Protokoll der Sitzung vom 24.01.2019

Denn eine Wahlrechtsreform und eine gleichberechtigte Teilhabe am demokratischen Prozess sind längst - nicht erst 100 Jahre nach Einführung des Frauenwahlrechts - überfällig.

Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Nun hat das Wort Frau Kollegin Wulf, CDU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU - Unruhe)

- Einen Moment, bitte, Frau Wulf! Wir warten auch jetzt, bis wieder Ruhe eingekehrt ist, sodass alle Ihren Worten folgen können.

Bitte!

Vielen Dank. - Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! 100 Jahre Frauenwahlrecht: Ich finde, wir feiern in diesem Jahr einen bedeutenden Meilenstein in der Entwicklung der Demokratie. Aber die Debatte über die tatsächliche Gleichstellung ist noch lange nicht beendet. Sie muss weitergeführt werden; denn es geht immerhin um die Verwirklichung des Artikels 3 Abs. 2 des Grundgesetzes: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung“. Und da nimmt die Repräsentation von Frauen in Parlamenten natürlich eine ganz besondere Rolle ein.

(Johanne Modder [SPD]: Genau!)

Ich glaube, jede Partei hat ihren Weg gefunden, Frauen zu fördern. SPD und Grüne haben, wie wir gerade gehört haben, quotierte Listen. In der CDU gibt es das sogenannte Drittelquorum. Dort gibt es aber auch eine sehr gute Tradition der Förderung von Frauen für politische Führungspositionen. Das sieht man z. B. an unseren beiden Ministerinnen Barbara Otte-Kinast und Barbara Havliza oder an

den Karrieren von Angela Merkel oder unserer Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen. Sie sind aus meiner Sicht Frauen, die für viele junge Mädchen in diesem Land zu Vorbildern geworden sind und die eben dafür sorgen, dass junge Mädchen heutzutage nicht mehr ausgelacht werden, wenn sie sagen: „Traumberuf? - Kanzlerin!“

(Beifall bei der CDU und Zustimmung bei der SPD)

Ich möchte an dieser Stelle ganz herzlich all den Männern und Frauen in allen Parteien - natürlich gerade auch in der CDU - danken, die sich jeden Tag dafür einsetzen, dass wir zu einer paritätischen Besetzung in unseren Gremien kommen. An dieser Stelle einen ganz besonderen Dank an Kai Seefried, der das Mentorenprogramm in der CDU hervorgehoben hat, aber auch an unseren Ministerpräsidenten - nein: stellvertretenden Ministerpräsidenten! - und Landesvorsitzenden,

(Zurufe von der SPD: Ah! - Dirk Toe- pffer [CDU]: Ruhig beide!)

- ein freudscher Versprecher! - der ganz klar und wie selbstverständlich gesagt hat: Natürlich wird das Kabinett zur Hälfte mit Frauen besetzt.

Aber das alles kann natürlich nicht darüber hinwegtäuschen - so realistisch müssen wir sein -, dass trotz dieser Bemühungen die Repräsentanz von Frauen in Parlamenten immer noch ernüchternd ausfällt. Die Frauenanteile in Parlamenten stocken auf niedrigem Niveau, und vielerorts haben wir einen Rückgang festzustellen. Deshalb finde ich es gut und richtig, dass wir diesen Meilenstein zum Anlass nehmen, uns mit der Frage zu beschäftigen, wie die gute Hälfte der Wahlberechtigten besser repräsentiert werden kann.

Das französische Parité-Gesetz beflügelt ein wenig die Phantasie. Aber man muss ganz klar sagen: Wahlrechtsreformen sind ein komplexes und kein einfaches Thema. In Frankreich musste die Verfassung gleich zweimal geändert werden, um die paritätische Besetzung von Wahlämtern in der Verfassung zu verankern.

