Protokoll der Sitzung vom 24.01.2019

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Solche Unternehmen - da kommen wir zu der moralischen Dimension zurück - verhalten sich eben nicht nur kriminell, sondern auch unmoralisch und unsozial.

(Zustimmung bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Dagegen muss der Staat vorgehen, aber eben nicht in aller Pauschalität - er darf nicht alle über einen Kamm scheren -, sondern sehr differenziert. Denn nicht jeder Werkvertrag dient zur Umgehung eines anderen Beschäftigungsverhältnisses, z. B. der Zeitarbeit.

Was sind die Merkmale eines Werkvertragsverhältnisses? - Es ist ein externes Beschäftigungsverhältnis. Die Personen sind weisungsungebunden. Sie arbeiten für unterschiedliche Auftraggeber an konkreten Werken. All dies in den angesprochenen Fällen offensichtlich nicht der Fall. Denn hier ist eine Weisungsgebundenheit gegeben. Zum Teil sind die Beschäftigten auch in den Betriebsablauf integriert. In Wahrheit sind diese Werkverträge also keine Werkverträge, sondern eine Umgehung von Zeitarbeit und abhängiger Beschäftigung.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN sowie Zustimmung bei der SPD)

Dafür muss es eine klare juristische Definition geben. Das fordern wir Freie Demokraten schon seit Langem. Das ist eine Aufgabe, die auf der Bundesebene zu lösen ist. Eine klare Abgrenzung von Werkverträgen gibt den Beteiligten Rechtssicherheit. Dann kann der Staat konsequent gegen diese Beschäftigungsverhältnisse vorgehen; denn das scheint dringend notwendig zu sein.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN sowie Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Grascha. - Es folgt nun für die Landesregierung Frau Sozialministerin Reimann.

(Unruhe)

- Herr Siebels, Herr Brammer, es wäre nett, wenn Sie Ihre Gespräche jetzt einstellen könnten. Vielen Dank.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Die Beschäftigten in den niedersächsischen Schlachthöfen arbeiten und wohnen oft unter schlechten Bedingungen. Es gibt immer wieder Hinweise, dass Arbeitgeber bei Arbeitszeit

und Bezahlung geltende Regeln nicht einhalten und die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ausbeuten. Diese stammen vor allem aus Osteuropa und kennen oft Sprache und Recht nicht.

Aktuell ist der Fall einer Mitarbeiterin der Beratungsstelle für mobile Beschäftigte in der Fleischindustrie. Diese ist angeblich aus Sicherheitsgründen von einem Arbeitgeber aufgefordert worden, das Betriebsgelände des Schlachthofs zu verlassen.

Die Aufgabe der Beratungsstellen ist es, den ausländischen Beschäftigten durch eine unbürokratische Hilfestellung Wege zur Verbesserung ihrer Lage aufzuzeigen. Die bisherigen Erfahrungen der Beratungsstelle und des Trägers - ARBEIT UND LEBEN Niedersachsen e. V. - zeigen, dass gerade der niedrigschwellige Ansatz der Beratungsstellen wirksam ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, auch die Erkrankung von Beschäftigten an Tuberkulose vor Weihnachten zeigt, wie wichtig die Erreichbarkeit sozialer Hilfen ist. Das gilt nicht nur Arbeitsbedingungen und Wohnbedingungen, sondern auch für den Zugang zur Gesundheitsversorgung und zur Prävention.

In Cloppenburg hat das Gesundheitsamt fachgerecht reagiert und eng mit dem betroffenen Betrieb zusammengearbeitet. Im Mittelpunkt stand die Gesundheit der erkrankten und der potenziell angesteckten Menschen. Die Betriebsmedizinerin hat alle Beschäftigten informiert und auch Flugblätter verteilen. Sie steht auch für Fragen seitens der Beschäftigten zur Verfügung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Gewerbeaufsichtsämter überprüfen u. a. die Einhaltung der Bedingungen des technischen und des sozialen Arbeitsschutzes. Hierzu gehören insbesondere bundesgesetzliche Regelungen wie das schon angesprochene Gesetz zur Sicherung von Arbeitnehmerrechten in der Fleischwirtschaft, das wir als GSA Fleisch bezeichnen, und die Anforderungen an sicherheitstechnische Anlagen. Um die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor übermäßiger Inanspruchnahme ihrer Arbeitskraft zu schützen und ihre Arbeitskraft und Gesundheit langfristig zu erhalten, werden aber auch die täglichen Arbeitszeiten, Ausgleichszeiten, Ruhezeiten und Ruhepausen kontrolliert.

