Protokoll der Sitzung vom 27.02.2019

Vielen Dank, Herr Kollege Weritz. - Für die SPDFraktion hat nun Herr Kollege Christoph Bratmann das Wort. Bitte sehr!

Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Tat reden wir schon seit 2013, seitdem ich in den Landtag eingezogen bin, über das Thema Arbeitszeit- bzw. Arbeitsplatzbelastung von Lehrkräften. Ich vermute, schon davor hat es dieses Thema im Niedersächsischen Landtag gegeben.

Das hat natürlich damit zu tun, dass sich der Arbeitsplatz Schule in den letzten Jahrzehnten deutlich verändert hat. Das ist eine Entwicklung, die auf gesellschaftlichen Entwicklungen basiert. Schule findet heute nicht mehr nur am Vormittag statt. Es findet Gott sei Dank nicht mehr nur Frontalunterricht statt, sondern auch andere Unterrichtsformen. Die pädagogischen Herausforderungen sind größer geworden. Schule ist heute inklusiv. Und sie ist zunehmend auch digital. Das bringt natürlich mehr Aufgaben für die Lehrkräfte im Land mit sich. Trotzdem - so muss ich sagen - wollen die Lehrkräfte, die ich persönlich kenne, die Zeit nicht in die 50er-, 60er-, 70er-Jahre zurückdrehen. Schule hat sich weiterentwickelt, und das ist in erster Linie erst mal gut so, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Wir müssen aber sehen, wie wir Lehrkräfte entlasten können. Da mangelt es uns nicht an Erkenntnissen und Analysen. Die liegen mittlerweile vor. Was uns vor eine große Herausforderung stellt, ist vielmehr der Umstand, dass wir in einer Situation, in der wir einen Lehrkräftemangel, auch aufgrund von Fehleinschätzungen in den vergangenen Jahren, und dadurch auch an vielen Schulformen eine angespannte Situation der Unterrichtsversorgung haben, die ganz großen Würfe bei der Entlastung zunächst nicht von vornherein bringen können. Es braucht vielmehr intelligente Lösungen, und diese intelligenten Lösungen müssen natürlich entwickelt werden, am besten gemeinsam in erster Linie mit

den Betroffenen, sprich: mit den Gewerkschaften und Verbänden.

Hierzu hat die Landesregierung bereits Maßnahmen ergriffen, und das Kultusministerium hat eine Steuerungsgruppe errichtet, die vor allen Dingen die Erkenntnisse aus der Göttinger Arbeitszeitstudie nun analysieren soll. Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Göttinger Arbeitszeitstudie ist ja eingerichtet worden, nachdem die Unterrichtsverpflichtung am Gymnasium aufgestockt und diese Aufstockung vom OVG wiedereinkassiert wurde. Nun liegen hier Ergebnisse vor, und ich will Ihnen einmal an einem Beispiel aufzeigen, wie schwierig es ist, die Schritte, die die Studie vorgeschlagen hat, umzusetzen.

Zum einen wird gefordert, die Unterrichtsverpflichtung an Grundschulen von 28 auf 27 Stunden herabzusenken. Das ist erst einmal nachvollziehbar, und ich kann jede Grundschullehrerin und jeden Grundschullehrer verstehen, die bzw. der sagt, dass genau das ein wichtiger Schritt ist, den wir gut gebrauchen könnten. Auf der anderen Seite schlägt die Kommission aber auch vor, keine weiteren Abordnungen von beispielsweise Gymnasiallehrkräften an Grundschulen vorzunehmen. Das zeigt: Das stellt in der jetzigen Situation ein bisschen die Quadratur des Kreises dar, die wir so natürlich nicht sofort umsetzen können; denn ein Absenken der Unterrichtsverpflichtung an Grundschulen würde bedeuten, dass die Unterrichtungsversorgung deutlich angespannter sein würde und zeitgleich mehr Abordnungen nötig werden würden. Ich will damit aufzeigen, wie groß die Herausforderung ist und dass es die ganz schnellen Lösungen nicht gibt.

Es geht im Kern darum, die Bausteine Besoldung, Arbeitszeit und Entlastungen zusammenzudenken. Dazu ist die Steuerungsgruppe mit den Verbänden, die jüngst eingerichtet wurde, der richtige Ort. Dafür braucht es keine Enquetekommission. Die Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Laura Pooth, hat gesagt: Der Runde Tisch, der jetzt eingerichtet wird, darf keine lange Bank werden. - Die Enquetekommission wäre aber die ganz lange Bank, liebe Kollegin Hamburg.

(Anja Piel [GRÜNE]: Zur Wahrheit ge- hört auch, dass sie eine Enquete be- grüßt hätte!)

