Sonn- und Feiertage sind grundsätzlich geschützt. „Grundsätzlich“ sagt für den Juristen natürlich schon aus, dass es Ausnahmen gibt. Und es muss ja auch Ausnahmen geben. Selbstverständlich müssen an Sonn- und Feiertagen Polizistinnen und Polizisten arbeiten. Es müssen auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Gastronomie arbeiten. In anderen Einrichtungen müssen Menschen ebenfalls arbeiten. Übrigens muss auch der Priester bzw. der Pastor arbeiten. Für alle diejenigen Dinge, die wir an Sonn- und Feiertagen brauchen, kann es Ausnahmen geben.
Der Gesetzgeber ist in der Frage, was Ausnahmen angeht, aber sehr strikt und sehr eng. Zunächst einmal gibt es - neben den aufgezählten Berufsgruppen, die an diesen Tagen leider ihren Dienst verrichten müssen, damit die Gesellschaft weiter ihren normalen Gang gehen kann - eine klare Regelung. Erstens muss nachgewiesen werden, dass die Tätigkeit, für die man ausnahmsweise an Sonn- und Feiertagen arbeiten will, nicht auch an Werktagen erbringbar wäre. Und zweitens muss darüber hinaus eine besondere Belastung geltend gemacht werden, die eine Ausnahme notwendig macht. Das ist das wesentliche Prüfschema, das wir hier zugrunde legen müssen.
Was mich an dieser Debatte ein wenig gestört hat, ist, dass wir an einem Einzelfall politisch diskutieren, wie eine Genehmigung auf einer allgemein gültigen Rechtsgrundlage zu erteilen ist. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das Arbeitszeitgesetz, das die Grundlage für die Genehmigung oder Nichtgenehmigung ist, gilt für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland gleich - gleich welchen Glauben sie haben, gleich welche Feiertage es für sie persönlich aufgrund ihres Glaubens betrifft, gleich in welcher Branche sie arbeiten und gleich welches Herkunftsland sie tatsächlich haben. Deshalb muss die Entscheidung der Gewerbeaufsicht bzw. der Behörden für alle Anträge auch gleich geprüft werden.
Hier aber haben wir einen besonderen Fall. Es wundert mich, dass sich jetzt alle darüber freuen, dass es eine Lösung gegeben hat, weil die beiden Betriebe ihre Anträge zurückgezogen haben. Beide Anträge waren aber offenbar von der Gewerbeaufsicht Oldenburg genehmigt worden - und das ist doch das, was uns mit Sorge erfüllen muss.
Die Gewerbeaufsicht hat anscheinend einen schwerwiegenden Fehler bei einer Ausnahmeregelung zur Sonntagsarbeit gemacht. Denn wie man der Presse entnehmen kann, sagen die Betriebe ja jetzt nicht, der eingetretene Schaden sei für sie vertretbar, sondern: Wir haben einen Werktag gefunden, an dem wir es auch können, nämlich den 23.12.
Aber dann, Frau Reimann, stellt sich doch die Frage, wie Sie mit dieser gravierenden Fehlentscheidung zum Gesundheitsschutz von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die in Oldenburg getroffen worden ist, umgehen. Nehmen Sie das jetzt so hin? Ist das nur geheilt worden, weil es sich dabei um die Fleischbranche handelt? Wie stellen Sie eigentlich sicher, dass auch in anderen Branchen richtig geprüft wird, so wie es im Gesetz vorgesehen ist?
Meine sehr geehrten Damen und Herren, dies zeigt deutlich, dass wir in der Politik nicht jeden Antrag genau im Einzelnen bewerten können, auch wenn Herr Bley vor Ort war. Wir wissen nicht wirklich, ob er für das Gewerbeaufsichtsamt nach der Rechtslage genehmigungsfähig war oder nicht.
Nach dem, was danach passiert ist, gibt es ausreichende Hinweise, dass es Fehler bei der Gewerbeaufsicht in Oldenburg und Fehler in der Abarbeitung eines Antrags gegeben hat, die für einen Einzelfall durch eine Ministerweisung geheilt worden sein sollen. Und uns muss es in der politischen Arbeit doch darum gehen, dass solche Fehler gründlich aufgearbeitet und ausgeräumt werden, und zwar nicht nur bei der Fleischbranche, sondern bei jedem, der einen Antrag stellt - im Übrigen auch deshalb, damit die Arbeitgeber wissen, auf welcher Rechtsgrundlage und nach welchen Anwendungskriterien in Niedersachsen und in Deutschland gearbeitet wird.
