Protokoll der Sitzung vom 24.10.2019

Ich glaube, dass wir gut beraten sind, nicht den Eindruck zu erwecken, dass es besser ist, von dem eigentlichen Problem abzulenken, indem man andere Verantwortlichkeiten sucht, sondern zu akzeptieren, dass es eine Herausforderung gibt, den Wirtschaftsdünger- oder Nitrateintrag zu reduzieren, und dieses Problem anzugehen.

In der Öffentlichkeit entsteht zurzeit eine ganz andere Debatte, die von einem ganz anderen Problem als vom Düngeproblem spricht. Komischerweise sind wir die einzigen, die das haben; denn die anderen Länder haben uns ja vorgemacht, dass man das Problem mit einer Veränderung der Düngung lösen kann.

Ich will ein Beispiel nennen, weil das im Internet gerade sehr intensiv kursiert. Es sind gerade sehr viele aktiv, die meinen, dass die Mengen, die über die Kläranlagen eingebracht werden, so groß sind, dass sie quasi ein Vielfaches der Güllemengen ausmachen.

Ich möchte zunächst darauf hinweisen, über welche Größeneinheiten dabei geredet wird. Es wird oft über Liter gesprochen. In der Regel sprechen wir aber über Tonnen, also über 1 000 l, sodass gegebenenfalls durch tausend geteilt werden muss.

Ich nenne zwei Zahlen, die auch öffentlich verbreitet werden. Weil ich es für richtig halte, das zu klären, nehme ich mir auch gerne Ihre Zahlenangaben vor und liefere die Information gerne nach. Es wird gesagt, im Klärwerk Aurich und im Klärwerk Cloppenburg würden große Mengen - sie werden in Millionen Litern angegeben - eingeleitet. Umgerechnet in Tonnen Stickstoff sind es 22 t im Klärwerk Aurich und 114 t im Klärwerk Cloppenburg - von insgesamt 300 000 t, die an Wirtschaftsdünger aufgebracht werden, und 60 000 t,

die wir an Überschuss haben. Das meine ich damit.

Dafür, das ernst zu nehmen, bin ich sehr zu haben. Dafür, das differenziert zu bewerten, bin ich auch zu haben. Aber den Eindruck zu erwecken, die Nitratbelastung in unserem Grundwasser sei eigentlich überhaupt kein Problem der Landwirtschaft, wäre falsch, und eine Dimension herzustellen, dass das nur ein Bruchteil wäre, wäre auch falsch.

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Richtig!)

Also: Ehrliche Betrachtung! Gerne die richtige Lösung wählen! Aber die Argumentation, die immer wieder kolportiert wird, wonach die Hauptemittenten eigentlich die nicht funktionierenden Kanalisationssysteme oder Kläranlagen seien und eigentlich die Kommunen schuld seien und sie also das eigentliche Problem seien - das wollen Sie ja auch mit Ihren Zahlen zeigen; Sie haben eben gesagt, dass es auf kommunaler Seite sogar deutlich mehr wäre -, halte ich für falsch. Das lässt sich an Zahlen belegen. - Gerne greife ich aber Ihre Zahlen auf und liefere die Information dazu selbstverständlich nach.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Minister. - Für die CDU-Fraktion: der Abgeordnete Dr. Marco Mohrmann mit der zweiten Zusatzfrage. Bitte, Herr Mohrmann!

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Ich möchte noch einmal auf das Mercosur-Abkommen zu sprechen kommen. In dem Zuge diskutieren wir logischerweise auch über den Import von Eiweißfuttermitteln und über GVO-Freiheit. In diesem Kontext frage ich die Landesregierung, ob die nationale Eiweißfuttermittelstrategie von Erfolg gekrönt ist und, wenn nicht, woran das liegen könnte.

Danke schön.

Vielen Dank Ihnen. - Für die Landesregierung antwortet Frau Ministerin Otte-Kinast. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Herr Dr. Mohrmann, die Eiweißfuttermittelstrategie hat eine Förderung nach sich gezogen. Die Flächen, auf denen in Deutschland

Sojaanbau erfolgt, sind von 2008 bis 2019 von 1 000 ha auf 29 100 ha ausgeweitet worden. Das heißt, wir haben eine jährliche Ernte von 60 000 t Sojabohnen in Deutschland. Importiert werden aber 6,2 Millionen t, weil der Bedarf nicht gedeckt wird. Trotz Steigerung dieses Sojabohnenanbaus ist unser Selbstversorgungsgrad mit Eiweißpflanzen in Deutschland von 40 % auf 25 % zurückgegangen. Das liegt daran, dass der Rapsanbau in Deutschland zurückgegangen ist und auch weiter zurückgehen wird.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Vielen Dank Ihnen! - Die zweite Zusatzfrage für die FDP-Fraktion: der Abgeordnete Hermann Grupe. Bitte schön!

