Protokoll der Sitzung vom 24.01.2019

(Zustimmung bei der AfD - Editha Westmann [CDU]: Mann, Mann, Mann! - Zurufe von der CDU: Frau, Frau, Frau! - Zurufe von der SPD - Unruhe)

Einen Moment, bitte! - Liebe Kolleginnen und Kollegen, hier kann jeder die Meinung vortragen, von der er überzeugt ist. Ich bitte Sie, das zu respektieren. Sie müssen die Meinung nicht teilen.

(Zustimmung bei der AfD - Dana Guth [AfD]: So ist es!)

Und jetzt bitte ich um Ruhe im Plenarsaal!

Bitte, Frau Kollegin!

Vielen Dank.

Wo auf den Listen ordnen sich am Tag der Aufstellungsversammlung die Männer ein, die sich gerade etwas divers fühlen? Dürfen die dann für einen Frauenplatz antreten? Was ist mit anderen Bevölkerungsgruppen? - Wenn Sie diesen Weg tatsächlich in Erwägung ziehen, sind wir direkt am Ende demokratischer Wahlen angekommen. Aus Gründen der Teilhabe werden wir dann alle 64 Geschlechter im Parlament berücksichtigen müssen,

(Wiard Siebels [SPD]: Wieso 64?)

außerdem die Homosexuellen, die Migranten - gesondert auszuweisen Homosexuelle mit Migrationshintergrund -, Menschen mit körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen, Menschen mit und ohne Berufsabschluss, bestimmte Berufsgruppen, bestimmte Bildungsabschlüsse und - ganz wichtig - Menschen bestimmter Altersgruppen und zuletzt auch Menschen, die links nur ein Ohr haben.

(Zustimmung bei der AfD - Johanne Modder [SPD]: Kennen Sie das Grundgesetz, Frau Guth? - Weitere Zurufe von der SPD)

Nicht zuletzt stellt eine solche Vorgehensweise einen Eingriff in das freie Wahlrecht dar und ist

schon von daher abzulehnen. Wenn Sie mehr Frauen in der Politik möchten, dann sorgen Sie für mehr weibliche Mitglieder in den Parteien!

(Johanne Modder [SPD]: Ja!)

Fast alle hier anwesenden Politikschaffenden mit weiblichen Geschlechtsmerkmalen haben es auch ohne Quote geschafft, weil sie von ihren Wählenden als gut befunden wurden. Das steht jeder Frau in Deutschland frei. Erfolg durch Leistung. Wenn sich mehr Frauen in der Politik engagieren, wenn wir in Parteien 50 % weibliche Mitglieder haben, dann werden wir auch 50 % in den Parlamenten haben.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der AfD - Wiard Siebels [SPD]: Und die Männer klatschen! Herzlichen Glückwunsch!)

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Für die Landesregierung hat nun Frau Sozialministerin Reimann das Wort. Bitte, Frau Ministerin!

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Vor 100 Jahren wurde das Frauenwahlrecht nach einem langen Kampf um Gleichberechtigung endlich eingeführt. Bei den Reichstagswahlen am 19. Januar 1919 durften Frauen zum ersten Mal in Deutschland wählen und gewählt werden.

Der Kampf um die Gleichstellung in allen Lebensbereichen geht weiter. Noch immer sind Frauen in Gesellschaft, in Wirtschaft und in Politik nicht zur Hälfte beteiligt, obwohl wir die Hälfte sind und rechtliche Gleichstellung - das ist hier schon mehrfach gesagt worden - schon lange im Grundgesetz verankert ist.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN sowie Zustimmung von Dirk Toepffer [CDU])

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ein ganz offenkundiges Beispiel für diese Ungleichheit ist die politische Beteiligung. Frauen sind nicht ausreichend in Parlamenten vertreten. Sowohl im Deutschen Bundestag als auch hier bei uns im Niedersächsischen Landtag ist der Frauenanteil mit 30,9 % bzw. 27,7 % sogar rückläufig. Niedersachsen steht damit auch im Vergleich der Län

derparlamente nicht gut da. Zehn Bundesländer weisen eine höhere Frauenbeteiligung in den Parlamenten auf. In den niedersächsischen Kommunalparlamenten stagniert der Frauenanteil bei einem durchschnittlichen Viertel. In ca. 50 Gemeinden in Niedersachsen gibt es überhaupt keine Frauen in den Räten.

