Niedersachsen, soweit sie uns betrifft, respektiert werden.
Ich persönlich bedauere dies und möchte bei dieser Gelegenheit an die manchmal durchaus etwas kontroverse, aber insbesondere konstruktive Rolle erinnern, die Großbritannien in der EU spielt und in der Vergangenheit gespielt hat. Großbritannien war ein Gewinn für die Europäische Union. Wenn es bleibt, wird es auch weiter ein Gewinn für die Europäische Union bleiben. - Da könnte man ja im Namen des Hauses einmal applaudieren! Vielleicht hören es die Briten dann.
(Beifall bei der CDU, bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der FDP - Hel- ge Limburg [GRÜNE]: Wir haben auf Ihre Fraktion gewartet! Aber die wollte ja nicht!)
(Helge Limburg [GRÜNE]: Da haben Sie recht, Herr Siemer! Ich werde es auch wieder sein! Versprochen!)
Sicherlich ist niemand über das Ergebnis glücklich. Aber ich möchte mich an dieser Stelle damit zurückhalten, den Briten Ratschläge zu geben, weil ja morgen die Abstimmung im Parlament stattfinden soll. Meine Kolleginnen und Kollegen haben schon gesagt, dass die Stimmung hin und her geht und eigentlich noch niemand in Großbritannien für sich in Anspruch nimmt, dass er genau weiß, wie es ausgeht.
Es ist falsch, hier zu sagen, wir seien mit dem Gesetz zu spät; denn immerhin sind wir vor dem britischen Parlament. Wir diskutieren heute über die Folgen des Brexit in Niedersachsen. Wir sind also vor denen dran. Das zeigt schon einmal, dass wir genau im Zeitplan sind.
Außerdem liegt das Austrittsabkommen erst seit dem 18. November vor. Also nur wenige Wochen, nachdem das Abkommen vorliegt, sprechen wir hier im Landtag über dieses Thema und wird der Gesetzentwurf von der Landesregierung eingebracht. Insofern zeigt das, dass wir gut unterwegs sind.
Vielleicht mag sich der eine oder andere wundern, warum der Gesetzentwurf nur so schmal ausgefallen ist. Er besteht aus nicht einmal einem halben Dutzend Paragrafen und regelt alles Wesentliche mit einem Satz im ersten Paragrafen. Seitdem ich im Landtag bin, seit 2008, weiß ich, dass wir bei allen Gesetzesvorhaben das EU-Recht schon in unsere Gesetze integrieren und berücksichtigen. Insofern überrascht es nicht, dass der einzelne Änderungsbedarf hier in Niedersachsen relativ gering ist.
Viel wichtiger ist - darauf möchte ich zum Schluss meiner Rede hinweisen -, dass es nicht nur die Gesetze sind, die das Leben hier im Land und auch die Zusammenarbeit mit Großbritannien bestimmen, sondern das sind für uns auch die wichtigen Abkommen und die wichtigen Förderprogramme der Europäischen Union. Wir haben hier im Landtag auch schon darüber debattiert, wie sich der Austritt Großbritanniens auf die Gemeinsame Agrarpolitik und auf den Mehrjährigen Finanzrahmen auswirken wird. Das wird am Mittwoch Gegenstand unserer Debatte sein. Deshalb werde ich das hier nicht vertiefen.
Das Engagement der Landesregierung, das sie bisher durch unseren Wirtschaftsminister, durch unsere Landwirtschaftsministerin und vor allem
auch durch unsere Europaministerin Birgit Honé unter Beweis gestellt hat, ist da ganz hervorragend; denn sie bereitet Niedersachsen in angemessener Art und Weise auf die möglichen Folgen eines Brexit vor. Dafür und auch für die Einbringung des Gesetzentwurfs möchte ich danken, den wir in den Beratungen unterstützen werden.
Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Siemer. - Jetzt folgt die Landesregierung: Frau Ministerin Birgit Honé. Bitte sehr!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch ich will noch einmal zum Ausdruck bringen, dass es für mich als Mitglied der Landesregierung großes Bedauern auslöst, dass das Vereinigte Königreich die EU verlassen will. Nicht zuletzt haben wir die Gründung unseres schönen Bundeslandes den Briten zu verdanken. Insofern gibt es vielfältige und enge Beziehungen zum Vereinigten Königreich.
Meine Damen und Herren, wie Sie alle wissen, ist die Frage, wie es mit dem Brexit weitergeht, selbst nach Annahme des Austrittsabkommens im britischen Kabinett am 14. November mehr als ungewiss. Der Europäische Rat hat das Abkommen und die politische Erklärung zum Rahmen der künftigen Beziehungen zwischen der Europäischen Union und dem Vereinigten Königreich am 25. November politisch gebilligt. Seit dem 5. Dezember berät das britische Unterhaus darüber. Eigentlich sollte es morgen die entscheidende Abstimmung darüber geben. Von meinen Vorrednerinnen und Vorrednern ist schon angedeutet worden: Wir wissen nicht, ob es so weit kommt. - Jetzt ist eine Erklärung der Premierministerin angekündigt. In einer Stunde wird sie eine Erklärung abgeben. Es gibt Vermutungen, dass sie möglicherweise die entscheidende Abstimmung morgen verschieben wird.
