Protokoll der Sitzung vom 27.03.2019

Herr Kollege, einen Moment! - Meine Bitte gilt vor allem der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen: Ich bitte um Aufmerksamkeit! Hier gibt es nichts zu lachen.

Genau! Das denke ich auch! Das Thema ist viel zu ernst für Zwischenrufe, es ist auch viel zu ernst für Gelächter.

Um es noch einmal zu betonen: Das Bundesverfassungsgericht musste so entscheiden. Es konnte gar nicht anders, weil es so, wie es bisher ist, gleichheitswidrig ist. Ich habe das vorhin erläutert.

Aber das Bundesverfassungsgericht sagt auch, dass es diese Ausschlüsse grundsätzlich zulässt. Insofern ist es eigentlich die Aufgabe des Gesetz

gebers, eine verfassungskonforme Regelung zu schaffen. Aber genau das passiert hier nicht, weil man eben nur per se den Wahlrechtsausschluss kippt und damit, wie gesagt, dazu kommt, dass wiederum eklatante Grundrechtsverstöße eintreten - indem man einen anderen Grundrechtsverstoß ausgleichen will. Das ist eine klassische Milchmädchenrechnung. Die hilft nicht weiter. Insofern muss man hier Ruhe walten lassen.

Man kann jetzt sagen: Wir nehmen das einfach per se weg, und dann kann man ja später einfach wieder etwas hineinfummeln und einen neuen Gesetzentwurf machen, in dem sich die Berücksichtigung der notwendigen Wahlrechtsausschlüsse widerspiegelt. Aber jetzt hat man bei den nächsten Wahlen auf jeden Fall den Fall, dass die Prinzipien der freien und der geheimen Wahl eklatant verletzt werden. Und das ist ein Umstand, den wir als AfD, wir als überzeugte Demokraten - uns ist jeder Wahlgrundsatz und jeder Demokratiegrundsatz maßgeblich und wichtig -,

(Helge Limburg [GRÜNE]: Auch der mit der Parteienfinanzierung?)

so nicht mittragen können.

Insofern können wir dem Gesetzentwurf so nicht zustimmen. Denn, wie gesagt: Wenn überhaupt, hätte man einen Gesetzentwurf liefern müssen, der die damit verbundene Verfassungswidrigkeit, den Verstoß gegen demokratische Prinzipien, hätte ausbügeln müssen. Das ist hier nicht der Fall, und insofern können wir das nur ablehnen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD - Jens Nacke [CDU]: Sehe ich es richtig, dass der Ausschuss einstimmig entschieden hat? Hat Ihr Kollege im Ausschuss das falsch widergegeben, oder hat er das nicht verstanden? - Christian Grascha [FDP]: Der hat im Ausschuss wohl geschlafen! - Ulrich Watermann [SPD]: Bei denen dürfen nur die Juris- ten darüber entscheiden!)

Vielen Dank, Herr Kollege Emden. - Ich darf um Ruhe bitten. Wie die AfD-Fraktion am Ende abstimmt - Ausschussempfehlung hin, Ausschussempfehlung her -, werden wir gleich sehen.

Es möchte jetzt für die Landesregierung der Innenminister Herr Pistorius sprechen. Bitte sehr! - Und noch einmal: Ruhe, bitte! Der Hinweis geht an alle.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist erst wenige Wochen her, dass das Bundesverfassungsgericht seine grundsätzliche Entscheidung zu Wahlrechtsausschlüssen im Bundeswahlrecht veröffentlicht hat. Heute stehen wir bereits hier, um diese Entscheidung in niedersächsisches Landesrecht umzusetzen. Damit sind wir das erste Bundesland, das darauf gesetzgeberisch reagiert. Für den zügigen Abschluss der parlamentarischen Beratung möchte ich allen Beteiligten an dieser Stelle herzlich danken, genauso übrigens denjenigen, die in meinem Haus an der schnellen Befassung mit diesem Gesetzentwurf mitgewirkt haben. Vielen Dank!

