Protokoll der Sitzung vom 23.10.2019

wird es wieder so sein. Es geht uns darum, die niedersächsische Wirtschaft zu unterstützen und als weltoffenes Land in Kontakt mit unterschiedlichen gesellschaftlichen und politischen Ordnungen auf der Welt zu bleiben.

Vielleicht zum Schluss noch folgender Hinweis: Zu Reisen dieser Art sind immer auch die Landtagsfraktionen eingeladen, also auch die AfD. Die AfD ist bis jetzt nicht auf diese Einladungen eingegangen. Mir ist - das muss ich offen bekennen - nicht bekannt geworden, dass das größeres Bedauern ausgelöst hätte. Aber die Erfahrung, den eigenen Horizont zu erweitern, wünsche ich Ihnen auch, liebe Frau Kollegin.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Starker Beifall bei der SPD, bei der CDU, bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Ministerpräsident. - Herr Ministerpräsident Weil hat die Redezeit eingehalten. Von daher gibt es keine zusätzliche. Punkt 4 a ist somit erledigt.

Ich eröffne nun die Beratung zu

b) Sorgen ernst nehmen - ohne Landwirtschaft keine Zukunft - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 18/4893

Es hat sich der Kollege Dammann-Tamke für die CDU-Fraktion gemeldet. Bitte sehr!

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Vielen Dank. - Herr Präsident! Die gestrige bundesweite Protestaktion der deutschen Landwirtschaft war in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Sie war basisdemokratisch, sie war im Wesentlichen von der jungen Generation der Landwirte getragen, sie war anders als in Frankreich und den Niederlanden gewaltfrei, und sie war von einem konstruktiven Grundansatz getragen: Man bittet an den Tisch, man fordert zum Dialog mit der Landwirtschaft in Deutschland auf.

In Hannover habe ich wahrgenommen, dass es keine Forderung nach besseren Marktpreisen und keine Klagen über ein zu geringes Einkommen

gab. Nein, hier standen die Themen „Wertschätzung“ und „Bauern-Bashing“ an allererster Stelle.

Zu diesen Themen kann es nach Auffassung der CDU-Landtagsfraktion nur eine Meinung geben:

Unsere Landwirte haben den höchsten Ausbildungsstand, den Landwirte jemals hatten. In der Regel sind sie Meister oder Akademiker. Die Lebensmittel, die wir hier in Deutschland produzieren, waren noch nie so sicher und wurden noch nie so gut kontrolliert wie heute. Aber gleichzeitig zahlt der Verbraucher lediglich rund 11 % seines Durchschnittseinkommens für Lebensmittel - deren Produktion wiederum sich über das ganze Jahr - 365 Tage, 24 Stunden - unter im internationalen Vergleich hohen Umwelt- und Tierschutzstandards hier in Deutschland vollzieht.

Von daher steht für uns außer Frage: Die Landwirte in Niedersachsen und in Deutschland haben Respekt und Anerkennung verdient. Das ist exakt das Gegenteil von Bauern-Bashing.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der SPD sowie Zustimmung von Dana Guth [AfD])

Und seien wir doch einmal ehrlich: Das BauernBashing fällt doch auf uns Politiker zurück. Haben wir rechtzeitig erkannt, dass Anpassungsprozesse gesellschaftlich gewollt waren, und haben wir sie rechtzeitig eingeleitet? Oder konkreter: Wenn ein Landwirt kritische Pflanzenschutzmittel wie Glyphosat oder Neonikotinoide einsetzt, dann bewegt er sich in dem gesetzlichen Rahmen, den wir als Politik gesetzt haben. Das gilt auch, wenn er - vollkommen legal, auf den Staat vertrauend - die Baugenehmigung für einen Viehstall hat: Dann bewegt er sich in exakt dem gesetzlichen Rahmen, den wir als Politik gesetzt haben.

Müssen wir uns nicht einmal kritisch fragen, warum wir beim Erneuerbare-Energien-Gesetz, datierend aus dem Jahr 2000, 17 Jahre gebraucht haben, bis wir erkannt haben, dass durch entsprechende - vollkommen legale - Kreativität die Nährstoffe aus den Biogasanlagen völlig an die Seite geschoben werden konnten? - Ich weise in diesem Zusammenhang darauf hin, dass wir in Niedersachsen bis 2008 fallende Nitratwerte hatten. Wir wähnten uns auf einem guten Weg.

