Protokoll der Sitzung vom 19.11.2019

(Zurufe von Karin Logemann [SPD] und Stefan Wenzel [GRÜNE])

„Die Landesregierung begrüßt das im Vertrag von Lissabon verankerte Subsidiaritätsprinzip …“

Das schrieben Sie, verehrte Damen und Herren von der FDP und von der CDU, in Ihrer Koalitionsvereinbarung von 2008. Wie haben Sie diese Regierungsperiode genutzt, um die Subsidiarität zu stärken? Wo ist die nationale Verantwortung, und was haben Sie für den Grundwasserschutz getan?

Es ist fast auf den Tag genau sieben Jahre her: Im November 2012 hat der Niedersächsische Landtag in einer Zweitberatung die Anträge „Überdüngung … verhindern“ von den Grünen, „Schutz des Grundwassers …“ von der Linken und „Grundwasser in Gefahr …“ von der SPD diskutiert. In der Regierungsverantwortung empfanden weder CDU noch FDP die Lage als dramatisch - ein weichgespülter Änderungsantrag, bei der EU eine Fristverlängerung beantragt, alles fein. Der Bonus, keinem Wähler wehtun zu müssen, blieb erhalten. Problemlösungen waren nicht in Sicht.

Die damalige Landesregierung wurde gefragt, ob sie die EU-Wasserrahmenrichtlinie in Bezug auf die Nitratbelastung fristgemäß umsetzen werde und, wenn nein, bis wann sie das mit welchen Maßnahmen schaffen will. Die Antwort in der Drucksache 16/5525 ist sehr spannend: Aufgrund der natürlichen Bedingungen werde die Wirkung der seit 2010 begonnenen Maßnahmen erst mit einer bis zu Jahrzehnten dauernden Verzögerung messbar sein. Eine Festlegung, bis wann diese Ziele erreicht werden sollen, erfolgte nicht. Im Jahr 2015 - in der nächsten Legislaturperiode natürlich - sei festzustellen, ob eine Zielerreichung bis 2021 möglich sei. - Sie wussten Bescheid, Sie alle!

Schauen wir uns jedoch die eigentliche Faktenlage an. Wie schafft man Probleme? Dazu muss man ich die Geschichte der Nitratgrenzwerte betrachten:

Im Jahr 1982 berichtete der Stern über Nitratwerte von über 300 mg/l im Trinkwasser. Das bot Anlass, über eine Reduzierung von Grenzwerten nachzudenken. Welche Art von Gesundheitsschäden sind aus dieser Zeit durch das Nitrat im Trinkwasser bekannt? Meines Wissens keine. Bis zum Jahr 1986 betrug der Grenzwert für Trinkwasser in Deutschland noch 90 mg/l. Ab diesem Zeitpunkt wurde er auf 50 mg/l abgesenkt. Seinerzeit verkündete das Bundesgesundheitsamt zur Verschärfung des Grenzwerts, im Trinkwasser enthaltenes Nitrat habe in Konzentrationen bis zum früheren Grenzwert - 90 mg/l - zu keiner nachweisbaren Gesundheitsschädigung in der Bevölkerung geführt.

Damit dürfe klar sein, dass die aktuelle Darstellung des EU-Grenzwertes als „Giftigkeitsgrenze“ - Bezeichnung durch das Umweltbundesamt - aufgrund toxikologischer Erkenntnisse im besten Fall als irreführend bezeichnet werden könne. Die aktuellen Fragestellungen bezüglich zu hoher Nitratwerte sind künstlich hervorgerufen und grundsätzlich dadurch entstanden, dass die EU die hohen Lebensmittelqualitätsstandards auch für das Grundwasser verpflichtend gemacht hat.

Die deutschen Nitratmessstellen: Laut dem letzten Nitratbericht aus dem Jahr 2016 hat Deutschland, bezogen auf 1 Million ha, ca. 42 Nitratmessstellen. Im Vergleich dazu hat Malta 3 727 Nitratmessstellen. Jede deutsche Nitratmessstelle deckt damit eine Fläche von mehr als 23 800 ha ab. Die durchschnittliche Größe eines landwirtschaftlichen Betriebes in Niedersachsen beträgt 70 ha. Somit teilen sich Hunderte landwirtschaftliche Betriebe in Niedersachsen mit allen anderen möglichen Nitrateintragsquellen eine Nitratmessstelle.

