Protokoll der Sitzung vom 24.01.2019

Sie haben auch kein geändertes Gesetz beschlossen oder einen eigenen Gesetzentwurf in diesen Landtag eingebracht. Gar nichts! Sie haben versucht, mit einer Verwaltungsanweisung, einem Erlass der Landesregierung Ordnung in die Wohn- und Arbeitssituationen zu bringen. Offensichtlich schätzen Sie Ihr eigenes Regierungshandeln selbst als erfolglos ein.

(Anja Piel [GRÜNE]: Lenken Sie mal schön vom Thema ab! Das wird Ihnen nicht gelingen!)

Das belegt nichts mehr als die von Ihnen selbst aufgerufene Aktuelle Stunde und Ihre Rede. Die Grünen, Frau Piel, sind eben eine klassische Oppositionspartei, beherrschen das Geschäft der Problemansprache. Regieren und Problemlösung fallen Ihnen schwer.

(Anja Piel [GRÜNE]: Wie viele CDU- Landräte haben wir, die das umsetzen müssen? - Unruhe - Glocke der Prä- sidentin)

Jede Erinnerung an Ihre erst 14 Monate zurückliegende Regierungszeit ist Ihnen erkennbar unangenehm. Insofern sind die Rollen hier gut verteilt. Die CDU ist weniger gut darin, Probleme zu be

schreiben, aber erheblich besser darin, Probleme zu lösen.

(Anja Piel [GRÜNE]: Das erzählen Sie einmal den Menschen, die Tuberkulo- se haben, dass Sie besser im Pro- blemelösen sind!)

Im Rahmen des in Kürze einzubringenden Wohnraumschutzgesetzes werden wir unsere Vorschläge dann endlich umsetzen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Hillmer. - Wir setzen die Aussprache fort. Das Wort hat Frau Kollegin Logemann, SPD-Fraktion. Bitte, Frau Kollegin!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Schaue ich mir mein Stück Fleisch auf dem Teller an, muss ich als bekennende Fleischesserin zugeben, dass mein Genuss getrübt ist. Mir schießen Gedanken durch den Kopf, die sich rund um das Thema Tierwohl ranken. Mir wird es mulmig im Magen, wenn ich darüber nachdenke, wie es um die Arbeits- und Wohnbedingungen derer bestellt ist, die im Akkord die Kotelettstücke abtrennen, die Tiere schlachten und zerlegen.

Ich zitiere:

„‚Menschen werden benutzt, verbraucht, verschlissen und dann entsorgt!‘ …

Prälat Peter Kossen und Dr. Florian Kossen prangern in einer Pressemitteilung unmenschliche Lebens- und Arbeitsbedingungen osteuropäischer Arbeitsmigranten in der deutschen Schlachtindustrie an.

Arbeitsmigranten aus Rumänien, Bulgarien und Polen behandelt Dr. Kossen täglich in seiner allgemeinmedizinischen Praxis. Sie arbeiten in Großschlachthöfen. Was er sieht und hört, macht den Mediziner fassungslos und zornig. Die Totalerschöpfung der Patientinnen und Patienten ist fast schon alltäglich. ‚Viele arbeiten sechs Tage in der Woche und zwölf Stunden am Tag. Sie haben keine Möglichkeit der Regeneration, weil sie durch ihre Arbeits- und Lebensbedingungen ständig physisch und psychisch unter Druck stehen. ….‘“

Gewerkschaften, Menschen wie Kossen, die Presse und andere decken auf: Viele Beschäftigte in der Schlachtindustrie arbeiten unter unwürdigen Bedingungen. Sie werden häufig schlecht bezahlt. Einigen von ihnen wird der zustehende Lohn vorenthalten. Die Arbeitszeiten sind oft katastrophal, Pausenzeiten werden nicht vergütet, Arbeitszeiten verschleiert, Lohnabrechnungen manipuliert, und festgelegte Nachtzuschläge werden nicht gezahlt.

