- Herr Grascha, es bleibt jedem selbst überlassen, welche Fragen er stellt und welche Antworten er gibt.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Im Jahre 2009 hat die Föderalismuskommission ihren Vorschlag vorgelegt. Im Jahre 2011 wurde er im Grundgesetz verankert. Seitdem gibt es die Schuldenbremse im Grundgesetz.
Seitdem sind viele Jahre ins Land gegangen. Seitdem hat sich, was die wirtschafts- und finanzpolitische Lage nicht nur hier in Niedersachsen angeht, vieles verändert:
Europa gerät zwischen die Mühlräder eines amerikanisch-chinesischen Handelskonflikts, der sehr massive Auswirkungen haben kann und schon hat. Dazu kommen noch diverse andere wirtschaftspolitische Konflikte, deren Auswirkungen noch kaum absehbar sind; der Brexit ist einer davon.
Die Geldpolitik hat sich völlig anders entwickelt, als man vor zehn Jahren erwartete. Niemand hat mit einer so langen Phase von Nullzinsen oder sogar Minuszinsen gerechnet.
Der Klimaschutz erfordert entschlossene Investitionen, um massive Schäden abzuwenden. Mit jedem Jahr, in dem wir warten, werden die Herausforderungen größer.
Deshalb, meine Damen und Herren von der SPD und von der CDU, ist Ihre kleine Verfassungsänderung, die so spät kommt - acht Jahre, nachdem die Änderung des Grundgesetzes in Kraft trat -, schlicht und einfach falsch. Richtig wäre es gewesen, eine Regelung in der Landeshaushaltsordnung zu treffen, mit einem Hinweis in der Verfassung und ohne Zweidrittelmehrheit.
Das hätte sehr wohl markiert, wo die Ziele sind, hätte uns aber ermöglicht, flexibel auf aktuelle wirtschafts- und finanzpolitische Herausforderungen zu reagieren.
- Das ist, Herr Kollege, schlicht Quatsch. Dann wäre jedes einzelne Gesetz, das mit einfacher Mehrheit beschlossen wird, wirkungslos. Das ist in unserem Staat definitiv nicht so.
Meine Damen und Herren, die alte Formulierung für Ausnahmen sollte nicht gestrichen werden. Die „akute Bedrohung der natürlichen Lebensgrundlagen“ ist zwar ein Synonym für die Benennung der Naturkatastrophen im Grundgesetz, sagt aber auch sehr deutlich, worum es geht.
Herr Thiele, die kleine Ausnahme, die Sie jetzt eingebaut haben, reicht vielleicht für drei Starkregenereignisse. Für einen Deichbruch reicht sie höchstwahrscheinlich nicht.
Meine Damen und Herren, Ihre EinnahmenAusgaben-Rechnung - das ist unsere Kameralistik nämlich - sagt nichts zur Wertminderung bei der NORD/LB, zu unterlassenen Investitionen oder zum Verkauf von Immobilien oder zu unterlassenen Investitionen in den Klimaschutz. Die Entwicklung der Vermögenswerte und der Investitionen muss aber künftig bilanziert werden. Deutschland und Österreich sind mit dieser alten Buchführung in Europa ziemlich allein unterwegs. Ich bin sicher, die European Public Sector Accounting Standards - ein gemeinsames Rechnungswesen, das auch eine Bilanzierung von Vermögensverlusten vorsieht - werden und müssen kommen.
Meine Damen und Herren, acht Jahre nach dem Grundgesetz haben Sie sich auf kleinster gemeinsamer Grundlage auf eine Änderung geeinigt. Aber
Sie sind längst nicht so konsequent unterwegs, wie Sie es hier immer versprechen. Herr Thiele, Frau Heiligenstadt, wir haben mittlerweile eine ganze Reihe von Ausnahmen, die zeigen, dass Sie zwar immer die schwarze Null vor sich hertragen, dass es aber dann, wenn es ernst wird, doch plötzlich Lösungen gibt, die diese Schuldenbremse umgehen. Beispiele sind der EFSI, der Europäische Fonds für strategische Investitionen im EuropaBereich, die Fondsideen von Herrn Altmaier, die ÖPP-Finanzierung von Autobahnen oder auch das Hybridkapital, mit dem jetzt das Eigenkapital der Bahn aufgestockt werden soll. Das sind doch alles Zeichen, dass Sie nicht das leben, was Sie hier erklären. Ihre schwarze Null ist am Ende eine Fata Morgana. Sie wird den aktuellen wirtschafts- und finanzpolitischen Herausforderungen nicht gerecht.
