Protokoll der Sitzung vom 25.10.2019

Mit Verlaub: Eine Verfassungsänderung bringt für sich genommen erst einmal gar nichts. Wir schreiben das in die Verfassung als Handlungsauftrag für die Politik. - Da können wir uns auch selbst verpflichten. Für das, was Sie heute tun, brauchen Sie doch keine Verfassungsänderung! Das hat einen politisch wichtigen - wir teilen ja die Einschätzung, dass es aufgenommen werden sollte -, aber eher symbolhaften Gehalt. Es ändert nichts an der konkreten Politik.

In dem Gesetz - das haben Sie ja selbst gesagt - steht eigentlich nichts Konkretes. Sie haben sich dort Ziele gegeben und einen organisatorischen Rahmen geschaffen. Sie haben das Klima-Kompetenzzentrum erwähnt. Da soll ein Maßnahmenprogramm erstellt werden. Sie haben aber eigentlich nur einen Rahmen geschaffen, in dem die Dinge organisiert werden sollen. Materieller Klimaschutz, materielle Klimapolitik ist dort nicht enthalten.

Und um sich Ziele zu setzen, brauchen Sie - das habe ich Ihnen auch schon dieser Tage in der Debatte gesagt - auch kein Gesetz. Diese Landes

regierung hätte sich vom ersten Tag an selbst Klimaziele geben können und all das, was Sie jetzt in diesem Gesetz in den nächsten Schritten machen wollen, längst tun können und hätte das nach meiner Einschätzung längst tun müssen.

Das betrifft insbesondere das Maßnahmenprogramm. Es ist doch ein Witz, dass Sie nach siebeneinhalb Jahren in dieser Landesregierung noch kein Maßnahmenprogramm zum Klimaschutz haben und jetzt sagen: „Wir machen jetzt erst einmal ein Gesetz, und dann kommt unser Maßnahmenprogramm. Das ist unsere erfolgreiche Klimapolitik, mit der wir jetzt unseren Beitrag leisten werden.“ Auch das ist ein Armutszeugnis Ihrer Politik. Eigentlich ist das ein Offenbarungseid, den Sie hier einmal mehr geleistet haben, weil Sie in der Klimapolitik eben nicht tätig geworden sind.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung von Anja Piel [GRÜNE])

Ein weiterer Punkt, der bei all dem, was Sie gesagt haben, völlig offen geblieben ist, ist die Frage, wie das Ganze eigentlich in die Strategie des Bundes oder in die Strategien der Länder eingebettet ist. Ich bin mir sehr sicher, dass Sie, wenn Sie alle Länderstrategien - wenn denn Niedersachsen eines Tages auch eine hat - nebeneinanderlegen, feststellen werden, dass diese nicht kohärent sind und nicht mit dem zusammenpassen, was der Bund als Ziel hat. Da wird es eine Überzeichnung geben, da werden Einsparziele formuliert sein, die weit über das gehen, was der Bund eigentlich vorhat. Denn jedes Land definiert normalerweise für sich immer sehr ehrgeizige Ziele, ohne dass diese aufeinander abgestimmt sind, geschweige denn, dass die systematischen Verstrickungen und Verbindungen, die sich durch Bundes- und Landesrecht ergeben, in den Blick genommen worden sind.

Das ist doch eigentlich die zentrale Aufgabe mindestens der Umweltministerkonferenz, die das das eigentlich leisten müsste, nämlich dass man endlich zu einer aufeinander abgestimmten Strategie des Bundes und der Länder kommt. Auch das ist immer noch nicht der Fall. Deshalb ist zu befürchten, dass das, was Sie uns jetzt im Lande erzählen, am Ende doch ganz anders aussehen müsste, um gemeinsam mit dem Bund - das muss das Ziel sein - und den anderen Ländern tatsächlich voranzukommen.

Meine Damen und Herren, was mir weiterhin in der Klimapolitik hier im Land fehlt, ist eine klare Ausrichtung auf Forschung und Entwicklung. Herr

Schmädeke hat das gerade in seiner Rede in einem Punkt so ein bisschen angesprochen und gesagt, da müsse man jetzt doch einmal vorangehen. Diese Einschätzung teilen wir. Wir müssen da einen Schwerpunkt setzen. Deshalb ist unsere Erwartung zu dem, was im Maßnahmenprogramm kommt - und eigentlich auch zu dem, was sich im Haushalt abbilden muss -, eine wirklich konzertierte Aktion und Initiative der Landespolitik, also der Landesregierung und der regierungstragenden Fraktionen - gerne mit Unterstützung der FDP -, in Forschung und Entwicklung in Niedersachsen.

