Protokoll der Sitzung vom 10.12.2018

Er schützt ungeborenes Leben nicht - das tut er nicht! -, sondern er schikaniert betroffene Frauen und Ärztinnen und Ärzte. Deshalb gehört er ersatzlos abgeschafft!

(Beifall bei den GRÜNEN sowie Zu- stimmung bei der SPD und bei der FDP - Widerspruch bei der CDU)

Zur CDU und dem Kollegen Nacke: Ich meine, mich erinnern zu können, dass es fast genau ein Jahr her ist, dass wir den Antrag auf Streichung eingebracht haben, genauso wie die FDP-Fraktion.

Ich glaube, ein Jahr ist genügend Zeit, um sich Gedanken zu machen und solch einen Antrag dann rechtzeitig ins Plenum einzubringen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Die meisten Abgeordneten der SPD-Fraktion unterstützen mittlerweile die Forderung der Grünen und der FDP nach einer Streichung. Der Gruppenantrag zur Abschaffung, der hier heute vorliegt, hat bereits eine Mehrheit in diesem Parlament gefunden, und das, sehr geehrte Damen und Herren, ist gut so!

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der FDP sowie Zustimmung bei der SPD)

Der Landesfrauenrat Niedersachsen hat dies bereits als „Sternstunde des Parlaments“ bezeichnet.

(Zurufe bei der CDU: Oh!)

Ich muss sagen, diese Sternstunde muss aber ganz dringend auch auf die Bundesebene übergreifen.

Zweitens. Der Debattenverlauf hat mich persönlich, ehrlich gesagt, überrascht, auch in seiner Heftigkeit und in seiner Unsachlichkeit. Ich sage Ihnen eines: Ich bin mir ziemlich sicher, wären wir mehr Frauen in den Parlamenten - egal ob im Landtag oder im Bundestag -, der § 219 a wäre schon längst Geschichte.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Eine ganz einfache Frage zum Werbeverbot: Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, dass jemand mit „zwei Hüft-OPs zum Preis von einer“ geworben hätte? - Mir nicht! Sehen Sie? - Das liegt daran - das hat die Kollegin Osigus bereits ausgeführt -, dass in der Berufsordnung für Ärztinnen und Ärzte ein klares Werbeverbot steht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Und Straftaten - auch das hat die Kollegin Osigus bereits richtig dargestellt, und deswegen verstehe ich Sie, Frau Hövel, überhaupt nicht - dürfen sowieso nicht beworben werden.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Richtig!)

Insofern ist der § 219 a in dieser Hinsicht völlig unnötig.

Er ist aber nicht nur unnötig, sondern er verhindert, dass Frauen schnell und sicher notwendige Informationen bekommen. Beim Thema Schwangerschaftsabbruch geht es leider auch immer um das

Thema Zeit. Zum Beispiel ist ein medikamentöser Abbruch nur bis zur neunten Woche überhaupt erlaubt. Jeder Tag kann also zählen, je nachdem, wann die Frau erfährt, dass sie schwanger ist, und das kann relativ spät sein.

Gleichzeitig kriminalisieren wir hier die wenigen Ärztinnen und Ärzte, die überhaupt noch einen Schwangerschaftsabbruch anbieten. Das ist doch das eigentliche Problem: Wir haben eine akute Mangelversorgung. Damit gefährden wir die Gesundheit der Frauen in Not.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Frau Byl, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Bothe der AfD-Fraktion?

Nein, danke. Ich glaube, wir hören die AfD hier oft genug.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zurufe von der AfD: Oh!)

Die Unterstellung - die übrigens vornehmlich von Männern getroffen wird -, dass Frauen sich durch Werbung zu einem Abbruch verleiten ließen, weil sie so naiv und dumm durch die Welt spazieren, ist doch völlig absurd und, ehrlich gesagt, ziemlich daneben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sehr geehrte Damen und Herren, wenn wir unter bestimmten Voraussetzungen Schwangerschaftsabbrüche straffrei stellen und erlauben, müssen wir auch die dazugehörigen Informationen erlauben. Eine Entscheidung zum Abbruch ist immer eine extrem harte Entscheidung; ich hoffe für alle Frauen, dass sie diese Entscheidung nie treffen müssen. Weniger Abbrüche erlangen wir aber doch nicht durch ein Informationsverbot oder durch diese Schikane, sondern dadurch, dass wir allen Menschen Verhütungsmittel einfach und kostenlos zugänglich machen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Letzter Satz, Frau Byl!

