Protokoll der Sitzung vom 10.12.2018

Es ist auch durchaus nachvollziehbar, meine Damen und Herren, dass sich Schwangere bereits vor dem verpflichtenden Gespräch in der Beratungsstelle umfangreich und selbstbestimmt informieren wollen. Das verhindert diese Regelung, die im Übrigen geschaffen wurde, als es das Internet noch nicht gab, und deren Regelungsregime die Realität heute nicht mehr zutreffend abbilden kann.

Meine Damen und Herren, Schwangere müssen sich selbstbestimmt und umfassend informieren können, zumal sie sich den Entschluss für oder gegen eine Abtreibung sicherlich nicht leichtmachen. Schließlich ist das reißerische Anpreisen - auch das haben wir schon gehört - bereits in der ärztlichen Berufsordnung mit einem Verbot belegt.

Das ist die rechtstechnische Betrachtung. Aber es kommt auch eine gesellschaftspolitische Dimension hinzu. Hier hat es zunehmend den Anschein - auch wenn das hier teilweise vehement bestritten wurde -, dass Befürworter von Abtreibungen über das Vehikel des § 219 a den § 218 weiter aufweichen oder gar abschaffen wollen. Man kann das auch gar nicht trennen. Denn Normzweck des § 219 a - auch das wurde eben schon gesagt - ist doch gerade das rechtliche Flankieren des § 218. Das heißt, diese beiden Normen sind ein Kanon, der zusammengehört.

So bekommt die Diskussion um den § 219 a durch einen Beschluss der Jusos auf deren kürzlich durchgeführtem Bundeskongress eine ganz neue, eine ganz erschreckende Wende. Die Jusos sprachen sich dafür aus, Abtreibungen generell, also bis zum 9. Monat, zu legalisieren. Das ist dann jedoch ein Beispiel für eine schlichte Lösung, die es, wie gesagt, eben gerade nicht geben darf und die sich verbietet. Damit wird die notwendige Abwägung zwischen der Selbstbestimmung der Schwangeren und dem Schutz des ungeborenen Lebens völlig aufgehoben.

Es zeigt sich in der Debatte um den § 219 a zunehmend deutlicher, dass man die Abschaffung des sogenannten Werbeverbots im Kontext zu § 218 betrachten muss. Die im Entschließungsantrag geforderte ersatzlose Streichung der Norm ist demnach ein politisches Signal in die verkehrte Richtung.

Hinzu kommt, dass der Wegfall des § 219 a ein Schritt in die Richtung einer über die bloße Information hinausgehenden Werbung für Abtreibung bedeuten kann. Meine Damen und Herren, Werbeplakate mit grinsendem Praxispersonal und einem Erstkundenrabatt darf es im Zusammenhang mit Schwangerschaftsabbrüchen niemals geben!

(Beifall bei der AfD und bei der CDU)

Jeder Tendenz in diese Richtung ist entschlossen entgegenzutreten. Deshalb kann eine ersatzlose Streichung trotz der rechtsdogmatischen Bedenken gegen diese Norm, die ich formuliert habe, nicht in Betracht kommen.

Der Gruppenantrag, vornehmlich aus den Reihen der Union, hat das offensichtlich aufgegriffen und verstanden. Er ist zwar von der Formulierung her eher dürftig und redundant. Wenn es da heißt „in werbender Absicht anpreisen“, ist das eine Redundanz. Da könnte man noch ein bisschen über

sich hinausgehen und, wie ich glaube, diesen Antrag mit mehr Muße betrachten. Er ist offensichtlich mit sehr heißer Nadel gestrickt. Aber er zeigt in die richtige Richtung.

Deshalb können wir uns erwärmen, diesem Antrag zuzustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Auch Ihnen vielen Dank.

Zu diesem Tagesordnungspunkt liegen nunmehr keine weiteren Wortmeldungen vor, sodass wir zur Abstimmung kommen können.

