Protokoll der Sitzung vom 12.12.2018

Zweitens passt es selbstverständlich nicht zu den Zielen der EU-Kommission, dass trotz des bedeutenden europäischen Mehrwertes des sogenannten INTERREG-Programms zur grenzübergreifenden, interregionalen und transnationalen Zusammenarbeit gerade bei diesem Förderprogramm gekürzt werden soll. Hier muss sich Niedersachsen dafür einsetzen, dass bis zum Beschluss des kommenden Mehrjährigen EU-Finanzrahmens - hoffentlich im Frühjahr 2019 - noch Verbesserungen erreicht werden.

Nicht zuletzt gilt es, gemeinsam auf allen Ebenen Druck zu machen, damit wir endlich eine Finanztransaktionssteuer in Europa bekommen. Deutschland und Frankreich haben dazu eine neue Initiative gestartet. Mit unserem Antrag geben wir dieser Initiative Rückenwind aus Niedersachsen.

Sehr geehrte Damen und Herren, Europa wird in diesen Tagen mancherorts infrage gestellt, leider auch hier im Niedersächsischen Landtag. Aber diese Krise birgt eine Chance. Lassen Sie uns die neue Aufmerksamkeit, die europäische Politik in diesen Zeiten erhält, nutzen, und Europa noch stärker vor Ort verankern! Dazu muss der Mehrwert, den Europa bringt, müssen die Chancen, die Europa den Menschen in Niedersachsen verschafft, spürbar werden. Dabei kann es helfen, wenn Niedersachsen weiterhin stark von EUFördermitteln profitiert. All das gilt vor allem dann, wenn sich Niedersachsen für den kommenden

Mehrjährigen Finanzrahmen der Europäischen Union stark aufstellt. Unterstützen Sie daher den entsprechenden Antrag von SPD und CDU! Vielen Dank im Voraus.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Dr. Liebetruth. - Für die FDPFraktion spricht der Kollege Horst Kortlang.

Verehrtes Präsidium! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich mache es kurz. Herr Wirtz, ich kann von hier aus nur sagen: Ich bin froh, dass ich in einem Europa und in diesem Europa in Frieden leben kann. Ich bin nun schon ein bisschen länger unter diesem Himmelszelt, und ich weiß noch aus der Nachkriegszeit, was Krieg bedeutet.

(Zuruf)

- Baujahr 1948! Rechnen Sie mal nach!

Ich weiß, was in der Nachkriegszeit gewesen ist. Wir wollen mit vereinten Kräften daran arbeiten, dass wir ein vereintes Europa haben.

(Lebhafter Beifall bei der FDP, bei der SPD, bei der CDU und bei den GRÜ- NEN)

Ich möchte weiter sagen: Auf uns wartet noch viel Arbeit, und zwar nicht nur im Hinblick auf den Brexit. Auch die angedachte Digitalsteuer wird eine knifflige Aufgabe - zumal ich gerade erfahren habe, dass es im Vorfeld Deals gegeben haben soll, die wir als Niedersachsen so eigentlich nicht hinnehmen können. Daran müssen wir arbeiten.

Aber es geht auch um die eigenartigen Steuermodelle, die insbesondere Weltkonzerne aushandeln. Wir haben als Gesellschaft mit Steuergeldern hier die Infrastrukturen geschaffen und aufgebaut. Wir unterhalten diese auch über Steuergelder. Deshalb ist es absolut nicht gerechtfertigt, wenn Unternehmen, die durch die Nutzung dieser Infrastruktur Gewinne machen, hier keine Steuern zahlen. Daran müssen wir arbeiten, damit das etwas anders wird.

(Beifall bei der FDP)

Grundsätzlich müssen wir aufpassen, dass weiterhin nur Staaten Gesetze machen und nicht irgendwelche Lobbyisten und Großunternehmen. Auch da müssen wir Vorsicht walten lassen.

Nun befasse ich mich mit den Tagesordnungspunkten, die heute abschließend beraten werden. Wir von der FDP - das klang eben schon vonseiten der SPD an - haben einen Antrag zum Mehrjährigen Finanzrahmen gestellt, der eigentlich nicht schlecht war. Die AfD sieht das anders, das ist klar, aber das ist nicht unser Maßstab.

Aus unserer Sicht haben wir einen sehr guten Antrag eingebracht. Er bezieht sich zum einen auf das Problem der sehr deutlichen Mittelreduzierungen und fordert zum anderen ein Programm „Innovation2030“, um die Entwicklung bei der Digitalisierung und der Künstlichen Intelligenz - darüber haben wir gesprochen - zu beschleunigen. Diesen Antrag werden Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, mit Ihrer geballten Dreiviertelmehrheit im Hause ablehnen.

Mich verwunderte es, dass, kurz nachdem wir unseren Antrag eingebracht hatten, der Antrag von Ihnen gekommen ist, in dem sich ein paar Dinge widerspiegeln, die auch in unserem Antrag stehen; aber solche Gedankengänge soll es ja manchmal geben. Das sei verziehen.

