Protokoll der Sitzung vom 13.12.2018

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Diese Frage kann man bezogen auf Niedersachsen nicht so differenziert beantworten. Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs gibt den Briten die Möglichkeit, sozusagen noch einmal vom Austritt zurückzutreten. Diese Möglichkeit haben sie bis zum 29. März 2019.

Sollte es zu einer Verlängerung der Übergangsphase kommen - nach Artikel 50 gibt es ja die Möglichkeit, die Fristen zu verlängern -, würde dieses Rücktrittsrecht nach den Ausführungen des Europäischen Gerichtshofs länger bestehen. Wenn es aber zu einem Austritt und infolgedessen zu einem geregelten Brexit kommt, besteht diese Möglichkeit nicht mehr. Aber wie ich schon ausgeführt habe, sehen wir, auch wenn wir uns das noch so wünschen, nicht den Hauch einer Chance, dass sich die Briten besinnen und vom Austritt zurücktreten.

Insofern hat das Urteil des Europäischen Gerichtshofs keine spezifischen Auswirkungen auf Niedersachsen. Es könnte theoretisch dazu führen, dass es insgesamt nicht zum Brexit kommt. Aber wie gesagt, die Chance ist sehr gering.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön. - Für die CDU-Fraktion stellt jetzt Herr Dr. Siemer eine Frage.

Frau Präsidentin! Ich frage die Landesregierung: Welche Gründe könnten für eine Verlängerung der Zweijahresfrist nach Artikel 50 sprechen?

Die Ministerin wird antworten.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Lieber Herr Dr. Siemer, ich habe ja gerade gesagt, dass der Brexit spätestens zwei Jahre nach der Mitteilung des Austrittswunsches, also mit Ablauf des 29. März 2019, zu vollziehen ist. Entsprechend müsste ein Austrittsabkommen am 30. März 2019

in Kraft treten. Es gibt in der Tat die Möglichkeit einer Verlängerung. Dem müsste aber die EU-27 zustimmen, und das Vereinigte Königreich müsste sein Einvernehmen dazu erteilen. Und Letzteres ist, wie ich schon angeführt habe, ausgesprochen unwahrscheinlich.

Ich kann mir eigentlich nur eine Möglichkeit vorstellen, dass es zu einer Verlängerung der Austrittsfrist kommt: wenn die britische Regierung und das britische Unterhaus ihre Meinung ändern sollten und es ein zweites Referendum gibt. Aber diese Annahme ist, wie gesagt, sehr theoretisch.

Vielleicht noch ein Hinweis: Eine Verlängerung der Austrittsfrist hätte auch Auswirkungen auf die Europawahl. Das sei als ein weiteres Problemfeld aufgezeigt. Man müsste sich Gedanken machen, wie man damit verfahren wollte.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Danke sehr. - Die zweite Zusatzfrage für die SPDFraktion stellt Frau Dr. Dörte Liebetruth.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gehen wir einmal davon aus, dass es beim Brexit bleibt. Frau Ministerin Honé, Sie hatten das Thema Fischereiabkommen angesprochen. Mich würde interessieren, wie sich Niedersachsen in die Verhandlungen der Europäischen Union und des Vereinigten Königreichs zum Freihandelsabkommen und zu weiteren Abkommen einbringen würde.

Danke sehr. - Frau Ministerin wird antworten.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Frau Liebetruth, es ist eben schon darauf hingewiesen worden, dass Niedersachsen als exportorientierter Wirtschaftsstandort vom Brexit massiv betroffen sein wird. Wir haben insbesondere drei Branchen - aber auch noch weitere -: den Automobilbau, den Maschinenbau und die schon angesprochene Land- bzw. Ernährungswirtschaft.

Ich kann dazu sagen, dass wir natürlich auch jetzt schon alle Kanäle intensiv nutzen, um zu erfahren, wer welche Vorkehrungen im Hinblick auf den Brexit trifft. Wir werden auch weiterhin alle etablier

ten Kanäle nutzen, um uns hier einzubringen. Ich habe vor einiger Zeit auch einen Brief an den Chefunterhändler Barnier geschrieben, in dem ich auf die spezifisch niedersächsischen Interessen hingewiesen habe. Ich freue mich darüber, dass sich die von der Landesregierung angesprochenen Punkte voll im Austrittsvertrag und in der Politischen Erklärung zum Rahmen der künftigen Beziehungen wiederfinden.

Für uns ist ein Thema von ganz zentraler Bedeutung, nämlich die Lieferketten, weil heute alle darauf angewiesen sind, dass diese Lieferketten just in time funktionieren. Wenn es zu langwierigen Zollabfertigungen kommen sollte, wäre das alles sehr schwierig.

Wir merken jetzt schon: Das Vereinigte Königreich war noch im vorletzten Jahr der zweitwichtigste Handelspartner von Niedersachsen. Mittlerweile hat sich Frankreich davorgeschoben. Bei den anderen europäischen Handelspartnern gibt es sehr erfolgreiche Handelsbilanzen. Das steigt. Bei Großbritannien stagniert es. Insofern kann man in der Tat sagen, dass sich auch die Wirtschaft schon anders orientiert.

Gleichwohl vertreten wir im Bereich eines zukünftigen Freihandelsabkommens unsere Interessen in Brüssel. Hierbei geht es insbesondere darum, dass wir unsere Interessen bei den Marktzutrittschancen und natürlich - ich sagte es bereits - bei der Frage wahren, welche Kontrollen zukünftig eigentlich notwendig sein sollen. - Das bezieht sich auf das Freihandelsabkommen.

Vielleicht kann ich noch ein bisschen zu weiteren sektoralen Abkommen sagen, zu denen es ja dann auch kommen muss, weil wir ja auch schauen müssen, wie es eigentlich mit den Bürgerrechten weitergeht. Dabei geht es insbesondere um die hier lebenden Britinnen und Briten. Auch da versuchen wir im Hinblick auf den Brexit, Härten zu vermeiden.

Sie wissen vielleicht, dass ich in vielen Interviews und auch in den Antworten auf persönliche Zuschriften von Britinnen und Briten, die mich erreichen, immer darauf hinweise, dass es jetzt noch möglich ist, die doppelte Staatsbürgerschaft anzustreben. Wir wissen auch - dazu liegen uns Zahlen vor -, dass viele Britinnen und Briten inzwischen diesen Weg wählen. Ab dem 30. März wäre ja für die Britinnen und Briten diese doppelte Staatsbürgerschaft nicht mehr möglich. Wir wissen, dass sich der Bund auch hier bemüht, eine Übergangsfrist zu schaffen. Gleichwohl sollte es hier keine

Entwarnung geben. Nach wie vor gilt: Wer die doppelte Staatsbürgerschaft haben möchte, sollte jetzt schnellstmöglich einen Antrag stellen. Die Behörden in Niedersachsen haben eine durchschnittliche Bearbeitungszeit von sechs Wochen. Insofern gilt es, den Antrag so schnell es geht bei der entsprechenden Behörde zu stellen.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Danke vielmals. - Die zweite Frage für die FDPFraktion stellt nun der Kollege Jan-Christoph Oetjen.

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Ministerin, ich hätte gerne von der Landesregierung gewusst, welche deutsch-britischen Forschungsvorhaben und deutsch-britischen universitären Austauschprogramme von einem „hard Brexit“ betroffen wären und ob die Landesregierung ähnlich der OxfordBerlin Partnership eine Allianz von niedersächsischen Universitäten mit britischen Universitäten vorbereitet.

Danke sehr. - Frau Ministerin Honé antwortet.

Sehr geehrte Frau Präsident! Wir wissen im Moment noch nicht von den Briten, wie es im Falle eines „no deal“ weitergehen soll. Es gibt Hinweise - keine offiziellen Erklärungen - von der britischen Regierung, dass sie weiterhin an Programmen wie etwa Horizon 2020 teilnehmen möchte und dass sie auch bereit ist, dafür Zahlungen zu leisten, soweit diese Projekte vor dem Brexit beschlossen wurden. Für andere Programme haben wir noch keine belastbaren Aussagen der britischen Regierung. Insofern kann ich Ihnen diese Frage, auch bezogen auf den zweiten Punkt, nicht beantworten. Ich will aber gerne noch einmal bei der Bundesregierung nachfragen und gucken, ob es einen aktuellen Sachstand gibt, den ich Ihnen dann vielleicht nachliefern kann.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. - Wir kommen jetzt zu der zweiten Frage für Bündnis 90/Die Grünen vom Kollegen Dragos Pancescu.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin, vor dem Hintergrund, dass wir alle uns eigentlich wünschen, dass der Brexit nicht kommt - ob unser Weihnachtswunsch in Erfüllung geht, wissen wir aber noch nicht -, frage ich die Landesregierung: Wie gedenkt die Landesregierung, darauf Einfluss zu nehmen, dass nach dem Brexit die jetzigen EU-Verbraucherschutzstandards beim Handel mit Großbritannien weiter gelten?