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Vor dem Hintergrund, dass wir uns offensichtlich alle einig sind, dass es uns insgesamt um die Reinhaltung des Grundwassers, des Oberflächenwassers, des

Wassers generell geht und wir die Ursachen sicherlich allumfänglich unter die Lupe nehmen wollen, frage ich Sie zum landwirtschaftlichen Bereich:

Weshalb sind Sie dann nicht bereit, auf den Flächen um die Brunnen, bei denen die Grenzwerte überschritten werden - 16 % der Brunnen -, gezielt vorzugehen und zusammen mit den Landwirten Lösungen zu erarbeiten, und weshalb stellen Sie stattdessen 39 % der Landesfläche und damit, wenn man so rechnen kann, 23 % der Fläche - damit auch Gebiete, wo „grüne“ Brunnen sind, deren Wasser völlig in Ordnung ist und bei denen die dort wirtschaftenden Landwirte gar nicht wissen, was sie machen sollen - unter diese absolut scharfen Bedingungen einer 20-prozentigen Unterdüngung und vernichten dadurch Existenzen in Gebieten, wo das Grundwasser beste Qualität hat?

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Grupe. Auch Sie kennen die Regularien. Ihre Frage und Ihre Ausführungen enthalten ein Werturteil.

(Hermann Grupe [FDP]: Das stimmt! Das gebe ich zu!)

- Genau! Das nächste Mal vielleicht stärker beachten. Die Formulierung „Existenzen vernichten“ ist eindeutig eine Wertung.

(Hermann Grupe [FDP] Ach, das mei- nen Sie! - Heiterkeit bei der FDP und bei der CDU)

Herr Minister Lies antwortet.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir müssen beachten, dass wir uns in einem Rechtsregime befinden. Wir haben nicht nur die Frage zu klären, was sinnvoll wäre, sondern wir müssen im bestehenden Rechtsregime prüfen, welche Möglichkeiten wir unterhalb der Wasserrahmenrichtlinie mit der Düngeverordnung haben.

Die Ministerin hat es gerade dargestellt: Eigentlich sind nach der Wasserrahmenrichtlinie und der 2009 gemeldeten Karte 60 % der landwirtschaftlichen Fläche rot. Ich will daran erinnern, wie das entstanden ist.

(Hermann Grupe [FDP]: Das wissen wir doch!)

- Ja, ich kann das ja verstehen.

Ich will einmal erläutern, wo das Problem liegt. Dieses Problem besteht in der Landwirtschaft übrigens auch an anderen Stellen. Ich verstehe auch die Landwirtschaft - sehr gut sogar.

Wir haben das auch bei der Ausweisung von Vogelschutz- oder FFH-Gebieten gehabt. Damals hat man Gebiete ausgewiesen und der Landwirtschaft den Eindruck vermittelt: Macht euch keine Sorgen! Alles, was wir hier machen, wird keinerlei Auswirkungen auf euer Handeln haben. - Dann hat man fälschlicherweise mit Vertragsnaturschutzverfahren gearbeitet.

Und jetzt kommt genau das, was die Landwirtschaft ärgert. Denn sie sagt: Wir haben uns auf das, was ihr uns gesagt habt, verlassen. Jetzt kommen Verordnungen mit Einschränkungen oder sogar die Diskussion über das Insektenschutzprogramm oder -gesetz, die wir auf der Bundesebene erleben.

Der Fehler ist aber nicht die Entscheidung heute. Der Fehler ist gewesen, dass man damals einfach den Eindruck vermittelt hat: Macht euch doch keine Sorgen! Das ist doch alles nicht so schlimm. Das lösen wir alles. - Das ist falsch gewesen.

Genauso verhält es sich hiermit. Hier haben wir es mit dem Regime der Wasserrahmenrichtlinie im Hintergrund zu tun. Die Wasserrahmenrichtlinie ist die Grundlage. Für diese Wasserrahmenrichtlinie

gibt es einen Leitfaden - einen Leitfaden für die Bewertung des chemischen Zustands der Grundwasserkörper in Niedersachsen.

