Wir brauchen aber auch das Know-how des Hebammenverbandes. Ich habe heute aus der Diskussion herausgehört, dass wir alle uns darin einig sind. Anderenfalls wäre das mit den kurzen Übergangsfristen nicht machbar.
Überfällig ist - darüber haben wir heute noch gar nicht gesprochen - eine Unterstützung der Weiterqualifizierung von Lehrenden der Hebammenschule für die Lehre an den Hochschulen. Wir brauchen deren Expertise. Wir brauchen auch dort Weiterqualifizierung. Was nützen uns Studienplätze, wenn wir keine Lehrenden haben? Wir wissen schon von den ersten, die in andere Bundesländer abgewandert sind.
Ansonsten begrüßen wir sehr, dass es duale Studiengänge geben wird. Ein hoher Praxisanteil ist vereinbart. Ein hoher Praxisanteil wird uns in unseren Krankenhäusern und Geburtshäusern auf den Stationen zugutekommen. Es ist auch gut, dass zumindest zu 75 % eine Abrechnung über DRGs möglich ist.
Ich kann Sie heute hier nur bitten: Nutzen Sie das Angebot des Hebammenverbandes weiter, damit wir das Studium und die praktische Ausbildung gestaltet bekommen!
Dann auch ein Appell an alle Kolleginnen und Kollegen in den Kommunen: Sorgen Sie dafür, dass wir praktische Ausbildungsplätze für angehende Hebammen und Geburtshelfer zur Verfügung stellen!
Zum Schluss noch einen Satz: Die desolate Lage, die wir vor Ort haben, muss man sich einmal anschauen. Wir machen Mangelverwaltung. Jetzt richten wir Hebammenzentralen ein, es gibt Heb
ammensprechstunden, um irgendwie zu gucken, wie wir die Frauen beraten können. Es werden zum Teil Stipendien auf den Weg gebracht. Wir müssen jetzt wirklich handeln.
Was mir absolut am Herzen liegt: Deutschland hat so eine hohe Kaiserschnittquote. Wir müssen diese Kaiserschnittquote senken. Das geht nur Hand in Hand mit Ärzten und Hebammen und mit einer hoch qualifizierten Ausbildung auf Augenhöhe.
Wie die Fraktionen vereinbart haben, rufe ich jetzt die Tagesordnungspunkte 22 und 23 zur gemeinsamen Beratung auf, also
Tagesordnungspunkt 22: Erste Beratung: Den drohenden Notstand in der ambulanten Pflege verhindern - aufsichtsrechtliche Möglichkeiten nutzen - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion der FDP - Drs. 18/3649
Tagesordnungspunkt 23: Erste Beratung: Ambulante Pflege sichern - Tarifvertrag Soziales zügig realisieren - Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU - Drs. 18/3663
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit unserem gemeinsamen Entschließungsantrag fordern wir die Landesregierung und vor allem auch die Sozial- und Gesundheitsministerin, Frau Carola Reimann, auf, endlich zu handeln.
Wir haben schon heute in vielen Regionen einen Pflegenotstand, und in anderen Regionen steuern wir darauf zu. Packen Sie endlich entschlossen an,
Nutzen Sie Ihre Handlungsmöglichkeiten! Und hören Sie auf, den Menschen in Niedersachsen zu erzählen, es gebe noch keine Gefährdung der Versorgung! Jeder Einzelne hier in diesem Saal kennt die Thematik vor Ort, die Situation in seinen Landkreisen.
Sie selbst haben die Kommunen im Sommer 2018 zur Versorgungssituation befragt. Drei Viertel haben gesagt: Wir haben Versorgungsengpässe in der ambulanten Pflege. - Das saugen sich die Kommunen doch nicht aus den Fingern. Auch die Zahlen der privaten Anbieter und der freien Wohlfahrtsverbände sprechen eine ganz deutliche Sprache. Demnach lehnen die Pflegedienste täglich 230 Anfragen von Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen ab.
Wir alle kennen die zugespitzte Versorgungslage aus den Wahlkreisen. Es ist nicht mehr das Problem in den ländlichen Regionen. Nein, es ist mittlerweile auch eine Problemlage in den Städten.
Ich verstehe es nicht: Worauf gründen Sie Ihre Einschätzung, dass die Versorgung in Niedersachsen gewährleistet ist? Das ist mir bis heute nicht deutlich geworden.
Meine Damen und Herren, auch hier kennen wir die Problemlage: Sie haben keine validen Daten, die solche Aussagen rechtfertigen. Wir erwarten deshalb, dass Sie die Versorgungssituation regionalisiert erheben.
Es kann nicht Anliegen einer sozialdemokratischen Ministerin und einer sozialdemokratisch geführten Landesregierung sein, Pflegebedürftige, Pflegekräfte und die ambulanten Dienste im Regen stehen zu lassen.
Was passiert, wenn Pflegebedürftige nicht mehr ambulant versorgt werden? - Sie müssen ins Heim ziehen. Das Prinzip „ambulant vor stationär“ wird dadurch weiter ausgehöhlt.
Wir sind uns sicher: Wenn die Ergebnisse einer solchen regionalisierten Erhebung vorliegen, kann die Landesregierung gar nicht anders, als eine akute Gefährdung der Versorgung festzustellen.
Aber weil sie dann als Aufsichtsbehörde vielleicht endlich auch einmal einschreiten müsste, scheint sie lieber keine Daten erheben zu wollen.
Meine Damen und Herren, gute Pflege kostet Geld, und gute Pflege muss von den Pflegekassen finanziert werden. Pflegedienste dürfen nicht wie bisher von den Kassen wie Bittsteller behandelt werden, sondern sie müssen das bekommen, was ihnen gesetzlich zusteht. Denn nur so können wir verhindern, dass immer mehr Pflegekräfte in andere Bundesländer abwandern oder ganz aus dem Beruf aussteigen.
Niedersachsen trägt schon viel zu lange die rote Laterne, was bundesweit die Bezahlung von Pflegekräften angeht.
Meine Damen und Herren, es reicht nicht aus, sich als Große Koalition immer wieder mantraartig zu den Tariflöhnen zu bekennen und das Pflegestärkungsgesetz zu zitieren. Auch das schon mehrfach angekündigte Niedersächsische Pflegegesetz liegt noch nicht einmal im Entwurf vor. Entschlossenes Handeln in Sachen Pflege sieht anders aus, und wir erwarten es definitiv anders - auch die Menschen in Niedersachsen.
Also wir erwarten Ihr Handeln. Sonst wird aus dem Pflegenotstand eine Pflegekatastrophe. Der erste Schritt ist immer, dass man Probleme und Schwierigkeiten offen und ehrlich benennt.
Aber was machen Sie stattdessen? - Sie recyceln einen Antrag aus rot-grüner Regierungszeit, tauschen ein paar Wörter in der Überschrift aus und präsentieren das als Ihre Idee. Ich empfehle Ihnen. Schauen Sie sich einfach einmal die Unterrichtung zum Antrag „Verwirklichung des Tarifvertrages Soziales begleiten“ vom April 2016 an! Denn daraus geht klar hervor, dass sich die rot-grüne Landesregierung bereits im Rahmen ihrer Möglichkeiten für einen Tarifvertrag Soziales eingesetzt hat. Sie hat sogar mit den Kostenträgern eine gemein
same Erklärung zum Einkommen der Pflegekräfte unterzeichnet. Darin erklären sie, dass sie es gemeinsam tun wollen. Aber die Realität sieht anders aus.
Selbst die Einrichtung eines Tarifausschusses durch das Wirtschaftsministerium unter Rot-Grün hat nichts bewirkt - auch jetzt nichts.
Um es deutlich zu sagen: Ein Tarifvertrag Soziales ist absolut wünschenswert, aber er ist Sache der Tarifpartner. Die Politik kann nicht mehr tun, als zu appellieren. Und wenn Appelle alles sind, was Ihnen heute dazu einfällt, dann ist das reichlich wenig.
Aber ich bin Ihnen an einer Stelle dankbar. Das ist der Punkt 6 in Ihrem Forderungskatalog. Mit diesem Punkt 6 haben Sie eigentlich unsere Forderung mit anderen Worten aufgegriffen, dass diese Landesregierung endlich ihre aufsichtsrechtlichen Möglichkeiten gegenüber den Kostenträgern ausschöpft. Ohne eine regionalisierte Erhebung der Versorgungslage, die wir hier auch einfordern, bleibt Ihre Forderung aber ein zahnloser Tiger. Bitte passen Sie auf, dass Sie nicht als Bettvorleger landen!
Uns ist es wirklich ein Herzensanliegen, die Pflegesituation gerade in der ambulanten Pflege zu verbessern - im Interesse der Menschen, die zu pflegen sind, aber auch im Interesse der Menschen, die diese Arbeit als Pflegekräfte leisten. Ihnen an dieser Stelle vielen, vielen Dank dafür!