Protokoll der Sitzung vom 23.01.2019

Ich bin davon überzeugt, dass wir mehr Sachlichkeit in der Debatte brauchen. Herr Bode, ich darf das mal so sagen: Ob es zur Sachlichkeit beiträgt, sich quasi mit Plakaten neben Messstellen zu stellen und solche Forderungen zu erheben, darüber können wir gerne mal reden. Ich glaube, dass die Sachlichkeit an einer anderen Stelle zu finden ist. Sie machen da aus meiner Sicht Fehler in der Argumentation. Das habe ich schon mehrfach von hier vorne gesagt. Ich sage das aber gerne noch einmal.

Um Sachlichkeit hineinzubringen, wäre ich der Letzte, der sich verschließen würde, noch einmal zu prüfen, ob die toxikologische Bewertung richtig ist. Natürlich kann man das machen. Ich finde das völlig klar. Wir haben viele Berichte gesehen, die Zweifel aufkommen lassen.

Wir sollten aber nicht dem Glauben anhängen, wir würden aus dieser Betrachtung heraus dazu kommen, dass auf europäischer Ebene Grenzwerte verändert würden und wir damit Fahrverbote verhindern könnten, weil wir genau wissen, dass es ein extrem langer Weg ist, bis es dazu kommen würde - wenn es überhaupt dazu käme.

(Beifall bei der SPD)

Dieser Lösungsweg ist also fehlgeleitet. Das ist eine Sackgasse.

(Zuruf von Jörg Bode [FDP])

- Das war auf die Diskussion bezogen, nicht auf Sie. Ich bitte um Entschuldigung.

Darum ist es deutlich realistischer, jetzt zu handeln und zu prüfen, wie wir damit umgehen, und nicht zu warten.

Deswegen will ich etwas zu den Standorten für die Luftqualitätsmessungen sagen. In der Debatte wird immer wieder ein großer Fehler gemacht: Es wird angenommen, diese Luftqualitätsmessungen würden an den jeweiligen Stellen durchgeführt, um Stickstoffdioxidkonzentrationen zu messen. Diejenigen, die sich damit beschäftigen, wissen, dass die Messcontainer an ihren Standorten dazu dienen, Schwefeldioxid, Stickstoffdioxid, Stickstoffoxid, Partikel - pm10, pm2,5 -, Benzol, Kohlenmonoxid usw. messen. Wir haben also Messstellen, an denen deutlich mehr als nur Stickstoffdioxidwerte gemessen werden. Das ist erst einmal wichtig.

Deswegen kann man nicht einfach - dafür bitte ich um Verständnis - Messstellen - die ich übrigens nicht dort aufgestellt habe; es ist verwunderlich, dass einige dazu klatschen, die selbst daran beteiligt waren, dass die Messstellen an den jeweiligen Standorten stehen - versetzen, weil dann die langjährigen Messwertreihen verfälscht würden. Auch das habe ich immer wieder betont. Auch das ist nichts Neues. Die Frage ist vielmehr - das ist der entscheidende Punkt -, ob die Repräsentativität der Messwerte für die Entscheidungen, die wir daraus ableiten wollen, gerechtfertigt ist.

Diese Messstandorte - z. B. Göttinger Straße, Heiligengeistwall - messen Stundenmittelwerte. Bei den Stundenmittelwerten müssen wir sicherstellen können, dass wir nicht mehr als 18-mal im Jahr 200 µg/m³ überschreiten. Das ist wichtig. Darüber streiten wir übrigens nicht. Sonst hätten wir da auch ein Problem. Aber deswegen ist der Standort richtig; denn da laufen die Leute vorbei. Da könnte die Gefahr bestehen, dass man über einen längeren Zeitraum, z. B. eine Stunde, an diesem Schwellenwert ist.

Ob aber dieser gleiche Wert in der absoluten Höhe für die Distanz der Wohnbevölkerung, bei der die Repräsentativität 24 Stunden am Tag und

365 Tage im Jahr beträgt, verwendet werden kann, würde ich zumindest infrage stellen. Das ist das, was ich gesagt habe: dass wir daran arbeiten, ob die Jahresbelastung - die entscheidend ist und nicht der Stundenmittelwert -, also der Jahresmittelwert, die gleiche Größe hat, die wir vorfinden,

wenn wir an dieser Messstation den Stundenmittelwert messen.