Deshalb ist bei diesem Thema der Aktuellen Stunde mit dem Zurückziehen von Anträgen gar nichts gut. Wir wissen, dass es offenkundig eine fehlerhafte Arbeit bei der Gewerbeaufsicht in Oldenburg gegeben hat. Eine Weisung einer Ministerin stellt die Fehler im Allgemeinen nicht ab. Weisungen können höchstens in einem Einzelfall heilen. Wir
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe mir die Debatte zu diesem Thema gerade angehört und reagiere jetzt relativ spontan. In der Sache geht es um eine Ausnahmegenehmigung des Gewerbeaufsichtsamts, das hier das Arbeitszeitgesetz anzuwenden hat. Über die Gewährung einer Ausnahme entscheidet ausschließlich das Gewerbeaufsichtsamt, und zwar in Anwendung von Bundesrecht. Das ist uns allen bewusst. Wir können hier zwar darüber debattieren, aber eigentlich keinen Einfluss darauf nehmen.
Wenn es jetzt eine Bewegung dahin gehend gibt, dass das Gewerbeaufsichtsamt Oldenburg möglicherweise falsch entschieden haben soll - dies ist ja noch nicht in Gänze geklärt -, dann wäre dort definitiv ein Fehler gemacht worden. Aber ansonsten entspricht das, was das Gewerbeaufsichtsamt getan hat, absolut den rechtsstaatlichen Grundsätzen. Hier ist Bundesrecht zur Anwendung zu bringen, nichts anderes.
Auch ich bin mit einer solchen Ausnahmegenehmigung nicht glücklich, die einem Betrieb ausgestellt wird, der nicht der allgemeinen Daseinsvorsorge dient. Da bekommt man gerade kurz vor Weihnachten das Gefühl, dass hiermit dem Kommerz und nicht den Menschen gedient werden soll. Aber eigentlich - das Wort „eigentlich“ füge ich jetzt ein, weil ja im Raume steht, dass das Gewerbeaufsichtsamt Oldenburg vielleicht einen Fehler gemacht hat - habe ich dennoch Vertrauen in das Amt, dass es seine Entscheidungen vernünftig und auch rechtsstaatlich treffen wird.
Vielen Dank, Herr Kollege. - Das Wort für die Landesregierung hat nun Frau Sozialministerin Dr. Reimann. Bitte!
Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Niedersächsische Landesregierung räumt dem Sonn- und Feiertagsschutz einen hohen Stellenwert ein. An den Weihnachtsfeiertagen ist dies von besonderer Bedeutung, um den Beschäftigten und ihren Familien, wo immer möglich, eine selbstbestimmte und angemessene Feiertagsgestaltung zu ermöglichen.
Aber auch außerhalb von Weihnachten sollen die Beschäftigten an Sonn- und Feiertagen ganz grundsätzlich nicht arbeiten, sondern Gelegenheit zur Erholung haben.
Dies ist gerade in Zeiten von Arbeitsverdichtung und Digitalisierung wichtig, damit Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gesund bleiben und nicht langfristig ausfallen. Außerdem leistet es einen wichtigen Beitrag zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Mit gutem Grund sind Sonn- und Feiertagsruhe ein wesentlicher Bestandteil des sozialen Arbeitsschutzes. Sonn- und Feiertage sind verfassungsrechtlich geschützt.
Dieser Grundsatz - das ist in der Debatte auch schon angesprochen worden - ist in der spezialgesetzlichen Regelung, dem Arbeitszeitgesetz, umgesetzt worden. Das Arbeitszeitgesetz legt die Grundnormen dafür fest, wann und wie lange Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer höchstens arbeiten dürfen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, das Arbeitszeitgesetz ermöglicht aber unter festgelegten Voraussetzungen aber auch Ausnahmen von den gesetzlichen Grundsätzen; auch das ist schon angeklungen. Eine dieser Ausnahmen ist die Ermächtigung der Aufsichtsbehörde, an bis zu fünf Sonn- und Feiertagen im Jahr die Beschäftigung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern bewilligen zu können, wenn besondere Verhältnisse zur Verhütung eines unverhältnismäßigen Schadens dies erfordern. Dies ist eine Ermessensentscheidung.
Um diesen Fall geht es beim „Schlachten an Weihnachten“. Das Staatliche Gewerbeaufsichtsamt in Oldenburg hatte nach Prüfung festgestellt, dass ohne die Ausnahme ein unverhältnismäßiger Schaden entsteht. Bei der Ermessensentscheidung hatte das Staatliche Gewerbeaufsichtsamt in Oldenburg die prognostizierte Entstehung eines unverhältnismäßigen Schadens stärker gewichtet als das Interesse insbesondere der Beschäftigten am Schutz der Weihnachtsfeiertage.
