Protokoll der Sitzung vom 11.09.2019

dann kommt an erster Stelle die Schuldenbremse.

Seit 2016, meine Damen und Herren, haben wir in der Haushaltsrechnung keine Nettoneuverschuldung vorgenommen, aber jetzt lobt sich der Finanzminister hier noch einmal ganz besonders. Im Sommer hatten wir schon unter höchstem Zeitdruck eine Anhörung angesetzt, um das Gesetz zur Schuldenbremse noch in den Landtag zu bekommen. Es konnte gar nicht schnell genug gehen. Und heute? - Immer noch kein Gesetz! - Noch nicht einmal erwähnt, weder von der Landesregierung noch von den Regierungsfraktionen.

(Johanne Modder [SPD]: Doch, hat er gemacht!)

Man wartet, was sich dort tut. Meine Damen und Herren, das ist schon sehr ungewöhnlich.

Sie haben hier eine Einnahmen-AusgabenRechnung vorgelegt. Das ist ein kameralistischer Haushalt, aber ich muss Ihnen sagen: Das Vermögen des Landes sinkt, weil Sie nicht an den richtigen Stellen und nicht in der richtigen Größenordnung investieren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Was heißt denn „schwarze Null“? - „Schwarze Null“ heißt: Das Ergebnis einer Ausgaben-EinnahmenRechnung ist ausgeglichen. Das sagt überhaupt nichts über die Bilanz, über das Vermögen unseres Landes aus. Das muss man sich schon vor Augen führen.

Was auch merkwürdig ist: Wir führen hier eine Haushaltsdebatte. Wenn man die großen Wirtschaftszeitungen liest und sich die Entwicklung am Geldmarkt bei den Zinsen ansieht und sich vor Augen führt, was dort in Bezug auf Konjunkturentwicklung, auf notwendige Investitionen, auf Innovationen, auf die Frage, welche Antworten eine der größten Volkswirtschaften der Welt darauf hat, diskutiert wird, dann erkennt man, dass diese Debatte hier überhaupt nicht stattfindet. Vom Finanzminister hören wir kein Wort zu dieser Situation.

Natürlich, die Schuldenbremse ist aus gutem Grund installiert worden, aber man diskutiert im Moment auch sehr ernsthaft, wie wir sicherstellen können, dass die notwendigen Investitionen auch tatsächlich erfolgen und wie wir es schaffen, unseren Kindern und Kindeskindern nicht am Ende eine Infrastruktur und vor allen Dingen eine Situation unserer Umwelt, unserer Lebensgrundlagen, zu hinterlassen, die die junge Generation veranlasst zu fragen: Was haben die damals nur gemacht?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, der Finanzminister möchte die Kräfte des Marktes wirken lassen. Herr Toepffer möchte privates Kapital motivieren und aktivieren. Es spricht im Rahmen der gesetzlichen Rahmenbedingungen gar nichts dagegen. Im Gegenteil, wenn es gelingt, privates Kapital z. B. für die Energiewende zu generieren, dann wäre das genau richtig.

Doch da kommt das Thema Stillstand wieder zum Tragen, weil Sie es seit Jahren weder in Berlin noch hier schaffen, die Rahmenbedingungen so zu setzen, dass man weiß: Wenn man heute investiert, dann hat man in fünf oder zehn Jahren mit dieser oder jener Rendite zu rechnen. - Deswegen finden viele Investitionen gar nicht statt. Deswegen sind in den letzten Jahren 36 000 Arbeitsplätze in der Windenergie abgebaut worden.