Letzter Satz: Wir müssen dafür sorgen, dass Kinder nicht - wie aktuell viel zu häufig - zu Armut und Abhängigkeit der Frauen führen. Das wären ehrli

che Versuche. Informationen zu verbieten, ist dagegen nie eine gute Idee, sehr geehrte Damen und Herren!

Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN - Jörg Hill- mer [CDU]: Wer will das denn?)

Jetzt spricht für die FDP-Fraktion Kollegin Sylvia Bruns.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich zuerst einmal bei allen bedanken - auch bei den Gruppenantragstellern der anderen Fraktionen -, wie wir mit dem Thema umgegangen sind und wie wir miteinander darüber geredet haben. Das hat mir gut gefallen, auch wenn wir inhaltlich nicht einer Meinung sind. Das muss auch einmal gesagt werden.

(Beifall bei der FDP, bei der SPD, bei der CDU und bei den GRÜNEN)

Wir als Freie Demokraten sind inhaltlich für eine Streichung des § 219 a. Ich finde, in der Diskussion hier geht etwas durcheinander. Um den § 218 geht es hier ausdrücklich nicht. Das haben meine Vorrednerinnen und Vorredner auch schon gesagt. Wir haben eindeutig gesagt, wir wollen nicht am § 218 rütteln. Das ist ein mühevoll gefundener Kompromiss, den wir auch tragen und der in unserer Gesellschaft auch gut funktioniert.

Ein Zusammenhang, wie er oftmals dargestellt wird, zwischen Lebensschutz und Abschaffung des § 219 a ist nicht gegeben. Das regt mich persönlich immer ganz fürchterlich auf. Damit wird unterstellt, dass die, die den § 219 a abschaffen wollen, nicht am Lebensschutz interessiert seien. Aber das ist bei Weitem nicht so. Solche Unterstellungen sind infam.

(Beifall bei der FDP, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

An dieser Stelle noch einmal: Der § 218 bleibt unverändert bestehen, zusammen mit der Beratungspflicht.

Ich möchte mich ausdrücklich bei den beiden Ministerinnen Frau Dr. Reimann und Frau Havliza für das gemeinsame Gespräch bedanken, das wir unter Frauen geführt haben. Danke auch an Gabi Andretta, die dazu eingeladen hat. Ich finde, es tat gut, in dem Kreis darüber zu reden.

(Beifall bei der FDP, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Dennoch möchte ich an dieser Stelle auch darüber reden, warum wir in der gesellschaftlichen Diskussion hier unbedingt weitermachen müssen. Das Thema darf an dieser Stelle jetzt nicht zu Ende sein. Es gibt deutliche Unterschiede in den Bundesländern. Informationen über Abtreibung dürfen in Hamburg nicht anders sein als in Bayern.

Es ist spannend, wenn man anfängt, das zu googeln. Googelt man Informationen zu „Schwangerschaftsabbruch Hamburg“, erhält man von der Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz folgende Aussage:

„In Deutschland ist ein Schwangerschaftsabbruch bis zur 12. Schwangerschaftswoche straffrei, wenn Sie zuvor eine Beratung in einer staatlich anerkannten Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle in Anspruch genommen haben.“

In Landshut bekommt man dazu folgende Aussage:

„Ein Schwangerschaftsabbruch nach der sogenannten ‚Beratungsregelung‘ bleibt Unrecht (tatbestandslos, aber rechtswidrig), ist aber straffrei (§ 218 a Absatz 1 StGB), wenn...“

Ich lasse diese beiden Aussagen einfach mal so stehen. Es mag sich jeder seine eigenen Gedanken dazu machen.

Keine Frau entscheidet sich leichtfertig für eine Abtreibung! Bei der Abschaffung des § 219 a geht es nicht darum, dass in Hochglanzmagazinen demnächst ganzseitig für Abtreibung geworben wird. Wer soll denn dafür auch schon werben? - Die Kolleginnen Osigus und Imke Byl haben genau ausgeführt, warum das nicht der Fall sein wird, auch, warum Pharma-Unternehmen nicht werben dürfen.

In einem Land wie Deutschland müssen solche Informationen frei zugänglich sein. Frauen sollten problemlos Zugang dazu bekommen, aber auch ihre Partner; auch von Ärzten, die selbst keine Abtreibungen vornehmen, und auch von staatlichen Stellen.

Wir sind grundsätzlich der Überzeugung, dass strengere Gesetze nicht zu weniger Abtreibungen führen. In der Diskussion schwingt auch ein bisschen mit: Wenn wir den § 219 a jetzt abschaffen,