Ich begrüße es sehr, dass das Bundesverfassungsgericht mit überzeugenden Argumenten Klarheit und Rechtssicherheit bei der Frage geschaffen hat: Können die bisher im Bund und in den meisten Ländern bestehenden Gründe für einen Wahlrechtsausschluss in der vorliegenden Form weiterhin Bestand haben? Diese Frage wurde nun vom obersten Verfassungsgericht eindeutig und unmissverständlich verneint.

Dementsprechend sollen mit der heutigen Verabschiedung des vorliegenden Gesetzentwurfs die Bestimmungen zum aktiven und passiven Wahlrecht bei Landtags- und Kommunalwahlen geändert werden. Es geht darum, die Wahlrechts- und Wählbarkeitsausschlüsse von jenen Menschen abzuschaffen, für die zur Besorgung all ihrer Angelegenheiten eine Betreuungsperson bestellt wurde. Außerdem soll der Wahlrechtsausschluss für diejenigen abgeschafft werden, die sich aufgrund einer gerichtlichen Anordnung in einem psychiatrischen Krankenhaus befinden. Diesen Menschen das Wahlrecht zu ermöglichen, ist ein richtiger, wichtiger und überfälliger Schritt, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und bei den GRÜNEN)

Ich möchte aber auch die Gelegenheit nutzen, mit einer Mär aufzuräumen. Es war zuletzt immer wieder zu hören und zu lesen, dass es in Niedersachsen ca. 1,4 Millionen Menschen mit Behinderungen gebe, denen das volle Wahlrecht zustehen müsse. Ich freue mich, dass Frau Wontorra heute

hier ist und sicherlich mit mir einer Meinung ist, dass diesem Eindruck entschieden entgegengetreten werden muss: Es sind nicht 1,4 Millionen Menschen in Niedersachsen vom Wahlrecht ausgeschlossen. Das ist Unfug, das ist nicht der Fall. Das Wahlrecht ist ein höchstpersönliches Recht, das selbstverständlich auch allen Menschen mit Behinderungen grundsätzlich zusteht, und zwar sowohl das aktive als auch das passive Wahlrecht. Von der Teilnahme an Wahlen waren bisher in Niedersachsen rund 8 000 Personen - also nicht 1,4 Millionen - ausgeschlossen. Das sind diejenigen, für die die Betreuung in allen Angelegenheiten angeordnet wurde, und Straftäterinnen und Straftäter, die wegen Schuldunfähigkeit in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht sind. Nur um diesen Personenkreis geht es bei der heutigen Änderung des Landeswahlgesetzes und der niedersächsischen Kommunalverfassung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, als der für das Wahlrecht zuständige Minister ist es mir ein besonderes Anliegen, dass das Gesetz heute beschlossen wird. Schließlich werden in Niedersachsen im Mai dieses Jahres zusammen mit der Europawahl auch noch rund 80 Direktwahlen von Hauptverwaltungsbeamtinnen und Hauptverwaltungsbeamten stattfinden. Die Bewerberinnen und Bewerber, aber auch die jeweiligen Kommunen, in denen die Wahlen stattfinden, haben damit die Gewissheit, dass diese Wahlen in Niedersachsen verfassungs- und wahlrechtskonform durchgeführt werden.

Mit der heutigen Verabschiedung des Änderungsgesetzes wird in Niedersachsen ein weiteres Ziel der Landesregierung aus dem Koalitionsvertrag und dem Aktionsplan Inklusion erreicht. Wir ändern das Wahlrecht von Menschen mit Behinderungen im Sinne des Artikels 29 der UN-Behindertenrechtskonvention und stärken damit deren Rechte, meine Damen und Herren.

Niedersachsen zählt damit neben den Ländern Brandenburg, Bremen, Hamburg, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein zu den Bundesländern, die ein inklusives Wahlrecht gewährleisten. Auch auf Bundesebene gibt es inzwischen Signale für eine künftige Streichung der Wahlrechtsausschlüsse im Bundes- und Europarecht. Ich unterstütze eine zügige Harmonisierung von Bundes- und Landesrecht in diesem Bereich ausdrücklich.