Das Land handelt hierbei aber nicht allein. Auch der Bund muss seine Verantwortung wahrnehmen. Deshalb haben wir die Bundesregierung aufgefor

dert, die Kontrollkapazitäten der Finanzkontrolle Schwarzarbeit beim Zoll zu verstärken. Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit beim Zoll ist für die Einhaltung des gesetzlichen Mindestlohns und der im Entsendegesetz geregelten Mindestarbeitsbedingungen zuständig.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das Wohnen ist hier auch schon angesprochen worden. Nach dem Brand in einer Unterkunft für Werkvertragsarbeiterinnen und -arbeiter hat die damalige Landesregierung einen Runderlass über die bauordnungsrechtliche und melderechtliche Behandlung von Unterkünften für Beschäftigte herausgegeben. Dieser ist seit 2014 in Kraft.

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Setzen die Kommunen ihn auch um?)

Es geht um gesundes Wohnen und Brandschutz, aber auch um ausreichende Schlafräume, Bäder und Platz zum Kochen. Die Bauaufsicht kann diese Vorgaben prüfen und die Beseitigung von Mängeln anordnen oder auch die Nutzung untersagen. Nach den Erkenntnissen der Landesregierung hat der Erlass dazu beigetragen, die Wohnverhältnisse von Beschäftigten und damit ihre Lebensbedingungen zu verbessern.

Wenn Beschäftigte in normalen Wohnungen leben, wird künftig auch das geplante Wohnraumschutzgesetz greifen. Das Gesetz wird konkrete Vorgaben zur Mindestausstattung und zum Zustand von Wohnraum enthalten. Für diese sind dann Vermieter und Vermieterinnen verantwortlich. Die Gemeinden sollen unter bestimmten Voraussetzungen Wohnungen jederzeit, auch gegen den Willen der Bewohnerschaft, zu Kontrollzwecken betreten dürfen. Die Landesregierung ist der Auffassung, dass mit dem geplanten Gesetz auch die Beseitigung von Missständen bei der Unterbringung von Beschäftigten in der Fleischindustrie weiter vorankommt.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend sagen: Die Situation der Menschen in den Schlachtbetrieben ist der Landesregierung sehr wichtig. Wir wollen, dass sie gute Arbeitsbedingungen, eine gute Gesundheitsversorgung und gute Wohnungen haben. Und dafür setzen wir uns ein.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Ministerin. - Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor, sodass ich die Besprechung zum Antrag zur Aktuellen Stunde der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen schließen kann.

Ich eröffne die Besprechung zu

c) Intelligenter Klimaschutz ohne Quoten und Verbote: Zwangs-E-Mobilität und pauschale Tempolimits führen nicht zum Ziel! - Antrag der Fraktion der FDP - Drs. 18/2615

Für die Antragsteller hat der Vorsitzende der FDPFraktion, Herr Dr. Birkner, das Wort.

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben in den vergangenen Wochen vielfältige Diskussionen - insbesondere die Diskussion über das Tempolimit auf Autobahnen - erlebt, die unter dem Vorzeichen des Klimaschutzes geführt werden. Das ist für uns der Anlass zu diesem Antrag zur Aktuellen Stunde. Wir wollen deutlich machen, dass die gesamte Diskussion nach unserer Auffassung falsch herum geführt wird: Wir diskutieren über Einzelmaßnahmen, ohne einen funktionierenden Rahmen für den Klimaschutz zu haben, der uns in die Lage versetzt, Diskussionen über einzelne Projekte und einzelne Maßnahmen zu vermeiden.

Klar ist in der Klimapolitik, meine Damen und Herren, dass der Maßstab das Pariser Abkommen ist. Das heißt, die Erderwärmung ist auf maximal 2 °C zu beschränken, besser auf 1,5 °C.

Wir sind der Überzeugung, dass es, um das zu erreichen, keiner ausufernden staatlichen Regulierung bedarf. Wir sind der Überzeugung, dass eine solche Regulierung zu dem genauen Gegenteil führt. Verbote und Bevormundungen reduzieren die Akzeptanz des Klimaschutzes bei den Menschen. Am Ende stellen sie Hindernisse für einen wirkungsvollen Klimaschutz dar.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, Klimaschutz wird - das schadet dem richtigen und wichtigen und gerade unter Generationenaspekten entscheidenden Ziel der Klimapolitik - allzu oft mit Angst und Weltuntergangsszenarien betrieben. Diese Perspektive verstellt den klaren Blick auf das, was wirklich mach

bar ist, was man also auch umsetzen kann. Deshalb brauchen wir eine Entemotionalisierung, eine Versachlichung dieser Debatte, und wir müssen uns auf das, was wirklich machbar und auch mit Wohlstand und Wachstum vereinbar ist, konzentrieren.