Niedersachsen ist in dem Bereich der Energietechnologie stark. Wir haben übrigens auch alle geologischen Gegebenheiten, die dafür nötig sind. Wir haben also Riesenkompetenzen. Im Wasserstoffbereich - das räume ich ein - gibt es jetzt auch Initiativen. Aber diese Dinge müssen konzentriert zusammengefasst werden, und es müssen tatsächlich Forschung und Entwicklung vorangebracht werden.

Damit komme ich auf das zurück, was ich eingangs gesagt habe: Nur dann, wenn es gelingt, Wohlstand und Wachstum mit Klimaschutz zu verbinden - und zwar angetrieben durch innovative Technologien -, werden wir in der Klimapolitik auch weltweit erfolgreich sein. Wenn wir daran partizipieren wollen, dann müssen wir die Ideen und diese Entwicklung aus Niedersachsen heraus voranbringen. Das Potenzial ist da. Was ich aber nicht sehe, ist eine zwischen dem Wissenschaftsminister, dem Umweltminister, dem Wirtschaftsminister und allen anderen Ressorts, die davon betroffen sind, abgestimmte Strategie, Forschung und Entwicklung wirklich schwerpunktmäßig zu steuern. Das geht über das VW-Vorab, über alle möglichen Mittel und Instrumente, die wir haben. Da muss man dann entschlossen einen Schwerpunkt bilden, was dann auch bedeutet, andere Dinge zurückzustellen. Für uns sind aber Forschung, Entwicklung und Innovation ein ganz zentraler Punkt in der Klimapolitik, um weltweit erfolgreich zu sein.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, einen Punkt möchte ich wiederholen, damit hier nicht geglaubt wird, der Minister habe uns überzeugt. Der Netzausbau, Herr Minister, ist weiterhin das zentrale Thema. Ich weiß, dass Sie eine andere Auffassung haben, was die Frage angeht, in welchem Zusammenhang Netzausbau und Windenergie stehen. Wir sind der Auffassung, der Ausbau der Windenergie ist den

betroffenen Bürgerinnen und Bürgern solange nicht zu vermitteln, solange nicht sichergestellt ist, dass der Strom, der durch diese Anlagen erzeugt wird, wirklich abgeleitet und zu den Verbrauchsschwerpunkten gebracht wird.

In der Regelzone von Tennet werden jedes Jahr 1 Milliarde Euro gezahlt - am Ende über die Netzentgelte von den Verbraucherinnen und Verbrauchern - für Strom, der nicht abgeleitet werden konnte, als Entschädigung an diejenigen, die das hauptsächlich durch Windkraftanlagen und vielleicht auch ein bisschen über Photovoltaik in den norddeutschen Erzeugungsschwerpunkten produziert haben. Das ist ein Umstand, der nicht haltbar ist. Er ist industriepolitisch nicht haltbar, wenn die Industrie davon betroffen ist, aber natürlich auch nicht für die Verbraucherinnen und Verbraucher und auch nicht im Hinblick auf die Akzeptanz der Energiewende insgesamt.

Gleichzeitig mutet man den Leuten auch noch zu, weitere Windenergieanlagen in ihrem Umfeld zu bekommen, obwohl noch nicht einmal die Frage geklärt ist, wie diese Energie tatsächlich abgeleitet wird. Solange dieses Defizit besteht, kann man den Menschen meines Erachtens nicht ernsthaft und glaubhaft vermitteln, dass ein weiterer Ausbau der Windenergie notwendig und zu fördern ist. Es ist vielmehr notwendig, erst einmal die Hausaufgaben zu erledigen und diese Defizite abzustellen.

Das sind die Eckpunkte, die wir aus unserer Sicht bei der Klimapolitik berücksichtigen müssen, um da endlich einmal zu einer systematischen Regelung zu kommen.

Ich will es noch einmal sagen: Sie versuchen, hier zu suggerieren, diese Landesregierung gehe in der Klimapolitik entschlossen vor. Das ist nichts anderes als der Versuch der Täuschung. Die Fakten sprechen eine andere Sprache.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Dr. Birkner. - Nun folgt für die AfD-Fraktion Herr Abgeordneter Wirtz. Bitte!