Wie dem auch sei, es bleibt spannend, insbesondere sicherlich für unsere britischen Mitbürgerinnen und Mitbürger. Das ist wirklich ein Auf und Ab der Gefühle. Man mag sich gar nicht ausmalen, wie die das Ganze finden müssen. Mich erreichen gerade in diesen Tagen eine Reihe von sehr besorgten Mails von Britinnen und Briten. Es tut ei
nem da in der Seele weh, in welchem Aufruhr sie versetzt werden, von den ganzen anderen Folgen, die auch angesprochen wurden, einmal ganz zu schweigen.
Meine Damen und Herren, natürlich hoffen wir weiter, dass die Ergebnisse der Verhandlungen die Zustimmung im britischen Parlament finden und es zu einem geregelten Brexit kommt. Ein geregelter Brexit würde einen Übergangszeitraum bis mindestens Ende 2020 beinhalten, in dem das gesamte EU-Recht für das und im Vereinigten Königreich fortgilt. Das Vereinigte Königreich würde trotz seines Austritts einem Mitgliedstaat gleichgestellt werden, allerdings ohne eigene Mitwirkungsrechte. Der Übergangszeitraum würde dadurch ein hohes Maß an Verlässlichkeit und Planbarkeit für die Bürgerinnen und Bürger sowie für die Unternehmen bedeuten.
Wir brauchen den Übergangszeitraum aber auch, um die Verhandlungen über die zukünftigen Beziehungen zwischen der Union und dem Vereinigten Königreich erfolgreich führen zu können. Es gilt, ein umfassendes Freihandelsabkommen und ein Fischereiabkommen auszuhandeln. Insbesondere die Vereinbarung eines Fischereiabkommens, das den Zugang zu den Fanggebieten und Absatzmärkten regeln muss, ist für unser Land ausgesprochen bedeutsam, weil unsere Hochseefischer Gefahr laufen, nach dem Ende der Übergangsphase ihre angestammten Fanggründe zu verlieren. Die als Sicherheitsnetz nach dem Ende der Übergangsphase vereinbarte Zollunion erstreckt sich nämlich explizit nicht auf die Fischerei.
Gegenüber der EU-Kommission habe ich deshalb in der vergangenen Woche in Brüssel noch einmal eindringlich darauf hingewiesen, dass bis Mitte 2020 ein Fischereiabkommen stehen muss. Ich bin sehr froh, dass auch der EU-Chefunterhändler Michel Barnier diese Ansicht teilt.
Meine Damen und Herren, der Entwurf des vorliegenden Brexit-Überleitungsgesetzes ist Ausdruck dessen, was die Landesregierung derzeit als legislativen Handlungsbedarf sieht. Damit soll für einen hoffentlich geregelten Brexit vorgesorgt werden. Das Überleitungsgesetz übersetzt die politischen Abmachungen der Austrittsvereinbarung in Landesrecht. Es regelt, dass das Vereinigte Königreich während des Übergangszeitraums vom 30. März 2019 bis voraussichtlich Ende 2020 einem Mitgliedstaat der Europäischen Union gleichgestellt wird.
In den vergangenen gut vier Jahrzehnten sind Bezüge zur EU-Mitgliedschaft auch in Niedersachsen an vielen Stellen des Landesrechts verankert worden. Nur durch die Übergangsregelung in dem vorgelegten Gesetzentwurf wird sichergestellt, dass unser Landesrecht, wenn es auf EU-Mitgliedstaaten verweist, während des Übergangszeitraums auch das Vereinigte Königreich erfasst. Nur so können Rechtssicherheit und Rechtsklarheit hergestellt werden.
Das Austrittsabkommen selbst enthält eine entsprechende Generalklausel, mit der das Unionsrecht für das Vereinigte Königreich und im Vereinigten Königreich gilt. Ebenso verfahren die Bundesebene und die anderen Bundesländer.
Auf der anderen Seite ist eine Gleichstellung des Vereinigten Königreichs mit den EU-Mitgliedstaaten während des Übergangszeitraums ausreichend, wie wir durch ein Normenscreening unter Beteiligung aller Ressorts festgestellt haben. Etwaiger zusätzlicher Sonderregelungen in einzelnen Gesetzen bedarf es daher nicht.
Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir einen letzten Satz. Auch wenn das britische Unterhaus am morgigen Dienstag oder in den nächsten Tagen - wer weiß das schon so genau - das Austrittsabkommen ablehnen sollte, wäre ein geregelter Brexit noch im Bereich des Möglichen. Es wäre deshalb durchaus sinnvoll, das Gesetzgebungsverfahren für diesen Fall fortzusetzen.
Vielen Dank, Frau Ministerin Honé. - Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir zur Beratung dieses Punktes nicht vor.
Federführend soll tätig sein der Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten und Regionale Entwicklung, mitberatend soll tätig werden der Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen. Wenn Sie dem so entsprechen wollen, dann bitte ich um ein Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Dann ist das einstimmig so beschlossen.