Der auf Annahme in einer geänderten Fassung zielende Änderungsantrag entfernt sich inhaltlich vom ursprünglichen Antrag.

Wir stimmen daher zunächst über diesen Änderungsantrag ab. Nur für den Fall, dass dieser abgelehnt wird, stimmen wir anschließend über die Beschlussempfehlung des Ausschusses ab.

Wer dem Änderungsantrag des Abgeordneten Brinkmann sowie des Abgeordneten Nacke und 16 weiterer Mitglieder der Fraktion der CDU in der Drucksache 18/2325 zustimmen will, den bitte ich um sein Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Damit ist dem Änderungsantrag nicht gefolgt worden.

Wir kommen daher zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses. Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses folgen und damit den Antrag der Abgeordneten Wiebke Osigus, SPD, Anja Piel, Grüne, Sylvia Bruns, FDP, und 71 weiterer Mitglieder der Fraktion der SPD, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion der FDP in der Drucksache 18/2276 unverändert annehmen will, den bitte ich nunmehr um sein Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich? - Damit ist der Beschlussempfehlung des Ausschusses gefolgt worden.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir kommen nun zum

Tagesordnungspunkt 9: Abschließende Beratung: Kultushoheit Niedersachsens in Gefahr! Bildungsföderalismus bewahren und stärken - Antrag der Fraktion der AfD - Drs. 18/1856 - Beschlussempfehlung des Kultusausschusses -

Drs. 18/2168

(Unruhe)

- Wir müssen noch ganz kurz warten, bis diejenigen, die jetzt hinausgehen möchten, den Saal verlassen haben.

Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, den Antrag abzulehnen.

Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen, sodass wir zur Beratung kommen können. Es hat sich zunächst für die AfD-Fraktion der Abgeordnete Harm Rykena gemeldet.

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wie so häufig sind wir, liebe Kollegen von den anderen Parteien, auch bei diesem Antrag nicht einer Meinung. Das bin ich gewohnt. Doch alle Einwände, die Sie bei der ersten Lesung und auch im Kultusausschuss vorgebracht haben, zielen ins Leere.

Wir sind uns völlig darin einig, dass sich der Bund angesichts neuer Herausforderungen im Bereich Bildung engagieren muss, dass für die Umsetzung der Digitalisierung an den Schulen Gelder vom Bund notwendig sind und dass die Länder diese Mammutaufgabe nicht allein stemmen können. Daran gibt es keinerlei Zweifel. Da gibt es keinen Diskussionsbedarf bei uns.

Doch an dieser Stelle haben Sie aufgehört - - -

(Unruhe)

Einen kleinen Moment, Herr Rykena! Es müsste dringend etwas leiser werden, bevor Sie fortfahren.

Vielen Dank.

Doch an dieser Stelle haben Sie aufgehört zu argumentieren. Dabei wird es jetzt erst spannend.

Wir brauchen keine Grundgesetzänderung.

„Wenn man glaubt, dass die Länder mehr Geld für die Digitalisierung an den Schulen brauchen, wäre es der einfachste Weg, den Ländern einen größeren Anteil aus dem gemeinsamen Steueraufkommen von Bund und Ländern zur Verfügung zu stellen. So sieht es das Grundgesetz bereits vor. Der Vorteil: Man könnte es morgen beschließen, ohne andauernd an der Verfassung herumzuwerkeln.“

Das sind nicht meine Worte. Das sind die Worte des CDU-Ministerpräsidenten Armin Laschet. Herr Laschet hat es mittlerweile verstanden, Herr Weritz!

Wie sieht es denn nun mit der niedersächsischen Union aus? - Das letzte Mal, als wir zu diesem Thema gesprochen haben, sagten Sie: „Wenn wir das Geld des Bundes nehmen, also die Fördermittel bekommen, dann entscheiden wir darüber, ob sie eingesetzt werden.“ - Ja, das stimmt. Ob sie eingesetzt werden, entscheiden Sie noch, aber eben nicht mehr, wofür.