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Die Frau Ministerin antwortet.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ich kann nur das wiederholen, was ich vorhin gesagt habe: Es wird im Rahmen des dann auszuhandelnden Freihandelsabkommens darum gehen, auch die Frage von Standards mit den Briten und Britinnen zu erörtern, so wie es dann auch gilt, alle Fragen, die im Handel und in den bilateralen Beziehungen eine Rolle spielen, zu besprechen und zu verhandeln. Das wird sicherlich intensiv und langwierig sein. Davon können wir ausgehen. Das gilt aber auch für den Fall eines geregelten Brexit. Was im Fall eines ungeregelten Brexit ist, wissen wir heute ja noch nicht. Auch dann liegt es allerdings in unserem Interesse, dass wir schnellstmöglich zu bilateralen Regelungen zwischen dem Vereinigten Königreich und den EU-27 kommen.

(Beifall bei der SPD)

Danke sehr. - Damit sind alle Fragen beantwortet.

Wir kommen jetzt zur Aussprache. Die Landesregierung hat ihre Redezeit um 10:21 Minuten überzogen, sodass jetzt jede Fraktion 14 Minuten - also 10 Minuten plus die eigenen 4 Minuten - beanspruchen könnte.

(Dirk Toepffer [CDU]: Könnte!)

Wir beginnen mit der Aussprache. Für die AfDFraktion spricht jetzt Herr Stefan Wirtz.

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Mal wieder das Thema Brexit - heute wenigstens zum ersten Mal, aber gefühlt mindestens schon x-mal gehabt.

Hier versuchen Sie also, noch aktueller zu sein und noch heißere Informationen zu bekommen, als sie aus der Tages- und Abendpresse zu entnehmen waren. Sie wollen hier auch die Frage nach den Folgen für Niedersachsen erneut stellen. Diese Frage ist allerdings schwer zu beantworten; denn der Brexit ist ein einmaliger Vorgang - noch nicht dagewesen, noch nicht gehabt. Wie die Auswirkungen auf Deutschland, auf die EU und vor allen Dingen auf Niedersachsen sein werden, ist nicht voraussehbar und wird auch für die zuständige Ministerin nicht so leicht zu beantworten sein. Sie ist schließlich nicht Ministerin für Orakeldienste oder Ähnliches, sondern Ministerin in dem extra dafür eingerichteten EU-Ministerium. Zu diesem Aufgabenbereich werde ich vielleicht am Ende, wenn ich etwas Zeit übrig habe, noch mehr sagen.

Wir haben hier jetzt viele Fragen und auch viele Antworten gehört. Manche Fragen empfand ich nicht als Fragen, und manche Antworten waren auch nicht unbedingt Antworten. Es gibt wohl harte und weiche Fragen und Antworten. Wir haben uns ein bisschen im Plauderton über das, was gerade Sachstand ist oder sein müsste, unterhalten können und haben einigen Ausführungen lauschen können.

Sehen wir aber einmal, wie es tatsächlich gestern Abend stand und jetzt immer noch steht: Theresa May hat mit Müh und Not ein Misstrauensvotum aus ihren eigenen Reihen, aus ihrer eigenen Partei überstanden, das ganz offensichtlich deshalb gestellt worden ist, weil man mit ihrer Arbeit unzufrieden war und mit ihren Verhandlungsleistungen und -ergebnissen nicht einverstanden ist. Sie ist jetzt zumindest auf diesem Wege für weitere zwölf Monate sicher in ihrem Amt. Sie kann in den nächsten zwölf Monaten kein weiteres Misstrauensvotum gegen sich erleben. Das ist dort so geregelt. Das bedeutet für sie zumindest auf dieser Seite eine kleine Entwarnung.

Was ist aber eigentlich ihr Preis dafür? - Offensichtlich hat sie dafür angeboten, bei den nächsten Parlamentswahlen nicht als Spitzenkandidatin für ihre Partei anzutreten.

Das ist ein hoher Preis. Wir kennen eine ähnliche Situation, einen Verzicht auf Raten von einer gewissen Angela M., die gerade mit der CDU etwas Ähnliches gemacht hat

(Helge Limburg [GRÜNE]: Frau Petry hat doch auch angeboten, nicht mehr Spitzenkandidatin zu sein!)

und auf einen unwichtigen Posten verzichtet hat, um noch etwas weiterregieren zu können.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Es ist allerdings nicht unbedingt in ihrem Sinne, wenn Theresa May weiterregiert; denn sie wird bei der Ansicht bleiben: Es gibt kein zweites Referendum, und es wird beim Brexit bleiben. - Da können Sie sich in diesem Hause Hoffnungen machen, so viel Sie wollen. Wir gehen einfach davon aus, dass der Brexit kommt.