Jetzt zur Wasserrahmenrichtlinie. Das Wasserrecht steht vor dem Düngerecht - das steht außer Frage -, das Düngerecht hat sich am Wasserrecht auszurichten. Die Landwirtschaftskammer Niedersachsen zeigt uns mit ihrem jährlichen Nährstoff

bericht Handlungsbedarf auf. Was wir allerdings bisher schuldig geblieben sind, sind Transparenz und objektiv nachvollziehbare Kriterien, anhand derer wir die sogenannten roten Gebiete ausweisen. Ich bin dem Umweltminister dankbar dafür, dass sein Haus hier nacharbeiten bzw. liefern wird, und habe aus dem Munde vieler Landwirte vernommen, dass sie auf dieser Basis sehr gern in einen Dialog eintreten wollen.

Insgesamt war die Stoßrichtung der gestrigen Demonstrationen allerdings die bundespolitische

Bühne. Die Summe der gesellschaftlich gewünschten Anpassungsprozesse überfordert derzeit den Berufsstand in Bezug auf das Ausmaß und das Tempo der Maßnahmen. Klimaschutz, Tierschutz, Artenschutz, Insektenschutz, Düngerecht, Wasserrahmenrichtlinie, Zukunft der GAP, Bürokratie - all das sind Punkte, die unsere Landwirte derzeit überfordern.

Wir sollten das gestrige ausdrückliche Gesprächsangebot dieser Gruppen von aufgeschlossenen jungen Landwirtinnen und Landwirten aufnehmen. Wir sollten Berlin davon überzeugen, dass beim Thema „Klimaschutz, Insektenschutz, Artenschutz“ die Landwirtschaft nicht das Problem, sondern ein unverzichtbarer Teil der Lösung ist. Wir sollten die Ministerinnen Schulze und Klöckner davon überzeugen, dass der richtige Weg Anreizsysteme sind - und nicht das Ordnungsrecht.

Unsere Ministerin Barbara Otte-Kinast hat recht: Die Bundeskanzlerin muss das Thema zur Chefsache machen.

Diese junge Generation zukünftiger Landwirte verdient unseren Respekt, und sie verdient Anerkennung dafür, dass sie sich offen und unvoreingenommen auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse und gesellschaftlicher Wünsche mit der Politik und anderen gesellschaftlichen Gruppen an einen Tisch setzen will.

Wir, die CDU-Landtagsfraktion, werden dabei unterstützen. Wir stehen an der Seite der Bäuerinnen und Bauern. Wir stehen für die vom Verbraucher gewünschten regionalen Lebensmittel. Wir stehen für den Agrar- und Ernährungsstandort Niedersachsen. Wir stehen für einen Gesellschaftsvertrag 2050 für die Landwirtschaft, erarbeitet gemeinsam mit genau diesen jungen Landwirtinnen und Landwirten.

Herzlichen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Dammann-Tamke. - Zu Wort gemeldet hat sich für die AfD-Fraktion die Kollegin Dana Guth. Bitte sehr!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! „Sorgen ernst nehmen - ohne Landwirtschaft keine Zukunft“: Gestern, am

22. Oktober, gab es bundesweite Proteste von Landwirten, u. a. auch in Hannover. Tausende Landwirte mit ihren Traktoren nahmen daran teil. Das war sehr beeindruckend. Ich war sehr froh, dass das Umweltministerium noch kein Dieselfahrverbot erlassen hat; denn sonst hätte das alles nicht funktioniert. Gott sei Dank war es - im Gegensatz zu den Niederlanden - ein friedlicher Protest.

Bemängelt wurde aber nicht ausschließlich, wenn auch sicherlich im starken Maße, das Bashing gegen die Bauern und gegen ihre Kinder. Das ist natürlich ein unhaltbarer Zustand. Bemängelt wurde auch, dass es in vielen Punkten immer wieder zu ideologischen statt wissenschaftlichen Entscheidungen kommt und dass immer wieder Bürokratie über Fachverstand siegt.