Denn die Ergebnisse Ihrer Enquetekommission, die Sie hier einfordern, würden Mitte nächsten Jahres vorliegen. Wir müssen bei diesem wichti

gen Thema deutlich schneller unterwegs sein, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Und es hat ja auch schon, wie es der Kollege Weritz bezeichnet hat, erste Schritte des Kultusministeriums gegeben. Es gibt eine Streichliste für Aufgaben an Schulen, von denen Lehrkräfte entlastet werden sollen. Denn es ist klar: Es ist weniger der Unterricht, also das Kerngeschäft an der Schule, und weniger die Unterrichtsvorbereitung, die ja auch zum Kerngeschäft gehört, sondern es sind die Aufgaben, wie Dokumentationsaufgaben, Verwaltungsaufgaben, die immer wieder peu à peu on top dazugekommen sind und die die Lehrkräfte an unseren Schulen belasten. Wenn jetzt eine Streichliste vorliegt, die Aufgaben an andere Stellen zurückführt, an die Verwaltung beispielsweise, an die Landesschulbehörde, oder auch Aufgaben, die entbehrlich sind, abschafft, dann ist es erst einmal gut.

(Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Das ist nicht immer nur Arbeitsentlastung! Das wissen Sie auch!)

In einem weiteren Schritt geht es darum, die Niedersächsische Verordnung über die Arbeitszeit der Beamtinnen und Beamten an öffentlichen Schulen zu überarbeiten. Das ist die weitaus größte Herausforderung.

In einem dritten Schritt soll eine besondere Regelung für die Entlastung von Teilzeitkräften gefunden werden. Wir alle - zumindest diejenigen, die sich im Schullalltag ein bisschen auskennen - wissen, dass insbesondere Teilzeitkräfte häufig mehr leisten. Sie haben vielleicht nur 12, 13, 15 Unterrichtsstunden, sind aber trotzdem häufig ähnlich lange wie ihre Kolleginnen und Kollegen in Vollzeit an der Schule, um an Dienst- und Teambesprechungen teilzunehmen usw. Insbesondere hier ist Entlastung vonnöten.

Die wirksame Entlastung von Lehrkräften an allen Schulformen stellt für uns eine ganz besondere Herausforderung dar. Es ist gut, dass sich das Kultusministerium dieser Sache annimmt.

Sehr verehrte Damen und Herren, wir können wirklich abschließend sagen: Die Einrichtung einer Enquetekommission, die zum Ziel hat, auch wenn es gut gemeint ist, erst Mitte nächsten Jahres erste Ergebnisse vorzulegen,

(Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Nein, dieses Jahres! Haushalt 2019!)

greift zu kurz. Deswegen lehnen wir diesen Antrag ab.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Bratmann. - Nun hat das Wort für die Fraktion der AfD der Kollege Harm Rykena. Bitte schön!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Landesregierung steht in der Pflicht, die Lehrerarbeitszeit transparent zu regeln und die zwischenzeitlich im Gutachten festgestellte Überlastung der Lehrerschaft zu reduzieren. Sowohl die von der Arbeitszeitkommission als auch die vom MK präsentierten Vorschläge zur Entlastung der Lehrkräfte stoßen allerdings bei den Lehrerverbänden auf Kritik und werden in dieser Form so nicht durchsetzbar sein.

Dieses skandalöse Herumgeeiere auf dem Rücken Tausender Lehrkräfte muss beendet werden, und das geht nur, wenn wirklich alle Beteiligten an einen Tisch kommen, in einem geregelten Rahmen, und nicht wie angekündigt in einer weiteren unverbindlichen Kungelrunde, dieses Mal Runder Tisch genannt, an der der Landtag im Übrigen nicht einmal angemessen beteiligt wäre.

So ist es vorauszusehen, dass die meisten der möglichen Betroffenen auch nach Abschluss dieses Runden Tisches wieder unzufrieden mit den Ergebnissen sein werden, und das ist nachvollziehbar.

Aus diesem Grund werden wir den Antrag der Grünen auf Einrichtung einer Enquetekommission unterstützen.

Wir müssen allerdings anmerken, dass ein wichtiger Umstand jeglicher Lösung des Problems entgegensteht, ganz egal, wie er gefunden wird. Selbst, wenn die Arbeitszeit in einem empirischen Verfahren sorgfältig und nachvollziehbar ermittelt wird, wird dies das Kernproblem im niedersächsischen Schulsystem nicht lösen können. Alle erdenklichen Lösungsmöglichkeiten bedeuten nämlich letztendlich den Einsatz von mehr Lehrerstunden, und die gibt es derzeit nicht.

Der Rundblick rechnete anhand der Ergebnisse der Arbeitszeitkommission vor, dass eine Umsetzung der Empfehlung einen Mehrbedarf von 2 400

Lehrerstellen ergebe, was rund 200 Millionen Euro im Jahr kosten würde. Wir haben aber schon jetzt zu wenig Lehrer, und das Geld ist anderweitig verplant. Man wird also zwingend Abstriche an der schulpolitischen Agenda dieser Landesregierung machen müssen. Aber ginge das überhaupt? - Wir sagen: Ja, das ginge. Ein paar Beispiele.

