Protokoll der Sitzung vom 14.12.2017

Tagesordnungspunkt 14: Mitteilungen der Präsidentin

Ich stelle die Beschlussfähigkeit des Hauses fest.

Geburtstag hat heute der Abgeordnete Volker Senftleben.

(Lebhafter Beifall)

Lieber Kollege, ich darf Ihnen im Namen des ganzen Hauses herzliche Glückwünsche übermitteln und natürlich Gesundheit und Wohlergehen für das vor Ihnen liegende neue Lebensjahr wünschen.

Zur Tagesordnung: Wir beginnen die heutige Sitzung mit Tagesordnungspunkt 15, den Dringlichen Anfragen. Anschließend setzen wir die Beratungen in der Reihenfolge der Tagesordnung fort, mit Ausnahme des Tagesordnungspunktes 23, den wir bereits gestern beraten haben. Die heutige Sitzung soll gegen 19.45 Uhr enden.

Die mir zugegangenen Entschuldigungen teilt Ihnen nunmehr die Schriftführerin Frau Eilers mit. Bitte, Frau Eilers!

Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Entschuldigt hat sich die Ministerin für Bundes- und Europaangelegenheiten und Regionale Entwicklung, Frau Birgit Honé, ab 17 Uhr.

Vielen Dank. - Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 15: Dringliche Anfragen

Es liegen heute zwei Dringliche Anfragen vor. Die für die Behandlung Dringlicher Anfragen geltenden Geschäftsordnungsbestimmungen setze ich als allgemein bekannt voraus. Ich weise wie üblich besonders darauf hin, dass einleitende Bemerkungen zu den Zusatzfragen nicht zulässig sind.

Um dem Präsidium den Überblick zu erleichtern, bitte ich Sie, dass Sie sich schriftlich zu Wort melden, wenn Sie eine Zusatzfrage stellen möchten.

Ich rufe die erste Dringliche Anfrage auf:

a) Gesundheitliche Belastung in niedersächsischen Innenstädten - Überholt VW die Experten der Landesregierung im Aufsichtsrat? - Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 18/63

Das Wort hat die Fraktionsvorsitzende, Frau Piel. Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich stelle die erste Dringliche Anfrage für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Gesundheitliche Belastung in niedersächsischen Innenstädten - Überholt VW die Experten der Landesregierung im Aufsichtsrat?

(Christian Meyer [GRÜNE]: Welche Experten?)

In fünf niedersächsischen Städten werden die Grenzwerte nach Bundes-Immissionsschutzgesetz durch Stickoxide überschritten. Bundesweit gibt es zahlreiche betroffene Städte. Obwohl im Frühjahr des nächsten Jahres generelle Fahrverbote durch gerichtliche Anordnung drohen, hat die regierende Koalition in Niedersachsen eine Zustimmung zur Einführung einer Blauen Plakette für saubere Fahrzeuge ausgeschlossen und versagt den Kommunen damit ein zentrales Hilfsmittel zur Sicherstellung der gesundheitlichen Grenzwerte.

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:

1. Wie steht die Landesregierung zum Abbau der Dieselsubventionen?

2. Teilt die Landesregierung die Auffassung des VW-Chefs, dass eine Blaue Plakette eine Möglichkeit zur Gewährleistung der gesetzlichen Grenzwerte für den Gesundheitsschutz ist?

3. Welche Maßnahmen plant der Ministerpräsident, um zu verhindern, dass das Bundesverwaltungsgericht im Frühjahr 2018 generelle Fahrverbote anordnet, um die gesetzlichen Grenzwerte für den Schutz der Menschen zu gewährleisten?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Für die Landesregierung antwortet Ihnen Herr Umweltminister Lies. Bitte!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst einmal, glaube ich, ist es bei diesem Thema wichtig, dass wir wieder zu einer Versachlichung der Debatte kommen.

(Zustimmung bei der SPD - Helge Limburg [GRÜNE]: Ist das jetzt Kritik an Herrn Müller?)

Denn ich will einmal offen sagen: Das, was wir gestern in der öffentlichen Auseinandersetzung erlebt haben, wozu ja auch die Generalsekretärin der FDP beigetragen hat, hilft weder den Innenstädten noch den Dieselbesitzern und Dieselfahrern. Ich finde, auf diese Art und Weise sollten wir über dieses wichtige Thema nicht miteinander kommunizieren, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU sowie Zustimmung von Christian Meyer [GRÜNE] und von Dana Guth [AfD])

Insofern bietet uns die Dringliche Anfrage auch die Gelegenheit, die Debatte zu einer ganzen Reihe von Fragestellungen wieder zu versachlichen. Ich glaube, das ist heute wichtig.

Ziel dieser Landesregierung und der sie tragenden Fraktionen ist, eine bestmögliche Luftqualität ohne Fahrverbote in unserem Land zu realisieren. Das, meine Damen und Herren, gibt auch die Koalitionsvereinbarung für die 18. Wahlperiode des Niedersächsischen Landtages so wieder.

Dazu wird die Landesregierung die im Jahr 2016 von Stickstoffdioxidüberschreitungsfällen betroffenen Kommunen Hildesheim, Hannover, Hameln, Oldenburg und Osnabrück sowie gegebenenfalls auch weitere Kommunen beraten und bei der Aufstellung und Fortschreibung ihrer Luftreinhaltepläne unterstützen.

Die im Rahmen des Nationalen Forums Diesel aufgezeigte Lösung für saubere Luft 2017 bis 2020 mit einem Fördervolumen von 1 Milliarde Euro ist dabei ein Baustein. Ich will an dieser Stelle aber sagen - ich komme später noch einmal darauf -, dass dieser Baustein angesichts der Dimension, die vor uns liegt, zu klein und zu gering ist. Mobilität muss nämlich insgesamt nachhaltiger gestaltet

werden. Es reicht nicht, sich nur darüber zu unterhalten, wie es möglich ist, die Luftreinhaltung in den Innenstädten für einen gewissen Zeitraum sicherzustellen.

Um die Förderung in Anspruch zu nehmen, muss ein Masterplan für die Gestaltung nachhaltiger und emissionsfreier Mobilität erstellt werden. Die Landesregierung begleitet und unterstützt die von der Grenzwertüberschreitung betroffenen niedersächsischen Kommunen bei der Erstellung dieser Masterpläne und ihrer späteren Umsetzung - ein Grund, weshalb auch die Oberbürgermeister der betroffenen Städte schon vor dem letzten Dieselgipfel mit Ministerpräsidenten zusammengesessen und über die Umsetzungsmöglichkeiten gesprochen haben.

Durch das Staatliche Gewerbeaufsichtsamt Hildesheim werden die Berechnungen der Wirkungen der jeweiligen Mobilitätsmaßnahmen durchgeführt und ständig aktualisiert, um so auch die Aufnahme dieser Maßnahmen in die Luftreinehaltepläne zu gewährleisten. Die Idee ist, dass die Kommunen Modelle entwickeln, die helfen könnten, und dass das Gewerbeaufsichtsamt Hildesheim simuliert, um wie viel Mikrogramm die Stickstoffdioxidbelastung damit reduziert würde. Wirkungsvolle Maßnahmen könnten dann in die Luftreinhaltepläne aufgenommen werden.

Mit dem neuen Instrument der Erstellung von Masterplänen für die Gestaltung nachhaltiger und emissionsfreier Mobilität und ihrer verstärkten Integration in die Luftreinhaltung sollte es gelingen, im eben genannten Zeitraum die Einhaltung der NO2-Grenzwerte zu erreichen.

Die Anfrage beantworte ich deshalb im Namen der Landesregierung wie folgt:

Zu Frage 1: Das Energiesteuergesetz, das die Mineralölsteuer und die Besteuerung des Dieselkraftstoffs regelt, ist ein Bundesgesetz. Die Einnahmen fließen in den Bundeshaushalt. Die Verwaltung erfolgt durch die Bundeszollverwaltung. Der Landeshaushalt und die Steuerverwaltung der Länder wären von einer Änderung der Energiesteuer auf Dieselkraftstoff nicht unmittelbar betroffen.

Derzeit wird ein Liter Diesel mit 47,04 Cent deutlich geringer als ein Liter Benzin mit 65,45 Cent besteuert. Die Steuervergünstigung für Dieselkraftstoffe von 18,41 Cent wurde eingeführt, um Nutzfahrzeuge sowie den gewerblichen Lkw vor dem internationalen Kostenwettbewerb zu schützen.

Für Diesel-Pkw - als Gegenpunkt dazu - wird die niedrigere Energiesteuer durch einen höheren Sockelbetrag der Hubraumsteuer bei der Kraftfahrzeugsteuer ausgeglichen. Der Nachteil des Dieselfahrzeugs beträgt hier 7,50 Euro je angefangenen Kubikzentimeter Hubraum jährlich. Aus steuersystematischen Gründen sind diese Regelungen deshalb miteinander verknüpft.

Es ist zu bedenken, dass die Energiesteuervergünstigung die langfristige Entscheidung der Verbraucher bei der Anschaffung der Pkw beeinflusst hat. Das ist die Frage von Vertrauensschutz auch den Kunden gegenüber. Gerade in einem Flächenland wie Niedersachsen sind davon besonders viele Berufspendler betroffen. Aus Gründen des Vertrauensschutzes könnte eine Anhebung daher, wenn überhaupt, nur in kleinen und vorausschaubaren Schritten sowie unter Einbeziehung der Kraftfahrzeugsteuer erfolgen, die ja nun gerade hochgesetzt worden ist, um an der Stelle auch wieder den Ausgleich zu schaffen.

Bei den Nutzfahrzeugen sowie dem gewerblichen Lkw-Verkehr setzt sich der Kostenwettbewerb aufgrund der großen Unterschiede der Steuersätze auf Diesel in verschiedenen europäischen Ländern unverändert fort. Dieser Ausgleich müsste also gesichert sein.

Vor diesem Hintergrund wäre es ebenso denkbar, die derzeitige Dieselsubvention durch eine Senkung der Energiesteuer auf Benzin zu beseitigen und die finanziellen Auswirkungen durch Änderung der Kraftfahrzeugsteuer und der Lkw-Maut zu kompensieren. Konkrete Pläne allerdings für einen auf Bundesebene zu regelnden Abbau der sogenannten Dieselsubvention liegen nicht vor.

Zu Frage 2: Der Rückgang von verkehrsbedingten NOx-Emissionen durch die Modernisierung der Fahrzeugflotte war eine wesentliche Bedingung für den Erfolg der in den Luftreinhalteplänen festgelegten Maßnahmen. Da dieser aber nicht wie prognostiziert eingetreten ist, kommt es trotz der in den bestehenden Luftreinhalteplänen festgelegten Minderungsmaßnahmen bundesweit nach wie vor zu hohen NO2-Belastungen.

Erst im Jahr 2016 ist von der Europäischen Kommission entschieden worden, dass der für die hohen Realemissionen verantwortliche NEFZ-Fahrzyklus - also das, was auf der Rolle gemacht wird - bei der Typprüfung von Fahrzeugen ab dem Jahr 2017 durch das Real-Driving-EmissionsVerfahren ersetzt wird. Beim RDE-Verfahren werden mittels portabler Messeinrichtungen während

der Straßenfahrten die Schadstoffemissionen des Fahrzeugs gemessen. Erst von dieser Änderung ist zu erwarten, dass die Realemissionen bei neuen Diesel-Pkw deutlich sinken werden.

Daran wird deutlich, dass die Ziele der Europäischen Union für die Luftreinhaltung, die die Einhaltung der NO2-Grenzwerte schon für das Jahr 2010 vorsahen - denn da sind die 40 µg festgelegt worden -, nicht im Einklang mit dem bisherigen Vorgehen zur Reduktion der NOx-Realemissionen von Diesel-Pkw stehen. Das heißt, man hat die Grundlage gewählt und auf dem Prüfstand Emissionen vorgegeben, die auch eingehalten wurden - übrigens ganz normal, ohne irgendeine Form von Manipulation. Aber man hätte, wenn man es aus heutiger Sicht betrachtet, die Realemissionen, die die eigentlichen Auswirkungen für die Städte bedeuten, als Grundlage für die Festlegung des Grenzwertes nehmen müssen.

Die Frage ist also nicht: Ist der Rollenprüfstand zu gering? Die Frage muss mindestens auch lauten: Sind die real erzeugten NOx-Emissionen nicht als viel zu gering angenommen worden, weil sie in der Realität von Dieselfahrzeugen nicht erreicht werden können? Ich finde, auch das gehört zur Wahrheit dazu. Dieselfahrzeuge lösen nicht mehr Emissionen aus als vorgesehen. Es sind vielmehr andere Testzyklen gewählt worden, die nicht verglichen werden können.

Die Landesregierung, meine Damen und Herren, lehnt die Blaue Plakette ab. Wir favorisieren die in Frage 3 genannten Maßnahmen - darauf komme ich noch -, um nachhaltig und auch sozialverträglich eine Minderung der NO2-Belastungen in niedersächsischen Städten zu erreichen. Verkürzt: Die billigste Lösung ist, ein Schild vor die Stadt zu stellen, auf dem steht: Hier darfst du nicht mehr rein! - Damit schließe ich Dieselfahrzeuge, die bestimmte Standards nicht erfüllen, aus. Die nachhaltigste Lösung ist aber: Wir investieren wirklich flächendeckend in Niedersachsen, in Deutschland in den Ausbau von nachhaltiger Mobilität - mehr ÖPNV, mehr Elektrobusse, sparsame Busse.

(Beifall bei den GRÜNEN - Helge Limburg [GRÜNE]: Und mehr Fahrrä- der!)