Wir sind grundsätzlich der Überzeugung, dass strengere Gesetze nicht zu weniger Abtreibungen führen. In der Diskussion schwingt auch ein bisschen mit: Wenn wir den § 219 a jetzt abschaffen,
Die Abschaffung des § 219 a stellt nicht den gefundenen Kompromiss infrage - man kann pro familia zitieren, Frau Osigus war ja auch da -, man verabschiedet sich aber endlich von einem überholten, juristisch und gesellschaftlich verzichtbaren Gesetz. Seit 1933 ist das irgendwie unverändert. Die Motive, warum Frauen sich für Abtreibung entscheiden, sind vielfältig. Ich maße mir an dieser Stelle nicht an, darüber zu urteilen, und das sollte keiner von uns tun.
Kurz zu dem anderen Antrag, der uns heute vorgelegt worden ist: Wir haben in dem gemeinsamen Gespräch auch schon darüber geredet. Wir finden den Antrag nicht zielführend. Auch bei einer Änderung des § 219 a kommt es auf das Ermessen des Strafrichters an, wenn der Fall ausgeurteilt werden muss. Informationen dürfen nicht vor dem Hintergrund der Strafgerichtsbarkeit erfolgen. Konsequent ist an dieser Stelle nur, den § 218 abzuschaffen -
- den § 219 a abzuschaffen. - Also, mal ganz ehrlich: Sie kennen mich alle lange genug und wissen, dass ich den § 218 nicht abschaffen möchte. Das finde ich jetzt albern.
Danke, Frau Bruns. - Wir kommen jetzt zur zweiten Rednerin für die CDU-Fraktion. Es spricht Frau Dr. Esther Niewerth-Baumann.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist jetzt 30 Jahre her. Ich hatte das Abitur in der Tasche. Ich hatte einen Studienplatz für Jura in Bonn. Ich hatte ein Zimmer in einer WG. Das Leben konnte losgehen. Ich hatte den Kopf voller Pläne. Schwanger zu sein, gehörte sicherlich nicht dazu. - Aber ich war es.
Unser Sohn wird im nächsten Jahr 30. Er wurde das damals noch völlig untypische Studentenkind, für das es Alltag war, vom Vater zur Mutter an der Hörsaaltür übergeben zu werden und auf dem Hörsaalbalkon seinen Mittagsschlaf zu machen.
Wir Antragsteller - dazu gehören auch alle Frauen der CDU-Fraktion, Frauen im Alter von 28 bis 64 Jahre - haben uns mit den anderen Antragstellern zusammen die Entscheidung nicht leicht gemacht. Viele von uns haben Kinder. Manche haben - wie ich - zwei erwachsene Töchter, mit denen wir intensiv diskutiert haben.
Wir haben uns mit den unterschiedlichen Konfliktsituationen der Frauen intensiv auseinandergesetzt. Auch mit der Geschichte des § 219 a und dem Schutzzweck dieser Norm haben wir uns intensiv auseinandergesetzt. Und: Nein, die Vorschrift stammt nicht aus dem Nationalsozialismus - sie stammt von 1972, und es gab schon eine Vorgängervorschrift in der Kaiserzeit.
Wir haben gegoogelt und geguckt, welche Informationen Frauen heute schon bekommen können, und - das ist das Wichtigste - wir haben eine ausführliche Anhörung durchgeführt. Wir haben Ärzte angehört, wir haben die evangelische und die katholische Kirche angehört, und wir haben eine Strafrechtsprofessorin angehört. Nach allen diesen Überlegungen und Anhörungen sind wir zu dem Ergebnis gekommen, dass für uns der richtige Weg ist: Mehr Information - natürlich -, aber keine Werbung!
Wir finden es schade, dass hier die Chance zu einem gemeinsamen Antrag mit der Großen Koalition vertan wurde. Es wäre sicherlich schön und auch ein gutes Beispiel für Berlin gewesen, wenn wir uns hier hätten einigen können. Ich meine aber, es scheiterte hier schon von Anfang an an der Ergebnisoffenheit für eine Einigung.
Für unseren Entschließungsantrag sprechen drei Gründe: Zum einen der Normzweck des § 219 a. Dieser ist der Schutz des ungeborenen Lebens. Den finden wir besonders wichtig. Wir meinen, dass kommerzielle Werbung hier einfach nicht reinpasst. Wir meinen auch, dass das Selbstbestimmungsrecht der Frau durch § 219 a in keiner Hinsicht eingeschränkt wird. Es geht schließlich um ein Werbeverbot für Ärzte.