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Nun liegt es vor, das Klimapaket der Bundesregierung. Seit Kurzem haben wir auch dasjenige der Landesregierung vorliegen. Im Gegensatz zu der Version der Landesregierung hat

das Paket des Bundes Preise. Die Preisschilder sind dran. Wir wissen nun, was alles kosten soll und was es auch in den nächsten Jahren kosten wird.

Herr Bosse, Sie haben hier inbrünstig betont, wie wichtig das Thema gerade ist und wie wichtig es in Zukunft sein wird. Ich muss Ihnen aber sagen: So funktioniert Ihre etablierte Politik nicht. Auch Ihnen wird das K-Wort bald langweilig werden - vielleicht nicht morgen; vielleicht ist es etwas mehr als eine Eintagsfliege; vielleicht dauert es mehrere Tage. Aber es werden teure Tage für die Bürger werden. Das ist jetzt schon abzusehen.

Auch das Klimakabinett, das Sie beschworen haben, ist endlich. Das Klimakabinett wird es nicht ewig geben. Wir hatten vor vielen Jahren schon einmal eine Klimakanzlerin. Sie hat das Thema irgendwann selber vergessen. Jetzt ist es wieder akut. Diejenigen, die monatelang gestreikt und sich dafür eingesetzt haben, dass ihre Eltern mehr Steuern zahlen, sind jetzt am Ziel. Es wird so kommen.

Der Bundesrechnungshof - das ist genau die Institution, die prüfen soll; dass die Landesregierung ihre Aktionen prüft, hoffe ich sehr und will ich voraussetzen - sagt der Bundesregierung schon jetzt, dass das Paket unsozial ist. Es ist nicht ausgewogen. Es wird für die Geringverdiener und die Rentner härter sein, und es wird diejenigen begünstigen, die schon viel haben. Wer gut verdient und sein Haus saniert, kann das von den Steuern abziehen, die er sonst zahlen müsste. Derjenige wird tatsächlich vielleicht etwas gutmachen und seine Kosten erstattet bekommen. Auf jeden Fall wird er nicht mehr zahlen müssen. Aber das sind immer Schreckworte, die man hier hört.

Wenn Sie „Akzeptanz“ sagen, bauen Sie auch darauf, dass sich das Ganze mit den Jahren ein bisschen abschleift, dass die Leute erlahmen, nicht mehr darüber nachdenken und sich an das gewöhnen, was sie jetzt zusätzlich bezahlen müssen. Das wird auch eintreten. Die Steuervorteile werden natürlich gerne mitgenommen. Die Kosten drohen, wie gesagt, ungerecht verteilt zu werden.

(Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Sie wissen genauso gut, wie wir das an- ders gestalten könnten! Das ist keine Frage des Klimaschutzes!)

Wenn jemand sagt, man solle alle mitnehmen und alle abholen, dann heißt das oft genug auch, man solle alles abnehmen oder alles wegholen. Diese

Maxime würden Sie jetzt natürlich nicht so ausdrücklich vertreten. Aber die kleinen Zahlen, die mit den Jahren größer werden, geben schon eine Tendenz vor.

Auch die Verfassungsgemäßheit ist infrage gestellt worden. Wir sind ein sozialer Rechtsstaat. Es ist durchaus zweifelhaft - da hat der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages zu Recht eingehakt -, ob das Ganze so, wie es jetzt vorgelegt wird, verfassungsgemäß ist. Sie sagen ja auch selber, dass man die sozialen Auswirkungen noch gar nicht abschätzen kann. Sollten sich da Härten herausstellen, ist das, was die Bundesregierung auf den Weg gebracht hat, sehr strittig zu sehen. Folgen hier im Land sollten dementsprechend auch gut beobachtet werden.

Sie sagen selber, dass Sie noch gar nicht wissen, wohin das Geld überhaupt gehen soll. Das ist bei einer Steuererhebung auch nichts Überraschendes. Steuern werden allgemein erhoben und können auch allgemein verwendet werden. Es gibt keine Zweckgebundenheit für Steuern, die man eingenommen hat. Der Staat kann das Geld eintreiben. Wo es bleibt, wissen wir bis heute nicht. Was machen Sie damit? Was wird das Land bzw. die Landesregierung damit machen? Was wird die Bundesregierung mit diesen Steuereinnahmen machen? Da muss keine Vorgabe erfolgen. Das ist jetzt offensichtlich auch noch gar nicht klar.

