Protokoll der Sitzung vom 10.12.2018

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich vertrete die Ansicht, dass schwangeren Frauen in Notlagen alle notwendigen Informationsmöglichkeiten zur Verfügung stehen müssen. Unkompliziert! Dazu gehören Beratungsstellen und der Zugang zu fachlicher, medizinischer Betreuung in

Arztpraxen, wann immer Frauen das wünschen. Es geht aber auch um die Frage, ob wir als Gesellschaft wollen, dass ein Eingriff wie ein Schwangerschaftsabbruch allen anderen ärztlichen Eingriffen gleichgestellt wird. Es geht weiterhin um die Frage, ob wir mit einer kompletten Streichung des § 219 a wirklich Werbung für schwangerschaftsbeendende Maßnahmen zulassen wollen, also auch außerhalb von Arztpraxen, etwa durch Pharmakonzerne oder schlicht durch jemanden, der sich etwas - was auch immer - davon verspricht; denn genau das wäre die Konsequenz des Gruppenantrags von Teilen der Fraktionen der SPD, der Grünen und der FDP.

Es geht auch - das will ich gar nicht verschweigen - um die Handlungsfähigkeit von Politik bei grundlegend gegensätzlichen Standpunkten. Mir jedenfalls gefällt es nicht, dass es seit deutlich mehr als einem Jahr nicht zu einer Lösung auf der Bundesebene kommt.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Aber wir haben es eben auch nicht mit einer einfachen Frage zu tun. Deshalb hat sich zumindest meine Fraktion die Angelegenheit nicht einfach gemacht. Wir haben viele Gespräche geführt, auch innerhalb der Fraktion. Letztendlich haben wir uns dazu entschlossen, eine Anhörung durchzuführen.

Ich bin Justizministerin Barbara Havliza für ihre wertvollen Hinweise dankbar, wie eine ausgewogene und rechtssichere Regelung aussehen kann. Noch einmal: Ich finde es unerlässlich, dass jederzeit ein verlässlicher Zugang zu einer qualitativ hochwertigen und vertrauenswürdigen Beratung für jede Schwangere gewährleistet wird. Selbstverständlicher Bestandteil dieser Beratung sind Kontaktdaten von Ärztinnen und Ärzten, die einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, deshalb halte ich den Vorschlag für richtig, dass diejenigen Ärztinnen und Ärzte, die einen Schwangerschaftsabbruch durchführen, darüber auch auf ihrer Homepage informieren dürfen - selbstverständlich nicht werbend. Das ist auch ganz klar zu unterscheiden, wie uns Frau Professor Beck von der Universität Hannover in unserer Anhörung dargelegt hat: „Anpreisen“ und „Werben“ ist strafrechtlich zu definieren. Um diesen Vorschlag jedoch rechtssicher umsetzen zu können, bedarf es nach meiner Auffassung einer Konkretisierung des § 219 a StGB. Diese Konkretisierung ist Bestandteil unseres Gruppenantrags.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, unser Gruppenantrag sendet ein Signal an den Deutschen Bundestag. Letztlich ist es daher auch nicht entscheidend, ob er hier und heute eine Mehrheit findet. Denn ich bin mir sicher, dass die Arbeit an unserem Antrag nicht vergebens war. Nur er bietet - anders als andere Anträge - zu der Frage einen tragfähigen Kompromiss an.

(Lebhafter Beifall bei der CDU)

Allein dieser Antrag bringt beides unter einen Hut: auf der einen Seite die Freiheit der Schwangeren, sich unkompliziert alle Informationen zu einem möglichen Schwangerschaftsabbruch zu besorgen, und auf der anderen Seite das gesellschaftlich akzeptierte Verbot von Werbung für den Schwangerschaftsabbruch. Damit schafft unser Antrag Rechtssicherheit in schwierigen Situationen. Mehr Informationen: Ja! - Werbung: Nein!

Ich danke Ihnen.

(Starker, anhaltender Beifall bei der CDU sowie Zustimmung bei Klaus Wichmann [AfD])

Vielen Dank, Frau Kollegin Hövel. - Auf Ihren Beitrag haben sich die Kollegin Osigus und Herr Dr. Marco Genthe für die FDP-Fraktion zu einer Kurzintervention gemeldet. Frau Osigus, Sie beginnen!

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Zwei Sachen zur Klarstellung!

Das Erste ist: Der § 219 a stammt aus dem Jahr 1933. Er galt bereits, lange bevor wir das Abtreibungsrecht ursprünglich reformiert haben.

Das Zweite ist: Hier wird immer wieder gesagt, dass es Werbung für Abtreibung geben soll. Ich frage mich, wer diese Werbung schalten soll. Dritte dürfen nicht straffrei abtreiben, weil es dann quasi ein Abbruch ist. Ärzte dürfen nicht werben, weil die Berufsverordnung dagegen steht.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Richtig!)

Und mit den Medikamenten darf man auch keine Werbung machen, weil das Heilmittelwerbegesetz dagegen steht.