Die Menschen, die mit Werkverträgen in Schlachthöfen so viel und lange arbeiten, bis sie abends todmüde in ihr Bett fallen können, stumpfen irgendwann ab. Sicherheitsvorgaben und Regeln bedeuten immer weniger; die Quote muss erfüllt werden.

Zwar gibt es jetzt auch in der Fleischindustrie einen Mindestlohn. Trotzdem bleiben geringe Löhne, hohe Abzüge und schlechte Arbeitsbedingungen bestehen. Aus der Branche ist zu hören, dass einige Subunternehmer, die viele Beschäftigte in die Schlachtfabriken entsenden, deutsche Firmen gründen. Sie greifen auf ein komplexes Geflecht zurück. Kommt es zu Unregelmäßigkeiten, könnten diese Firmen aufgelöst und einfach wieder neue gegründet werden. Das macht es besonders schwierig, Verantwortliche zu belangen. Hier muss für deutlich mehr Transparenz gesorgt werden. Die vielen Subunternehmen sind schwer zu entflechten und zu durchschauen.

Wir haben das Gesetz zur Sicherung von Arbeitnehmerrechten in der Fleischwirtschaft aus dem Jahr 2017. Das Gesetz soll Beschäftigte in der Fleischindustrie besser schützen und dubiosen Praktiken mit Werkverträgen und Subunternehmern einen Riegel vorschieben. Leider scheint dieses Gesetz noch nicht zu wirken.

Die Frage lautet: Gibt es gesetzliche Lücken? Dann müssen diese identifiziert und geschlossen werden. Wir brauchen insgesamt wirksame Kontrollen durch unabhängige staatliche Aufsichtsbehörden und das entsprechende Personal dafür.

Viele der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer kommen aus Osteuropa, werden unter falschen Versprechungen hierher gelockt, um in deutschen Fleischfabriken zu arbeiten. Die Unterkünfte sind zum Teil erschreckend menschenunwürdig.

Alle Beschäftigten haben ein Anrecht auf angemessene Entlohnung und menschenwürdige Arbeits- und Wohnbedingungen. Werkverträge gehören abgeschafft. Wir brauchen verlässliche Regelungen für Einkommen über Tarifverträge und vor

allen Dingen transparente Arbeits- und Einstellungsverhältnisse.

(Beifall bei der SPD)

Zur Verbesserung der Wohn- und Lebensbedingungen brauchen wir gute Modelle und Standards für den Bau von Werkswohnungen. Der Runderlass über die bauordnungsrechtliche und melderechtliche Behandlung von Unterkünften für Beschäftigte ist seit 2014 in Kraft. Die Vorgaben werden durch die Bauaufsicht überprüft. Eine Kontrolle gehört dazu - ein erster zaghafter Erfolg. Das Wohnraumschutzgesetz könnte hier wirken. Es wird konkrete Vorgaben zur Mindestausstattung und zum Zustand von Wohnraum enthalten.

Vor dem Hintergrund der aufgetretenen Tuberkulosefälle muss auch das Thema Gesundheitszeugnisse und deren Wirkung betrachtet werden. Hier müssen dringend wirksame Maßnahmen entwickelt werden.

Wichtig ist auch das niedrigschwellige Angebot der Beratungsstellen für mobile Beschäftigte in Niedersachsen. Alle Stellen sind angegliedert an die Bildungsvereinigung „Arbeit und Leben“ und werden u. a. aus Landesmitteln gefördert. Das ist richtig und wichtig. An dieser Stelle gilt der ausdrückliche Dank Herrn Minister Olaf Lies. Er war es, der als Wirtschaftsminister diese Einrichtung etabliert hat.

(Beifall bei der SPD)

Das Angebot richtet sich an ausländische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die sich vorübergehend in Deutschland aufhalten. Die Arbeit der Beratungsstellen muss auch weiterhin unterstützt werden. Schlachthöfe dürfen nicht unterbinden, dass ihre Arbeiter über ihre Rechte informiert werden.