Seit zwei Jahren ist Ihre Arbeitsgruppe im Bund unterwegs und will etwas für die Akzeptanz machen. Es war aber schon seit Längerem absehbar, dass das Förderprogramm, das für BürgerWindkraft und Genossenschaften ein sehr starkes Element war, wegbricht. Es gibt keinen Ersatz. Herr Altmaier macht jetzt einen Gipfel, um Handeln vorzutäuschen. Aber diese Arbeitsverweigerung der Koalitionen in Berlin und in diesem Land ist für einen der größten Arbeitgeber in diesem Bereich in Niedersachsen existenzbedrohend.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, das ist nur ein Beispiel. Man könnte auch die Speicher nennen, man könnte auch das Thema „Power to X“ nennen. Überall brauchen wir klare Rahmenbedingungen, verlässliche Rahmenbedingungen, damit wir wissen, was, wenn wir heute investieren, in fünf oder zehn Jahren passiert. Die Bedingungen dürfen auch nicht alle zwei Jahre um- oder infrage gestellt werden. Da hoffe ich auch auf Sie. Sie alle haben das Pariser Klimaabkommen unterschrieben: Ihre Parteispitzen, Ihre Regierungsspitzen in Berlin, wir alle

über den Bundesrat. Wir müssen jetzt liefern, wir müssen alle gemeinsam für Verlässlichkeit in der Umsetzung sorgen. Das ist das, was die junge Generation von uns fordert.

Meine Damen und Herren, wir haben alle gemeinsam hier als Volkswirtschaft jedes Jahr eine Ölrechnung für fossile Importe von 90 Milliarden Euro. Für so viel Geld kaufen wir auf der Welt fossile Rohstoffe ein. Es wäre doch eine Vision zu sagen: Lasst uns diese Rechnung auf null drücken. Sorgt dafür, dass wir diese 90 Milliarden Euro nicht mehr für Ölimporte ausgeben müssen, sondern für innovative Technologien zur Nutzung von Sonne und Wind, für Energieeffizienz, für moderne Speichertechnologien ausgeben können. Es wäre wirklich eine Vision für unser Land, wenn wir diese 90 Milliarden Euro in Zukunft nicht mehr jedes Jahr auf unserer Rechnung hätten. Das meine ich mit unterlassenen Investitionen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Noch etwas kommt dazu: Artenschutz, Biodiversität, FFH-Gebiete, Wasserschutz und Düngung, Wald. - Überall gibt es sehr große Herausforderungen. Wenn wir dort nicht entsprechend handeln, werden wir am Ende auch noch Strafzahlungen von der Europäischen Union aufgebürdet bekommen. Das wäre das Schlimmste; denn dann fehlt uns dieses Geld auch noch für die Investitionen.

Anderes Thema: Digitalisierung. Der Mobilfunkatlas von Ihnen, Herr Althusmann, ist ganz interessant zu lesen. Bloß, wenn ich auf der ICE-Strecke nach Göttingen unterwegs bin - das ist im Moment die Strecke am Leinetal entlang -, dann habe ich immer nur Edge oder gar keinen Empfang.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Aber wir haben einen Denkmalatlas!)

Diesen Atlas können Sie in der Pfeife rauchen; denn er hat mit der Realität nicht viel zu tun, Herr Althusmann. Ich kann jedenfalls nicht erkennen, dass sich die Funklöcher, die wir in Niedersachsen haben, dort alle wiederfinden. Aber Sie haben Geld für die Marienburg, meine Damen und Herren. Das will ich nur als Stichwort nennen, darauf kommen wir noch zu sprechen.

Die Risiken der NORD/LB wurden vom Finanzminister überhaupt nicht angesprochen. Sie haben sich in nächtlichen Sitzungen schon darüber zerstritten, wer denn die Rendite am Ende bekommen soll. Ich sage Ihnen: Das Geschäftsmodell trägt nicht, und über diese Rendite werden wir wahr

scheinlich gar nicht reden müssen, weil sie voraussichtlich gar nicht in der Kasse des Landes landen wird und wir ganz andere Probleme bekommen werden.

Meine Redezeit ist zu Ende. Ich danke Ihnen für Ihr Zuhören. Es gibt noch eine ganze Reihe weiterer Themen, die wir in den Ausschussberatungen gerne mit Ihnen intensiv diskutieren, weil es uns um die Zukunft des Landes geht und weil wir gemeinsam um den besten Weg mit Ihnen streiten wollen, um das Beste für unser Land zu erreichen.

