Protokoll der Sitzung vom 24.10.2019

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Wulf, eine Imagekampagne wird Ihnen beim Thema Fachkräftemangel nicht helfen. Es ist die Besoldung, die Sie hier anpacken müssen; das wissen Sie. Nur wird das damit leider teuer, und deswegen reden Sie hier regelmäßig um den heißen Brei herum.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Herr Försterling hat viel zu den allgemeinen Herausforderungen im Land gesagt; ich muss das alles nicht wiederholen. Vielmehr möchte ich jetzt noch einmal auf die Frage der Handlungsbedarfe und der IQB-Studie im Speziellen eingehen. Dazu muss man ja sagen, dass das Kultusministerium einige durchaus selbst erkannt hat. Darum lassen Sie uns hier und heute einmal darüber reden.

Das Kultusministerium spricht darüber, dass Unterstützungsbedarfe für Lehrkräfte auf den Weg gebracht werden. Ich frage Sie, Herr Minister Tonne, liebe GroKo: Warum kürzen Sie dann die Fortbildungen, wenn Sie sagen, dass gerade die jetzt ausgebaut werden müssen, um Lehrkräfte hierbei zu unterstützen?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Warum bringen Sie keine Entlastungsmaßnahmen auf den Weg? Warum sehen Sie hierfür kein Geld vor? Sie sagen doch selber, Lehrkräfte seien belastet. Dann müssen Sie Entlastungsmaßnahmen auf den Weg bringen, die wirken, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Warum fahren Sie dann den ganzen Bedarf der Beratung und Unterstützung zurück? Warum streichen Sie hier die Anrechnungsstunden? Warum kürzen Sie im Bereich der Fachberatungen und der Beratungslehrkräfte? Warum machen Sie das, um die Unterrichtungsversorgung zu verbessern? - Hier ziehen Sie an der einen Seite der Tischdecke, und die andere wird viel zu kurz. Und gerade das geht zulasten der Vermittlung von Bildungsstandards, gerade das geht zulasten der Lehrkräfte, von denen Sie hier gerade sagen, sie müssten künftig mehr Leistung erbringen, damit die Standards hier besser werden.

Warum gewähren Sie den Schulen nicht Freiräume, um Lösungen für die schlechte Unterrichtsversorgung zu gestalten? - Ich habe das hier schon oft gefordert. Entlasten Sie die Schulen an der Stelle! Geben Sie ihnen Freiräume, endlich auch Lösungen für den Fachkräftemangel, den wir nun einmal nicht wegreden können und den wir nicht von heute auf morgen verändern können, zu gestalten, sodass die Schulen endlich wieder vernünftig arbeiten können, liebe Kolleginnen und Kollegen!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Dann, Herr Tonne, fordern Sie die Berücksichtigung der individuellen Entwicklung bzw. Lernentwicklung jedes einzelnen Schülers und jeder einzelnen Schülerin. Ein richtiger Schritt! Das fordern wir seit Jahren. Ich frage Sie aber an dieser Stelle: Warum erschweren Sie denn dann jahrgangsübergreifenden Unterricht an den Grundschulen? Warum bringen Sie untergesetzliche Regelungen auf den Weg, die Vorreiterschulen an der Stelle massiv belasten? Warum unterstützen Sie dann nicht Schulen genau in dieser Bestrebung, Lernen im eigenen Tempo zu ermöglichen?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Warum starten Sie nicht hierfür mal Modellschulen? Überall starten Sie Modellprojekte für dieses und für jenes. Aber wo sind denn Ihre Modellschulen für Lernen im eigenen Tempo? Wo sind Ihre Modellschulen für das Abitur im eigenen Takt? - Genau das sind doch die Antworten, die wir geben müssen. Das gibt uns die IQB-Studie auf. Warum machen Sie hier nichts? Handeln Sie! Reden Sie nicht nur, Herr Tonne, handeln Sie!