Die jetzigen Rahmenbedingungen führen zu einer umfassenden Kollektivhaftung. Dass nach Angaben z. B. in unserem Nachbarbundesland Hessen über 10 % der Nitratmessstellen fehlerhaft sind, bestätigt die politische Agrarkatastrophe. Diesem Problem muss vor der Festlegung der „roten Gebiete“ in Niedersachsen dringend auf den Grund gegangen werden.

Ein aussagekräftiger Gesamtwert für die Nitratbelastung im Grundwasser existiert nicht. Jede Grundwassermessstelle wird in unterschiedlicher Höhe, zu unterschiedlichen Zeiten und in unter

schiedlichen Häufigkeiten beprobt. Das kann keine gleichwertige Messung in irgendeiner Form mit Relevanz ergeben. Das ist wieder mal ein gutes Beispiel dafür, wie man Grenzwerte so lange willkürlich reduziert, bis ein System zusammenbricht - CO2, Stickstoff und eben auch Nitrat.

Verlangen wir wissenschaftliche Beweise und zeigen der EU bis zu deren Erbringung die Rote Karte!

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank, Frau Guth. - Es folgt für die CDUFraktion Herr Abgeordneter Dammann-Tamke. Bitte!

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! In Zeiten, in denen Hunderte oder sogar einige Tausend Landwirte in Niedersachsen auf die Straße gehen und demonstrieren, haben auch wir hier im Parlament eine besondere Verantwortung, uns mit diesen Themen auseinanderzusetzen.

Herr Kollege Grupe, für mich ist die Basis unseres Handelns das, was die Landwirtschaftskammer Niedersachsen in ihrem 6. Nährstoffbericht veröffentlicht. Dieser Nährstoffbericht ist auch von dem Kammerpräsidenten Gerhard Schwetje unter

schrieben. Sie sind Mitglied der Kammerversammlung. Von daher gehe ich davon aus, dass Sie jeden Satz, jeden Wert und jede Form von Daten, die ich gleich bringen werde, sicherlich unterstützen werden.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Ich beginne mit dem Hinweis darauf, dass dieser 6. Nährstoffbericht der Landwirtschaftskammer

Niedersachsen das aktuell gültige Düngerecht aus dem Jahr 2017 berücksichtigt. Ich zitiere aus dem Fazit dieses Düngeberichtes:

„Der 6. Nährstoffbericht zeigt, dass in Niedersachsen nach wie vor ein erhebliches Nährstoffüberschussproblem besteht.“

Im letzten Absatz des Fazits heißt es - ich zitiere weiter -:

„Die Anstrengungen müssen zuvorderst weiter in die Richtung gehen, die Phosphor-

und Stickstoffeinträge durch konsequent am Bedarf ausgerichtete Düngung der Pflanzen zu vermindern. Um dieses Ziel zu erreichen, ist es auch notwendig, die Transparenz der organischen und mineralischen Nährstoffströme herzustellen. Hierzu soll die Umsetzung von § 13 Abs. 6 der Düngeverordnung genutzt werden, um in einer von der Landwirtschaftskammer entwickelten Datenbank die notwendigen Daten zu erfassen.“

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn jemand in einer solchen Demonstration wie gestern zu dem Programm ENNI einwirft, das seien Stasi-Methoden, dann erwarte ich von jedem Demokraten, dass er deutlich macht, dass er hinter diesem von der Landwirtschaftskammer erarbeiteten Pro

gramm, das mehr Transparenz bringt, steht und solchen Anschuldigungen konsequent entgegentritt.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD sowie Zustimmung bei den GRÜNEN)

Ich habe angesichts der Redezeit von fünf Minuten nicht viel Zeit, um hier in Details der Problematik einzusteigen. Aber die Landwirtschaftskammer zeigt uns auch 50 000 t Minderungsbedarf Stickstoff - nach § 3 Abs. 3 der Düngeverordnung errechnet. Es gibt noch eine andere Methode, sich dem Überschusswert über das Basis-Emissionsmonitoring zu nähern und anhand der potenziellen Nitratkonzentration des Sickerwassers darauf zu schließen, welchen Minderungsbedarf wir in die Fläche Niedersachsens bringen müssen. Dieser Wert lautet 56 000 t. Die Werte liegen also gar nicht weit auseinander.

Im Ergebnis - da weise ich wieder auf den Nährstoffbericht hin - ist in 21 Landkreisen eine mittlere Nitratkonzentration im Sickerwasser von über 50 mg Nitrat anzunehmen.

