Protokoll der Sitzung vom 05.02.2019

Dann fahren Sie bitte fort.

Auch die angesprochene und erwartete Neuordnung des öffentlichen Bankensektors dürfte deutliche Auswirkungen auf den Umfang, wenn nicht gar den Bestand der NORD/LB haben. Es ist doch zu befürchten, dass der Finanzstandort Hannover aus alledem nicht als Gewinner hervorgeht. Hinzu kommt, dass der verbleibende Teil der NORD/LB zukünftig in Konkurrenz zum Geschäftsmodell der großen Sparkassen in Niedersachsen stünde. Es wird sich in Zukunft die Frage stellen, wo der Mehrwert für sich ähnelnde Angebote durch öffentlich-rechtliche Banken für die niedersächsische Wirtschaft denn tatsächlich liegt.

Meine Damen und Herren, so wie Sie kein schlüssiges Konzept für die Zukunft der NORD/LB aufweisen können, hatten Sie leider auch in den Verhandlungen der letzten Monate keine erkennbare Strategie.

Wir nehmen zur Kenntnis, dass Sie heute davon gesprochen haben, gegenüber allen möglichen Investorenmodellen offen gewesen zu sein. Herr

Minister Hilbers, das begrüßen wir ausdrücklich. Nur leider haben Sie das Bieterverfahren zunächst auf eine Minderheitsbeteiligung durch den Investor beschränkt. Sie haben dann gesagt, das ist im weiteren Verlauf geöffnet worden, Sie seien für alle Optionen offen gewesen. Öffentlich haben Sie selbst im Laufe der Zeit verschiedene Varianten ins Spiel gebracht. Herr Kollege Wenzel hat ja schon auf Ihre zahlreichen Äußerungen hingewiesen, die Sie in den Raum gestellt haben.

Im April letzten Jahres haben Sie gegenüber der Braunschweiger Zeitung erklärt, dass ein kompletter Verkauf der Bank für Sie nicht infrage käme. Im August haben Sie gegenüber dem Weser-Kurier davon gesprochen, dass Sie sich weiterhin mit 50 % an der NORD/LB beteiligen wollen. Und im November heißt es in der Welt, dass Sie nicht ausschlössen, dass ein möglicher privater Investor die Mehrheit an der NORD/LB erwerbe, nachdem Sie noch im Oktober gegenüber der FAZ erklärt hatten, dass Niedersachsen prinzipiell bereit sei, eine öffentlich-rechtliche Lösung zu unterstützen.

(Christian Meyer [GRÜNE]: Wackel- könig!)

Meine Damen und Herren, Herr Minister, ich befürchte, dass dieser Schlingerkurs nicht Ausdruck einer genialen Verhandlungsstrategie war, sondern Ausdruck von Ratlosigkeit und innerer Desorientierung.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, letztlich haben Sie viel zu lange gewartet und sind so aus der gestaltenden Rolle mehr und mehr in die Rolle eines Getriebenen gekommen. Und das ist nie eine gute Verhandlungsposition.

Ein anderes Ergebnis, ein besseres Ergebnis mit deutlich weniger Risiken für den Steuerzahler wäre wohl bei einer konsistenten Strategie und Verhandlungsführung möglich gewesen. Dies gilt insbesondere auch mit Blick auf den Anteil der Landesbankenfamilie. Denn aufgrund der vorhandenen Sicherungsstruktur wäre es naheliegend gewesen, dass die Landesbankenfamilie mehr zur Konsolidierung der NORD/LB und der Steuerzahler entsprechend weniger beitragen müsste.

Meine Damen und Herren, eine langfristige und belastbare Strategie für die Etablierung eines wettbewerbsfähigen nachhaltigen Geschäftsmodells der Bank vermögen wir bei dem, was Sie uns hier heute vorgestellt haben, nicht zu erkennen.

Der originäre Charakter einer Landesbank, nämlich die Abwicklung des Zahlungsverkehrs mit den Sparkassen, die Vernetzung zu nationalen und internationalen Kapitalmärkten sowie die regionale Wirtschaftsförderung, gingen der NORD/LB mit dem Einstieg in die Finanzierung von Schiffen und Flugzeugen, im Energie-, Infrastruktur- und Immobiliensektor und mit einer zunehmenden Risikoanreicherung und Abhängigkeit vom internationalen Kapitalmarkt verloren.