Zu seiner Anwendung sind wir verpflichtet. Es entsteht immer wieder der Eindruck, als hätten die Ministerin und ich uns ausgedacht, wie wir damit verfahren. Das ist natürlich nicht der Fall! Dieser Leitfaden ist, und zwar seit der ersten Auflage von 2009, unter Beteiligung von Vertretern des Niedersächsischen Landkreistages, der Wasserverbände, des Landvolks, des Fachverbands Feldberegnung, der Landwirtschaftskammer und eben der Institutionen in Bremen, des LBEG und des NLWKN entstanden und abgestimmt worden. Seit 2008 gehörten auch Vertreter des ML und des BUND der erweiterten Fachgruppe an. Das sind diejenigen, die diesen Leitfaden erstellt haben.

Aus diesem Leitfaden ergibt sich: 60 % der landwirtschaftlichen Fläche sind „rotes Gebiet“. Und zwar wurden diese Flächen 2009 gemeldet, nicht erst gestern. Ich habe den Eindruck, dass das zwar gemeldet wurde, aber sozusagen von 2009 bis mindestens 2017, als die erste Düngeverordnung herauskam, keinerlei große Auswirkungen gehabt hat. Genau so war das.

(Zuruf von Hermann Grupe [FDP])

- Da kann man mit dem Kopf schütteln, aber im Ergebnis ist das so. Sie können sich die Werte, die wir messen, ansehen. Diese Werte haben sich seit 2009 nicht wirklich verbessert.

Außerdem haben wir gefragt - Herr Grupe, Sie haben ja recht -: Können wir nicht gezielter gucken, wo etwas verändert werden muss? - Wir haben entschieden, die Möglichkeiten zu nutzen, die uns die Düngeverordnung lässt.

Die Düngeverordnung lässt uns die Möglichkeit einer Binnendifferenzierung. Diese Form der Binnendifferenzierung bedeutet, dass wir hydrogeologisch nach in sich geschlossenen Teilen eines Grundwasserkörpers differenzieren können. Wir haben entschieden, die Bewertung nicht aufgrund der gesamthaften Grundwasserkörper vorzunehmen - dann wären es 60 % -, sondern uns die Teilwasserkörper anzusehen und Teilwasserkörper, bei denen eine Messstelle eine Überschreitung anzeigt, rot zu markieren.

Das ist die Umsetzung der Düngeverordnung. Ich bitte um Verständnis! Das ist nichts, was wir uns ausdenken, das ist die gesetzliche Umsetzung und das, was wir daraus machen müssen.

Ich teile Ihre Einschätzung. Wir hätten diese Debatte übrigens nicht, wenn es bei der Düngeverordnung - § 13 Abs. 2 und 6 - geblieben wäre, die wir hier auf Landesebene herausgegeben haben. Nach meinem Eindruck hält die Landwirtschaft das, was wir da fordern, zwar nicht für unproblematisch, sie hätte das aber mitgemacht.

Die Hauptdebatte entsteht durch etwas, was wir nicht zu verantworten haben, nämlich durch das Thema „minus 20 %“. Das ist aber nicht die Idee von Niedersachsen gewesen. Ich kann das nicht generell bewerten, aber ich kann das z. B. an Grünlandregionen in Niedersachsen - ich komme aus einer - sehen. Ich halte es für unsinnig, für solche Regionen minus 20 % vorzugeben. Wenn eine Grünlandregion Teil eines „roten Gebiets“ ist, dann kann ich den Menschen bzw. den Landwirten nicht erklären, warum die Vorgabe „minus 20 %“ besteht, weil so etwas überhaupt keinen Sinn macht.

Ich bin sehr dafür, ich teile Ihre Einschätzung, wollte aber nur beschreiben, wie der Rechtsrahmen ist, nach dem wir vorgehen.

Ich teile Ihre Einschätzung, dass es gut wäre, dort, wo z. B. bestimmte Bewirtschaftungsformen vorherrschen, z. B. Grünland - ich wähle dieses Beispiel, ohne der Fachpolitiker dafür zu sein; das können andere für andere Regionen besser entscheiden -, dieses auszunehmen. Das ist unsere Forderung, die Forderung von meiner Kollegin Ministerin Otte-Kinast und von mir, die wir ständig beim Bund vorbringen. Wir lehnen es ab, dass in einer solchen Gebietskulisse so etwas wie diese „minus 20 %“ auf Grünland übertragen werden.

Es gibt übrigens gute Beispiele für Gewässerkooperationen in Schutzgebieten mit Landwirten, die das mitmachen.

(Hermann Grupe [FDP]: Die kündigen Ihnen das gerade!)

Das sind aber freiwillige Leistungen. Das ist ein bisschen wie das Thema „Vertragsnaturschutz oder Verordnungen“. Das sind nun einmal freiwillige Leistungen.