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, diese Zahlen zeigen es: Das Frauenwahlrecht führt nicht automatisch dazu, dass Frauen angemessen in den Parlamenten vertreten sind. Parlamente sind - das muss ich hier eigentlich gar nicht sagen - Orte politischer und gesellschaftlicher Willensbildung. Unser aller Ziel muss es deshalb sein, dort die besten Entscheidungen zu treffen. Das geht nur, wenn Frauen und Männer zu gleichen Teilen an der Diskussion und an der Abstimmung beteiligt sind.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei der CDU)

Der Appell geht zunächst an die Parteien selbst. Denn fehlen Frauen in Parteien, dann fehlen sie auch als Abgeordnete und Mandatsträgerinnen. Als Erstes sind also eine andere Parteiarbeit und auch eine Überwindung der oft männlich geprägten Kultur nötig. Es zeigt sich, dass parteiinterne Quotenregelungen und insbesondere das Reißverschlussprinzip bei der Listenaufstellung ein guter Baustein sein können, um eine bessere Beteiligung von Frauen zu ermöglichen.

Viele der Mandate werden aber über die Direktwahl in den Wahlkreisen vergeben und entschieden, und in aussichtsreichen Wahlkreisen setzen sich oft Männer durch. Freiwillige Maßnahmen reichen also nicht aus. Wir müssen über verpflichtende gesetzliche Regelungen nachdenken. In der Diskussion ist aktuell das sogenannte Parité-Gesetz. Innerhalb der Landesregierung sind wir darüber noch im Gespräch. Ich persönlich halte das Parité-Gesetz für erforderlich.

(Beifall bei der SPD)

Deshalb habe ich mich als Erstunterzeichnerin dem Aufruf des Deutschen Frauenrats „Wir brauchen alle Argumente“ angeschlossen. Der Aufruf fordert ein Parité-Gesetz, die gleiche Beteiligung von Frauen in den Parlamenten und einen Wandel der politischen Kultur.

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete, eine einfache Übernahme des Parité-Gesetzes aus Frankreich ist in Deutschland nach vorherrschender Meinung aus verfassungsrechtli

chen Gründen nicht möglich. Das bedeutet, wir müssen genau prüfen, wie eine Erhöhung des Frauenanteils im Wege der Gesetzgebung erreicht werden könnte. Inwieweit kann man z. B. die Aufstellung von Listen nach dem Reißverschlussprinzip verbindlich einfordern? Oder ist es ein guter und möglicher Weg, dass jede Partei für einen Direktwahlkreis einen Mann und eine Frau aufstellt, die dann als Tandem oder Duo in das Parlament einziehen? Hierbei wäre dann natürlich gleichzeitig über einen Neuzuschnitt der Wahlkreise zu diskutieren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir müssen insoweit noch einige Hürden nehmen. Frau Landtagspräsidentin, Dr. Gabriele Andretta, hat daher recht, dass es sich um einen langen Weg handelt und eine Lösung bis zu den nächsten Kommunal- und Landtagswahlen, realistisch betrachtet, nicht gelingen wird. Aber wir müssen uns auf den Weg machen. Es kommt jetzt darauf an, die Vorschläge auf ihre Umsetzbarkeit hin zu prüfen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Frauen können alles, und sie können auch alles werden. Deshalb gehören Frauen in die Parteien, sie gehören auf die Wahllisten, und Frauen gehören in die Parlamente.