Gut an Ihrem Antrag ist der Punkt 2 mit der Forderung, dass sich die Europäische Union noch im Frühjahr 2019 auf den Mehrjährigen Finanzrahmen festlegen soll - dass es also schnell geht -, um keine Hängepartie, wie es sie zu Beginn der noch laufenden Förderperiode gegeben hat, mit einem finanziellen Vakuum entstehen zu lassen. Da bin ich voll und ganz bei Ihnen.

In Ihrem Antrag widersprechen Sie sich aber auch: Auf der einen Seite haben Sie Verständnis für die Kürzungen in allen Bereichen. Also erlauben Sie Kürzungen mit der Heckenschere. Auf der anderen Seite werden Forderungen aufgestellt, die eigentlich richtig sind, die Strukturfondsmittel nicht im vorgesehenen Maße zu kürzen. Im Ausschuss haben wir dazu fair gearbeitet und waren unterwegs, wobei wir gesagt haben, wie wir es haben wollen. Daran arbeiten wir auch zukünftig mit vereinten Kräften.

Was INTERREG angeht, stimme ich Ihnen auch zu. Dieses Programm ist sehr wichtig und das Paradebeispiel für gute Zusammenarbeit der Regionen in Europa; das kann gar nicht besser sein.

Hier ist alles daran zu setzen, für eine Kontinuität zu sorgen und es weiter am Laufen zu halten.

Zum Schluss kommt dann eine bislang unerwartete Forderung nach einer schnellen Verwirklichung der Finanztransaktionssteuer. Nur, anders als Sie

es in Ihrer Begründung darstellen, sind da doch noch erhebliche Hindernisse vorhanden. Das alles entscheidende Hindernis ist die Uneinigkeit unter den Mitgliedsstaaten. Die muss erst einmal beseitigt sein. Erst wenn alle EU-Staaten diese Steuer einführen, ist überhaupt daran zu denken, im EUHaushalt etwas abzuzweigen, sodass wir davon profitieren.

(Zustimmung von Jörg Bode [FDP])

Aber eigentlich bedürfte es einer Einigung auf Ebene der Welthandelsorganisation. Sie wollen ja nicht allen Ernstes der Kommission ein eigenes Erhebungsrecht geben. Das kann es nicht sein.

Grundsätzlich anzumerken ist: Die Förderkulisse des EU-Haushaltes hat die Hauptrichtung, zuerst die Landwirte im ländlichen Raum zu fördern. Natürlich ist dieser Bereich auch besonders betroffen von den anstehenden Kürzungen, wie sie der zukünftige Mehrjährige Finanzrahmen vorsieht. Dem wollten wir mit unserem Antrag Rechnung tragen, indem wir das Programm „Innovation2030“ gefordert haben - das wurde hier eben auch schon angesprochen -, damit die Mittel, über die wir hier in Niedersachsen entscheiden können, die also den Landwirten nicht direkt zufließen, mit der größtmöglichen Effizient eingesetzt werden können.

(Unruhe)

Die Landwirte werden nicht nur gefördert, sie unterliegen - wie Sie alle wissen - gewissen Regeln, die zum Teil rasante Änderungen erfahren.

(Anhaltende Unruhe)

Lieber Herr Kollege Kortlang, eine kurze Pause! - Ich möchte alle bitten, auch die Minister, wieder Ihre Plätze einzunehmen. Es gehört sich, dass auch am Ende alle den Rednern und Rednerinnen zuzuhören. - Wunderbar, jetzt geht es weiter, Herr Kortlang!

Wir haben auch eine deutliche Entwicklung bei der Digitalisierung und der Künstlichen Intelligenz - das wurde gerade kritisiert - gefordert; nicht bloß als Platzhalter, sondern in dem Wissen, dass gerade in der Landwirtschaft und im ländlichen Raum diesbezüglich schon Einiges geschieht. Mit einem Innovationsplan kann dies aber koordinierter und damit effizienter erfolgen.

Mehr Umweltschutz ist - wie wir gehört haben, als wir zusammen unterwegs gewesen sind - eine Zielvorgabe, die in diesem Zusammenhang abgearbeitet werden kann: genaue Düngung, aber auch ein viel genauerer Pflanzenschutz. Ich hätte mir zwar gewünscht, dass diese Innovation aus Niedersachsen kommt, aber - wie ich vorhin schon erwähnte - es fehlen die Investoren, die ins Risiko gehen, um solche Sachen zu erfinden.

Ein norwegisches Unternehmen bringt einen Pflanzenschutzroboter auf den Markt, mit dem Pflanzenschutzmittel zielgenau eingesetzt werden kann. Dieser Roboter kann auch im Tierschutz eingesetzt werden. Letzten Monat konnte man sich diese Sachen auf der EuroTier genau besehen. Dort war so viel zu sehen, dass man wirklich guten Mutes sein kann - wenn denn die Landwirte auch das nötige Kapital haben, um diese Investitionen in Tier- und Umweltschutz zu tätigen. Es wäre wirklich gut, hier zu unterstützen, damit das schneller geht. Leider werden Sie nun anders abstimmen. Das ist wirklich schade.