Wir brauchen endlich ein ganzheitliches öffentliches Rechnungswesen. Wir brauchen dabei nicht nur Klarheit in der Sprache, sondern auch Ehrlichkeit im Umgang mit Bilanzen. Das ist bei jedem Unternehmen so. Jedes Unternehmen braucht eine Gewinn- und Verlustrechnung und eine Bilanz. Erst dann hat man vollständige Klarheit über die finanzielle Situation eines Gemeinwesens. Das gehört hier auch in den Landtag.
Meine Damen und Herren, ich fürchte, dass diese Verfassung schon ziemlich schnell wieder einer Änderung bedarf oder dass man darüber diskutieren wird, was man ändern muss.
Ich bin jedenfalls der Auffassung, dass wir alle gemeinsam sehr gründlich die Lage nicht nur hier in Niedersachsen beobachten müssen, sondern auch die Frage, was Deutschland tut, um den Herausforderungen bei technologischen Neuentwicklungen und den internationalen Herausforderungen gerecht zu werden und um tatsächlich die Schäden im Klimaschutz abzuwenden, die uns drohen, wenn wir nicht konsequent handeln. Wir sollten dabei gegenüber unseren Kindern und Kindeskindern ehrlich sein und ihnen sagen: Die Bilanz, die wir dann am Ende vorlegen, können wir auch vor unseren nachfolgenden Generationen vertreten. Mit Ihrem Projekt hier können wir das nicht.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Wenzel. - Für die Landesregierung hat sich der Finanzminister Herr Hilbers zu Wort gemeldet. Bitte!
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Tat ist heute ein guter Tag für Niedersachsen, ein guter Tag für die Politik und ein Tag, auf den viele lange gewartet haben. Wir verankern heute die Schuldenbremse gesetzlich in Niedersachsen. Damit fängt auch eine neue Zeitrechnung an. Wir nehmen heute die Nachhaltigkeit, die Stabilität der Finanzen, in die niedersächsische Verfassung auf. Herr Wenzel, es ist eben ein qualitativer Unterschied, ob ich das als Staatsziel in die Verfassung hineinschreibe und das Verfassungsrang hat oder ob ich das in der Landeshaushaltsordnung regele, die ich mit dem Haushaltsbegleitgesetz jederzeit wieder ändern kann.
Ja, wir haben eine strikte Schuldenbremse. Ja, wir haben eine harte Schuldenbremse. Und ja, wir haben eine wirkungsvolle Schuldenbremse. Genau so wollten wir das auch.
Meine Damen und Herren, das ist das klare Bekenntnis der Politik hier in Niedersachsen zu dem Verbot einer strukturellen Neuverschuldung. Ja, Herr Grascha, das ist eine Haltung, das ist eine Einstellung, und das ist eine klare politische Aussage. Seit 2009 gilt die Schuldenbremse, die im Grundgesetz der Bundesrepublik verankert ist. Seitdem hat sie ihre Wirkung mit der Perspektive auf 2020 in den Länderhaushalten und auch insgesamt in Deutschland nicht verfehlt. Wenn man sich die Zahlen anschaut und sie einer nüchternen Betrachtung unterzieht, kann man feststellen, dass sowohl in den Länderhaushalten als auch im Haushalt des Bundes ein Umdenken für mehr Stabilität stattgefunden hat und dass diese Schuldenregelung, wenn man sie statistisch und objektiv betrachtet, für mehr Stabilität und Nachhaltigkeit in den Finanzen in Deutschland insgesamt gesorgt hat.
Meine Damen und Herren, die Länder hatten die verfassungsrechtliche Pflicht, ihre Haushalte in einem Übergangszeitraum bis 2020 darauf vorzubereiten. Wir haben das in Niedersachsen in der Großen Koalition sehr tatkräftig getan und bereits 2019 alle Ziele erreicht.
Wenn wir uns die niedersächsischen Landeshaushalte anschauen, dann wissen wir: Es gab durchaus Jahre, in denen die Nettokreditaufnahme ganz selbstverständlich war, jährlich zwischen 8 und 12 %. Unsere Haushalte waren damit zu über einem Zehntel aus Neuverschuldung finanziert. Dass dieser Weg auf Dauer nicht weitergegangen werden konnte, liegt, glaube ich, auf der Hand. Solch eine Politik mussten wir ändern und umkehren.