Herzlichen Dank fürs Zuhören.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung von Jörg Bode [FDP])

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Wenzel.

Wir waren, da der Minister seine Redezeit um 11:24 Minuten überschritten hat, übereingekommen, dass nach § 71 Abs. 3 für die großen Fraktionen, also CDU und SPD, zusätzliche Redezeit von sechs Minuten und für die übrigen Fraktionen eine zusätzliche Redezeit von drei Minuten zur Verfügung stehen. Deswegen hatte ich Frau Kollegin Heiligenstadt ihre Redezeit um eine Minute überziehen lassen. Somit stehen den Fraktionen neue Restredezeiten zur Verfügung.

Der nächste Beitrag kommt von der CDU-Fraktion, und zwar von Herrn Abgeordneten Ulf Thiele.

(Beifall bei der CDU)

Bitte schön, Herr Thiele. Sie haben noch eine Restredezeit von 2:30 Minuten und die sechs Minuten. Sie müssen aber nicht alles ausschöpfen.

Mal sehen.

Frau Präsidentin! Meine Damen, meine Herren! Die Zeit im Landtag hat mich eines gelehrt: Die Debatten und Beschlüsse über Entschließungsanträge, auch Aktuelle Stunden zeigen, was sich das Parlament wünscht. Die Debatten und Beschlüsse über Haushaltspläne hingegen offenbaren allzu oft in ernüchternder Weise, was man sich von diesen Wünschen leisten kann.

Sehr verehrter Herr Finanzminister, lieber Reinhold Hilbers, ich möchte mich im Namen der CDULandtagsfraktion bei Ihnen, bei Ihren Mitarbeitern und damit stellvertretend bei der gesamten Landesregierung bedanken.

Denn mit diesem Haushaltsplanentwurf 2020 und mit der vom Kabinett beschlossenen mittelfristigen Finanzplanung haben Sie in überraschend großem Umfang Wünsche, Pläne und Projekte der Mehrheit dieses Hohen Hauses - vieles wurde schon genannt - in ein solides Zahlenwerk gegossen, und das unter erschwerten Bedingungen. Das ist in den Reden der Oppositionsfraktionen leider untergegangen. Das nehme ich ihnen nicht übel; denn das müssen sie nicht zwingend mit aufrufen.

Wir haben es mit einem Rückgang der geschätzten Steuereinnahmen im Zeitraum der mittelfristigen Finanzplanung um 844 Millionen Euro zu tun. Wir haben es mit einer Reduzierung der Bundesbeteiligung an den flüchtlingsbedingten Kosten um rund 400 Millionen Euro zu tun. Wir haben es mit einer Anpassung der Besoldung für die Tarifbeschäftigten - und nach den Beschlüssen der die Regierung tragenden Fraktionen auch für die Beamten - um ca. 4,4 Milliarden Euro im Mipla-Zeitraum zu tun. Das von der CDU- und von der SPD-Fraktion erarbeitete Programm für mehr Attraktivität des öffentlichen Dienstes kostet bis 2023 weitere 240 Millionen Euro, und die Stellenzulage für Lehrkräfte immerhin ca. 109 Millionen Euro. Wir haben die Wissenschaftspakte mit der Bundesregierung gegenzufinanzieren: weitere 108 Millionen Euro im Mipla-Zeitraum!

Allein aus diesen Eckdaten ergeben sich Handlungsbedarfe für den aktuellen Haushalt und die mittelfristige Finanzplanung, die diese Landesregierung in Form von Projekten verarbeiten musste, die die Attraktivität des öffentlichen Dienstes stärken, die die Wissenschaft in Niedersachsen deutlich stärken und die gleichzeitig dazu führen sollen, dass der Haushalt weiterhin solide aufgestellt ist, in einer Größenordnung von mehr als 6 Milliarden Euro. Hier von einer ambitionslosen Politik zu sprechen, meine Damen und Herren von der Opposition, ist von Anfang an völlig unglaubwürdig.

