Protokoll der Sitzung vom 23.01.2019

Wenn wir die politische Gewalt stoppen wollen, dann geht das nur gemeinsam. Dann müssen wir bei dem zentralen Punkt, wie wir uns zu Gewalt äußern und wie wir uns zu gewaltbereiten Gruppen verhalten, parteiübergreifend umdenken.

Der polnische Außenminister sagte zu dem Mord an dem Danziger Bürgermeister: Das ist keine Tragödie, das ist ein Resultat. - Tun wir unseren Teil dazu, damit das nicht auch bei uns eines Tages traurige Wahrheit wird!

Ich werde mir Ihre Beiträge jetzt sehr genau anhören.

(Anja Piel [GRÜNE]: Wir gehen auch davon aus, dass Sie uns zuhören!)

Ich bin gespannt darauf, ob und was Sie von dem eben Gesagten aufnehmen können.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank, Herr Wichmann. - Es hat nun das Wort für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Herr Kollege Limburg. Bitte!

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Gewalt als Mittel in politischen Auseinandersetzungen - egal von wem und egal gegen wen - ist illegal und illegitim. Gewalt ist völlig inakzeptabel, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das Gewaltmonopol liegt in unserem freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat beim Staat, und das muss auch so sein. Eine Gesellschaft, die sich daran gewöhnt, dass sich politische Gegnerinnen und Gegner gegenseitig mit offener Gewalt begegnen, gerät auf gefährliche Abwege - weg von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit hin zu etwas Schlimmem und Gefährlichem. Das dürfen wir alle nicht zulassen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der FDP sowie Zustimmung bei der CDU)

Aber, Herr Wichmann: Wenn Sie von der AfD dieses Thema für die Aktuelle Stunde ansetzen und es in der Weise ausbreiten, wie Sie das hier getan haben, dann hat das schon ein gewisses Maß an Absurdität.

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Allerdings!)

Zum einen ist da der Umgang der AfD mit dem Überfall auf den Bundestagsabgeordneten Frank Magnitz aus Bremen. Der Überfall war ein schlimmes Verbrechen - das ist überhaupt keine Frage - und ebenso inakzeptabel wie andere Formen von Gewalt, aber aus Sicht der AfD offenbar nicht schlimm genug. Da wurde ein Kantholz herbei

phantasiert. Da wurde das Gerücht verbreitet, es habe Tritte gegen den am Boden Liegenden gegeben. Beides ist unwahr, wie wir wissen. Da wurden die Staatsanwaltschaft Bremen und die Polizei Bremen auf das Übelste politisch attackiert und in die politische Auseinandersetzung einbezogen. Alles ohne Grundlage, wie wir heute wissen.

Der hinzugekommene Zeuge, ein libanesischstämmiger Arbeiter, hat ausgesagt, dass Frank Magnitz als Erstes darum gebeten habe, dass ein Foto von ihm gemacht wird, damit er es verbreiten kann.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bis heute ist völlig unklar, welchen Hintergrund der Überfall auf Frank Magnitz hat. Klar ist aber, dass Frank Magnitz selbst geäußert hat, dass der Überfall etwas Gutes hatte, weil ihm so mediale Aufmerksamkeit und Sympathien zugekommen sind. Das Verdrehen der Wahrheit hat bei Ihnen von der AfD System. Auch das ist ein massives Problem für unsere Demokratie, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Der zweite Grund für die Absurdität ist, dass Sie neben der Opferrolle, in die Sie sich selbst immer wieder bewegen wollen, natürlich auch eine andere Rolle spielen. Sie selbst haben gerade davon gesprochen, dass Gewalt nicht im luftleeren Raum stattfindet und entsteht. Sie entsteht in der Tat in der Regel in einem Klima gesellschaftlicher Anfeindungen und Spannungen. Das rechtfertigt Gewalt nicht; auf gar keinen Fall. Sie bleibt natürlich illegal und illegitim. Aber das ist wichtig, um sich zu vergegenwärtigen, wie es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen kommen kann. Zu diesem Klima gesellschaftlicher Spannungen haben Sie von der AfD, auch von der AfD in Niedersachsen, in den vergangenen Jahren massiv beigetragen.

Sie haben verbale Attacken auf Aydan Özuguz geritten, die Ihnen zu Recht eine Strafanzeige wegen Volksverhetzung eingebracht haben. Sie haben die Repräsentantinnen und Repräsentanten der Demokratie in einer Weise verächtlich gemacht, die jedes Maß vermissen lässt.

Herr Bothe sitzt grinsend daneben, wenn ein Referent auf einer AfD-Veranstaltung davon spricht, dass man Frau Merkel nicht nur jagen, sondern erlegen möchte.

(Anja Piel [GRÜNE]: Ja, genau!)

Das ist die AfD in Niedersachsen. Das sind Ihre Beiträge zur aggressiven gesellschaftlichen Auseinandersetzung.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD, bei der CDU und bei der FDP)

Sie haben hier im Landtag von „Passdeutschen“ und „Mangelwesen“ gesprochen. Sie haben Vertreterinnen und Vertreter demokratischer Parteien in die Nähe des SED-Regimes gerückt. Das ist das Klima, das Sie als AfD hier erzeugen wollen. Diese Debattenkultur trägt Ihre Handschrift.

Aber glauben Sie uns eines: Wir werden diese Herausforderung meistern. Die vier Parteien hier im Landtag - von Ihnen oft geschmäht als Altparteien oder Ähnliches - haben Erfahrung mit demokratischen Prozessen und demokratischen Debatten. Wir haben auch Erfahrung mit politischen Scharfmachern. Wir werden uns von Ihnen nicht einen Stil und eine Sprache aufzwingen lassen, die Anstand und Fairness mit Füßen treten. Diesen Gefallen werden wir Ihnen nicht tun, Herr Wichmann.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der FDP)

Herr Kollege Limburg, lassen Sie eine Frage des Abgeordneten Wichmann zu?

Nein. Ich möchte zu Ende führen.

Dann fahren Sie bitte fort!

Politische Gewalt gibt es in diesem Land übrigens nicht nur gegen die AfD, auch wenn Sie versuchen, das so darzustellen. Es gibt Gegenden in Deutschland, da machen Grüne seit Langem Wahlkampf nur noch mit einem ausgeklügelten Sicherheitskonzept. In der Vergangenheit gab es hier in Niedersachsen Angriffe, Attacken auf Büros der SPD, der CDU, der Grünen und auch der FDP. Es gab gezielte Angriffe auf zahlreiche Menschen der Zivilgesellschaft, die sich gegen Nazis engagieren. All das ist Realität. Aber wir versuchen nicht, diese Attacken künstlich aufzubauschen und medial zu missbrauchen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, zur Verrohung des Klimas trägt natürlich bei, wenn Ihr Abgeordneter Herr Bothe ein Bild des „Abschiebärs“,

(Christian Meyer [GRÜNE]: Jetzt lacht der auch noch!)

ein Symbol der verbotenen Gruppe Besseres Hannover, einer verbotenen rechtsextremen Gruppierung, die in der Tat gewaltbereit war, auf einem Twitter-Account zumindest duldet. Zu Recht ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen Sie in dieser Angelegenheit.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der FDP - Christian Meyer [GRÜNE]: Da freut er sich drüber! - Miriam Staudte [GRÜNE]: Unfassbar!)

Natürlich trägt es zu einem Klima politischer Gewalt bei, wenn Herr Rykena Seite an Seite mit rechtsextremen Gruppierungen in Chemnitz marschiert. Es ist absurd, dass Sie der CDU hier vorwerfen, sich an Demonstrationen für die Demokratie zu beteiligen, während Sie selbst in Chemnitz auf Demonstrationen mitmarschieren, die später in Gewalt ausarten. Das ist wirklich grotesk!

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD, bei der CDU und bei der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir brauchen natürlich einen friedlichen, demokratischen und gewaltfreien Antifaschismus in diesem Land. Wir brauchen ein engagiertes zivilgesellschaftliches und rechtsstaatliches Streiten für Demokratie und für eine vielfältige Gesellschaft. Dafür müssen wir alle uns einsetzen.

Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD, bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Es folgt nun für die SPD-Fraktion Herr Abgeordneter Watermann.

Bitte, Sie haben das Wort!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es war etwas schwierig, sich auf diese Aktuelle Stunde vorzubereiten, weil man gar nicht so genau ahnen konnte, wohin die Reise gehen soll.

Herr Kollege Wichmann, wenn Sie davon sprechen, dass die Ermordung des Danziger Oberbürgermeisters eine wirklich schlimme und abzulehnende Tat ist, dann ist das natürlich von allen hier zu teilen. Nur, ich komme aus einem Landkreis, der im April vor sechs Jahren erleben musste, wie der Landrat, mein Freund Rüdiger Butte, ermordet wurde. Diese Taten haben wir also schon längst bei uns.

Im Gegensatz und als Abgrenzung zu Ihnen kann ich es nicht mittragen, dass Sprache Gewalt vorbereitet.

(Lebhafter Beifall bei der SPD, bei der CDU, bei den GRÜNEN und bei der FDP - Dr. Stefan Birkner [FDP]: So ist es!)

Ich bin für eine Auseinandersetzung, die hart ist. Man kann mir auch nicht nachsagen, dass ich nicht klar sage, was ich denke, und dass ich nicht auch klar formuliere. Ich bin sogar in der Lage, mich zu entschuldigen, wenn ich mich vergaloppiere. Das habe ich beim Kollegen Nacke einmal gemacht, weil ich dann auch dazu stehe, dass ich mich zu entschuldigen habe.

Aber ich will Ihnen sagen: Das, was heute in unserer Gesellschaft passiert, dass man formuliert ohne nachzudenken und es dann auch noch absendet, bevor man überhaupt gedacht hat, ist eigentlich das Schlimme, dass wir formulieren in der Verachtung des uns Gegenüberstehenden, dass wir ihn nicht respektieren, sondern dass Menschenverachtung wieder Einzug in unsere sprachliche Auseinandersetzung hält, dass wir damit denen, die Gewalt als legitimes Mittel begreifen, den Weg ebnen, dass wir sie in der Sprache unterstützen und dass wir ab und zu vollkommen vergessen, dass wir respektvoll miteinander umzugehen haben.

Ich persönlich glaube Ihnen, dass Sie das so tun, weil Sie hier auch so auftreten. Aber ich fände es gut, wenn das auch einmal in den anderen Reihen Ihrer Partei passieren würde.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: So ist es!)

Sie bereiten dieses Klima mit vor.

Ich sage Ihnen dazu: Wir alle tragen eine Gesamtverantwortung, wohin diese Republik und Europa gehen. Deshalb glaube ich, dass es gut ist, das hier zu benennen und einmal anhand von Ereignissen zu sagen: Wir müssen innehalten. - Das war bei Rüdiger Butte so. Das war bei dem An