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung von Horst Kortlang [FDP])

Nicht zuletzt: Wo sehen Sie denn im Haushalt dafür Mittel vor? - Ich habe keinerlei Mittel gefunden, mit denen Sie die Schulen in der Hinsicht mal nach vorn bringen wollen, um Lernen im eigenen Rhythmus weiterzuentwickeln, neue Materialien an Schulen zu etablieren und Fortbildungen zu etablieren. Sie sehen hierfür keinen müden Cent vor. Herr Tonne, das ist ungenügend!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nun komme ich noch zu dem Thema, das Frau Wulf gerade angesprochen hat: die ungünstige Leistungsentwicklung an den Gymnasien, wie Sie es formuliert haben. - Frau Wulf, das liegt doch nicht an den Schullaufbahnempfehlungen, die abgeschafft wurden. Das liegt daran, dass Gymnasien mittlerweile 50 % der Schülerschaft bei sich verorten und diesen Umstand abfeiern, aber gleichzeitig heterogenes Lernen nicht ausdeklinieren. Sie bringen als GroKo nicht den Mut auf, mit den Gymnasien diese Debatte zu führen.

Wenn 50 % der Schülerinnen und Schüler an den Gymnasien sind, dann müssen sie heterogen lernen, dann darf es Ihnen nicht egal sein, welchen Lernstand die einzelnen Schülerinnen und Schüler haben, und dann ist eine Abschulung in der 7. und 8. Klasse eben nicht die Antwort. Nein, die Schülerinnen und Schüler sind in der Laufbahn mitzu

nehmen - das wäre die Antwort. Dafür müssen wir die Gymnasien starkmachen. Darauf müssen Sie Antworten finden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nun zur IQB-Studie. Herr Tonne, Sie haben gesagt, es sei gut, dass wir trotz einer heterogenen Schülerschaft das Niveau halten konnten, dass sich Schulen, die wir vor neue Herausforderungen stellen, dergestalt behaupten. Das kann man so sehen. Ich muss Ihnen aber deutlich sagen: Es sind nicht zuletzt rot-grüne Maßnahmen, die dazu beigetragen haben, dass das Niveau an der Stelle gehalten wurde. Alles das stellen Sie jetzt infrage. Wir haben nämlich die Ganztagsschulen damals massiv mit Lehrkräften verstärkt und hier die Qualität ausgebaut. Wir haben Inklusion vorangebracht und massiv in Sprachförderung an Schulen investiert. Alles das streichen Sie als Große Koalition sukzessive, um die Unterrichtsversorgung statistisch zu verbessern. Das ist ein Kardinalfehler, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Ich kann Sie nur dazu auffordern, den Kurs an der Stelle zu unterbrechen und endlich wieder in Qualität von Bildung zu investieren. Lassen Sie uns endlich wieder über Bildungsqualität und Bildungsgerechtigkeit in diesem Land diskutieren; denn sonst, prognostiziere ich Ihnen, wird die nächste IQB-Studie nicht mehr Mittelmaß ausweisen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Vielen Dank, Frau Kollegin Hamburg. - Es folgt nun Herr Abgeordneter Rykena für die AfD-Fraktion.

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Irgendwie beschleicht einen der Gedanke, dass die Themenspeicher der FDP leer sind. Allgemeinplätze wie „Mittelmaß ist nicht genug“, „Niedersachsens Schüler brauchen beste Bildung“ sind auf einmal Anlass für eine Aktuelle Stunde. Was ist denn daran, bitte schön, aktuell? Das sollte immer der Grundsatz sein. Den Freien Demokraten ist das gleich. Sie spielen ein billiges Oppositionsspiel und fordern einfach Utopisches.

(Philipp Raulfs [SPD]: Das ist der AfD völlig fremd! - Heiterkeit bei der SPD)

Doch woher soll Minister Tonne jetzt die Lehrer dafür nehmen? Woher soll er die weiteren Milliarden nehmen? Er hat doch jetzt schon einen Rekordkultushaushalt zusammengestellt und die

Landesfinanzen damit bis an die Grenze strapaziert - und das im Angesicht einer drohenden Rezession.

(Philipp Raulfs [SPD]: Weil uns das wichtig ist!)

Nein, was die FDP hier betreibt und fordert, das ist einfach unredlich. Lassen Sie uns vielmehr realistisch an die Sache herangehen! Lassen Sie uns mit den Mitteln arbeiten, die da sind, die jetzt zur Verfügung stehen, und lassen Sie uns diese klug einsetzen - klug und eben nicht ideologisch, wie z. B. die Grünen.

(Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Das ist eine Frechheit!)

Aber was heißt „klug“?

