Protokoll der Sitzung vom 20.11.2019

(Christian Meyer [GRÜNE]: Er kommt aus NRW! - Anja Piel [GRÜNE]: Er kommt aus NRW! Ja, wirklich! Im Ernst!)

- Ich darf um Ruhe bitten!

Frau Guth, fahren Sie fort!

Danke schön.

Die Wiedervereinigung und Ihre Reaktion darauf lassen mich ein wenig an den Zauberlehrling denken: „Die Geister, die ich rief...“ 30 Jahre nach der Wende ist die Mauer in den Köpfen zwischen Ossis und Wessis immer noch da.

(Johanne Modder [SPD]: Wer hat Ihnen denn das aufgeschrieben? - Weitere Zurufe von der SPD - Zuruf von Anja Piel [GRÜNE])

Die Hoffnungen des Ostens haben sich nicht erfüllt. Ein Volk auf Augenhöhe mit gleichen Lebensbedingungen und gegenseitigem Respekt scheint weiter entfernt als 1989.

(Ulrich Watermann [SPD]: Sie sind ja sehr respektvoll!)

Herr Watermann!

Die Enttäuschung des Westens über die mangelnde Dankbarkeit bricht sich Bahn. Dunkeldeutschland, Menschen mit falscher Sozialisation, Menschen mit falschem Demokratieverständnis, jede Menge Nazis, die Ihre Vorstellung von bunt einfach nicht teilen wollen.

Eine Demokratie, meine Damen und Herren, zeichnet sich in erster Linie durch ein Recht aus: das Recht, frei zu wählen. Genau das nehmen die Menschen im Osten wahr. Sie sollten sie nicht verurteilen, nur weil Ihnen das Ergebnis nicht gefällt. „Wir sind ein Volk!“ - mit diesem Ruf wurde eine Mauer eingerissen, ein Todesstreifen beseitigt, und aus Deutschland wurde wieder ein gemeinsamer Staat.

Wir als AfD freuen uns darüber, dass Deutschland wiedervereinigt ist. Daran wird auch die peinliche Veranstaltung einer Angela Merkel am Brandenburger Tor nichts ändern. Wir sind stolz auf ein starkes Deutschland und möchten schwarz-rotgoldene Fahnen auch künftig nicht nur beim Fußball sehen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank. - Für die CDU-Fraktion hat nun Herr Fraktionsvorsitzender Toepffer das Wort. Bitte!

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! 30 Jahre, nachdem die Mauer gefallen ist und die innerdeutsche Grenze geöffnet wurde - das ist für uns ein Grund zur Freude. Und diese Freude, liebe Frau Guth, lassen

wir uns auch durch Ihre Miesmacherei nicht nehmen!

(Beifall bei der CDU, bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Um gleich einzusteigen: Ja, dieser Anlass ist gefeiert worden. Er ist auch hier im Niedersächsischen Landtag gefeiert worden. Ich danke der Präsidentin für das wirklich beeindruckende Jugendforum, das wir hier am 6. November mit Jugendlichen aus Sachsen-Anhalt und Niedersachsen gefeiert haben. Leider ohne die AfD! Ihnen war das offensichtlich nicht gut genug - wir saßen mit den jungen Menschen zusammen. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der FDP - Anja Piel [GRÜNE] - an Dana Guth [AfD] -: Von Ihnen war keiner da, Frau Guth!)

Ich glaube nicht, dass es noch mehrerer Festakte bedurft hätte. Festakte haben immer etwas so Prosaisches. Man ist sich einig, man betont das Gemeinsame, und das Trennende lässt man weg. Aber sprechen wir doch ruhig auch mal über das Trennende! In einem Parlament darf man ja auch mal streiten, und das ist auch richtig, gerade wenn man Lehren aus der deutschen Geschichte ziehen will.