Jetzt habe ich noch nichts zu irgendwelchen Messwerten in Messstellen, Brunnen oder sonst wo gesagt. Wir müssen einfach feststellen, dass wir einen Nährstoffminderungsbedarf in Bezug auf die Gesamtfläche Niedersachsens haben.

Herr Kollege Dammann-Tamke, darf ich Sie kurz unterbrechen? Herr Kollege Grupe bittet darum, eine Frage stellen zu können.

Herr Grupe, gern.

Bitte, Herr Kollege!

Vielen Dank, lieber Kollege Dammann-Tamke.

Vorab: Ich kann allem, was Sie gesagt haben, voll und ganz zustimmen.

Weil Sie von 50 000 t Überschuss gesprochen haben, frage ich Sie, ob wir uns dann völlig einig sind, dass wir die organischen Düngemittel besser im Lande verteilen müssen, um in den Regionen, in denen wir diese organischen Dünger nicht haben, Mineraldünger einsparen zu können und ob wir das Problem auf dem Wege lösen sollten. Sind wir uns auch einig, dass die Düngeverordnung bisher das Gegenteil bewirkt hat, nämlich eine schlechtere Verbringung im Lande?

Danke. - Bitte!

Die Uhrzeit ist gerade weitergelaufen.

Wir haben das hier oben im Griff!

Lieber Kollege Grupe, ohne Frage haben die Zahlen, die ich gerade genannt habe, den Saldo, bezogen auf die Gesamtfläche, aufgezeigt. Fakt ist: Wir haben in einigen Regionen unseres schönen Bundeslandes ein stärkeres, weil intensiveres Überschussproblem als in anderen. Ich gebe Ihnen dahin gehend recht, dass wir die Verbringungsmodalitäten und auch die Anrechenbarkeit so gestalten müssen, dass es auch weiter im Sinne eines Nährstoffkreislaufs attraktiv ist, diese Überschüsse in der Fläche zu verteilen. Aber - das sollten Sie wissen, weil ja auch Sie diesen Nährstoffbericht offensichtlich aufmerksam gelesen haben - wir haben nicht genug Fläche in Niedersachsen, um alle diese Überschüsse auszugleichen. Wir müssen sogar Nährstoffe in andere Bundesländer exportieren.

So, jetzt würde ich gern weiter ausführen.

Genau das können Sie jetzt.

Die Uhr ist schon wieder weitergelaufen.

Wir haben das hier oben im Blick!

Wir halten also fest: Unabhängig davon, was wir an Stickstoff im Grundwasser in welchem Horizont auch immer feststellen, haben wir einen erheblichen Minderungsbedarf in der Landwirtschaft. Dieser Minderungsbedarf sinkt seit 2014, 2015 kontinuierlich. Das ist eine sehr gute Entwicklung. Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass wir im Rahmen des Basis-Emissionsmonitorings, in dem wir Daten von 2013 haben, in dem wir Daten von 2016 haben und in dem wir die nächste Datenerhebung auf der Basis von 2019 haben werden, aufzeigen können, dass diese Überschüsse in den verschiedenen Regionen kontinuierlich sinken. Das ist gut so.

Bezogen auf das Messstellennetz spielen einzelne Brunnen bei der Teildifferenzierung eine zentrale Rolle. Deshalb schauen Landwirte mit einer besonderen Aufmerksamkeit auf die Faktoren, welche hohe Nitratwerte erklären könnten. Dabei gibt es in einer Reihe von Fällen in meinen Augen und in den Augen meiner Fraktion berechtigte Zweifel dahin gehend, ob die landwirtschaftliche Bewirtschaftung als Verursacher zu identifizieren ist. Sollte sich dies bestätigen, würde dieser Brunnen das Kriterium „repräsentativ“ definitiv reißen. Meine Fraktion steht an der Seite derer, die hier Fragen aufgeworfen haben. Wir sind deshalb mit dem Beschluss der Landesregierung zu Nr. 2 der Beschlussvorlage der gestrigen Kabinettsvorlage ausdrücklich zufrieden.

Verhandlungen auf der Bundesebene mit der Kommission müssen ganz klar darauf ausgerichtet sein, dass wir die Minus-20-%-Regelung wegbekommen. Das ist auch Konsens in der Agrarministerkonferenz. Die Restriktionen beim Grünland sind absolut infrage zu stellen, und wir brauchen die Option der Düngung der Zwischenfrucht im Herbst analog zu Körnerraps.