Weiter möchte ich darauf hinweisen, dass auch das Standesrecht hier nicht weiterhilft. Auch wir Anwälte - ich bin Anwältin - unterliegen dem Standesrecht. Wir haben auch ein Werbungsverbot in unserem Standesrecht. Dennoch werben Anwälte bundesweit mit dem Slogan: „Wir machen Ihre Scheidung schöner als die Hochzeit.“
(Heiterkeit bei der CDU und bei der SPD - Wiard Siebels [SPD]: Bei man- chen stimmt das sicher sogar! - Anja Piel [GRÜNE]: So weit würden wir gar nicht gehen! - Glocke der Präsidentin)
Unsere Anhörung hat uns am allermeisten überzeugt. Weder die evangelische Kirche noch die katholische Kirche wollen den § 219 a abschaffen. Aber das Wichtigste ist: Auch die Ärztekammer, also auch die Ärzte, wollen den § 219 a nicht abschaffen, und das sind doch diejenigen, um die es hier geht.
Wir haben unsere Regelung mit der evangelischen und der katholischen Kirche geeint, wir haben unsere Regelung mit den Ärzten und auch mit der Strafrechtsprofessorin geeint, die mit unserer Regelung der Modifizierung gut leben kann. Die Abgrenzung ist hier nun wirklich nicht schwierig.
Wir finden, im Google-Zeitalter ist es natürlich wichtig, dass die Betroffenen umfassende Informationen bekommen. Das ist sehr, sehr wichtig. Deshalb lautet unsere Botschaft: Information ja, Werbung nein!
Wir bitten darum, für unseren Entschließungsantrag zu stimmen. - Die Zeit habe ich auch eingehalten.
Vielen Dank, Frau Dr. Niewerth-Baumann. - Jetzt hat sich zu einer Kurzintervention der Kollege Dr. Genthe gemeldet.
Meine Damen und Herren! Frau Präsidentin! Weil es eben noch einmal so deutlich gesagt wurde, möchte ich es auch noch einmal ganz deutlich klarstellen: Niemand möchte mit der Abschaffung des § 219 a den Schutz des ungeborenen Lebens
Ich glaube sogar, dass umgekehrt ein Schuh daraus wird. Ich glaube, dass niedrigschwellige und nicht strafbewehrte Informationen, z. B. über die vielfältigen Betreuungs- oder Unterstützungsmöglichkeiten des Staates oder über die Möglichkeiten des Adoptionsrechtes oder über den medizinischen Eingriff an sich, der ja auch kein einfacher ist, möglicherweise dazu führen, dass sich die eine oder andere Frau doch für das Leben und gegen den Abbruch einer Schwangerschaft entscheidet.
- Eben nicht! Sie haben eben doch noch einmal ganz deutlich gemacht, dass Sie bei „Information“ immer noch das Strafrecht im Hintergrund haben.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir befassen uns heute mit einem Bestandteil einer ganz schwierigen Fragestellung. Es geht im Endeffekt um die Abwägung zwischen dem Recht auf Selbstbestimmung der Frau und dem Schutz des ungeborenen Lebens. Für mich als dem einzi
gen Mann hier in der Reihe der Redner - Herrn Genthe nehme ich jetzt mal aus, weil er sich auf eine Kurzintervention beschränkt hat - ist das sicherlich besonders schwer.
Ich glaube, es täte vielen Männern gut, die Diskussion ein bisschen aus der Perspektive der Frauen zu betrachten, die in diesem Fall logischerweise eine andere Perspektive als die Männer haben. Nichtsdestotrotz muss man festhalten, meine Damen und Herren: Es gibt - das hat die Diskussion heute gezeigt, das zeigt sich auch in der Diskussion um den § 218 - keine schlichten Lösungen. Es darf in dieser Frage auch keine schlichten Lösungen geben.
Betrachten wir diese Norm nüchtern, also rein rechtsdogmatisch, rechtstechnisch, lassen sich viele Argumente für deren Abschaffung oder wenigstens Novellierung anführen. § 219 a verbietet nicht nur das werbende Anpreisen, sondern bereits das schlichte Anbieten von Leistungen zur Förderung eines Schwangerschaftsabbruches. Dieses Verbot des Anbietens von Schwangerschaftsabbrüchen steht jedoch im Widerspruch zur Legalisierung der Abtreibung innerhalb der ersten zwölf Schwangerschaftswochen nach Aufsuchen einer Beratungsstelle.
Rechtsdogmatisch ist es höchst problematisch, denjenigen, der ein straffreies Verhalten anbietet, für dieses bloße Anbieten zu sanktionieren, zumal das schlichte Anbieten mit dem, was man gemeinhin unter Werbung versteht, nicht gleichzusetzen ist. Werbung ist eben doch etwas, was über das schlichte Anbieten von Information hinausgeht. Insofern hakt das auch so ein bisschen mit der Diskussion um die Abschaffung des Werbeverbots.
Es ist auch durchaus nachvollziehbar, meine Damen und Herren, dass sich Schwangere bereits vor dem verpflichtenden Gespräch in der Beratungsstelle umfangreich und selbstbestimmt informieren wollen. Das verhindert diese Regelung, die im Übrigen geschaffen wurde, als es das Internet noch nicht gab, und deren Regelungsregime die Realität heute nicht mehr zutreffend abbilden kann.