Protokoll der Sitzung vom 10.12.2018

Federführend soll tätig sein der Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten und Regionale Entwicklung, mitberatend soll tätig werden der Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen. Wenn Sie dem so entsprechen wollen, dann bitte ich um ein Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Dann ist das einstimmig so beschlossen.

Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 7: Abschließende Beratung: Einsetzung einer Enquetekommission „Sicherstellung der ambulanten und stationären medizinischen Versorgung in Niedersachsen - für eine qualitativ hochwertige und wohnortnahe medizinische Versorgung“ - Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU - Drs. 18/2012 - Beschlussempfehlung des Ältestenrates -

Drs. 18/2283 - dazu: Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 18/2319

Der Ältestenrat empfiehlt Ihnen, den Antrag in geänderter Fassung anzunehmen.

Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Der Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in der Drucksache 2319 zielt auf eine Annahme des Antrags in einer geänderten Fassung.

Wir kommen zur Beratung. Für die einbringenden Fraktionen hat sich zunächst für die Fraktion der SPD der Kollege Uwe Schwarz gemeldet. Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die heute einzusetzende Enquetekommission wird sich mit der Sicherstellung der ambulanten und stationären medizinischen Versorgung in Niedersachsen beschäftigen. Sie soll dabei die gegenwärtige Situation der Notfallversorgung und zukünftige Möglichkeiten durch die Digitalisierung mit einbeziehen. Sie soll ferner auch prüfen, ob und wie die Erreichbarkeit unserer medizinischen Einrichtungen, vor allem in der Fläche, gegeben bzw. wie die Erreichbarkeit über den ÖPNV wiederhergestellt werden kann.

Eine vergleichbare Enquete mit diesem Inhalt hat es bisher in keinem anderen Bundesland gegeben, und wohl deshalb hat die Ankündigung dieser Enquete zu einem breiten öffentlichen Interesse geführt. Viele Institutionen und auch Einzelpersonen haben ihre Bereitschaft zur Mitarbeit angeboten. Das ist schon einmal ein gutes Zeichen, aber es zeigt auch die sehr große Erwartungshaltung, die in diese Enquete gesetzt wird. Zugleich macht dies deutlich, dass die von uns aufgeworfenen Fragen nicht nur den politischen Akteuren und betroffenen Berufsgruppen auf den Nägeln brennen, sondern

im wahrsten Sinne des Wortes zwischenzeitlich in jedem Dorf angekommen sind.

Die Koalitionsfraktionen schlagen mit der heutigen Beschlussfassung vor, die Zahl der ständigen Enquetemitglieder noch einmal um zwei externe Vertreter, also von 10 auf 12 Personen, aufzustocken und damit die Gesamtzahl der Mitglieder von 25 auf 27 Personen zu erweitern. Wir brauchen in diesem Gremium die Spitzen der wichtigsten Berufsgruppen, der Kostenträger, der kommunalen Spitzenverbände und der Krankenhäuser. Da, meine Damen und Herren, sind acht Personen schnell erreicht.

Es geht aber bei der Enquete nicht um eine Ersatzveranstaltung für die üblichen Budgetverhandlungen, diesmal eben mit politischer Begleitung, sondern es geht vielmehr um zukünftige Lösungen außerhalb dieses Tagesgeschäftes der Akteure. Daher hoffen wir sehr, auch vier unabhängige Wissenschaftlerinnen oder Wissenschaftler als ständige Mitglieder gewinnen zu können, die sich insbesondere mit landespolitischen Möglichkeiten und sektorenübergreifenden Versorgungsmodellen beschäftigen.

Wer sich mit der Vielfältigkeit, Komplexität und Verästelung unseres Gesundheitswesens beschäftigt, dem könnten viele Tausend Fragen einfallen. Man kann sich damit übrigens jahrelang beschäftigen. Genau das wollen aber die Vertreter der Großen Koalition nicht.

Wir haben daher selbst unseren ursprünglich mal doppelt so langen Fragenkatalog komprimiert. Wir haben bewusst z. B. die nichtärztlichen Heilberufe und das breite Feld der Pflege nicht mit einem eigenen Fragenkomplex versehen. Aber ungeachtet dessen spielt natürlich die mit Abstand größte Berufsgruppe im Gesundheitswesen - die Pflegekräfte - bei denkbaren Lösungen eine wichtige Rolle. Deshalb brauchen wir sie am Verhandlungstisch. Wir brauchen sie, wenn wir darüber reden, wie es im Krankenhaus weitergeht, und wir brauchen sie, wenn es darum geht, wie wir im ambulanten Bereich bestimmte Leistungen delegieren können.

Mit keinem sozialpolitischen Thema haben wir uns in den letzten Jahren so häufig beschäftigt wie mit Problemen der Pflege. Ein Bündel der Maßnahmen hat die Situation zwischenzeitlich verbessert. Der Schwerpunkt der Enquete ist allerdings diesmal wirklich ein anderer: Was passiert mit kleinen Krankenhäusern, deren Existenz gefährdet ist? Wie bekommen wir ausreichend Ärzte in unsere

kleinen Gemeinden? Wie sichern wir zeit- und wohnortnah die medizinische Versorgung? Wie stellen wir die Erstversorgung bei Notfällen sicher?