Dieses Thema ist also rechtlich komplex, und das ist, glaube ich, der zentrale Punkt. Hier herrscht sicherlich Einvernehmen darüber, dass Wahlen vor allen Dingen frei, gleich und geheim sein müssen. Das heißt auch aber, dass, wenn man über Möglichkeiten der Einschränkung der Kandidatenauswahl nachdenkt, daran besondere Hürden angelegt werden müssen. Aus meiner Sicht ist das französische Modell deshalb nicht einfach auf

Deutschland oder gar auf den Niedersächsischen Landtag übertragbar; denn im Gegensatz zu Deutschland hat Frankreich ein reines Mehrheitswahlrecht; und das macht es dort eben einfach.

Darüber hinaus muss ich sagen, dass sich unser Wahlrecht mit seiner Mischung aus Mehrheits- und Verhältniswahlrecht im Moment extrem bewährt. Das zeigt sich insbesondere dann, wenn man nach England, in die USA oder nach Frankreich schaut, wo es ein reines Mehrheitswahlrecht gibt und wo zum Teil hochgradige politische Krisen bestehen.

Eine tiefgreifende Änderung wie die Besetzung von Tandemwahlkreisen o. Ä. - was in der öffentlichen Debatte geäußert wurde - darf nicht leichtfertig angegangen werden. Deshalb bin ich unserer Landtagspräsidentin sehr dankbar, dass sie in einem Interview mit der HAZ geäußert hat, dass eine solche Änderung noch nicht zur Kommunalwahl 2021 oder zur nächsten Landtagswahl erreicht werden kann. Ich stimme mit ihr überein, dass eine solche Debatte nur auf einem ganz hohem Niveau an Sachlichkeit, konsensual und - wenn überhaupt - mit dem Ziel einer Lösung geführt werden darf, die für alle gerecht ist und als solche anerkannt werden kann. Für mich kann sie allerdings immer nur als allerletztes Mittel gelten.

(Beifall bei der CDU - Johanne Mod- der [SPD]: Wie lange wollen Sie noch warten? - Glocke der Präsidentin)

Ich finde, bei aller Diskussion um eine gesetzliche Lösung müssen wir die gesellschaftlichen Ursachen weiterhin sehr ernst nehmen. Das wurde gerade schon angesprochen: Frauen leisten weiterhin einen Großteil der unbezahlten Sorge- und Erziehungsarbeit. Sie haben deshalb die Dreifachbelastung von Job, Familie und politischem Ehrenamt. Deshalb haben wir Schwierigkeiten, mehr Frauen für die Politik zu rekrutieren. Wir müssen uns fragen: Welche weiteren Ursachen gibt es? Warum finden wir bei Nominierungen immer wieder zwei, drei oder vier männliche Kandidaten für einen Wahlkreis, aber keine einzige Frau?

Frau Wulf, Sie müssen allmählich zum Ende kommen.

Warum ist der Anteil der weiblichen Mitglieder in den Parteien so niedrig? Ich glaube, dass sich alle

Parteien hierzu fragen müssen: Wie können wir für Frauen noch deutlich attraktiver werden? Wie können wir Frauen ganz gezielt für politische Ämter aufbauen? Wie können wir frei werdende und aussichtsreiche Wahlkreise mit Frauen besetzen?

Denn eines ist für mich klar: Wenn mehr Frauen im Parlament sind, müssen auch die Themen von Frauen Relevanz gewinnen. Ich will - das ist mein letzter Satz -, dass Erzieherinnen, Lehrerinnen, Kranken- und Altenpflegerinnen, aber auch Unternehmerinnen, Wissenschaftlerinnen und Polizistinnen eben nicht nur zusätzliche Stimmen im Parlament bekommen, sondern starke Stimmen im Parlament für ihre Themen und Anliegen. Deswegen wird sich die CDU auch weiterhin an dieser Diskussion beteiligen.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD so- wie Zustimmung bei der FDP)

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Nun hat das Wort für die AfD-Fraktion Frau Kollegin Guth. Bitte!

(Unruhe)

- Ich darf um Ruhe im Plenarsaal bitten. - Danke, die Herren.