Meine sehr geehrten Damen und Herren und vor allem meine sehr geehrten Herren Abgeordnete, lassen Sie uns gemeinsam dafür eintreten, dass die rechtlich bestehende Gleichstellung auch in politischen Ämtern, in Politik und Parlamenten, endlich Realität wird!

Danke fürs Zuhören.

(Beifall bei der SPD sowie Zustim- mung bei der CDU und bei den GRÜ- NEN)

Vielen Dank, Frau Ministerin. - Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor, sodass ich die Besprechung zur Aktuellen Stunde der SPD schließen kann.

Ich rufe auf

b) Landesregierung muss handeln: Unwürdige Arbeits- und Wohnbedingungen in der

Schlachtindustrie beenden! - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 18/2619

Ich eröffne die Besprechung und erteile zur Einbringung der Fraktionsvorsitzenden von Bündnis 90/Die Grünen, Frau Piel, das Wort. Bitte, Frau Kollegin!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Viele von Ihnen kommen ja von der Grünen Woche und sind mit Fleisch und Fleischprodukten in den letzten Tagen sicherlich gut vertraut gewesen. Wie geht es Ihnen, wenn Sie von der Ausbeutung von Arbeitern in der Schlachtbranche hören oder lesen? - Aberwitzige Mieten für vergammelte Unterkünfte, überbelegte Unterkünfte, Akkordarbeit, unbezahlte Überstunden und ständig die Angst, ersetzt zu werden. Die Menschen, die in den Schlachthöfen arbeiten, gehen krank zur Arbeit, weil sie Angst haben. Im Dezember ist einer von ihnen an Tuberkulose gestorben. Jetzt haben wir einen neuen Fall von Tuberkulose im Landkreis Cloppenburg.

Meine Damen und Herren, da wird nicht nur geschlachtet, sondern da wird Armut ausgeschlachtet - die Armut der einen für die Profitgier der anderen. Aufträge kann man an Subunternehmer vergeben. Die Verantwortung für die Angestellten kann man aber so nicht loswerden.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der CDU)

Meine Damen und Herren, aber nur auf die Unternehmen zu schimpfen, wäre zu einfach. Die Rahmenbedingungen, die diese Ungerechtigkeit ermöglichen, die Subventionierung von Massenproduktion in der Landwirtschaft, die Konstrukte von Leiharbeit und von Werkverträgen sowie die fehlenden Kontrollen - all das ist Verantwortung der Politik. Politik kann und muss dieser modernen Sklaverei ein Ende setzen!

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung von Christian Grascha [FDP])

Das Erste, was ich in diesem Zusammenhang erwarte, ist, dass sich die Ministerinnen und Minister dieser Landesregierung mit den Arbeitern in den Schlachthöfen solidarisieren und dass sie eindeutig klarmachen: Wem in Niedersachsen Unrecht geschieht, für den ist diese Landesregierung da! Es gibt keine Menschen und keine Arbeiter zweiter Klasse in Niedersachsen!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wir alle sind uns einig - wir wissen das auch schon seit Jahren -: Die Wurzel des Übels sind Arbeitnehmerüberlassungen und Werkverträge. Schweine zu zersägen ist kein Werk, für das es Werkverträge geben darf. Dieses Konstrukt wird seit Jahren missbraucht, um Menschen auszubeuten. Leiharbeit mag sinnvoll sein, wenn es darum geht, damit Produktionsspitzen abzudecken und auszugleichen. In der Schlachtindustrie - das wissen Sie genauso gut wie wir - dient diese Werkvertragskonstruktion aber einzig und allein der Profitsteigerung und der Auslagerung von Verantwortung. Ich bin es, ehrlich gesagt, leid, das immer wieder anprangern zu müssen.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung von Christian Calderone [CDU])

Es gäbe dafür wirklich eine sehr einfache Lösung, nämlich flexible Beschäftigung genauso zu entlohnen wie Festanstellungen.

(Christian Meyer [GRÜNE]: Der Ar- beitsminister hört ja gar nicht zu!)