(Beifall bei der FDP)

Für uns als Freie Demokraten ist eben entscheidend, dass wir keine Klimapolitik betreiben dürfen, die auf Deindustrialisierung setzt, die auf eine radikale Umstellung von Lebensgewohnheiten setzt; denn dies wird nie auf Akzeptanz stoßen und ist zum Scheitern verurteilt.

Für uns ist das Ziel und das Entscheidende, dass es gelingt, das Wirtschaftswachstum, das wir auch weiter brauchen, zu sichern. Es ist bei der Klimadiskussion ja ganz spannend, dass immer wieder ganz andere Ziele mit der Klimapolitik verbunden werden: Da fließen eine Post-Wachstum-Ökonomie und ähnliche Dinge ein. Wir sagen also: Wir brauchen Wirtschaftswachstum. Wir brauchen Wirtschaftswachstum und Wohlstand, übrigens auch, um Entwicklung in Entwicklungsländern überhaupt möglich zu machen. Deshalb wollen wir Wirtschaftswachstum ermöglichen und Instrumente dafür schaffen, Wirtschaftswachstum vom CO2Ausstoß zu entkoppeln. Das wollen wir mit neuen Technologien ermöglichen, um damit, wie gesagt, auch Schwellen- und Entwicklungsländern Entwicklung überhaupt erst zu ermöglichen.

Wir stehen für eine optimistische Klimapolitik, die daran ansetzt, den Klimaschutz auch durch technologischen Fortschritt und Innovation voranzubringen; denn alles andere wird nicht die Verbindung zwischen Wachstum, Wohlstand und Klimaschutz ermöglichen. Wir erleben in der Klimadiskussion aber das Gegenteil. Da wird immer eine pessimistische Geschichte erzählt: dass der Weltuntergang kurz bevorstehe und wir zu ganz radikalen Schritten greifen müssten. Dem setzen wir eine optimistische Variante entgegen. Die pessimistische Variante aber sehen wir in der Tempo-130Diskussion, wobei übrigens ganz spannend ist, dass der Ministerpräsident der Auffassung ist, dass man Tempo 130 auf gewissen Strecken nicht durchgängig fahren könne.

(Dragos Pancescu [GRÜNE]: Tempo 100 auf der A 2!)

Mir sind ein paar Autobahnen in Niedersachsen bekannt, wo man das sehr wohl kann. Es wird also keine Phantomdebatte geführt, sondern es ist für

die Menschen real erlebbar, dass eine solche Debatte einen nicht gerechtfertigten Einschnitt verfolgt. Übrigens ist auch spannend, dass die SPD laut einer vom Bundesparteitag 1998 stammenden Beschlusslage, die weiterhin gültig ist, Tempo 120 auf den Autobahnen anstrebt. Umso interessanter ist, dass sich der Herr Ministerpräsident davon distanziert. Aber genau diese Debatten sind es, die die Klimapolitik am Ende diskreditieren.

Das Gleiche gilt übrigens für eine technologiespezifische Diskussion, die wir im Hinblick auf die E-Mobilität erleben. Da maßt sich Politik etwas an, was sie nicht entscheiden kann.

(Christian Grascha [FDP]: So ist es!)

Die Politik ist nicht in der Lage, zu entscheiden, welche Technologien in der Zukunft die richtigen sind, sondern sie muss den Rahmen setzen. Und das ist das Entscheidende, worauf wir als Freie Demokraten hinaus wollen. Lassen Sie uns diese Diskussion entideologisieren! Konzentrieren wir uns darauf: Welchen Rahmen muss man auf europäischer Ebene setzen, insbesondere durch einen funktionierenden Emissionshandel, der alle Sektoren einbezieht, um dann zu einer CO2-Bepreisung zu kommen, die gerade nicht in eine CO2-Steuer münden darf, weil das wieder nationale Alleingänge wären, die am Ende kontraproduktiv wären und Klimaschutz nicht effektiv gestalteten, sondern dies nur zulasten der eigenen Entwicklungschancen und des eigenen Wohlstands ginge?

(Zustimmung von Christian Grascha [FDP])

Genau das ist die große Kunst, die wir in den Vordergrund der Diskussion stellen müssen: diese Dinge zusammenzubringen.