Vielen Dank. - Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrte Gewählte! „100 Jahre Frauenwahlrecht - auf dem Weg zur Parität“ - das Thema dieser Aktuellen Stunde. Das Frauenwahlrecht - ein Meilenstein im Kampf um Gleichberechtigung und politische Teilhabe - ist sicherlich auch heute ein Grund zum Feiern, da damit eine wichtige Grundlage für ein selbstbestimmtes Leben von Frauen in unserer Gesellschaft geschaffen wurde. So weit, so gut? - Nein, natürlich nicht!

Allein das Recht jeder Frau, sich frei zu entfalten und sich politisch zu engagieren, genügt nicht. Was sich aufgrund gesellschaftlicher Gegebenheiten nicht entwickelt hat, muss nun per Gesetz durchgedrückt werden. „Parität“: das Zauberwort für „Frauenquote“!

Meine sehr geehrten Gewählten, Sie kommen zu spät. Seit Jahren bemühen Sie sich mit Ihren Genderstudien, welche Sie mit Unsummen von Steuergeldern finanziert haben, nachzuweisen, dass Geschlecht nur ein gesellschaftliches Konstrukt ist. Ja, sogar die körperliche Ausbildung von Ge

schlechtsmerkmalen wird von einigen dieser Wissenschaftler als anerzogen betrachtet.

220 Professuren für Genderstudien sind deutschlandweit besetzt. Im Vergleich dazu: Im Bereich Pharmazie gibt es 190 Professuren. Dass dies absoluter Nonsens ist, darf man nicht sagen, da man sonst rückwärtsgewandt, ja geradezu reaktionär ist. Wenn aber Geschlechter nur ein Konstrukt sind, warum benötigen wir dann eine Frauenquote?

Sie hinken unserer Zeit hinterher. Unsere Landeshauptstadt ist schon einen guten Schritt weiter. Dort wurde gerade die Agenda ausgegeben, nach Möglichkeit die Anrede „Sehr geehrte Damen und Herren!“ wegzulassen. Das habe ich eben getan. Aus „Lehrern“ werden „Lehrende“, aus „Wählern“ werden „Wählende“, aus dem guten alten „Rednerpult“ wird das „Redepult“. In offiziellen Listen werden sämtliche Anreden entfernt. Spätestens bei seltenen Vornamen wird es Glückssache, zu überlegen, wen man da wohl anschreibt.

(Heiterkeit bei der AfD)

Wie Sie bereits unschwer bemerkt haben dürften, ist die AfD für Frauenquoten nicht zu begeistern. Wir empfinden diese als beleidigend für Frauen und als diskriminierend für Männer.

(Johanne Modder [SPD]: Ach, herrje!)

Das Geschrei nach Quoten richtet sich stets und ständig nach der Besetzung von Vorstandsetagen und Parlamenten. Ich habe noch nie davon gehört, dass sich Politikmachende für eine Parität bei der Müllabfuhr, in Schlachthöfen oder auf Baustellen einsetzen.

(Beifall bei der AfD)

Will man also einen Vorteil für eine Bevölkerungsgruppe erlangen, der sich einzig und allein aus der Tatsache des Chromosomensatzes begründen lässt?

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Nein, meine sehr verehrten politisch Tätigen. X- und Y-Chromosomen sind keine politischen Kategorien. - Das schreibt die NWZ.

Weiterhin betrachten wir die Tatsache, dass auch politische Parteien nicht paritätisch aufgestellt sind. Der Frauenanteil beträgt zwischen 16 % und 39 %. Bildet man das Mittel aus den sieben größten Parteien, kommt man auf einen Frauenanteil von knapp 28 %, genau wie in diesem Parlament. Es wird genauso abgebildet.

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Wer zieht denn hier den Schnitt herunter?)

28 % der Mitglieder sollen nun 50 % der Mandate erhalten. Damit nehmen Sie jeder gewählten Frau die Kompetenz, weil immer im Raum schwebt, dass sie wegen ihrer Eierstöcke und nicht wegen ihres Könnens gewählt wurde.

(Zustimmung bei der AfD - Editha Westmann [CDU]: Mann, Mann, Mann! - Zurufe von der CDU: Frau, Frau, Frau! - Zurufe von der SPD - Unruhe)