Ich sage trotzdem herzlichen Dank für die gute Zusammenarbeit und für die Kollegialität, die wir im Ausschuss haben walten lassen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP sowie Zustim- mung bei der SPD, bei der CDU und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kortlang. - Für die CDU-Fraktion spricht Herr Marcel Scharrelmann.

(Dr. Stephan Siemer [CDU] meldet sich zu Wort - Schriftführer Heiner Schönecke: Herr Scharrelmann wollte als Letzter sprechen!)

Herr Scharrelmann, Sie haben einen Zettel abgegeben und gesagt, Sie möchten als Letzter sprechen? - Wir drehen das einfach um. Das ist kein Problem. Sie sprechen sowieso hintereinander. Dann kommt jetzt für die CDU-Fraktion der Abgeordnete Dr. Stephan Siemer. Bitte schön!

(Beifall bei der CDU)

Vielen herzlichen Dank. - Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das gibt mir die Gelegenheit, schon einmal ein Loblied auf Marcel

Scharrelmann zu singen, der auf die Anträge eingehen wird, sodass ich mich auf den allgemeinen Teil beschränken kann.

Ich möchte damit anfangen, dass wir hier am 22. November eine Begegnung mit Vertretern der niederländischen Provinzen an unserer Grenze hatten. Und das - Herr Wirtz, Sie waren auch dabei - hat doch sehr deutlich gemacht, dass es sehr viele Baustellen, nicht nur in Form von Brücken, sondern auch in der inhaltlichen Zusammenarbeit zwischen den Niederlanden und der Bundesrepublik Deutschland gibt. Es geht um eine Abstimmung der Ausbildung, um einen gemeinsamen Arbeitsmarkt, um den öffentlichen Personennahverkehr, um das Gesundheitswesen und auch um die Wissenschaft. Denken Sie bitte an das Projekt der European Medical School, das zwischen Oldenburg und Groningen stattfindet. Das macht deutlich, wie wichtig allein schon die Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Niederlanden ist, dass sie von beiden Seiten gewünscht ist und mit noch mehr finanziellen Mitteln hinterlegt werden sollte. Genau dies findet in diesem Haushalt statt.

Wie Sie also auf diese Idee kommen, dass Europa nicht notwendig wäre, wo Sie doch genau diese Veranstaltung mit den Niederlanden in unserer unmittelbaren Nähe mitbekommen haben, ist mir völlig schleierhaft.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und bei der FDP)

Europa ist in der Tat ein Friedensprojekt. Da braucht man nur in die unmittelbare Vergangenheit zurückschauen, als die Konflikte in der Ukraine ausgebrochen sind, wesentlich verursacht durch mancher Person Freund Putin. Da haben es der französische Präsident und Angela Merkel vermocht, die Amerikaner von einer weiteren Intervention in der Ukraine abzuhalten, sodass es dort eben nicht zu einem Krieg gekommen ist. Wenn man sich vor Augen führt, in welcher unmittelbaren geografischen Nähe das ist, sieht man, dass die enge Zusammenarbeit in Europa nach wie vor für den Erhalt des Friedens von entscheidender Bedeutung ist. Wir alle können nur froh sein, dass wir Europa und die Europäische Union haben.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und bei der FDP)

Häufig ist es ja so, dass einem Dinge erst dann auffallen, wenn sie fehlen. Ich möchte nur einmal anregen, zu überlegen, was passieren würde und

was junge Menschen denken würden, wenn Data Roaming, was durch die Europäische Union wesentlich vereinfacht wurde, wegfiele, wenn wir wieder Grenzkontrollen auf dem Weg nach Belgien oder Frankreich hätten. Es würde kein Deut mehr Sicherheit entstehen, es würde nur zu Verzögerungen kommen. Wir haben eine gute Zusammenarbeit zwischen den Behörden.

In der Rede vorher fiel der Satz: „Die Briten wissen, was sie tun.“ Wer sich die aktuelle Nachrichtenlage allein heute vor Augen führt, dem kommt dieser Satz - ich möchte den Briten in Großbritannien nicht zu nahe treten - wirklich nicht in den Sinn. Ich habe damals die Diskussion über den Brexit verfolgt. In Großbritannien wurde gesagt: Wenn wir hier eine allein nationale Lösung verwirklichen, dann geht es unserem National Health Service besser, dann haben wir nichts mehr mit der Türkei zu tun, die übermorgen in die EU eintreten wird, dann haben wir sämtliche Migrationsthemen gelöst. Interessanterweise hat vor dem Referendum kein Einziger - wenigstens ist mir das nicht aufgefallen - über das Thema Nordirland geredet, das im Moment der größte Stolperstein ist.