Protokoll der Sitzung vom 20.06.2019

Tagesordnungspunkt 31: Mitteilungen der Präsidentin

Ich stelle die Beschlussfähigkeit des Hauses fest.

Wir haben heute ein Geburtstagskind. Es ist aber noch nicht da. Wir werden später gratulieren.

Zur Tagesordnung: Wir beginnen die heutige Sitzung mit dem Tagesordnungspunkt 32, der Fortsetzung der Aktuellen Stunde. Anschließend setzen wir die Beratungen in der Reihenfolge der Tagesordnung fort. Die heutige Sitzung soll gegen 20.05 Uhr enden.

(Dr. Silke Lesemann [SPD] betritt den Plenarsaal - Beifall)

- Ich darf um Ihre Aufmerksamkeit bitten.

Frau Lesemann, auf Sie haben wir alle gewartet, um Ihnen heute zum Geburtstag zu gratulieren. Alles Gute für das kommende Lebensjahr!

(Beifall)

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, der Landesverband Niedersächsischer Musikschulen möchte Sie heute anlässlich des zehnjährigen Bestehens des niedersächsischen Musikalisierungsprogramms „Wir machen die Musik!“ für die Mitwirkung an einer musikalischen Aktion gewinnen.

Am Vormittag werden sich Kinder aus hannoverschen Kitas und Grundschulen sowie Lehrkräfte der Musikschule Hannover in der Portikushalle aufhalten und zu Beginn der Mittagspause ein Geburtstagslied anstimmen. Die Kinder würden sich sehr freuen, wenn sie gemeinsam mit Ihnen das Geburtstagslied singen würden.

Die mir zugegangenen Entschuldigungen teilt Ihnen nunmehr Herr Schriftführer Onay mit.

Es haben sich entschuldigt von der Fraktion der SPD Dr. Christos Pantazis, Stefan Politze und

Dr. Thela Wernstedt sowie von der Fraktion der CDU Editha Westmann ab 16.20 Uhr.

Vielen Dank, Herr Kollege. - Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, hat Herr Kollege Limburg um das Wort zur Geschäftsordnung gebeten. Bitte, Herr Kollege!

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Mord an Walter Lübcke hat uns alle erschüttert. Wir haben ihm ja auch gestern mit einer Schweigeminute und einer Ansprache der Frau Präsidentin hier gedacht.

In den letzten Tagen sind vermehrt Spuren und Bezüge aus dem Umfeld des mutmaßlichen Täters nach Niedersachsen deutlich geworden, z. B. zu rund um den Aufmarsch in Bad Nenndorf aktiven Nazis, zu Nazis im Raum Göttingen/Südniedersachsen und zu Nazigruppierungen in Braunschweig.

Heute Morgen bzw. gestern Abend berichtete der NDR auf seiner Internetseite unter der Überschrift „Braunschweiger Neonazis feiern Lübcke-Attentäter“ über mehrere den Mord verherrlichende Äußerungen verschiedener Braunschweiger Nazis aus dem Umfeld der Gruppe „Adrenalin Braunschweig“. Gleichzeitig berichtet der NDR, dass sich der Sprecher des Bündnisses „Braunschweig gegen Rechts“ seit Jahren Bedrohungen, auch Morddrohungen ausgesetzt sieht. Der NDR berichtet weiter, dass in den meisten Fällen keine Anzeige erstattet wird, weil die Betroffenen erstens sich nicht viel erwarten und zweitens Angst haben, dass auf diesem Wege ihre Daten auch an Rechtsextreme gelangen könnten.

Auch die taz Nord berichtet heute unter der Überschrift „Wen ein Rechtsextremer tot sehen will“ über Hetze und Mordaufrufe von Braunschweiger Nazis.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, vor diesem Hintergrund beantragen wir für die heutige Sitzung eine Unterrichtung durch den Innenminister entweder kurz vor der Mittagspause oder kurz nach der Mittagspause - wie auch immer; wir haben ja Verständnis dafür, dass dafür noch eine gewisse Vorbereitung erfolgen muss - über Strukturen niedersächsischer Nazis und Bezüge in den Raum Nordhessen, über den Umgang mit solchen Bedrohungen und Mordaufrufen und auch darüber, welche Maßnahmen gegen Gruppierungen wie

„Adrenalin Braunschweig“ eingeleitet werden, ob z. B. Vereinsverbotsverfahren oder Ähnliches geprüft werden, welche Ermittlungsverfahren wegen dieser Mordaufrufe und wegen dieser Hetze drohen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe natürlich Verständnis dafür, dass viele Details nur in nicht öffentlicher oder sogar vertraulicher Sitzung dargestellt werden können. Aber angesichts der Dimension dieser Mordtat und angesichts der Dimension der Bedrohungen, der Hetze und der Beleidigungen halten wir es für notwendig, dass alles das, was mit Rücksicht auf die Ermittlungen hier öffentlich gesagt werden kann, auch öffentlich gesagt und in diesem Landtag diskutiert wird. Dieser Mordfall erschüttert uns alle und das ganze Land. Deswegen muss auch in öffentlicher Sitzung darüber soweit wie möglich berichtet werden können.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der FDP sowie Zustim- mung von Peer Lilienthal [AfD])

Vielen Dank, Herr Kollege Limburg. - Ebenfalls zur Geschäftsordnung hat nun das Wort Herr Kollege Siebels von der SPD-Fraktion. Bitte!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Limburg, zunächst einmal vielen Dank für Ihren Antrag zur Geschäftsordnung. Der Mordfall Walter Lübcke hat uns auch im Niedersächsischen Landtag schon beschäftigt. Ich glaube, in sehr würdevoller Weise haben wir seiner gedacht.

Alles das, was über diesen Mordfall zu sagen ist, hat der Generalbundesanwalt an sich gezogen, sodass es jedenfalls zum gegenwärtigen Zeitpunkt beinahe unmöglich erscheint, das zum Thema einer öffentlichen Landtagssitzung hier in Niedersachsen zu machen.

Aber mögliche Vorgänge, die es um diesen Mordfall herum in Niedersachsen geben könnte, wollen wir gerne thematisieren, wollen wir auch gerne, soweit das möglich ist, in öffentlicher Sitzung hier miteinander diskutieren - wie gesagt, soweit das in öffentlicher Sitzung möglich erscheint. Ich würde deshalb Ihren Vorschlag gerne aufgreifen und anbieten, dass wir das heute Nachmittag behandeln. Vielleicht können sich die Parlamentarischen

Geschäftsführer im Anschluss an diese Geschäftsordnungsdebatte kurz zusammensetzen und gucken, an welcher Stelle man das sinnvollerweise einbringt. Ich glaube, der Innenminister ist bereit, heute Nachmittag entsprechend, soweit das in öffentlicher Sitzung möglich ist, hier zu unterrichten.

Alle die Vorgänge, die nicht öffentlich oder vertraulich sein könnten, wird man ja zu einem späteren Zeitpunkt, vielleicht aber auch noch in dieser Woche - das müssten im Zweifel die Fachpolitiker untereinander klären - in entsprechenden Ausschusssitzungen behandeln können.

Ich glaube also, wir werden uns da einig und sollten gleich nur noch besprechen, an welcher Stelle in der Tagesordnung wir das einfügen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU, bei den GRÜNEN und bei der FDP sowie Zustimmung bei der AfD)

Vielen Dank, Herr Kollege Siebels. - Weitere Wortmeldungen zur Geschäftsordnung sehe ich nicht, sodass ich jetzt davon ausgehe, Herr Kollege Limburg, dass damit Ihrem Antrag entsprochen ist und die Parlamentarischen Geschäftsführer sich darüber verständigen, an welcher Stelle wir im Laufe dieses Plenartages dieses Thema aufrufen werden. Ich danke Ihnen sehr und rufe jetzt auf den

Tagesordnungspunkt 32: Aktuelle Stunde

Wie gestern bereits angekündigt, setzen wir die Aktuelle Stunde heute mit dem Antrag der Fraktion der AfD fort. Es folgen die Anträge der Fraktion der FDP und der Fraktion der SPD.

Ich eröffne die Besprechung zu dem Thema

a) Volle Kassen - arme Menschen - Antrag der Fraktion der AfD - Drs. 18/3975

Das Wort hat die Vorsitzende der Fraktion der AfD. Frau Guth, bitte!

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! „Deutschland ist ein reiches Land“ ist der meist benutzte Satz von Politikern, wenn man fragt, wie Deutschland all die finanziellen Belastungen aus EU, Infrastrukturproblemen, Bildungsnotstand, Klimahype und Migrationskrise stemmen will. Ein einfacher Satz: „Wir sind reich!“

Erst gestern traf der Kollege Grupe diese Aussage. Die Tatsache, dass in den 50er-Jahren mehr als 50 % des Familieneinkommens für Lebensmittel ausgegeben wurden und heute nur noch 10 %, ist für ihn der Beweis für diese Behauptung. Lieber Herr Grupe, wie hoch waren die Wohn- und Energiekosten in den 50er-Jahren, und wie hoch war die Steuer- und Abgabenlast?

Aber „Deutschland ist ein reiches Land“ - ein Satz wie ein Peitschenhieb für 144 000 Empfänger von ALG II. Wie mag es sich für die 192 000 Kinder anfühlen, die auf oder gar unter Sozialhilfeniveau leben? Was sagt man den mehr als 300 000 Rentnern, die laut dem DGB-Rentenreport von Armut bedroht sind und die real weniger als 900 Euro Rente im Monat beziehen? Und wie erklärt man das den 10 000 Obdachlosen, die im Jahr 2017 Hilfe in Wohnungsloseneinrichtungen gesucht haben? Und das sind Zahlen nur für Niedersachsen!

Der NDR berichtete vor wenigen Tagen, dass ca. 60 % der niedersächsischen Schulen marode sind. Es werden aktuell 5 Milliarden Euro für die Sanierung benötigt.

Pflegenotstand, Geldmangel bei Inklusion, kaputte Straßen und Brücken, Wohnungsnot? „Deutschland ist ein reiches Land.“

In Zeiten prall gefüllter Kassen wird natürlich jedes Problem weggelächelt. Aber das ist erst der Anfang. An Obdachlose in Innenstädten hat man sich gewöhnt, auch an Flaschensammler, welche sich mit dem Wühlen im Müll anderer Menschen die magere Rente aufbessern. Kinder, die hungrig und ohne Pausenbrot zur Schule kommen und die keine Möglichkeit haben, am normalen Leben ihrer Alltagskameraden teilzunehmen, sind traurige Realität. Ist Deutschland wirklich ein reiches Land?

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Wir steuern auf mehrere Katastrophen zu.

Was wir heute im Bereich der Altersarmut erleben, ist nur ein Vorgeschmack. Bis 2030 wird die Quote derer, die in Altersarmut leben, auf mehr als 30 %,

in den Jahren darauf auf mehr als 50 % steigen. Leiharbeit, Zeitarbeit und prekäre Beschäftigungsverhältnisse sorgen in steigender Zahl dafür, dass die zu erwartende Rente nicht zum Leben reichen wird. Das Dankeschön für ein Arbeitsleben und jahrzehntelange Beitragszahlung wird ein Vegetieren auf unterstem Niveau sein. Natürlich können Sie bis dahin das Rentenalter auf die durchschnittliche Lebenserwartung anheben. Dann hätten Sie dieses Problem gelöst.

Auch im Bereich der Kinderarmut zeichnen sich deutlich steigende Tendenzen ab. Sie reden seit Jahren über Demografieprobleme und niedrige Geburtenraten. Was um Himmels willen soll Menschen motivieren, Familien zu gründen und Kinder in die Welt zu setzen, wenn diese einerseits das größte Risiko sind, in die Armutsfalle zu tappen, und andererseits nicht ansatzweise die Möglichkeit besteht, diesen Kindern gute Chancen und Sicherheit zu bieten?

Vielleicht ist Deutschland ein reiches Land.

So zahlt Deutschland 16 Milliarden Euro Entwicklungshilfe - Stand: 2015 -, u. a. an ein Entwicklungsland wie China, das z. B. 2017 noch 630 Millionen Euro erhalten hat. China, eine Wirtschaftsmacht, bekommt Entwicklungshilfe von Deutschland.