Deswegen haben wir eine kleinräumige Berechnung der Stickstoffdioxidkonzentration in Auftrag gegeben, sozusagen eine Simulation, wie sich das eigentlich verteilt, um daraus die reale Belastungssituation abzuleiten.

Ich habe den Eindruck, wir sind hier alle versachlicht und einig, und keiner möchte einen Messwert heranziehen, der gar nicht gegeben ist. Deswegen muss die Versachlichung darin bestehen, festzustellen, wie groß dort, wo die Wohnbevölkerung betroffen ist - die vielleicht durchaus 24 Stunden am Tag und 365 Tage im Jahr davon betroffen ist -, die Immission wirklich ist und ob das bedeutet, dass wir an der Stelle die 40 µg/m³ wirklich überschreiten. Das ist doch die Grundlage der Bewertung.

Deswegen brauche ich nicht zweimal zu messen, was im Moment nicht geschieht. Deswegen muss ich nicht den Messcontainer verändern. Wir müssen uns klar darüber sein, was eigentlich aussagekräftig und Grundlage für eine Entscheidung ist. Darum geht es mir bei der Bewertung, die wir vornehmen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben das übrigens eingebracht. In den nächsten drei Wochen werden zwei Bund-LänderArbeitsgruppen tagen, die sich damit beschäftigen, real zu bewerten, ob wir nicht sozusagen die Bewertung verkürzen, indem wir diesen einen Wert völlig frei von der Bewertung für alles verwenden. Das muss die Botschaft sein.

Wir machen das gerade intensiv für Oldenburg. Ich bin sehr optimistisch, dass uns Anfang Februar Ergebnisse vorliegen. Ich will den Optimismus einmal in die Richtung bringen, dass ich davon ausgehe, dass sich die Belastungssituation des Stundenmittelwerts da, wo ich messe, und die sich ergebende Belastungssituation des Jahresmittelwerts dort, wo ich ihn eigentlich repräsentativ haben müsste, nämlich in der Nähe der Wohnbevölkerung, unterscheiden und deswegen auch unterschiedliche Bewertungen möglich sind.

Und noch einmal: nicht zulasten der Gesundheit der Menschen in unserem Land, sondern in einer sachlichen Bewertung eines Messwerts, den wir haben! Das muss doch die Grundlage für die Entscheidung sein. Natürlich hat Gesundheit für uns den höchsten Stellenwert. Das steht doch völlig außer Frage.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei der CDU)

Herr Minister Lies, lassen Sie eine Frage des Kollegen Dr. Birkner zu?

Ja, selbstverständlich.

Bitte, Herr Birkner!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister Lies, verstehe ich Sie vor dem Hintergrund, dass Sie ausgeführt haben, dass Sie jetzt diese Berechnungen durchführen, um die Repräsentativität für die Wohnbevölkerung zu erfassen - so habe ich Sie jetzt, vielleicht etwas untechnisch gesprochen, verstanden - richtig, dass die bisher im Raum stehenden Werte für die Frage, ob Fahrverbote erteilt werden könnten oder nicht, nicht maßgeblich sind, und teilen Sie das dem Gericht auch mit?

Vielen Dank. - Herr Minister, bitte!

Herr Birkner, vielen Dank für die Frage.

Genau das ist die Zielsetzung: zu fragen, wie die reale Belastung dort, wo die Bevölkerung wohnt, aussieht, ob sie dort genauso hoch ist wie der Messwert oder ob sie geringer ist. Wir wollen das in die beiden Bund-Länder-Arbeitskreise, die jetzt tagen, einbringen, weil wir eigentlich eine Versachlichung auf der Bundesebene bräuchten.