Heute kommt die Aufforderung, diese Sorgen ernst zu nehmen. Aber wie viele dieser Sorgen haben wir als Parlament in den letzten zwei Jahren besprochen? Es sind keine neuen Probleme. Viele sind teilweise seit Jahren bzw. sogar seit Jahrzehnten bekannt. Ich nenne nur Stichworte wie Natura 2000, Ferkelkastration, Nitratbelastung, Gülle, Tierwohl, Behördenwahn, Genehmigungsdschungel, EU-Bürokratie, Förderproblematik,

Wölfe, Gänseinvasion, ASP-Risiko, soziale Ausgrenzung, Absterben des ländlichen Raums, fehlende Digitalisierung, Wetterkapriolen, Nässe, Dürre usw. usf. Wirklich gelöst wurde von diesen Problemen in den letzten zwei Jahren hier nicht eines. Es gibt ein Parlament-Pingpong zwischen Land, Bund, EU und zurück.

Gestern erklärte Umweltminister Olaf Lies im Rahmen dieser Demonstration - im Übrigen Koalitionspartner in Regierungsverantwortung -, eingepackt in viele wohlfeile Worte für die Landwirte, dass man bei allem Verständnis für Sorgen und Nöte das Agrarpaket am Ende sowieso durchziehen wird. Es wurden Gespräche angeboten. Über was wollen Sie sprechen, Herr Lies? - Vielleicht darüber, wie hoch die Verantwortung der Landwirtschaft im Einzelnen tatsächlich ist und wie viele

Einträge durch Abwasser und Kläranlagen erfolgen? Oder darüber, warum sich Ihre Partei in den letzten Jahren erfolgreich an der Demontage der deutschen Landwirtschaft beteiligt?

Auch die Landwirtschaftsministerin kam zu Wort. Bei allem guten Willen und Fachverstand kam jedoch auch hier ganz klar zum Ausdruck: Das Wollen ist das eine, das Tatsächlich-umsetzenKönnen etwas ganz anderes.

Auf den Punkt gebracht wurde die Misere durch den Wunsch, die Bundeskanzlerin möge das zur Chefsache machen. An diesem Punkt möchte ich nur sagen: Bitte nicht! Alles, was Frau Merkel in den letzten Jahren zur Chefsache gemacht hat, hat diesem Land keineswegs zum Vorteil gereicht. Also Finger weg von unserer Landwirtschaft!

(Beifall bei der AfD)

Trotzdem zeigt dieser Wunsch eines: eine tiefe Hilflosigkeit. Realitäten und Bedürfnisse der niedersächsischen Landwirte sind eben nicht mit den Wunschvorstellungen der EU, einem Gemisch aus willkürlich erdachten Klimazielen und Grenzwerten, übereinanderzubringen.

Hier erreichen wir erneut den Punkt, an dem bitte alle Anwesenden in kollektive Schnappatmung verfallen mögen: Wir brauchen wieder mehr nationale Verantwortung und Entscheidungsbefugnis. Wir müssen Probleme wieder da regeln können, wo sie bestehen. Wir müssen die Leute fragen, die Ahnung von der Materie und den regionalen Gegebenheiten haben. Diese Leute finden Sie auf den Äckern, in den Ställen und in den niedersächsischen Wäldern, aber nicht am Schreibtisch in Brüssel.

(Beifall bei der AfD)

Solange Sie diesen Schritt nicht gehen wollen, können Sie es beim Sorgen-ernst-Nehmen belassen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Guth. - Für die SPDFraktion hat sich nun die Kollegin Karin Logemann gemeldet. Bitte sehr!

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Guth, der letzte Satz Ihrer Rede war wieder mal bezeichnend. Ich bin wirklich froh, Mitglied der SPD zu sein. Wir lösen die Herausforderungen, die sich uns stellen, auf eine andere Art und Weise als Sie,

(Dana Guth [AfD]: Ja, in der Tat!)

und das ist gut so.

(Zustimmung bei der SPD)

Die Landwirtschaft ist nach der Automobilindustrie der zweitgrößte produzierende Wirtschaftszweig in Niedersachsen. Wir sind Agrarland Nummer eins; das wird immer wieder beschrieben. Landwirte und landwirtschaftliche Betriebe gehören in Niedersachsen zum Kernbereich der mittelständisch geprägten Wirtschaft. Hier hängen - das muss man sich wirklich einmal anhören - direkt oder indirekt so viele Arbeitsplätze von der Landwirtschaft ab wie in keinem anderen Bundesland.