In Niedersachsen haben wir uns vollumfänglich darauf eingestellt. In den vergangenen Monaten haben wir den Gesetzentwurf und auch Ihre Vorschläge dazu sehr intensiv diskutiert. Ja, ich glaube, wir haben eine gute Lösung gefunden.
Wir haben nach wie vor eine harte Schuldenbremse. Wir haben nach wie vor eine klare Botschaft in der Verfassung, dass wir ohne neue strukturelle Schulden auskommen wollen.
Zu der Veränderung in Bezug auf die Zweidrittelmehrheit, die Sie angesprochen haben, kann ich nur sagen: Das ist ein Punkt, über den wir lange diskutiert haben, der aber überhaupt nicht infrage stellt, dass wir bei uns eine harte Schuldenbremse haben.
In den Diskussionen, die geführt wurden, ging es auch um einen Ländervergleich. Schauen Sie sich doch die anderen Verfassungsänderungen und Schuldenbremsen in den anderen Ländern an! Wenn wir das heute so beschließen, haben wir eine der härtesten Schuldenbremsen unter den Bundesländern. Ich bin ein Stück weit stolz darauf, wenn es uns gelingt, das so in die Verfassung aufzunehmen.
Daran ändert auch nichts, dass wir eine Ausnahmeregelung von der Zweidrittelmehrheit haben. Viele Länder haben überhaupt keine Zweidrittelregelung und sind in der Frage wesentlich weniger restriktiv.
Meine Damen und Herren, ich will Ihnen deutlich sagen, was mit der schwarzen Null zusammenhängt. Ein ausgeglichener Haushalt ohne strukturelle Neuverschuldung ist für uns nicht irgendetwas, sondern das ist ein echt wichtiges Asset
nachhaltiger Finanzpolitik, das auch in wirtschaftlich schwierigeren Zeiten, in Zeiten, in denen wir über Herausforderungen diskutieren, nicht über Bord geworfen werden darf. Gerade in solchen Zeiten benötigen wir die Schuldenbremse, weil sie dann die notwendigen Leitplanken bietet, damit wir uns innerhalb dessen bewegen, was in Deutschland nachhaltig und tragfähig ist.
Herr Wenzel, deswegen ist die Aufnahme der Schuldenbremse in die Verfassung ein klares Bekenntnis. Damit erreichen wir Rechtssicherheit, wie Herr Kollege Thiele es erwähnt hat, und Justiziabilität in Niedersachsen. Mit der Ausgestaltung der Ausnahmeregelungen bewegen wir uns auf einem klaren Kurs, damit alles rechtssicher ist.
Ich freue mich deshalb sehr, dass heute die abschließende Beratung über diesen zentralen Baustein einer generationengerechten Finanzpolitik in Niedersachsen, die auf Nachhaltigkeit fußt, stattfindet. Das ist zwingend notwendig in unserem Land.
Schuldenaufwuchs ist nicht mehr zu verantworten. Wir müssen darauf schauen, den nächsten Generationen nicht nur eine intakte Umwelt, nicht nur gute wirtschaftliche Voraussetzungen, nicht nur eine gute Bildung, sondern auch gute finanzielle Perspektiven mit auf den Weg zu geben, damit sie sich selbst wieder entwickeln können. Denn der Grundsatz stimmt, dass jede Generation bei der Ausgestaltung der Politik mit dem Geld auskommen muss, das ihr zur Verfügung steht, und dies nicht auf Kosten der nächsten Generation machen kann.
Meine Damen und Herren, eigenfinanzierte Investitionen dürfen bei Neuverschuldungen kein Maßstab sein; denn unser Handeln muss darauf ausgerichtet sein, unsere Investitionen aus unseren laufenden Einnahmen decken zu können. Deswegen ist die aktuelle Diskussion um die Schuldenbremse und die Frage, wie viel Kredite kosten, wie viel noch in Investitionen gesteckt werden könnte, nicht zielführend.
Die Schuldenbremse ist nach meiner Meinung für die öffentliche Hand so auszugestalten, dass sie nicht wieder die Möglichkeit eröffnet, uns strukturell zu verschulden. Das hat nichts mit dem aktuellen Zinsniveau zu tun. Denn wenn man das zum Anlass nähme, würde man staatlicherseits gerade auf die Fehlallokationseffekte hereinfallen, die die Niedrigzinspolitik der EZB hat. Wir können hier