Es wäre natürlich noch hilfreicher, wenn sich BundLänder-Gremien darauf verständigten, dass das ein kluger Umgang mit diesem Wert ist. Dann ist es selbstverständlich, dass wir, wenn uns die Werte vorliegen, diese nicht nur für uns haben, sondern sie natürlich auch den Städten zur Verfügung stellen, dass sie Teil des Gerichtsverfahrens werden können, aus unserer Sicht in der Deutlichkeit, dass wir auf der einen Seite gesichert den Stundenmittelwert einhalten und dass wir auf der anderen Seite von dem realen, der Betroffenheit entsprechenden Jahresmittelwert ausgehen und die

sen dann beziffern können. Das ist tatsächlich das Ziel. So arbeiten wir. Ich glaube, das ist die reine Versachlichung.

Wir streiten um einen Messwert, den wir messen. Wir überlegen, ob wir anderswo messen müssen. Das ist überhaupt nicht die Botschaft. Die Botschaft lautet: Ist dieser Wert für den Stundenmittelwert genauso repräsentativ wie für den Jahresmittelwert?

Eines will ich noch einmal, der Diskussion folgend, sagen: Dass sich an der Stelle, wo wir messen, mitten auf der Straße, 365 Tage im Jahr, 24 Stunden am Tag jemand aufhält, der gesundheitlich geschwächt ist, ist, wie ich finde, absurd. Deswegen ist die Stundenmittelwertbetrachtung etwas anderes als die Jahresmittelwertbetrachtung. Deswegen nehmen wir diese die Differenzierung vor, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Ich hätte mir gewünscht - das will ich offen sagen -, dass wir das auch auf der Bundesebene gemeinsam so angehen könnten. Leider haben sich BMU und BMVI in der Frage der Überprüfung der Messstationen nicht auf ein einheitliches Vorgehen verständigt. Hierzu will ich noch einmal sagen: Überprüfung der Messstationen heißt nicht nur: Wo steht der Container? Was messe ich? Vielmehr ist zu fragen: Welche Werte schlussfolgere ich für die reale rechtliche Bewertung oder für die Frage der Grenzwertbetrachtung daraus? Das ist leider nicht der Fall. Wir werden das in Niedersachsen sehr intensiv weiter voranbringen.

Ich will das Ziel der Landesregierung kurz zusammenfassen. Die erste Priorität für die Menschen in unserem Land - das nehmen wir ernst - ist der Gesundheitsschutz. Priorität muss zweitens haben, die Messwerte heranzuziehen, die die Frage erschließen, ob der Gesundheitsschutz gefährdet ist. Deswegen die Form der Berechnung. Das klare Ziel dahinter lautet: Wir wollen keine Fahrverbote in Niedersachsen. Der dritte Punkt, den ich nennen will, lautet: Wir müssen Schluss damit machen, eine Technologie wie die Dieseltechnologie, die dazu beiträgt, den Klimaschutz auf den Weg zu bringen, zu verteufeln und zur Ursache eines Problems zu machen. Die Ursachen liegen möglicherweise an ganz anderen Stellen. Das ist die Botschaft der Landesregierung.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister Lies. - Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht, sodass ich die von der CDU-Fraktion beantragte Aktuelle Stunde schließen kann.

Ich rufe auf

b) Politische Gewalt nicht unterstützen - Antrag der Fraktion der AfD - Drs. 18/2623

Redner für die AfD-Fraktion ist der Abgeordnete Wichmann. Bitte, Herr Kollege!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vor wenigen Tagen ist der Bürgermeister von Danzig an den Folgen einer Messerattacke gestorben. Danzig liegt in Polen, aber dieser furchtbare Vorfall kommt einem gar nicht mehr fremd oder gar unmöglich vor. Es ist auch bei uns nur eine Frage der Zeit, bis ein Politiker den Einsatz für seine Werte mit dem Leben bezahlen muss. Dabei sind wir uns doch eigentlich alle einig: Die politische Auseinandersetzung soll hart sein. Man muss Unterschiede klar erkennbar machen können. Dazu muss man auch provokant formulieren dürfen, ja man muss auch gelegentlich verbal aufeinander eindreschen dürfen, aber eben nur verbal! Es gibt eine rote Linie, die wir nicht überschreiten dürfen, und die heißt Gewalt.