Die zentralen Fragen, um die es sich drehen sollte und die Sie beantworten müssen, aber eben nicht beantworten, lauten: Zu welchem Zweck braucht das Land Niedersachsen eine eigene Bank? Welches ist ihr öffentlicher Auftrag, der es rechtfertigt, den Steuerzahlern Milliardenrisiken aufzubürden?

An dieser entscheidenden Stelle sind die Verlautbarungen der Landesregierung denkbar dünn. Da ist davon die Rede, dass die politischen, wirtschaftlichen und fiskalpolitischen Interessen des Landes berücksichtigt und kombiniert würden. Aber was diese Interessen genau sind und was das eigentlich bedeutet, verraten Sie nicht.

Oder Sie sprechen davon, dass man Fragen rund um die NORD/LB nicht nur aus rein wirtschaftlicher Perspektive betrachten dürfe, sondern einen gesamtökonomischen Blick darauf werfen müsse. Diese Aussage ist in ihrer Pauschalität genauso richtig, wie sie aber eben auch selbstverständlich ist. Aber auch hier kommen Sie letztlich nicht über Schlagworte hinaus. Die Antwort auf die entscheidende Frage, welchen Mehrwert der Steuerzahler für neue Schulden und Risiken in Milliardenhöhe bekommt, bleiben Sie schuldig - wie auch die Antwort auf die Frage, warum es eigentlich diesmal mit der Rettung klappen soll.

Herr Minister Hilbers, Herr Ministerpräsident Weil, Sie sagen nichts Konkretes darüber, welchen Vorteil der niedersächsische Steuerzahler durch seine Rettung der NORD/LB hat. Sie sagen nichts Konkretes darüber, was die Landesbank künftig von anderen Banken unterscheiden soll. Und Sie können oder wollen heute dem Steuerzahler in Niedersachsen noch nicht einmal garantieren, dass es die letzte Bankenrettung mit seinem Geld ist.

Ja, wir erkennen an, dass Sie das Parlament einbeziehen. Aber wir hätten erwartet, dass Sie dem Parlament, den Steuerzahlern und insbesondere auch den betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern heute mehr als nur vage Ausblicke darauf, wie es weitergehen könnte, gegeben hätten.

All das, meine sehr geehrten Damen und Herren, lässt befürchten, dass dies nicht das Ende ist, sondern dass noch weitere Kapitel folgen.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Lebhafter Beifall bei der FDP und Zustimmung von Stefan Wenzel [GRÜNE])

Vielen Dank, Herr Dr. Birkner. - Es folgt nun die CDU-Fraktion. Herr Abgeordneter Thiele hat das Wort.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Frau Präsidentin! Meine Damen, meine Herren! Mit dem Kabinettsbeschluss vom vergangenen Freitag hat die Landesregierung eine zentrale Weichenstellung für eine unserer wichtigsten Landesbeteiligungen, für die NORD/LB, vorgenommen.

(Vizepräsident Bernd Busemann über- nimmt den Vorsitz)

Ich will zunächst der Landesregierung und Reinhold Hilbers als Finanzminister ausdrücklich dafür danken, dass sie zeitnah das Parlament über den Zwischenstand, über diese Weichenstellung unterrichtet haben. In diesen Dank will ich ausdrücklich die sehr regelmäßigen, sehr umfassenden und detaillierten Unterrichtungen einbeziehen, die der Finanzminister auch in seiner Funktion als Aufsichtsratsvorsitzender und der Vorstandsvorsitzende der NORD/LB, Thomas Bürkle, in den letzten Monaten im Haushaltsausschuss vorgenommen haben,

(Beifall bei der CDU und Zustimmung bei der SPD)

um viele der Fragen, die Sie gerade gestellt haben, Herr Birkner, dort im Detail zu erklären. Wären Sie bei dem Interesse, das Sie jetzt hier dokumentieren, vielleicht an der einen oder anderen Stelle anwesend gewesen, dann hätte möglicherweise die eine oder andere Sitzung bei Ihnen schon für eine Aufhellung der Lage gesorgt.

(Christian Grascha [FDP]: Da wurde zu diesen Fragen noch gar nichts ge- sagt, Herr Kollege!)

Wir setzen das ja gleich fort. Ich hoffe, Sie sind dann im Haushaltsauschuss anwesend.

(Christian Grascha [FDP]: Das ist eine Unverschämtheit! - Anja Piel [GRÜ- NE]: Herr Thiele, ich glaube, Sie ver- heben sich gerade ein bisschen!)