Man könnte das Problem also ohne Weiteres schon jetzt lösen, wenn man es denn wollte. Aber genau das war ursprünglich gar nicht der Fall. Der eigentliche Grund für diese Gesetzesinitiative hatte in Wirklichkeit nichts mit der Digitalisierung zu tun. Er hatte nichts mit der Förderung des Ganztagsbetriebs an Schulen zu tun, und er hatte auch nichts mit guten Kitas zu tun. Das waren alles nur vorgeschobene Argumente, über die wir an dieser Stelle nicht diskutieren müssen. Es ging einzig und allein um die Abschaffung des Föderalismus, um die Abschaffung der Kultushoheit der Länder. Weil man das nicht in einem Schritt schafft, versucht man es eben scheibchenweise.

Im Bereich des Zusammenwirkens von Bund und Ländern beim Thema Bildung wurde das Grundgesetz nach 2006 und 2014 zuletzt erst 2017 geändert. Nun, gerade einmal zwei Jahre später, fasst man die entsprechenden Paragrafen schon wieder an - scheibchenweise. Diesmal sollen auch noch Personalkosten sowie Maßnahmen zur Entwicklung nationaler Bildungsstandards möglich gemacht werden.

Ich frage Sie: Was kommt denn als Nächstes? Förderung des Mittagessens? Stärkung der Inklusion? Unterstützung bei der Anschaffung von

Lehrmitteln? Welche Paragrafen muss man dann wieder „anpassen“ - oder sollte ich sagen: inhaltlich auflösen?

Nein, das Ganze war von Vornherein eine Beruhigungspille für die Öffentlichkeit. Dazu gibt es von Ihnen lauthals vorgetragene, unehrliche Treueschwüre zur Kultushoheit. In Wirklichkeit wird diese im Hinterzimmer Stück für Stück abgeschafft.

Das ist hochproblematisch, was auch der Bundesrechnungshof so sieht. Ich zitiere:

„Der Ausbau des schwerfälligen Instruments der Mischfinanzierung in Kernaufgaben von Ländern und Kommunen ist nicht nur verfassungssystematisch problematisch. Er steht auch diametral zum Ziel der Föderalismusreform I, die Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit von Bund und Ländern zu verbessern...“

Andere Bundesländer haben das begriffen, manche schon länger - z. B. Bayern und BadenWürttemberg -; andere brauchten für diese Erkenntnis ein bisschen mehr Zeit, z. B. Niedersachsen.

Doch nun beginnt endlich - oder vielleicht - das Umdenken. Doch warum erst so spät? - Ich habe da eine Vermutung. Bisher dachte man: Es ist doch gut, der Bund bezahlt, und wir bekommen das Geld. - Doch jetzt ist die Katze aus dem Sack. Der Bund bezahlt eben nicht oder, genau genommen, nur die Hälfte. Die andere Hälfte aber bezahlt das Land. Doch der Bund redet mit, und er bestimmt mit seinem Anteil eigentlich sogar, wofür die Niedersächsische Landesregierung im Bereich der Bildung das Geld investiert. Damit ist die Kultushoheit nicht mehr gegeben.

Nun sieht es jedoch danach aus, dass im Bundesrat die notwendige Mehrheit zur Änderung der Verfassung nicht zusammenzubekommen ist. Bedenklich ist nur, dass Niedersachsen bislang nicht zu diesen klugen Verteidigern des Föderalismus zu gehören schien.

Von den Roten und Grünen habe ich nichts anderes erwartet. Aber es entgeistert mich immer noch, wie die Kollegen von der CDU sich so haben über den Tisch ziehen lassen können, dass sie ihre eigenen Prinzipien nicht verteidigten. Damit macht sich die Union einmal mehr unglaubwürdig.

Liebe Kollegen, ich kann Sie nur aufrufen: Kehren Sie zurück zu Ihren eigenen Wurzeln! Eine CDU, die rot-grüne Politik betreibt, ist alles Mögliche, nur keine konservative Partei mehr.

Vielen Dank.