Protokoll der Sitzung vom 24.01.2018

So werden wir die Einschulung in die Förderschule Lernen - dazu kommen wir gleich noch - im kommenden Schuljahr wieder möglich machen. Damit stärken wir das Kindeswohl und den Elternwillen. Gleichzeitig bleibt die Wahlfreiheit für die Eltern erhalten.

(Beifall bei der CDU und Zustimmung von Johanne Modder [SPD])

Wir werden darüber hinaus den Einschulungskorridor flexibilisieren.

Wir haben auch eine nachvollziehbare Entscheidungshilfe in Form einer Schulformenempfehlung im Koalitionsvertrag festgeschrieben.

Das alles sind sinnvolle und realisierbare Konzepte. Wir werden den Austausch darüber führen.

Und ja - auch das wurde schon angesprochen -, es sind Kompromisse. Aber es sind Kompromisse, die Lösungen schaffen. Genau das erwarten doch die Wählerinnen und Wähler in Niedersachsen.

Wichtig ist für uns: Die Realisierbarkeit und Umsetzbarkeit müssen gewährleistet sein. Das bezieht sich auf Finanzen, personelle Ressourcen und auch auf Zeitpläne. Deshalb haben die Fraktionen von SPD und CDU einen gemeinsamen Gesetzentwurf vorgelegt, der diese Kriterien erfüllt.

Frau Wulf, lassen Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Birkner zu?

Ich würde gern erst einmal ausreden, Herr Birkner. Wir können uns später austauschen.

Ein unüberlegter Katalog an Maximalforderungen, der weder die Konsequenzen bedenkt noch die finanziellen Mittel korrekt berechnet, macht keinen Sinn. Er leistet keinen Beitrag zur Weiterentwicklung der Debatte. Das ist - das haben Sie deutlich gemacht - auch gar nicht Ihre Intention. Sie scheinen die Debatte selber gar nicht ernst zu nehmen. Wie Sie in einem Zwischenruf deutlich gemacht haben, geht es Ihnen darum, andere bloßzustellen. Das können Sie im Protokoll nachlesen.

Ganz ehrlich: Nehmen Sie es mir nicht übel, wenn wir ein bisschen mehr von Ihnen erwarten!

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Wir erwar- ten von Ihnen einen fairen parlamen- tarischen Umgang, Frau Kollegin! - Christian Grascha [FDP]: Was meinen Sie, was wir alles erwarten?! - Dr. Ste- fan Birkner [FDP]: Eine angemessene Ausschussberatung!)

Ich glaube, das tun auch die Wählerinnen und Wähler in Niedersachsen. Sie erwarten von ihren Abgeordneten Lösungen für die Probleme. Ganz das tun wir. Daran arbeiten wir. Deshalb raten wir, den Antrag abzulehnen.

Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und Zustimmung von Ulrich Watermann [SPD])

Vielen Dank, Frau Wulf. - Es gibt eine Wortmeldung zu einer Kurzintervention. Frau Hamburg, bitte sehr, 90 Sekunden!

Vielen Dank, Herr Präsident. - Frau Wulf, Sie können hier doch nicht ernsthaft sagen, wir müssten Sorgfalt vor Eile walten lassen und alles umsetzbar organisieren,

(Ulf Thiele [CDU]: Das kann sie! Zu Recht!)

wenn Sie gleichzeitig - das ist der nächste Tagesordnungspunkt - einen Schulgesetzentwurf einbringen, den Sie binnen eines Monats durch dieses Parlament prügeln wollen. Das kann doch nicht Ihr Ernst sein! Erklären Sie mir einmal diesen Widerspruch!

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der FDP sowie Zustimmung von Dana Guth [AfD])

Danke schön. - Frau Wulf, Sie wollen erwidern? Bitte sehr, auch 90 Sekunden!

Sorgfalt ist ein wichtiges Prinzip in der Schulpolitik. Daran halte ich fest.

Wir haben im Ausschuss bereits erläutert, wie dieses Verfahren zustande kommt. Ich werde gleich noch einmal darauf eingehen. Wir haben nämlich die Perspektive derjenigen eingenommen,

die unser Entwurf einer Schulgesetzänderung betrifft.

(Björn Försterling [FDP]: Wo denn?)

Wenn wir die Einschulung in die Förderschule Lernen wieder möglich machen wollen, dann müssen wir den Kommunen Zeit für die Umsetzung geben. Das wissen Sie ganz genau, jedenfalls alle, die kommunale Mandate haben.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Haben Sie auch eines?)

Das ist auch die Rückmeldung, die wir von den kommunalen Akteuren bekommen haben. Deshalb gehen wir mit diesem Verfahren so voran. Wir sind uns der Problematik aber durchaus bewusst.

Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und Zustimmung bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Wulf. - Aus den Fraktionen liegen derzeit keine weiteren Wortmeldungen vor, sodass jetzt die Landesregierung sprechen kann. Herr Kultusminister Tonne, bitte sehr! Ich erteile Ihnen das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie bereits im Dezember-Plenum deutlich gemacht, enthält der Gesetzentwurf der FDP in der Tat einige richtige Ansätze, mit denen wir uns insbesondere beim nächsten Tagesordnungspunkt noch etwas vertiefter auseinandersetzen können. An anderen Stellen weist er aber in eine völlig falsche Richtung.

Die Debatte hat gezeigt, dass es eine Intention dieses Antrages ist, einen Spaltpilz zwischen die Regierungsfraktionen zu treiben. Das führt in der Konsequenz zu der richtigen Antwort, einen solchen Gesetzentwurf abzulehnen.

Ich will Ihnen einige Beispiele nennen, bei denen Ihre Vorschläge inhaltlich nicht der richtige Weg sind.