Abschließend möchte ich Sie bitten, dem vorliegenden Gesetzentwurf zuzustimmen und damit ein starkes Zeichen für die Rechte von Menschen mit Behinderungen zu setzen.

Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der SPD, bei der CDU, bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Minister Pistorius. - Meine Damen und Herren, ich sehe keine weiteren Wortmeldungen, so sie denn gewünscht wären.

Wir dürfen damit in die Einzelberatung und Beschlussfassung eintreten. - Ich bitte um Aufmerksamkeit.

Meine Damen und Herren, ich rufe auf:

Artikel 1. - Hierzu gibt es eine Änderungsempfehlung des Ausschusses. Wer sich dieser anschließen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei Gegenstimmen seitens der AfD, im Übrigen mit großer Mehrheit angenommen.

Artikel 2. - Auch hierzu gibt es eine Änderungsempfehlung des Ausschusses. Wer sich dieser anschließen möchte, den darf ich um ein Handzeichen bitten. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ebenfalls bei Gegenstimmen seitens der AfD, im Übrigen mit großer Mehrheit angenommen.

Artikel 2/1. - Hierzu gibt es ebenfalls eine Änderungsempfehlung des Ausschusses. Wer dafür ist, hebe die Hand! - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei Gegenstimmen seitens der AfD, im Übrigen mit großer Mehrheit angenommen.

Artikel 2/2. - Hierzu gibt es wieder eine Änderungsempfehlung des Ausschusses. Wer dieser entsprechen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ebenfalls bei Gegenstimmen seitens der AfD mit großer Mehrheit angenommen.

Artikel 3. - Hierzu gibt es wiederum eine Änderungsempfehlung des Ausschusses. Wer sich dieser anschließen möchte, den darf ich um ein Handzeichen bitten. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei Gegenstimmen der Fraktion der AfD, im Übrigen mit großer Mehrheit angenommen.

Gesetzesüberschrift. - Hierzu gibt es eine Änderungsempfehlung des Ausschusses.

(Zahlreiche Abgeordnete heben die Hand)

- Sie sind voreilig!

Wer dafür ist, darf die Hand heben - bzw. hat die Hand gehoben.

(Heiterkeit - Ulrich Watermann [SPD]: Das Parlament darf auch mal schnel- ler sein!)

Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Mit großer Mehrheit angenommen.

Jetzt kommen wir zur Schlussabstimmung.

Wer sich dem Gesetzentwurf mit den beschlossenen Änderungsempfehlungen anschließen möchte, hebe nicht nur die Hand, sondern stehe auch auf.

(Christian Grascha [FDP]: Auch die Hand heben?)

Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Bei Gegenstimmen der Fraktion der AfD, im Übrigen mit großer Mehrheit angenommen.

(Lebhafter Beifall bei der SPD, bei der CDU, bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Wir haben noch eine Folgeabstimmung, nämlich die Abstimmung zu Nr. 2 der Beschlussempfehlung.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die Nr. 2 der Beschlussempfehlung.

Wer der Nr. 2 der Beschlussempfehlung des Ausschusses folgen und damit den Einsender der in die Beratung einbezogenen Eingabe 03455 über die Sach- und Rechtslage unterrichten möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Damit ist das einstimmig so beschlossen.

Meine Damen und Herren, ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 4: Abschließende Beratung: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Gesetzes zur Ausführung des Zweiten Buchs des Sozialgesetzbuchs und des § 6 b des Bundeskindergeldgesetzes - Gesetzentwurf der Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU - Drs. 18/2891 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung - Drs. 18/3272

Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, den Gesetzentwurf mit Änderungen anzunehmen.

Die mündliche Berichterstattung hat die Abgeordnete Petra Joumaah übernommen. Ich darf Sie bitten, das Wort zu nehmen und vorzutragen.