Erstens. Die Verhinderung jeglichen Unterrichtsausfalls, d. h. endlich Besinnung auf die tatsächliche Erteilung von Unterricht, und zwar für alle Schüler. Es kann einfach nicht sein, dass wir zwischen 2005 und 2018 die Schüler-Lehrer-Relation um sage und schreibe ein Viertel verbessert haben und dass trotzdem immer noch Unterricht ausfällt - und, wenn man manchen Berichten Glauben schenkt, sogar mehr denn je. Die Stundentafel muss endlich gesichert werden. Seitens des Kultusministeriums muss endlich klargestellt werden, dass Zusatzbedarf genau das ist, was der Name aussagt, nämlich Zusatz. Erst wenn alle Schüler ohne Unterrichtsausfall in den Kernfächern unterrichtet werden können, sind Ressourcen für weitere pädagogische Maßnahmen zu verwenden. Alles andere ist doch hanebüchen!

Zweitens. Erhalt und Ausbau von Förderschulen. Inklusion, d. h. die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen in der Gesellschaft, ist Menschenrecht. Und was macht unsere Landesregierung? - Ich sprach im Juni-Plenum hier von paradiesischen Zuständen, die man für die betroffenen Schüler an allen niedersächsischen Förderschulen herstellen könnte, wenn man diesen nur die Hälfte des Geldes, das derzeit für die Inklusion an Regelschulen zusätzlich aufgewandt wird, geben würde.

Paradiesische Zustände versus frustrierende Mangelwirtschaft - denn diese haben wir bei der Inklusion an Regelschulen, und diese Mangelwirtschaft

haben wir auch zukünftig, weil das einfach ein Fass ohne Boden ist.

(Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Dass Menschenrechte Sie nicht interessie- ren, wissen wir!)

Das ist einfach ein unverantwortlicher Umgang mit den betroffenen Menschen.

Drittens. Wenn man kein Mittelmaß möchte, darf man keine Gemeinschaftsschulen fördern. Spitzenleistungen kann man nie erreichen, wenn man alles durcheinanderrührt.

(Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Das stimmt doch gar nicht! Das widerlegen alle Studien!)

Was vielmehr notwendig wäre, ist eine bessere Ausgestaltung des gegliederten Schulsystems, ein breiteres Angebot an passenden Schulformen für jeden Bedarf. Hauptschule, Realschule und Gymnasium müssen wieder jeweils ein eigenes Profil bekommen. Es reicht eben nicht, wenn alle diese Schulformen versuchen, ein „Gymnasium light“ zu sein. Hier kann ich nun der FDP eigentlich keinen direkten Vorwurf machen, wohl aber den Roten und den Grünen. Diese haben offensichtlich das Mittelmaß im Blick. Wir sollten sie damit nicht durchkommen lassen.

(Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Sie waren bestimmt noch nie an einer IGS!)

Viertens: Orientierung am Bewährten. Warum kommen Bayern und Sachsen bei bundesweiten Vergleichstests seit Jahrzehnten immer wieder auf die Spitzenränge? - Weil sie eine vorsichtige Bildungspolitik verfolgen, weil sie lange an bewährten pädagogischen Ansätzen festhalten, weil sie neuere bildungspolitische Moden viel vorsichtiger und damit umsichtiger umsetzen als z. B. die SPDgeführten Bundesländer. Die, z. B. Bremen und Berlin, führen immer die Statistiken an, wenn es um die Bildungsverliererländer geht. Frau Wulf hat eben die Länder vorgestellt, die stärker abgerutscht sind. Es waren SPD-geführte Bundesländer.

Fünftens wäre jetzt eigentlich noch der Bereich MINT zu erwähnen. Ja, genau im Bereich MINT muss Niedersachsen seine Stellung verbessern, und zwar nicht nur im Bereich Schule. Aber gerade hier erreichen wir nicht mehr das ursprünglich angepeilte Ziel, dass ein Drittel der Stunden auf den

Bereich MINT entfallen soll. Da müssten wir herangehen.

All das wären Ansätze, die Niedersachsen endlich über das Mittelmaß hinaushelfen würden. FDPWolkenkuckucksheim-Forderungen dagegen sind es nicht.

Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Lebhafter Beifall bei der AfD)

Vielen Dank. - Es folgt für die SPD-Fraktion Herr Kollege Bratmann. Bitte!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Manchmal ist es ganz gut, wenn man als letzter Parlamentarier zu einem Tagesordnungspunkt spricht, weil man dann die Eindrücke der anderen Rednerinnen und Redner gleich einbeziehen und verarbeiten kann.

Mein Eindruck ist, dass wir hier wenig zum Thema - nämlich zu den Ergebnissen der IQB-Studie - gesprochen haben.

(Widerspruch von Julia Willie Ham- burg [GRÜNE])