Die dazu notwendigen Fragen im Zusammenhang mit der Pflege sind übrigens in unserem Katalog unter den Punkten I. Nr. 6 und II. Nr. 8 enthalten. Insofern - das will ich deutlich sagen - verstehe ich den Änderungsantrag der Kolleginnen und Kollegen von den Grünen wirklich nicht.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Für mich ist das ein arbeitender Prozess, der sich wirklich entwickeln muss. Andere Fragen werden mit Sicherheit hinzukommen. Wir wollen in dieser Enquete ganzheitlich denken, vor allem wollen wir die Spielräume des Landes ausreizen und neue Lösungsmöglichkeiten und Ansätze erarbeiten. Das wird, denke ich, schwer genug werden. Die Sicherung der medizinischen Versorgung ist ein Kernelement der staatlichen Daseinsvorsorge. Deshalb lohnt sich meines Erachtens diese spannende Aufgabe, aber es soll nicht nur eine spannende Aufgabe bleiben, es müssen konkrete Lösungen erarbeitet werden.

Ich hoffe, dass wir gemeinsam Erfolg haben werden. Es ist ein wichtiger Punkt für die zukünftige Versorgung unserer Bevölkerung, insbesondere in ländlichen Bereichen, wo die Schwierigkeiten noch um ein Vielfaches größer sind als in den Ballungsgebieten. Insofern freue ich mich auf die Arbeit der Enquete und danke Ihnen für die Unterstützung.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU sowie Zustimmung von Christian Grascha [FDP])

Vielen Dank, Herr Kollege Schwarz. - Für die AfDFraktion folgt jetzt Herr Kollege Stephan Bothe. Bitte sehr!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Werte Kollegen! Ich möchte es an dieser Stelle kurz machen.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

- Das habe ich noch nie geschafft.

Ich möchte den Beratungen der Enquetekommission nicht vorgreifen. Die Einrichtung der Enquetekommission ist richtig. Darüber sind wir uns alle einig. Es ist auch richtig, über die Problematiken im öffentlichen Gesundheitsdienst zu sprechen - ge

nauso wie über den Ärztemangel im ländlichen Raum. Es ist wichtig, über die Krankenhausversorgung zu sprechen, und es ist auch richtig, dass wir das mit Experten tun, um zu Lösungen zu kommen.

Aber, meine Damen und Herren, Herr Kollege Schwarz, es ist genauso wichtig und richtig, die Pflege in diese Enquetekommission mit einzubeziehen. Das, was Sie gerade geäußert haben, sind Mutmaßungen. Sie sagen: Wenn wir diese Fragen beantworten, beantworten wir 21 Fragen gleich mit. - Das ist doch ein wenig überheblich von Ihnen. Da bin ich aber der Kollegin Frau JanssenKucz für ihren Änderungsantrag sehr dankbar; denn ohne eine funktionierende Pflege wie beispielsweise einer ambulanten Pflege im ländlichen Raum werden wir eine ganzheitliche Versorgung gerade in den ländlichen Räumen nicht hinbekommen.

Die Unterversorgung und die Mängel in der Pflege entwickeln sich in manchen Bereichen dieses Landes gerade zu einer echten Pflegekatastrophe. Das wissen auch Sie, Herr Kollege Schwarz. Dies zu ignorieren, ist nicht nachzuvollziehen. Wir begrüßen den Antrag der Grünen und werden diesen auch unterstützen. Hier geht es um das Gesundheitswesen in Niedersachsen, und dies kann man nur ganzheitlich betrachten: Ärzte und Pflege.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank, Herr Kollege Bothe. - Es folgt für die FDP-Fraktion Frau Kollegin Sylvia Bruns. Bitte!

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch ich kann es an dieser Stelle ganz kurz machen, zumal wir vor 14 Tagen schon über dieses Thema gesprochen haben. Wir freuen uns über die Einsetzung der Enquetekommission und auf die Arbeit. Ich denke, dass wir tatsächlich viel bewegen können und auch müssen. Wir sollten aber auch darauf achten, dass wir die Menschen vor Ort mitnehmen, wenn wir Entscheidungen treffen. Darauf sollte ein Schwerpunkt liegen.

Zum Antrag der Grünen: Ich finde die Fragen gut, richtig und wichtig, habe es aber so verstanden, als ich den Antrag auf Einsetzung gelesen habe, dass die Enquetekommission im Fluss ist. Das heißt, es werden noch ganz viele Fragen aufkom

men, mir wären spontan auch noch 15 bis 20 eingefallen. Ich habe für mich jedoch entschieden, diese nicht aufzuschreiben, weil es ein laufender Prozess innerhalb dieser Enquetekommission ist.

Zu der Pflege: Ja, sie muss mit an den Tisch. Ich finde jedoch, dass sie nicht mit einzelnen Fragen abgebildet werden muss, weil wir sicher noch viele Fragen im Rahmen der Arbeit zu klären haben, von denen wir momentan noch gar nicht wissen, dass wir sie haben werden.