Ich fange selbstkritisch an. Vor dem Mauerfall stand die deutsche Teilung. Die deutsche Teilung ist Folge des Zweiten Weltkriegs, und dieser wiederum ist Folge der Machtergreifung der Nationalsozialisten in den 30er-Jahren. Das haben wir hier nicht vergessen. Wir als CDU, die wir in der Nachfolge der bürgerlichen Parteien stehen, wissen sehr genau, dass die Rolle der bürgerlichen Parteien in der Weimarer Republik keine glanzvolle war. Aber wir ziehen daraus die Verpflichtung, dass wir sehr genau darauf achten, dass sich so etwas nie wiederholt. Deswegen sind wir ganz vorsichtig beim Blick nach rechts, beim Blick auf Radikalismus und Nationalismus.

(Lebhafter Beifall bei der CDU, bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der FDP)

In diesen Tagen wird häufig darüber gestritten, wem wir denn nun diese friedliche Revolution in der DDR zu verdanken haben, ob es Kohl war, ob es Genscher war oder wer auch immer. Ich will mich da nicht anschließen.

(Dana Guth [AfD]: Das waren die Menschen auf der Straße!)

Im Wesentlichen waren es nämlich die Menschen auf der Straße! Da sind wir uns einig. Das war eine friedliche Revolution.

Aber was eigentlich braucht so eine Revolution? - Eine Revolution braucht eine Hoffnung, eine Idee vom freien Leben, von einer besseren Welt. Und eine Revolution braucht Menschen, die solche Ideen nähren, die die Hoffnung geben, dass eine solche Revolution funktionieren kann.

Und da muss man gucken, woher das kam. Meine persönliche Meinung ist, dass der Anteil der Vereinigten Staaten von Amerika an dieser Stelle nicht zu unterschätzen ist. Sie waren es, die mit dem Marshallplan angesetzt und mit der Luftbrücke die Hoffnung gesetzt haben. Der Höhepunkt war Ronald Reagan, der sich auf einem Holzgerüst vor die Mauer stellte und sagte: Gorbatschow, reiß diese Mauer auf und öffne dieses Tor! - Das werden wir nie vergessen.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Gerade deshalb, Frau Guth, sehen wir mit Sorge auf die neue Außenpolitik der USA, die nämlich eine ganz andere ist. Wenn man Ihr Parteiprogramm liest, dann merkt man, dass es dieser neue Außenpolitik der USA unglaublich ähnlich ist. Sie betonen in Ihrem Programm, dass eine Außenpolitik nach deutschen Interessen ausgerichtet werden müsse. Wahrscheinlich meinen Sie „ausschließlich“; denn wenn man weiterliest, liest man auch etwas vom strikten Einhalten des Grundsatzes der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten.

Ich will Ihnen einmal sagen: Ohne die Einmischung der Vereinigten Staaten von Amerika und anderer hätte es den Mauerfall niemals gegeben.

(Lebhafter Beifall bei der CDU, bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Wir sind für diese Einmischung dankbar, weil damit die Hoffnung für diese friedliche Revolution genährt worden ist, ohne die wir diesen Mauerfall niemals erlebt hätten.

Ich will Ihnen eines sagen: Wir werden uns auch weiter einmischen, aber ganz anders als Sie. Wir haben die historische Wahrheit begriffen. Wir werden weiterhin darauf verzichten, syrische Diktatoren zu hofieren. Wir werden weiterhin Verletzungen des Völkerrechts und die Annexion der Krim kritisieren. Wir werden weiter für die Pressefreiheit

in der Türkei kämpfen. Wir werden uns weiter für Rechtsstaatlichkeit in Polen und Ungarn einsetzen. - Wir werden uns einmischen, und das unterscheidet uns von der AfD.

(Lebhafter Beifall bei der CDU, bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Der Nationalismus hat sicherlich nicht mit der deutschen Wiedervereinigung begonnen. Aber die Form eines Nationalismus der Isolation, wie Sie ihn predigen - also ohne Rücksicht auf andere und mit einer Politik, in der wir wirklich nur auf das gucken, was vor unserer Haustür geschieht -, werden wir nicht machen. Diese Politik nährt keine Revolution, diese Politik hätte auch die deutsche Wiedervereinigung niemals ermöglicht.

Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der CDU, bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Toepffer. - Für die FDP-Fraktion hat nun Herr Kollege Försterling das Wort. Bitte!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

„Als die Soldaten gegen 14.30 Uhr abzogen, näherten sich erneut zahlreiche Menschen dem Gebäude, um die Inhaftierten herauszuholen. Doch diesmal schossen die wachhabenden Polizisten getreu den Anweisungen aus Berlin direkt in die Menge, noch vor der offiziellen Verhängung des Ausnahmezustands. Der 19-jährige Dieter Teich, der als Hilfsarbeiter bei der Leipziger Straßenbahn beschäftigt war, brach tödlich getroffen zusammen.“

Diese Schilderung des 17. Juni 1953 in Leipzig aus dem gleichnamigen Buch von Hubertus Knabe macht deutlich: Der Herbst des Jahres 1989 hätte auch einen anderen Ausgang haben können. Wir dürfen, ja, wir müssen dankbar dafür sein, dass sich die Geschichte an dieser Stelle nicht wiederholt hat.

(Beifall bei der FDP, bei der SPD, bei der CDU und bei den GRÜNEN)

Für mich gehört der 17. Juni 1953 untrennbar zur Geschichte der friedlichen Revolution von 1989.

Wir erinnern uns in diesen Tagen an die Zeit vor 30 Jahren: historisch, politisch und vor allem natürlich auch immer ganz persönlich. Als sich im Jahr 1989 die Menschen in Kirchen versammelten und dann diese und andere Schutzräume verließen, um auf die Straßen zu gehen und gegen das undemokratische System des DDR-Unrechtsstaats zu demonstrieren, waren darunter eben auch viele, die eigene oder familiäre schmerzhafte, schreckliche und angstbesetzte Erinnerungen an die Tage des 17. Juni 1953, nur 36 Jahre zuvor, hatten. Vor diesem Hintergrund kann man den Mut dieser Menschen nicht genug wertschätzen, schon gar nicht als jemand, der auf der anderen Seite der Grenze in Freiheit aufwachsen durfte.

In Niedersachsen haben rund um die Grenzöffnung viele Veranstaltungen stattgefunden. Die Landtagspräsidentin hat ein beeindruckendes Jugendforum veranstaltet. Der ehemalige Landtagsvizepräsident Ernst-Henning Jahn erinnerte am Grenzübergang Mattierzoll an die Grenzöffnung. Der Landtagvizepräsident Frank Oesterhelweg erinnerte diese Woche noch an die Grenzöffnung in Hornburg.

Aber wenn es darum geht, den Mauerfall und noch viel mehr die vorhergehende friedliche Revolution zu feiern und der Geschichte zu danken, dann müssen wir diejenigen würdigen, die nicht in Freiheit lebten und die um die Gefahr für das eigene Leben wissend den Mut fanden, für diese Freiheit auf die Straße zu gehen.

Es ist daher richtig gewesen, diese Feierlichkeiten in unserem Nachbarland Sachsen-Anhalt, in der Gedenkstätte Marienborn, zu begehen. Wir haben nicht in Niedersachsen etwas gefeiert, wofür die Menschen in der DDR eingetreten sind und was sie geleistet haben, sondern wir haben in Sachsen-Anhalt mit unseren Freunden aus SachsenAnhalt vereint die Menschen gewürdigt, die voller Mut und Hoffnung für die Freiheit auf die Straße gegangen sind.

Dadurch wurde dann auch die Entwicklung der Jahre 1989, 1990 und folgende ermöglicht. Damals wurde aus dem Slogan „Wir sind das Volk“ der tausendstimmige Ruf „Wir sind ein Volk“. Die Grenze, die 1989 gefallen ist, darf uns gerade bei der Feier dieses Ereignisses nicht trennen. Deswegen war es richtig, mit den Freunden aus Sachsen-Anhalt zu feiern. - Einen Vertreter der AfD habe ich bei dieser Veranstaltung allerdings nicht angetroffen. So wichtig kann es Ihnen also nicht gewesen sein.