Was passiert denn zur CO2-Verminderung? Sie hoffen darauf, dass dadurch, dass die Leute einen höheren Preis für ihr Heizöl oder ihr Benzin bezahlen müssen, der Verbrauch sinkt und indirekt dann natürlich auch die CO2-Emissionen zurückgehen werden. Das ist schön über Bande gespielt. Es erinnert mich ein bisschen an das Prinzip bei den Zigarettenschachteln. Trotz der Schockbilder, des Preisschildes und der Steuerbanderole wird natürlich kräftig weitergeraucht.

(Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Es gibt doch einen deutlichen Rückgang!)

Sie verdienen dann als Staat bzw. als Regierung daran, dass die Leute sich Ungesundes antun. So viel wissen wir ja nun über das Rauchen. Aber es wird trotzdem unbekümmert weitergeraucht. Wo die Steuereinnahmen bleiben, ist letztendlich nicht mehr genau zu sagen. Sie müssen auch gar nicht zweckgebunden verwendet werden.

(Ulrich Watermann [SPD]: Sind Sie nicht in der Lage, den Haushalt zu le- sen?)

- Darüber können Sie in den Haushaltsdebatten gerne mit mir reden.

(Ulrich Watermann [SPD]: Das steht da drin!)

Ich habe den Haushalt auch gesehen. Für Maßnahmen zum Ausbau und zur Erweiterung von Moorflächen haben Sie überhaupt keinen Ansatz aufgenommen. Das hätte die Landesregierung schon längst machen können, wenn sie tatsächlich Geld für die CO2-Senkung ausgeben wollte. Das wäre eine konkrete Maßnahme gewesen. Sie sind bei 0 Euro, hoffen und freuen sich aber schon auf die neuen Einnahmen. Na ja, es ist vielleicht ein bisschen zu wenig dargestellt, was Sie da eigentlich vorhaben.

Hier klang auch schon die Maßgabe mit dem Abstand von 1 000 m für neue Windenergieanlagen an - gleich mit Opt-out, also der Möglichkeit, diese 1 000 m zu unterschreiten, wenn die Länder das jeweils für sich beschließen. Ich hoffe, dass unser Land das nicht beschließt.

Ich fand es eine interessante Formulierung, dass es als unsinnig bezeichnet wird, wenn Menschen die großen Windräder - 200 m Nabenhöhe, bis zur höchsten Rotorspitze vielleicht sogar über 260 m hoch - nicht vor ihrer Haustür haben wollen. Ich weiß nicht, wo Sie wohnen, Frau Byl. Holen Sie sich mal solch ein Ding vor die Tür!

(Zuruf von Imke Byl [GRÜNE])

Dann wären Sie wahrscheinlich sogar froh, wenn es nicht nur 1 000 m Abstand wären, sondern 10 H, also die zehnfache Höhe. Da kommen Sie noch lange nicht hin. Aber das ist natürlich auch nicht die Vorschrift in diesem neuen Gesetz.

(Johanne Modder [SPD]: Sagen Sie doch mal, wie Sie die Energiewende gestalten wollen! Sagen Sie das doch bitte mal! - Weitere Zurufe - Unruhe - Glocke der Präsidentin)

1 000 m sind herzlich wenig, wenn eine große Windanlage vor Ihrer Nase gebaut wird. Wir haben schon so halb gehört, Herr Lies solle die 1 000 m hier bitte auch unterschreiten. Dort, wo es vielleicht angebracht ist, darf es dann auch weniger Abstand zur Wohnbebauung sein. Das wäre schade; denn der Abstand ist eigentlich das, was für Bürger am

wichtigsten ist. Ob die TA Lärm dann eingehalten wird, ist eine zweite Frage.

(Zurufe von Ulrich Watermann [SPD] und Wiard Siebels [SPD])

Jeder, der eine Windanlage einmal aus der Nähe erlebt hat, weiß, dass das Ding nicht leise ist und dass es auch nicht emissionsfrei ist; auch Lärm ist eine Emission. Das Ganze ist keine harmonische, idyllische Naturinstallation, sondern eine Industrieanlage. Sie arbeitet auch so, und sie hört sich auch so an.

Eines ist beim Thema Windkraft natürlich wirklich unsinnig: die Dinger hinzustellen, ohne dass man Stromleitungen hat, um den erzeugten Strom einzuspeisen. Das ist unsinnig. Sie können das gerne betonen, Frau Byl. Das haben Sie jetzt aber wahrscheinlich wieder vergessen - leider.

(Anja Piel [GRÜNE]: Frau Byl ist nicht vergesslich! - Johanne Modder [SPD]: Was sind denn Ihre Vorschläge? Ma- chen Sie mal einen Vorschlag, wie Sie es gestalten wollen!)