Meine Damen und Herren, die Notwendigkeit, den Landtag in diesen Prozess der Neuausrichtung der NORD/LB eng einzubinden, ist offensichtlich; denn auch dieser Niedersächsische Landtag wird in der weiteren Debatte Verantwortung übernehmen müssen.

Das Kabinett der Großen Koalition hat jetzt für die NORD/LB eine wichtige Weichenstellung in Richtung der Neustrukturierung und Zukunftsfähigkeit der Bank vorgenommen. Vorausgegangen war am Donnerstag eine Entscheidung des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes und auch des niedersächsischen Sparkassen- und Giroverbandes - das darf man nicht vergessen -, gemeinsam mit dem Land Niedersachsen und dem Land Sachsen-Anhalt Verantwortung für diese Bank zu übernehmen.

Ich sage ganz offen: Mit dieser Entscheidung der Sparkassenlandschaft ging für viele von uns auch ein Stück weit Erleichterung einher. Denn diese Entscheidung eröffnet uns unter sehr schwierigen Bedingungen - ich denke, das ist allen Beteiligten klar - die aus unserer Sicht beste Lösung unter allen verbleibenden Alternativen für die NORD/LB.

Uns ist bewusst, dass die Entscheidung, die das Sparkassenlager getroffen hat, den dort Beteiligten nicht leichtgefallen ist. Sie war unter den Alternativen, die aus der Sicht der Sparkassen zur Verfügung standen, nämlich die Abwicklung der Bank - die beiden Szenarien hat Finanzminister Hilbers hier erläutert -, der Einstieg privater Investoren - dann aber wiederum auch mit einem starken Engagement der Sparkassen - oder eben jetzt diese Variante, das eigene Engagement, die beste Lösung aus der Perspektive des Sparkassensektors. Ich sage ausdrücklich: Das ist auch die beste Lösung aus der Perspektive des Anteilseigners Niedersachsen unter allen schwierigen Alternativen, die auf dem Tisch lagen.

Wir sehen, dass es viele berechtigte Fragen gibt, und wir sehen auch, dass es viele berechtigte Sorgen gibt. Die nehmen wir auch ernst. Die werden im weiteren Prozess Schritt für Schritt beantwortet werden müssen. Selbstverständlich ist das so.

(Christian Grascha [FDP]: Ich denke, die sind schon alle beantwortet wor- den!)

Einen Teil der Fragen - Herr Grascha, da haben Sie durchaus recht - hat der Finanzminister im Haushaltsausschuss schon sehr intensiv mit uns erörtert und beantwortet. Mit Verlaub. Das ist nicht nur die Frage von Verantwortung und Schuld. Die ist jetzt hier ausreichend von Herrn Wenzel und auch von Herrn Birkner dokumentiert worden. Das ist sicherlich auch die Frage - - - Herr Wenzel, das ist insbesondere in Ihre Richtung geäußert. Sie haben hier ja gerade wieder Ihre alte Rolle eingenommen, die, mit Verlaub, eher an einen Staatsanwalt als an den Vorsitzenden des Haushaltsausschuss erinnert.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Herr Wenzel, wenn Sie diese Rolle auch damals in der Diskussion um die Übernahme der Bremer Landesbank im Kabinett eingenommen hätten, dann hätten wir möglicherweise an der einen oder anderen Stelle jetzt ein wenig mehr Komfortzone in der Debatte, als wir sie jetzt haben.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Auch das gehört zur Wahrheit dazu. Man kann Verantwortung nicht nur auf dem einen Stuhl tragen. Man muss sie auch auf dem anderen Stuhl tragen. Das hätte zumindest ich von Ihnen erwartet.

(Christian Meyer [GRÜNE]: Und der Fraktionsvorsitzende klatscht bei so- was! - Unruhe)

Der Kollege Thiele, einen Moment!

(Zuruf von Christian Meyer [GRÜNE])

- Hallo, Herr Meyer!

(Anja Piel [GRÜNE]: Jetzt wird es ab- surd!)

Meine Damen und Herren, das Thema ist wichtig genug. Und der Redner hat es verdient, dass Sie ihm zu hören.

Weiter geht’s!

Herr Wenzel hatte die Replik nach seiner Rede auch verdient.

Ich gebe offen zu: Ja, man kann die Frage stellen, Herr Birkner, ob der Staat erneut für die Auffanglösung bzw. Neustrukturierung einer Landesbank - in