Ich beginne beim Thema Inklusion. Das, was Sie in Ihrem Entwurf darlegen, ist keine echte Problemlösung. Sie versuchen damit zu suggerieren: Wenn wir eine Rolle rückwärts machen, dann wird es besser! - Das ist der falsche Weg, zumal wir bei der Inklusion eine Rolle rückwärts überhaupt nicht nötig haben.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei der CDU)

Wir müssen gleichwohl feststellen, dass der Ausbau der inklusiven Schule in den Regionen Niedersachsens unterschiedlich weit vorangekommen ist. Genau dieser Erkenntnis ist der Kompromiss im Koalitionsvertrag geschuldet. Dass das unterschiedlich weit vorangekommen ist, ist doch nun wirklich nichts Besonderes. Selbst in Südtirol und in Skandinavien, wo man seit über 30 Jahren ein inklusives Schulsystem aufbaut, sagt man auch heute noch nicht: Jetzt sind wir endgültig fertig mit der inklusiven Schule.

Wir müssen eben miteinander einen Weg beschreiten. Besonders wichtig ist, dass wir dabei möglichst viele mitnehmen, dass wir niemanden zurücklassen, dass niemand sagen muss: Wir fühlen uns bei eurem Tempo nicht mitgenommen.

Wir brauchen gesamtgesellschaftliche Akzeptanz und einen echten, nachhaltigen Perspektivwechsel. Die Vorstellung der FDP ist, dauerhaft parallele Schulformen an allen Stellen vorzuhalten. Damit würden wir die inklusive Schule als Ganzes aufgeben. SPD und CDU haben gemeinsam gesagt: Wir wollen diesem System mehr Zeit geben, damit sich der Inklusionsgedanke weiter verstetigen kann.

Der Blick der FDP geht bei diesem Gesetzentwurf zurück. Wir sagen: Wir brauchen mehr Zeit, wir brauchen mehr Ressourcen, wir brauchen mehr Aus- und Fortbildung. - Der Blick der Regierungsfraktionen und der Landesregierung geht also nach vorne. Das ist der zentrale Unterschied an dieser Stelle.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Ich greife jetzt noch zwei weitere Punkte heraus:

Erstens: Lehrerarbeitszeit und -besoldung. Wir haben gesagt, wir wollen die Regelungen zur Arbeitszeit von Lehrkräften gemeinsam auf eine zeitgemäße Basis stellen. Darüber müssen wir sprechen. Es geht nämlich um weit mehr als „nur“ um Unterricht. Es geht auch um die Bewertung außerunterrichtlicher Tätigkeiten, und es geht um die Frage, wie Lehrkräfte im Schulalltag wirksam entlastet werden können. Deshalb haben wir mithilfe eines Expertengremiums eine Arbeitszeitanalyse durchgeführt. Diese und zahlreiche weitere Studien bilden eine gute Grundlage für die anstehenden Debatten, die jetzt kommen müssen.

Meine Damen und Herren, die pauschale Forderung, Grund-, Haupt- und Realschullehrkräfte vom 1. August 2018 an nach der Besoldungsgruppe A 13 zu besolden, ist - das wissen Sie, meine Damen und Herren von der FDP - eine populäre Forderung. Diese Forderung ist jedoch finanziell nicht hinterlegt. Sie versprechen an dieser Stelle ein Wolkenkuckucksheim.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Das haben im Wahlkampf doch auch Sie gefor- dert! Spielt das keine Rolle mehr? Herr Kollege, das ist doch Ihr Wahl- programm!)

Auf der einen Seite sagen Sie: Wir vermissen Sparwillen bei der Großen Koalition. - Auf der anderen Seite erzählen Sie uns, das könne man jetzt in einem Schritt umsetzen. Aber bei der Kostenschätzung, die Sie vorlegen, haben Sie sich verrechnet. Das, was Sie hier vorgelegt haben, ist nicht solide.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Wir wollen daher, wie wir es im Koalitionsvertrag zum Ausdruck gebracht haben, einen Stufenplan entwickeln. Ein erster Schritt ist die Anhebung der Besoldung der Schulleitungen aller kleinen Schulen, insbesondere der kleinen Grundschulen, auf A 13.

Damit ist - zweitens - die Brücke zum Thema Grundschule geschlagen. Wir nehmen die Ergebnisse beispielsweise der IQB-Studie sehr ernst. Deshalb wollen wir den Erwerb der Grundkompetenzen Lesen, Schreiben und Rechnen stärken. Dabei geht es nicht nur um die Anzahl der eingesetzten Stunden, sondern vor allem auch um die Qualität und Ergebnisse des Unterrichts. In der Tat werden wir insbesondere die Methode „Schreiben nach Gehör“ kritisch überprüfen. Die Arbeiten dazu sind auch im Ministerium bereits angelaufen. Ich sage Ihnen: Das Thema Grundschule wird in den nächsten Jahren ein Schwerpunkt unserer Arbeit sein.

Es ergeben sich viele Herausforderungen. Die werden wir nur gemeinsam und Schritt für Schritt angehen und lösen können. Ich kann nur davor warnen, hier mit einem Gesetzentwurf den Eindruck erwecken zu wollen, eigentlich könne man das mit einem Fingerschnippen machen. Es ist völlig unrealistisch, eine solche Forderung aufzustellen. Es geht nur Schritt für Schritt.

Wenn wir Vertrauen in diesem wichtigen Bereich der Kultuspolitik gemeinsam aufbauen und verstetigen wollen, dann geht das eben nicht, indem ich sage: „Eigentlich könnte man alles auf einmal!“ - genau das kriegen wir nicht hin -, sondern nur im Laufe dieser Wahlperiode Schritt für Schritt und Jahr für Jahr. Dafür werbe ich. Deswegen wird dieser Gesetzentwurf richtigerweise abgelehnt.