Nun ist es hier nicht so, dass Herr Weil Frau Guth schlagen würde oder Herr Bothe Frau Hamburg vors Schienbein tritt. Aber unsere Verantwortung ist ein bisschen größer als nur für die selbst ausgeübte Gewalt. Wenn wir Gewalt nicht unabhängig von der Gesinnung und der Person des Täters und des Opfers verurteilen, wenn wir Gewalt nicht einstimmig und bedingungslos verurteilen, dann schlagen wir zwar nicht selbst zu, aber dann fördern wir Gewalt. Denn dann tun wir nicht alles, um Gewalt als das zu kennzeichnen, was sie ist: nicht akzeptabel.

Ich schlage daher vor, dass wir uns bei politischen Gewalttaten jeglicher Kommentare wie „Irgendwie hat er das ja auch verdient!“ oder „Er ist selbst schuld!“ enthalten und dass wir alle bei solchen Vorfällen nur eine einzige klare Botschaft senden: Gewalt ist nicht akzeptabel, egal von wem, egal gegen wen - Ende der Botschaft!

(Beifall bei der AfD)

Dazu gehört aber auch, dass man nicht mit gewaltbereiten Gruppen kokettiert, dass man den eigenen Mitgliedern, die dies tun, klar sagt: „Das wollen wir nicht; wenn du das weitermachst, bist du bei uns falsch!“, dass man bei seinen Jugendorganisationen keine Symbole von gewaltbereiten Gruppen duldet, wie z. B. die bekannten AntifaFlaggen, die etwa bei den Jusos immer wieder gerne auftauchen. Die sympathisierende Nähe der Grünen zu diesen Gruppen ist auch nicht erst seit gestern bekannt. Ich bitte Sie deshalb, dieses Vorgehen wirklich noch einmal zu überdenken. Sie machen damit letztendlich gewaltbereite Gruppen, die vom Verfassungsschutz als Feinde der Demokratie eingestuft werden, gesellschaftsfähig.

Wenn einzelne CDU-Abgeordnete bei einer Demonstration gegen die AfD auf die Straße gehen wollen, dann sollen sie das tun. Ich habe auch schon gegen die Politik von Frau Merkel demonstriert und bin froh, dass ich das in diesem Land tun kann. Aber warum müssen sich CDU-Abgeordnete einer Demonstration anschließen, die von autonomen Gruppen dominiert wird? Meinen Sie nicht, liebe Kollegen von der CDU, dass Sie damit die Botschaft senden, dass diese Gruppen „schon ganz okay“ seien? Wir sitzen doch gemeinsam im Ausschuss für Verfassungsschutz. Sie wissen um die Demokratiefeindlichkeit und die Gewaltbereitschaft dieser Gruppen.

Warum, liebe CDU? Warum? Sie verlangen von der AfD, sich auf ihren eigenen Demonstrationen von Verfassungsfeinden klar abzusetzen - zu Recht, wie ich finde. Nur, wie können Sie das eigentlich fordern, wenn Sie es selbst nicht tun? Und warum muss die SPD in ihrer Zeitschrift Vorwärts eine Diskussion darüber führen, ob man die Antifa nicht als Verbündete im Kampf gegen rechts einbinden soll? Noch einmal: Das sind gewaltbereite Demokratiefeinde! Ich bin mir ziemlich sicher, was Sie mir in den gleich folgenden Beiträgen entgegnen werden. Sie werden mir sagen, die AfD sei doch selbst und an allem schuld.

Meine Damen und Herren, ich bin mir völlig bewusst darüber, dass meine Partei besonders von der Provokation lebt. Noch einmal: Provokation muss sein können. Die Grenze ist aber da, wo wir Gewalt als akzeptabel erscheinen lassen könnten.

Wenn wir die politische Gewalt stoppen wollen, dann geht das nur gemeinsam. Dann müssen wir bei dem zentralen Punkt, wie wir uns zu Gewalt äußern und wie wir uns zu gewaltbereiten Gruppen verhalten, parteiübergreifend umdenken.