Ich freue mich auf die Arbeit der Enquetekommission.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der SPD)

Auch wir danken, Frau Bruns. - Sodann kommt jetzt für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Kollegin Meta Janssen-Kucz. Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im November hatten wir eine Debatte über die Einsetzung der Enquetekommission. Wir haben gemeinsam deutlich gemacht, welche unterschiedlichen Initiativen und Gesetzesänderungen wir mittlerweile gemeinsam zur Verbesserung der medizinischen Versorgung in Niedersachsen auf den Weg gebracht haben.

Unser gemeinsames Ziel waren immer mehr Qualität, Prävention und Kontrolle in unseren Krankenhäusern, mehr Patientensicherheit, ein Arzt um die Ecke, sage ich mal, und ein Krankenhaus, soweit wie möglich, mit hoher Qualität vor Ort. Doch anstatt auf diesem wertvollen Konsens aufzubauen, geht die Große Koalition, finde ich, jetzt in Richtung Alleingang.

Wir müssen uns doch mal vor Augen führen: Das deutsche Gesundheitssystem gilt als eines der komplexesten. Wir haben ganz viele Einrichtungen, wir haben Strukturen, unterschiedliche Akteure und damit auch unterschiedliche Interessenlagen, rechtliche Rahmenbedingungen und Zuständigkeiten. Das macht Gesundheitspolitik auf Landesebene so schwierig. Wir bekommen hier in Niedersachsen immer wieder - das war so in der Vergangenheit - unsere Grenzen aufgezeigt, z. B. in Sachen Gesetzgebungskompetenz oder auch weil wir keinen Sicherstellungsauftrag haben, der bei der Kassenärztlichen Vereinigung liegt, oder weil die Bedarfsplanung so ist, wie sie ist.

Ich finde, die Einsetzung einer Enquetekommission ist daher ein guter Weg, um notwendige Lösungsansätze und Gestaltungsoptionen zu erarbeiten. Wir alle wissen, es bestehen vielfältige Handlungsbedarfe in der Krankenhausstruktur, in der Finanzierung, in der medizinischen, aber auch pflegerischen Versorgung vor allem im ländlichen Raum. Aber wir müssen uns auch die Notfallversorgung anschauen, die Geburtshilfe anschauen, therapeutische Berufe anschauen und, und, und. Das heißt, wir müssen sektorenübergreifend denken und handeln.

Irgendwie scheinen Sie das aber nicht zu wollen. Lieber die Minenfelder, die Auseinandersetzung mit gewachsenen, teilweise verkrusteten Strukturen vermeiden, bloß keine zu dicken Bretter bohren! Das könnte anstrengend werden: vielleicht mit der GroKo in Berlin, vielleicht mit den unterschiedlichen Standesvertretern. Es könnte auch Geld kosten.

Anders kann ich mir Ihre Ablehnung einer Erweiterung unseres Arbeitsauftrages in Sachen Enquetekommission um den Bereich der Pflege - und hier geht es nicht um die Altenpflege, sondern um die Pflege in der ambulanten und stationären Versorgung, der Notfallversorgung von Kindern, die mögliche Steuerung über Portalkliniken und das Neudenken von sektorenübergreifenden Angeboten - nicht vorstellen. Auch das breite Themenfeld der Digitalisierung in der Medizin und Pflege überlassen Sie scheinbar lieber dem Staatssekretär im Wirtschaftsministerium.

Meine Damen und Herren, wir brauchen langfristige, tragfähige Lösungen, die auf einer breiten Basis gefasst sind und auch über eine Legislaturperiode hinausgehen. Dafür muss man Scheuklappen ablegen und über medizinische, ärztliche und pflegerische Versorgung in der Enquete beraten.

Wenn wir die Pflege nicht mitdenken und sagen: „Okay, wir holen mal die Pflegekammer rein, die werden schon wissen, was notwendig ist“, vergeben wir hier doch die einmalige Chance, unser Gesundheitssystem wirklich zukunftsfähig aufzustellen. Wir doktern offenbar lieber an einzelnen Stellen rum, statt das gesamte System in den Blick zu nehmen. So kann man eigentlich nicht ernsthaft in einer Enquete diskutieren, welche ärztlichen Tätigkeiten z. B. an das Pflegepersonal delegiert werden können, ohne sich anzuschauen, welche Auswirkungen das auf die Pflege hat.

Fakt ist und bleibt, dass die Pflege mit Sicherheit noch mehr zusätzliche Arbeit nicht gebrauchen kann. Wenn examinierte Pflegekräfte Ärzte entlasten sollen, wie das in anderen europäischen Ländern praktiziert wird, muss man die Pflegekräfte an anderer Stelle entlasten und auch über neue Berufsbilder sprechen.

Das ist kein Sammelsurium, lieber Kollege Schwarz. Das ist eine ganz deutliche Beschreibung der großen Herausforderungen, vor denen wir in der medizinischen und ärztlichen Versorgung in Niedersachsen stehen. Es gibt einen Zusammenhang zwischen der Personalsituation in der Pflege und bei den Ärzten. Das müssen wir anpacken.