(Beifall bei der CDU und Zustimmung bei der SPD)

Die Landesregierung hat diese erheblichen Handlungsbedarfe ohne strukturelles Defizit und trotz konjunktureller Eintrübung bewältigt. Ich finde, allein das, lieber Herr Finanzminister, ist eine großartige Leistung.

Meine Damen, meine Herren, der vorgelegte Haushaltsplanentwurf hat nicht nur diese Handlungsbedarfe bewältigt, er hat zugleich auch die - noch nicht beschlossene, aber im Haushaltsplanentwurf schon implementierte - niedersächsische

Schuldenbremse eingehalten und sieht erstmals eine Buchung in die Konjunkturbereinigungsrücklage in Höhe von 23 Millionen Euro vor.

Wir haben hier mehrere Beiträge über das Thema Schuldenbremse gehört. Ich will an dieser Stelle ausdrücklich Herrn Wenzel danken, weil er erneut in großer Klarheit deutlich gemacht hat, dass die Fraktion der Grünen beabsichtigt, sich von der Schuldenbremse zu verabschieden. Damit haben wir hier wenigstens eine offene Ansage in der Frage, wer zu Nachhaltigkeit in der Finanzpolitik steht und wer nicht; denn Sie haben auch in diesem Redebeitrag die nachhaltige Klimapolitik und die nachhaltige Finanzpolitik gegeneinander, aber nicht nebeneinander gestellt. Danke für die Offenheit!

(Beifall bei der CDU)

Herr Wenzel, ich sage Ihnen und allen, die in anderen Bundesländern und zum Teil auch im Bund bei der sich abzeichnenden konjunkturellen Eintrübung und bei den neuen Herausforderungen wie dem Aufbau einer klimaneutralen Volkswirtschaft reflexartig den Schuldenstopp infrage stellen: Die CDU-Fraktion wird nicht versuchen, Adam Riese außer Kraft zu setzen. Der heutige Schuldenstand der öffentlichen Haushalte ist nichts anderes als die Summe der Nichtanwendung der Grundrechenarten über längere Zeit.

Aber eine nachhaltige Wirtschaftspolitik, eine nachhaltige Sozialpolitik, eine nachhaltige Umwelt- und Klimapolitik gibt es nicht ohne eine nachhaltige Haushalts- und Finanzpolitik. Sie ist die Grundlage dafür, dass unser Land nicht kurzatmig von Aktionismus zu Aktionismus hechelt, sondern dass die Menschen, die Unternehmen, die Arbeitnehmer, Junge und Ältere Vertrauen darin fassen, dass unser Land den gesellschaftlichen und technologischen Wandel, den Dirk Toepffer vorhin bereits angesprochen hat, bewältigen kann.

Deshalb ist es richtig, dass die niedersächsische Schuldenbremse im Haushaltsplanentwurf 2020 bereits verlässlich eingehalten wird. Deshalb ist es notwendig und konsequent, dass die Koalition aus CDU und SPD diese Schuldenbremse noch in diesem Jahr in der Landesverfassung verankern wird. Haben Sie Vertrauen! Wir werden das gemeinsam tun - so, wie wir es im Koalitionsvertrag miteinander vereinbart haben.

(Beifall bei der CDU)

Ich will darüber hinaus erwähnen, dass es kein Pappenstiel ist, sondern eine herausragende Leis

tung, dass wir bereits in den ersten zwei Jahren dieser Koalition 786 Millionen Euro Altschulden abgebaut haben.

Meine Damen, meine Herren, eine strategisch kluge Haushaltspolitik bedarf auch - neben der politischen Prioritätensetzung, neben der Verarbeitung von Handlungsbedarfen, neben dem Stopp von Schulden und der Tilgung von Schulden -, dass man Zukunftsvorsorge betreibt. Das ist heute nur am Rande erwähnt worden.