Fazit: Aus unwürdigen Arbeits- und Wohnbedingungen müssen Arbeits-, Wohn- und Gesundheitsbedingungen werden, die menschenwürdig sind.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN sowie Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Logemann. - Es folgt nun für die AfD-Fraktion Herr Kollege Henze. Bitte!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Unwürdige Arbeits- und Wohnbedingungen in der Schlachtindustrie beenden - ein altbekanntes Problem kommt wieder auf die Tagesordnung. Schon im Jahr 2013 waren die extrem schlechten Arbeits- und Wohnbedingungen der sogenannten Wanderarbeiter immer wieder Grundlage der Berichterstattung.

2013 waren, wenn ich mich richtig erinnere, die Grünen mit in der Regierungsverantwortung. Ich kann mich aber täuschen; Sie können mir widersprechen.

Aus Ästen, Plastikfolien und Decken bestanden damals die Unterkünfte, unter denen rumänische Wanderarbeiter in den Wäldern bei Cloppenburg und Vechta aufgefunden wurden. Die Behörden ließen sie ebenso räumen wie Dutzende Gaststätten, in denen Wanderarbeiter illegal untergebracht waren.

Diese Zustände wie auch die damals übliche Praxis von Subunternehmen, weit unter dem Mindestlohn zu bleiben und die Angestellten gleich im Arbeitsvertrag zur Anmietung von menschenunwürdigen Unterkünften zu verpflichten - die sich natürlich im Besitz der Arbeitgeber befanden -, um diese dann auch noch durch völlig überteuerte Mieten weiter auszubeuten, waren an der Tagesordnung.

Was ist seitdem geschehen? - Zwischenzeitlich hat es Schritte in die richtige Richtung gegeben. So wurden bauordnungsrechtliche Bestimmungen für die Unterkünfte von Beschäftigten getroffen, Beratungsstellen eingerichtet, um die Arbeitnehmer über ihre Rechte zu informieren. Nicht zu vergessen: Die Kontrollen zu den Mindestarbeitsbedingungen durch den Zoll wurden verstärkt.

Dieses Vorgehen hat in Teilen der Branche zu einem Umdenken geführt, aber leider nicht bei allen und überall. Wir sehen positive Entwicklungen beispielsweise bei den Erntearbeitern. Dort gibt es einen sogenannten Wohnpark Fliegerhorst Ahlhorn, der mit allen möglichen Sachen bis hin zum Fitnessraum ausgestattet ist und vorbildlich ist. Das ist der richtige Weg.

Zu beobachten, ob es weiterhin in die richtige Richtung geht, und gegenzusteuern, wenn dies nicht geschieht, ist die Aufgabe von uns allen hier im Parlament.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank. - Es folgt nun für die FDP-Fraktion Herr Kollege Grascha.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, dieses Problem ist jenseits der rechtlichen Beurteilung vor allem erst einmal moralisch zu beurteilen.

Ich habe viele Unternehmerinnen und Unternehmer in diesem Land kennengelernt, die sich sehr klar am Leitbild des ehrbaren Kaufmanns orientieren. Zu diesem Leitbild des ehrbaren Kaufmanns gehört auch, dass er vor allem das Wohl seiner Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Blick hat.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Da geht es z. B. um Gesundheitsschutz, aber auch schlicht um die Frage: Füllt der Arbeitgeber, wenn der Arbeitsplatz unsicher wird, zunächst einmal den Kühlschrank des Arbeitnehmers, oder achtet er zuerst auf seinen eigenen Kühlschrank? - Ich kenne sehr viele Unternehmerinnen und Unternehmer - die überwiegende Anzahl -, die zuerst an den Kühlschrank des Arbeitnehmers denken und nicht an den eigenen Kühlschrank.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei der CDU)

So verhält sich die überwiegende Mehrheit der Unternehmerinnen und Unternehmer. Manche aber tun das offenbar nicht. Das schadet den Beschäftigten, es schadet dem gesamten Staat und der Gesellschaft, und es schadet dem Ruf der vielen ehrbaren Unternehmerinnen und Unternehmer in unserem Land.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN)