Und so erlebt man einen Kultusminister Tonne, der wie das Kaninchen vor der Schlange sitzt: Er sieht den Mangel, bleibt aber wie gelähmt. Er kündigt weitere Maßnahmen an, die zusätzliche Lehrerstunden benötigen werden, aber er unternimmt nichts, um diese zu bekommen. - Das Ganze kann nicht funktionieren!
Stattdessen lässt er sich über eine anvisierte Erhöhung von Lehrergehältern aus, was dem bestehenden Lehrerbestand sicherlich gefällt, dem Finanzminister aber weniger. Außerdem bringt dies auch keinen einzigen neuen Lehrer an unsere Schulen. - Reiner Populismus, reine Klientelpolitik!
Wir haben einmal nachgeschaut: Seit 2005 hat sich die Zahl der an niedersächsischen Schulen pro Woche erteilten Unterrichtsstunden um knapp 20 000 erhöht, und das bei einem Rückgang der Schülerzahl um 160 000. Das heißt, wir haben eigentlich deutlich mehr Lehrer im System. Doch warum haben wir dann noch immer einen Lehrermangel? Die Antwort: Es sind die ständigen weiteren Anforderungen an die Schule, die die Lehrpläne überfrachten, die Lehrer überlasten und die Schüler oberflächlich werden lassen.
So bekommen wir immer mehr Schulen, die immer weiter zu Aufbewahrungsanstalten mit Umerziehungsaufgaben verkommen, aber ihren Grundauf
gaben nicht mehr gerecht werden. Projektunterricht, fachunterrichtsfremde Aufgaben, noch mehr soziales Lernen - all das verschlingt Unterrichtszeit.
Und dann wundern wir uns, dass immer mehr Schulabgänger - sogar die mit Abschlüssen - zu einem guten Teil nicht mehr richtig lesen und schreiben können, einfachstes Grundwissen nicht mehr haben und zunehmend nicht mehr als ausbildungs- oder studierfähig gelten.
Das sind ja schöne Aussichten für ein Land, dessen einziger Rohstoff seine Bildung ist, wie alle immer wieder, übrigens zu Recht, betonen.
Die FDP spricht von einer Dauerbaustelle. Das ist fast richtig. Aber in Wirklichkeit handelt es sich um viele Baustellen, die alle nicht geschlossen werden. In der niedersächsischen Bildungspolitik haben wir nicht einen BER; wir haben eine ganze Reihe von BERen, die uns hier aufgebunden werden: Inklusion - unterversorgt; Ganztag - nicht ausreichend mit Stunden unterfüttert; gerichtlich vorgeschriebene Entlastung der Lehrkräfte - hier sollen Taschenspielertricks helfen; Berufsorientierung an allgemeinbildenden Schulen - einfach zusätzlich aufgedrückt, ohne Entlastungsstunden und ohne Reduzierung sonstiger Aufgaben; interkulturelle Bildung - auf Kosten der kulturellen Bildung und des Fachunterrichts; Schule PLUS - nur 20 Schulen und nur eine Lehrerstelle pro Schule.
Und schließlich - das ist der eigentliche Skandal - die Unterrichtsversorgung. Landauf, landab fällt Unterricht aus. Regelunterricht wird nicht erteilt, insbesondere im MINT-Bereich, in dem die Stundentafeln klammheimlich sowieso schon Schritt für Schritt heruntergefahren wurden. Dort wird an vielen Schulen der Chemie- und der Biologieunterricht zusammengelegt, wird fachfremd unterrichtet und werden Löcher gestopft, wo es gerade geht.
Machen wir uns eines klar: Eine Unterrichtsversorgung von 100 % bedeutet nicht, dass kein Unterricht ausfällt. Erst eine Versorgung von 110 % in allen Schulformen und allen Fächern bedeutet Vollversorgung. Nur dann kann gewährleistet werden, dass bei Krankheit oder dienstlich begründeter Abwesenheit des Lehrers für die Schüler kein Unterricht mehr ausfällt. Aber ein solcher Zustand ist nicht annähernd in Sicht.
All das ist nicht neu. Aber stattdessen wird hier im Landtag darüber diskutiert, wie wir unser Bildungssystem „noch besser“ machen können. Noch besser? - Sogar die FDP erkennt, dass hier etwas nicht stimmt und nennt dies Dauerbaustelle. Der Minister steht in der Kritik, und das von allen Seiten.
Herr Tonne, machen Sie nicht immer neue Baustellen auf! Fahren Sie die Programme zurück, und konzentrieren Sie sich endlich auf das Wesentliche, nämlich auf die Gewährleistung des Regelunterrichts! Nur dann werden Sie eine Chance haben, auf der Dauerbaustelle eine Trendwende einzuleiten. Doch ich wage die Prophezeiung: Die Ideologie hinter Ihrer Schulpolitik und Ihre Freunde von den Grünen werden das nicht zulassen.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Hamburg, ich habe während Ihres Vortrags versucht herauszufinden, was eigentlich Ihre Vision für unser Bildungssystem ist.
Sie wollen immer mehr Leistung definieren, aber sagen nicht, woher das Geld und die Lehrkräfte dafür kommen sollen. Das ist kein richtiger Weg in der Bildungspolitik, und deshalb bin ich sehr froh, dass wir einen Minister haben, der diesen Weg nicht beschreitet, sondern der sagt, dass Leistung auf der einen Seite und Kapazitäten für diese Leistung auf der anderen Seite in einem ausgewogenen Verhältnis stehen.
Sie haben gesagt, unser Minister würde nur Taschenspielertricks anwenden. Das weise ich entschieden zurück. Das ist mitnichten der Fall.
Und wir haben uns auch mitnichten an die Situation in den Schulen gewöhnt. Im Gegenteil: Ich glaube, jeder engagierte Bildungspolitiker weiß, wie die Situation ist. Deshalb müssen wir an dieser Stelle auch handeln.
(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Es wäre gut, wenn Sie endlich einmal anfan- gen würden, gute Politik zu machen!)
Es hilft nichts, hier jedes Jahr Oppositionsrituale durchzuführen. Nein, wir müssen auf die Zahlen schauen und auf das, was im letzten Jahr passiert ist.
Die Unterrichtsversorgung ist leicht angestiegen, auf 99,8 %. Wir gehen auf die 100-%-Marke zu. Das ist für uns natürlich noch nicht befriedigend, aber das bedeutet immerhin, dass es eine Verbesserung im System gibt. Das hat vor allen Dingen eine Ursache: Es wurden sehr viele Stellen ausgeschrieben, und diese konnten auch besetzt werden: 3 100 Stellen im Kalenderjahr 2019. Das ist wirklich eine große Leistung, wenn man sich anschaut, wie die Stellenrelation in diesem Bereich ist. Wir reden von einer Stellenrelation im letzten Jahr von, ich glaube, 1 : 1,1. Das heißt, wir haben hier eine Situation ähnlich wie bei IT-Fachkräften. Dass angesichts dieser Stellenrelation tatsächlich so viele Stellen besetzt werden können, ist ein Signal, dass die Verwaltung wirklich leistungsfähig ist.
Dennoch muss es natürlich unser Ziel sein, grundständig ausgebildete Lehrkräfte in das System zu bekommen. Der Quereinstieg ist nur eine Notlösung, auch wenn wir natürlich Quereinsteiger haben, die sehr gute Lehrkräfte werden; das ist gar keine Frage. Die Quereinsteigerquote bei uns liegt bei 7 % und ist damit im Bundesvergleich niedrig. In Berlin und Mecklenburg-Vorpommern z. B. sind die Quereinsteigerquoten zweistellig.
Wir haben massive Probleme im Bereich der Mittelschulen, und wir haben auch massive Probleme im Bereich der berufsbildenden Schulen. Diese Situation ist sehr ernst. Deshalb sage ich an dieser
Was wir bisher gesehen haben, ist ein Bündel von Einzelmaßnahmen, die alle gut sind, die nicht schlecht sind, wie die Aufstockung der Grundschulleitungen auf A 13, wie der Elf-Punkte-Plan zur Entlastung, wie die Zulage für die GHR-Lehrkräfte, was ja der Einstieg in A 13 sein kann. Sie haben auch noch gesagt, dass wir - bei allen Schwierigkeiten - die Dorflehrerprämie einführen wollen. Das erfordert Mut. Ich finde das gut. Ich hoffe, dass wir diesen Weg gemeinsam beschreiten können.
Ich sage aber auch: Ein Bündel von Einzelmaßnahmen reicht nicht aus. Deshalb fordere ich Sie auf: Legen Sie endlich den Unterrichtssicherungsplan bzw. das Unterrichtssicherungspaket vor, das wir im Koalitionsvertrag vereinbart haben!
Der erste Schritt heißt: Transparenz, Prognose und Planung. Wir müssen die Bedarfsplanung verbessern. Dafür gibt es eine Arbeitsgruppe zwischen dem Kultus- und dem Wissenschaftsministerium. Das ist ein guter erster Schritt. Diese Bedarfsplanung muss jetzt aber verstetigt werden. Sie muss vor allen Dingen fachgenau prognostizieren können, wo Lehrkräftebedarfe entstehen. - Vielen Dank an dieser Stelle auch an Herrn Thümler dafür, dass Sie diese Arbeitsgruppe eingerichtet haben und weiter vorantreiben. - Wir müssen die Kapazitäten entsprechend planen. Am Ende muss für jeden Abiturienten deutlich werden, welche Bedarfe bestehen, welchen Studiengang man belegen und welche Fächer man lernen kann.
Im zweiten Schritt geht es um die Aktivierung und den Aufbau von Kapazitäten, die wir noch nicht ausgeschöpft haben. Das ist zum einen die bedarfsgerechte Verteilung der Studienkapazitäten. Aber wir können gerade auch im Grundschulbereich, in dem eine sehr hohe Teilzeitquote besteht, beispielsweise darüber nachdenken, in Zusammenarbeit mit der GEW bei Grundschullehrern anzufragen, freiwillig eine Stunde mehr zu arbeiten.
Dazu gehört auch das Thema Quereinstieg. Aus meiner Sicht muss der Quereinstieg verbessert werden. Die Beratung muss verbessert werden. Es muss aufgezeigt werden, wie man sich noch besser qualifizieren kann, um im Unterricht anzukommen.
Den Ein-Fach-Lehrer haben wir vereinbart. Der Bonus für pensionierte Lehrkräfte, die weiterarbeiten wollen, ist auch schon auf den Weg gebracht.
In einem dritten Schritt müssen wir uns um das Thema Gesundheitsvorsorge/Lehrergesundheit kümmern. Wir haben eine hohe Anzahl an Frühpensionierungen.
Der Elf-Punkte-Plan hat erste Schritte aufgezeigt. Aus unserer Sicht muss aber auch noch die Verwaltungsleitung in großen Systemen eingeführt werden, damit Schulleitungen von Verwaltungsaufgaben entlastet werden.
Ich glaube, wenn wir mit diesen drei Schritten vorgehen, haben wir einen guten Plan für Niedersachsen. Ich bin mir sicher, der Minister wird dies anpacken.