Protokoll der Sitzung vom 28.02.2019

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich weiß nicht, ob wir mit einer Aktuellen Stunde zum dunklen Kapitel Kindesmissbrauch viel bewirken können. Aber es ist das Schweigen, welches den sexuellen Missbrauch von Kindern überhaupt möglich macht. Und daher müssen wir über dieses Thema reden.

(Beifall bei der CDU und Zustimmung von Johanne Modder [SPD])

Es sind dieser Tage vor allem zwei Ereignisse, die das Thema aktuell machen, zum einen die erschütternden Ereignisse auf einem Campingplatz in Nordrhein-Westfalen, zum anderen der Antimissbrauchsgipfel der katholischen Kirche, welcher vor wenigen Tagen in Rom stattgefunden hat. Beides höchst unterschiedliche Vorgänge, die aber doch eines gemeinsam haben: Es geht um die Misshandlung der schwächsten Mitglieder unserer Gesellschaft, und es geht darum, wie wir als Gesellschaft mit diesem Missbrauch umgehen.

Der sexuelle Missbrauch von Kindern ist unentschuldbar, und doch suchen diejenigen, die die Verantwortung tragen, stets nach eben dieser Entschuldigung. Dem Oberhaupt der katholischen Kirche gebührt Respekt dafür, dass der Missbrauch in den eigenen Reihen überhaupt benannt wird. Aber der Hinweis des Pontifex, sexueller Missbrauch von Minderjährigen sei ein in allen Kulturen und Gesellschaften verbreitetes geschichtliches Phänomen, klingt dann doch ein wenig nach kollektiver Verantwortung. Und kollektive Verantwortung - wer wüsste es nicht? - wird gern dort bemüht, wo individuelle Schuld verneint wird.

(Beifall bei der CDU und Zustimmung bei der SPD)

Ich jedenfalls bin froh, dass die katholische Kirche in Niedersachsen einen anderen, deutlicheren Weg gegangen ist und dass unsere Landesregierung durchaus zu dieser Wegfindung beigetragen hat. Staatliche Gewalt und Einflussnahme setzen meist erst dann ein, wenn der Missbrauch stattgefunden hat. Es sind dann meist Strafverfolgungsbehörden, denen es obliegt, unfassbares Unrecht aufzuarbeiten und so zumindest für Abschreckung, vielleicht auch ein wenig für Gerechtigkeit zu sorgen.

Wir waren Barbara Havliza daher ausgesprochen dankbar, dass sie es sich als erste Justizministerin bundesweit zur Aufgabe gemacht hat, die strafrechtliche Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs

gemeinsam mit der katholischen Kirche, aber eben aus dem Selbstverständnis des demokratischen Rechtsstaates heraus voranzutreiben.

Wir sind der Justizministerin auch dafür dankbar, dass sie zu keinem Zeitpunkt Zweifel daran zugelassen hat, dass es Sache des Staates und eben nicht der Kirche ist, hier für Recht, aber eben auch für Strafe zu sorgen.

Im Missbrauchsbericht der katholischen Bischofskonferenz sind auch niedersächsische Fälle genannt worden, von denen unsere Justiz noch gar keine Kenntnisse hatte, Fälle, die ohne die ausbleibende Strafanzeige der Kirche nicht verfolgt werden konnten. Deshalb war es richtig, dass Barbara Havliza mit Nachdruck Einsicht in die Kirchenakten verlangt hat, damit unsere Justiz diese Straftaten verfolgen kann, was sie jetzt auch tut.

Das konsequente Vorgehen der Justizministerin hat auch Wirkung gezeigt. Bischof Dr. Wilmer aus Hildesheim gilt zu Recht als einer der profiliertesten internen Kritiker der katholischen Kirche im Missbrauchsskandal, sicher nicht nur, aber vielleicht auch, weil er die Ministerin an seiner Seite weiß.

Ich will an dieser Stelle aber auch einige Worte zu dem Missbrauchsfall in Lügde sagen. Liest und hört man manches von dem, was im betroffenen Landkreis zur Rechtfertigung von möglichem Fehlverhalten erklärt wird, fragt man sich schon, ob alle Teile der Politik die Ernsthaftigkeit des Themas begriffen haben. Es gibt keinen absoluten Schutz vor sexuellem Missbrauch oder vor Missbrauchssituationen. Aber da, wo Schutzmechanismen versagt haben, muss dies offen und ehrlich eingestanden werden.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD sowie Zustimmung bei den GRÜNEN)

Es ist eben hoffentlich nicht normal, dass ein niedersächsisches Jugendamt ein 6-jähriges Mädchen auf einem Campingplatz bei einem alleinstehenden 56-jährigen Pflegevater unterbringt, der dann des sexuellen Missbrauchs in einer Vielzahl von Fällen überführt wird, weil es eben auf einem Campingplatz an der sozialen Kontrolle fehlt, die wir zu Recht zur Vermeidung von Missbrauchsfällen fordern. Entsprechende Kritik kann und darf man nicht mit der Bemerkung abtun, Missbrauch gebe es schließlich auch in Sakristeien und Einfamilienhäusern mit geharktem Vorgarten. Wer so argumentiert, der flüchtet sich wieder in die kollek

tive Verantwortung und wird seiner eigenen Verantwortung als Politiker nicht gerecht.

(Beifall bei der CDU und bei der AfD sowie Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Um es an dieser Stelle auch zu sagen: Die Arbeit in unseren Jugendämtern ist keine einfache Aufgabe. Ich habe allerhöchsten Respekt vor den dort Beschäftigten. Allzu oft lädt unsere Gesellschaft ihre schwersten und dunkelsten Probleme gerade bei diesen Beschäftigten ab. Ich weiß, dass sich viele in der Jugendhilfe Tätige immer wieder von der Politik allein gelassen fühlen. Wer aber glaubt, den Betroffenen dadurch zu helfen, dass er die Fehlentwicklung zur Normalität erklärt, der leistet der Arbeit in den Jugendämtern einen Bärendienst. Stattdessen müssen Fehlentwicklungen als solche benannt und abgestellt werden.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP sowie Zustimmung bei der SPD und bei der AfD)

Vielen Dank, Herr Toepffer. - Das Wort hat nun für die AfD-Fraktion Herr Abgeordneter Bothe.

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Werte Kollegen! Der Ort Lügde hat dieser Tage eine traurige Bekanntheit erlangt: schwerer sexueller Missbrauch und Herstellung von Kinderpornografie. Diese Übergriffe an den Schwächsten unserer Gesellschaft wurden in bis zu 1 000 Einzeltaten begangen. Derart niederträchtiges, grausames, unmenschliches Vergehen an Kindern ist schockierend, und es macht wütend. Es wirft Fragen auf - Fragen nach Verantwortung von Behörden, Polizei und Politik.

Werte Kollegen, Lügde liegt nicht in Niedersachsen, aber eines der Opfer stammte aus Hameln und wurde vom Jugendamt des Landkreises Hameln-Pyrmont in die Obhut des 56-jährigen Hauptverdächtigen gegeben. Der NDR berichtete am 14. Februar:

„Hameln-Pyrmonts Landrat Tjark Bartels (SPD) hatte vergangene Woche gesagt, dass das Jugendamt des Kreises der Pflegschaft auf Bitten der in Hameln lebenden Mutter zugestimmt hatte. Bevor das Mädchen zu dem Mann gezogen sei, habe

das Amt über einen Zeitraum von sieben Monaten geprüft, ob es einem Pflegeverhältnis zustimmt. Die Situation sei laut Jugendamt ‚grenzwertig‘, aber ‚in Ordnung‘ und ‚stabilisierbar‘ gewesen, sagte der Landrat.“

Das Kreisjugendamt unter dem SPD-Landrat Bartels fand die Situation trotz eingestandener Grenzwertigkeit letztlich so in Ordnung, dass Kontrollen allem Anschein nach nur oberflächlich durchgeführt worden sind. Das ist ein Skandal sondergleichen, wenn man bedenkt, dass gemäß der medialen Berichterstattung der Missbrauch von 31 Kindern überhaupt erst mit besagtem Pflegekind aus Hameln begann. Der Triebtäter setzte nämlich das kleine Mädchen als Lockvogel für die bestialischen Taten ein, bei denen sich er und seine Komplizen an den hilflosen Kindern vergingen.

Dass das Versagen der von dem SPD-Landrat Bartels geführten Behörde Konsequenzen haben muss, die über die Suspendierung eines Mitarbeiters hinausreichen, sollte klar sein. Hier muss die Behördenleitung ganz klar in die Verantwortung genommen werden.

Doch kommen wir, werte Kollegen, zu Ihrem Antrag zur Aktuellen Stunde, Herr Kollege Toepffer. „Kinder auf allen Ebenen vor Missbrauch schützen - Täter konsequent bestrafen“, so lautet dieser Titel. Und so lautet auch seit Jahren eine der Kernforderungen der AfD. Schön - das freut mich -, dass Sie, Herr Toepffer, und Ihre CDU erneut aus unserem Programm Forderungen übernehmen;

(Lachen bei der CDU)

denn auf Seite 52 unseres Landeswahlprogramms wird nämlich genau diese konsequente Strafverfolgung der Täter eingefordert.

(Zuruf von Dirk Toepffer [CDU])

- Ich lobe Sie doch gerade, Herr Toepffer.

Ich zitiere aus dem Programm, und vielleicht können Sie, werte Kollegen, auch mitschreiben, da ich ja hoffe, dass Sie es nicht nur bei diesem Antrag zur Aktuellen Stunde belassen - Sie sagten ja, dass es zu wenig sei, wobei ich Ihnen zustimme -, sondern Anträge zu diesem Thema formulieren.

Wir schrieben damals:

„Strafrecht und Rechtsprechung entsprechen schon seit Langem nicht mehr dem Gerechtigkeitsempfinden der Bevölkerung.

Bei den Altparteien und Teilen der Justiz haben sich in den letzten Jahrzehnten Anschauungen verbreitet, in denen Kriminelle mehr als Opfer der Gesellschaft betrachtet werden. Die Möglichkeiten der Polizei beschränken sich häufig auf die Feststellung der Täterpersonalien, weil Staatsanwaltschaften keine Haftgründe anerkennen. Selbst Intensivtäter erhalten vor Gericht immer wieder Bewährungs- oder Geldstrafen.

Die AfD Niedersachsen hält daher eine Verschärfung des Strafrechts für dringend erforderlich. Bewährungsstrafen und Geldstrafen darf es zukünftig nicht mehr geben bei schweren Straftaten wie: Raub, Einbruch, Schutzgelderpressung, schwerer Körperverletzung, Vergewaltigung und Kindesmissbrauch … Der Strafrahmen bei Tötungs-, Gewalt-, Sexual- und Drogendelikten sollte deutlich erhöht werden.

Bei Sexualstraftaten oder Kapitalverbrechen muss gewährleistet sein, dass Straftäter langfristig eingesperrt werden.“

Meine Damen und Herren, werte Kollegen, gerade die Gerichtsurteile, in denen Vergewaltigung, sexueller Missbrauch oder Kindesmissbrauch jedweder Art mit mildesten Strafen bis hin zu Bewährungsstrafen abgeschlossen wurden, sind inzwischen Legion. Zwei Beispiele möchte ich hier kurz erwähnen.

Im Januar 2018 wurde der Erzieher Dennis L., der zwischen 2011 und 2013 einen Jungen 30-mal missbraucht hatte, zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt.

Im September 2018 wurde ein 34-jähriger Sexualstraftäter vom Landgericht Göttingen zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren verurteilt, obwohl er nachweislich einen 10-jährigen Jungen sexuell missbraucht hatte.

Derartige Urteile machen fassungslos, und sie erodieren das Vertrauen des Volkes in die Gerichtsbarkeit und die Rechtsordnung.

Wenn Täter für Missbrauch an Kindern mit derlei milden Urteilen davonkommen, kann etwas in unserem Land nicht stimmen. Diese Triebtäter vergehen sich an den schwächsten und wehrlosesten Geschöpfen, unseren Kindern, und verlangen auch noch Gnade vor Gericht. Nein, meine Damen und Herren, dies muss ein Ende haben.

Wir als AfD fordern ganz klar: Opferschutz vor Täterschutz.

(Beifall bei der AfD)

Nur mit konsequenter Bestrafung und abschreckenden Strafmaßnahmen kann den perversen Neigungen von Kinderschändern beigekommen werden und vor allem Wiederholungstätern Einhalt geboten werden.

(Glocke der Präsidentin)

- Frau Präsidentin, erlauben Sie mir einen letzten Satz.

Wir brauchen drastische Strafen als abschreckende Wirkung. Nur so kann dem Treiben von Kinderschändern Einhalt geboten werden. Nur so wird es uns gelingen, Kinder wirklich zu schützen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank. - Es folgt nun für die SPD-Fraktion Frau Kollegin Osigus. Bitte, Frau Kollegin!