An allererster Stelle wäre das flächendeckende Zurückfahren der Inklusion zu nennen, als Nächstes das Streichen unnötiger bürokratischer Belastungen. Ich nenne hier mal Beispiele, weil es bis jetzt immer nur sehr allgemein gehalten wurde: das Ausfüllen der ILE-Bögen oder die ständigen Um- und Fortschreibungen schuleigener Lehrpläne. Dann wäre z. B. zu überlegen, ob man nicht eine drastische Vereinfachung der ausufernden Fördergutachten ins Auge fassen müsste oder eine umgehende Streichung der neu eingeführten Berufsorientierung an Gymnasien, über die wir hier neulich diskutiert haben. Allgemein wäre das Zurückfahren des Ganztagsbetriebes eine Möglichkeit. Und, und, und.

Herr Kollege, Entschuldigung! - Der Herr Kollege Weritz möchte eine Zwischenfrage stellen. Lassen Sie die zu?

Ja, gerne.

Danke.

Vielen Dank, Herr Kollege Rykena, für das Zulassen der Zwischenfrage.

Ich habe die Frage, ob Sie die Punkte, die der Kultusminister - elf Stück an der Zahl - zur Entlastung von Lehrkräften vorgestellt hat, nicht zur Kenntnis genommen haben, weil Ihre Vorschläge seine Vorschläge sind.

Doch, habe ich zur Kenntnis genommen. Aber ich würde sagen: zum Teil. Ich halte sie auch so, wie sie dort vorgestellt wurden - - -

(Wiard Siebels [SPD]: Zum Teil zur Kenntnis genommen!)

- Zum Teil sind es meine, weil sie sehr allgemein gehalten sind und ich mit Kollegen aus der Schule

gesprochen habe, die diese Vorschläge kannten. Sie sagten, dass diese so, wie sie dort stehen, nicht ausreichen würden.

Tut man solches nicht, wird man also nicht an die Grundsätze der Schulpolitik dieser Landesregierung gehen, wird man zwangsläufig solche Scheinlösungen, wie sie bei diesen Vorschlägen auch dabei sind, nutzen müssen und daran scheitern.

So wird aus einer unangenehmen Geschichte Arbeitszeitüberlastung eine unendliche Geschichte Arbeitszeitüberlastung, die eben nicht schnell erledigt werden kann. Ob Herr Kultusminister Tonne diese offene Baustelle gebrauchen kann, wage ich zu bezweifeln, da es jetzt schon in seinem Bereich an allen Ecken und Enden knirscht.

Aber wie es aussieht, scheint derzeit keine Mehrheit für eine Enquetekommission zustande zu kommen, die sich mit Fachverstand und dem Willen zum Finden einer gemeinsamen Lösung dieses zugegebenermaßen schwierigen Problems annehmen könnte. So werden wir aufmerksam die ein wenig hilflos wirkenden Versuche unseres Ministers verfolgen, die nicht vorhandenen Ressourcen des Landes so zu verteilen, dass es niemandem auffällt, dass er nichts zu verteilen hat.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Danke schön, Herr Kollege Rykena. - Für die FDPFraktion spricht nun der Kollege Björn Försterling. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben mit großer Freude zur Kenntnis genommen, dass SPD und CDU zu der Erkenntnis gelangt sind, dass sie kein Erkenntnisproblem haben - weil die Fakten ja tatsächlich auf dem Tisch liegen -, aber dass es ein Umsetzungsproblem gibt.

Die Lehrkräfte in Niedersachsen müssen in der Tat deutlich stärker entlastet werden, auch über das vorgelegte Elfpunkteprogramm hinaus. Man könnte beispielsweise fragen, warum darin nicht ein zwölfter Punkt enthalten ist, in dem es um die Frage geht, warum bei einem Schulwechsel ein Fördergutachten erforderlich ist, obwohl sich am grundlegend festgestellten Förderbedarf nichts verändert hat. Es gibt noch viele weitere Möglichkeiten der Entlastung der Lehrkräfte - bis hin zu der Frage, ob

die Stundendeputate zu reduzieren sind. Auch auf diesen Weg müssen wir uns machen.

Wir sind sehr gespannt darauf, ob die Umsetzung wirklich so schnell erfolgen wird, wie dies die beiden Redner von SPD und CDU angekündigt haben. Wir haben da so unsere Zweifel; denn die Erkenntnisse liegen zwar schon sehr lange vor, aber der Runde Tisch hat noch nicht getagt, und für Maßnahmen ab dem 1. August 2019, also für das kommende Schuljahr, sind auch keine finanziellen Ressourcen in den Haushalt eingestellt worden.

Wir sehen die Notwendigkeit, die Lehrkräfte zu entlasten. Wir sehen aber keine Möglichkeit, der Enquetekommission zuzustimmen und damit SPD und CDU eine Ausrede zu verschaffen, dass das Ministerium nicht so schnell agieren kann, wie es das anscheinend möchte. Deswegen werden wir uns in der Frage der Enquetekommission enthalten. Aber seien Sie sicher, dass wir mit eigenen Vorschlägen zur Arbeitszeit der Lehrkräfte wieder auftauchen werden, und seien Sie sicher, dass wir ganz genau beobachten werden, wie schnell Sie die Erkenntnisse, die Sie heute anscheinend schon haben, wirklich umsetzen.