Die Landesregierung hingegen wertet das Interesse insbesondere der Beschäftigten am Schutz der Weihnachtsfeiertage stärker. Ich habe deshalb am 4. Dezember die Staatlichen Gewerbeaufsichtsämter mit Erlass aufgefordert, vor Entscheidung weiterer Anträge dem Sozialministerium zu berichten. Auf diese Weise ist sichergestellt, dass die Auffassung der Landesregierung Grundlage weiterer Entscheidungen wird.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, inzwischen hat das betroffene Unternehmen mit Schreiben vom 11. Dezember das Gewerbeaufsichtsamt Oldenburg darum gebeten, die Ausnahmebewilligung zurückzuziehen. Diese Einsicht - das will ich klar sagen - hätte ohne das breite gesellschaftliche Bündnis von Politik, Kirchen und Gewerkschaften sicher nicht erreicht werden können. Ihnen gilt der Dank.
Das Arbeitszeitgesetz - ein Bundesgesetz - sieht neben den genehmigungspflichtigen Ausnahmen vom Sonn- und Feiertagsschutz auch die Möglichkeit vor, ohne Antrag an Weihnachten arbeiten zu lassen. Dies betrifft insbesondere Krankenhäuser, aber auch die Landwirtschaft und das Reinigungsgewerbe.
Deshalb lasse ich mein Haus gerade prüfen, welche Maßnahmen erforderlich sind, um in Zukunft - nicht nur an Weihnachten - einen besseren Schutz der Sonn- und Feiertage zu ermöglichen. Bis dahin ist meine dringende Bitte an die betroffenen Unternehmen, ihren Beschäftigten, wenn nur irgend möglich, an Weihnachten freie Zeit und ein Zusammensein mit ihren Familien zu ermöglichen. Denn der Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer liegt nicht allein bei der Politik, sondern zuallererst auch bei verantwortlichen Unternehme
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir wollen die kommenden Debatten um die Flexibilisierung der Arbeitszeitregelung auch dazu nutzen, um über den Wert und die Bedeutung des Sonn- und Feiertagsschutzes zu reden.
In diesem Sinne - auch wenn dies einer der ersten und nicht der letzte Tagesordnungspunkt unserer vorweihnachtlichen Plenarsitzung im Dezember ist - wünsche ich Ihnen allen schon einmal erholsame, entspannte Weihnachtsfeiertage im Kreise Ihrer Familien. Das sollte allen möglich sein.
Vielen Dank, Frau Ministerin. - Meine Damen und Herren, für die FDP-Fraktion hat noch einmal unser Kollege Jörg Bode um das Wort gebeten. In Anwendung von § 71 Abs. 3 unserer Geschäftsordnung haben Sie eine Minute Redezeit. Bitte!
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin Reimann, so geht das nicht! Das Gewerbeaufsichtsamt Oldenburg kann hier nicht willkürlich entscheiden. Und wenn es eine Ermessensentscheidung sein soll, dann muss es dafür klare Regeln geben, die dann auch tatsächlich gelten. Sie können nicht anders gelten, nur weil Weihnachten ist und wir einen christlichen Feiertag haben.
Würden Sie sich denn genauso einsetzen, wenn die Genehmigung für einen islamischen Feiertag oder für den Tag der Deutschen Einheit erteilt worden wäre? - Nein, es muss eine neutrale staatliche Entscheidung geben, die nicht getrieben von anderen Emotionen getroffen wird.
Auch wenn man nach einer Ermessungsabwägung eine Ausnahmegenehmigung erteilten kann, so kann man das nur tun, wenn die Voraussetzungen gegeben sind, wenn also die betreffende Leistung an keinem anderen Werktag erbracht werden kann. Wie kann es denn sein, dass der 23. jetzt auf einmal doch geht? - Das müssen Sie uns mal erklären. Wie gehen Sie gegen die Entscheidung des zuständigen Gewerbeaufsichtsamtes vor? Haben Sie außer besagtem Ihrer Entscheidung
Frau Reimann, was Sie hier gesagt haben, war für mich eine willkürliche und auf den Einzelfall bezogene Entscheidung. Dafür aber ist das Recht in Deutschland nicht da.
Vielen Dank, Herr Kollege Bode. - Ebenfalls noch einmal Stellung nehmen möchte für die CDUFraktion der Vorsitzende. Herr Toepffer, bitte sehr! Sie haben noch Restredezeit.
Verehrter Herr Kollege Bode, ich verstehe die Angriffslinie, die Sie hier fahren, nicht. Ihnen ist aufgrund Ihrer früheren Tätigkeit doch ganz genau bekannt, wie solche Anträge bearbeitet werden. Im Internet finden Sie den Antragsvordruck. Das Unternehmen erklärt, ob es die notwendigen Voraussetzungen schaffen kann, um dieser Situation gerecht zu werden - und dann muss das Gewerbeaufsichtsamt reagieren. Deswegen müssen Sie das Unternehmen fragen, warum es ursprünglich gesagt hat, dass es mit dem 23. Dezember nicht geht, sondern man am 25. Dezember arbeiten müsse, nicht aber die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Staatlichen Gewerbeaufsichtsamtes. Das ist schäbig!