Insofern halte ich die momentane Regelung, ehrlich gesagt, für rechtsunsicher, weil es dadurch nämlich zu den Missbrauchsfällen kommt, über die

ich vorhin gesprochen habe. Mithin bleibt es dabei, dass wir es abschaffen wollen.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der FDP - Widerspruch von Kai Seefried [CDU] und Jörg Hill- mer [CDU])

Herr Dr. Genthe, auch Sie haben anderthalb Minuten!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zunächst meiner Verwunderung und meiner Enttäuschung darüber Ausdruck verleihen, dass der Änderungsantrag aus den Reihen der CDU-Fraktion erst jetzt kommt. Ich hätte darüber sehr, sehr gern mit Ihnen im Rechtsausschuss diskutiert. Die Gelegenheit hätte es gegeben.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN sowie Zustimmung bei der SPD)

Die entsprechenden Anträge von den Grünen und von der FDP liegen seit gut einem Jahr vor. Wir hätten darüber diskutieren können.

Ein erster Blick auf Ihren Antrag zeigt auch, dass das grundsätzliche Problem des § 219 a überhaupt nicht gelöst wird. Nach Ihren Vorstellungen sollen nämlich auch weiterhin die Strafgerichte dafür zuständig sein, zu entscheiden, ob etwas eine Werbung oder vielleicht nur eine grafisch ansprechend gestaltete Information ist. Ich halte das bei den Strafgerichten für falsch verortet. Das sollte sich über das Ärztliche Standesrecht oder über das Arztwerberecht entscheiden, aber nicht über das Strafrecht, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN sowie Zustimmung bei der SPD)

Da eben auch der Zusammenhang zwischen § 218 und § 219 genannt wurde: Im Rechtsausschuss wurde die Diskussion schon etwas anders geführt. Darum lassen Sie es mich an dieser Stelle ganz klar machen: Niemand, der den großen Gruppenantrag unterstützt, möchte mit diesem Antrag etwas an der Systematik des § 218 ändern. Niemand!

(Beifall bei der FDP sowie Zustim- mung bei der SPD und bei den GRÜ- NEN)

Niemand, der den großen Gruppenantrag unterstützt, möchte Werbeplakate, Postwurfsendungen oder ähnliche Dinge mit Werbung für Abtreibungen. Das möchte niemand. Das soll illegal bleiben.

Ich finde die Vorstellung, wie sie nicht hier, aber in der Diskussion, die außerhalb des Landtages geführt worden ist, geäußert wurde, völlig absurd. Die Vorstellung, dass sich eine schwangere Frau, nur weil sie eine Information über Abtreibung zur Kenntnis nimmt, -

Letzter Satz, Herr Kollege Genthe!

Entschuldigung! - plötzlich entscheidet: Heute lasse ich abtreiben. - Das ist völlig absurd. Es ist eine der schwersten Entscheidungen überhaupt, die man im Leben treffen muss.

(Beifall bei der FDP, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, letzter Satz!

Nein, Herr Dr. Genthe, das war jetzt schon der letzte Satz.

Mehr Informationen nutzen an dieser Stelle viel mehr als weniger Informationen. Stimmen Sie der Streichung zu!

(Beifall bei der FDP, bei der SPD und bei den GRÜNEN - Jörg Hillmer [CDU]: Es geht um Werbung, nicht um Information!)

Herr Kollege Nacke möchte für die CDU-Fraktion eine Antwort auf diesen Beitrag geben.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Genthe, ich habe Frau Kollegin Hövel gebeten, die Antwort geben zu können, weil Sie das Verfahren in diesem Punkt angesprochen haben. Darauf würde ich gern zu sprechen kommen.

Ich habe es so verstanden, dass es Ihnen ganz besonders wichtig ist, dass dieser Antrag jetzt weiter beraten wird. Sie wussten ganz genau, dass die CDU-Fraktion - so, wie Frau Kollegin Hövel das

eben ausgeführt hat - eine Anhörung machen wollte und wir uns besonders schwer tun mit einer Antwort auf die Frage, wie wir mit diesem Antrag umgehen. Sie haben zu keinem Zeitpunkt einen Zweifel daran gelassen, dass Sie für die komplette Streichung dieses Paragrafens sind.

Wenn es Ihnen jetzt allerdings ernst ist, mit dem, was Sie gerade hier gesagt haben, nämlich dass Sie im Rechtsausschuss über diese Frage noch einmal neu diskutieren wollen, nachdem Sie nun den Gruppenantrag kennen, der von verschiedenen Kollegen unterschrieben worden ist, dann stellen Sie hier den Antrag, dass der Antrag zurück an den Rechtsausschuss überwiesen wird. Dann werden wir diese Frage im Rechtsausschuss neu aufgreifen.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Nachdem Sie ein Jahr gewartet haben!)

Wir sind gern dazu bereit. Wir haben die Bereitschaft dazu bei Ihnen nicht erkennen können. Hier jetzt das Verfahren zu kritisieren, halte ich für einen ganz schlechten Weg und einen ganz schlechten Stil in dieser Debatte.

(Starker Beifall bei der CDU - Dr. Stefan Birkner [FDP]: Den schlechten Stil sehe ich bei Ihnen!)

Vielen Dank, Herr Kollege Nacke. - Wir fahren jetzt fort mit dem Beitrag von Frau Imke Byl für Bündnis 90/Die Grünen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! § 219 a ist kein Werbeverbot, er ist ein Informationsverbot!

(Beifall bei den GRÜNEN sowie Zu- stimmung bei der SPD und bei der FDP)

Er schützt ungeborenes Leben nicht - das tut er nicht! -, sondern er schikaniert betroffene Frauen und Ärztinnen und Ärzte. Deshalb gehört er ersatzlos abgeschafft!