Noch schlimmer wird es, wenn man sich in die Richtlinie der Bundesärztekammer einarbeitet, die am 7. August 2017 wie folgt formuliert:
„Zeitlich begrenzt von der Spende zurückzustellen sind Personen, deren Sexualverhalten ein gegenüber der Allgemeinbevölkerung deutlich erhöhtes Übertragungsrisiko für durch Blut übertragbare schwere Infektionskrankheiten“
„heterosexuelle Personen mit sexuellem Risikoverhalten, z. B. Geschlechtsverkehr mit häufig wechselnden Partnern, Personen, die Sexualverkehr gegen Geld oder andere Leistungen... anbieten“.
„Männer, die Sexualverkehr mit Männern haben..., transsexuelle Personen mit sexuellem Risikoverhalten“.
Seitdem dürfen MSM und transgeschlechtliche Menschen nach einer Wartefrist von zwölf Monaten seit dem letzten Sexualverkehr spenden.
Verordnete Enthaltsamkeit! Ehrlicherweise muss man fragen: Wer will das denn nachprüfen? - Eine total lebensfremde Annahme, die weit über das medizinisch Nötige hinausgeht!
Richtig wäre für uns eine eingehende medizinische Beurteilung des potenziellen Spenders. Weiterhin davon auszugehen, dass alle Männer, die mit Männern Sex haben, gleich zur Risikogruppe gehören und zwölf Monate bis zur Spende warten müssen, ist zutiefst diskriminierend für diese Gruppe.
Aber es geht ja noch weiter. Bei Transsexualität wird weiterhin pauschal behauptet, dass diese Personengruppe einem erhöhten HIV-Risiko ausgesetzt sei, da sich viele transgeschlechtliche Menschen prostituierten. Zitat aus den Erläuterungen zum Blutspende-Ausschluss:
„Da sich viele Transsexuelle, die eine vollständige Geschlechtsumwandlung anstreben, beruflich ausgegrenzt und gesellschaftlich diskriminiert fühlen, arbeiten viele als Prostituierte, um auf diese Weise nicht nur den Lebensunterhalt zu verdienen, sondern auch die Operationskosten zu erwirtschaften.“
Gleich im nächsten Satz heißt es: „dazu liegen... keine Statistiken vor“. - Ich finde das unfassbar und musste es wirklich mehrfach lesen.
Wir können uns doch wirklich alle darüber einig sein, dass nicht die sexuelle oder geschlechtliche Identität beim Infektionsrisiko eine Rolle spielt, sondern das tatsächliche Risikoverhalten. Ungeschützter Sexualverkehr, häufig wechselnde Partnerinnen und wechselnde Partner beim Sexualverkehr sowie Prostitution werden gesondert in der Richtlinie „Hämotherapie“ abgefragt. Das heißt, sie sind von Anfang an schon raus. Es ist aufgrund des Sexualverhaltens auch richtig so, dass man da ein bisschen genauer hinguckt. Aber das wirklich unabhängig von der geschlechtlichen Identität!
Natürlich hat beim Blutspenden die Sicherheit der Empfängerinnen und Empfänger absolute Priorität. Eine umfassende Befragung der Spenderinnen und Spender sowie Auskunft über das Sexualver
Wir finden, dass die Beurteilung über die geschlechtliche Identität eine nicht hinnehmbare Diskriminierung ist, und würden das gern mit unserem Antrag ändern.
Ich fände es auch gut - das vorab -, wenn das Ministerium erst mal in der nächsten Ausschusssitzung berichtet. Ich freue mich auf konstruktive Ausschussberatungen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir alle wissen, wie wichtig ein ausreichender Vorrat an Blutkonserven ist, um im Notfall Leben zu retten. Ich war ganz überrascht, als ich die Zahlen des Deutschen Roten Kreuzes las: 80 % der Bundesbürger benötigen tatsächlich einmal im Leben eine Blutkonserve. Wenn ich mich so umgucke, dann kann es jeden von uns irgendwann in unserem Leben erwischen.
Wir haben in dem Antrag gelesen, dass in Deutschland etwa 14 000 Blutspenden benötigt werden, und zwar täglich. 14 000 Blutspenden täglich! Doch nur 2 bis 3 % unserer Bevölkerung spenden regelmäßig Blut. Deshalb kommt es regelmäßig, insbesondere aber in den Sommer- und Ferienmonaten, zu Engpässen in der Blutversorgung. Die Situation wird sich zukünftig vermutlich noch verschlechtern; denn die Anzahl der aktiven Blutspender, die altersbedingt oder durch Erkrankung ausscheidet, ist höher als die Anzahl der neu hinzukommenden Spenderinnen und Spender. Wir können es uns also überhaupt nicht leisten, auf nur einen einzigen Spender zu verzichten.
Doch leider gibt es Regelungen, die die Zahl der potenziellen Spender unnötig begrenzen. Zu lesen sind sie - Frau Bruns hat es eben schon erwähnt - in der Richtlinie „Hämotherapie“ der Bundesärztekammer oder auch im Transfusionsgesetz.
Wie im vorliegenden Antrag und von Frau Bruns eben auch erläutert, werden sowohl Männer, die Sex mit Männern haben, als auch transgeschlechtliche Menschen erst zu einer Blutspende zugelassen, wenn sie zwölf Monate lang keinen Sexualverkehr hatten. Diese Forderung ist schlichtweg lebensfremd. Darüber müssen wir überhaupt nicht diskutieren.
Würde das für jeden Blutspender zutreffen, hätten wir in einer Woche in ganz Deutschland keine Blutkonserven mehr.
Vor allem, auch das wurde vorhin schon erwähnt, ist das natürlich stark diskriminierend; denn ihnen wird allein aufgrund ihrer sexuellen oder geschlechtlichen Identität per se ein Risikoverhalten unterstellt. Die Behauptung, viele transsexuelle Menschen würden sich prostituieren - da teile ich deine Meinung, liebe Sylvia -, ist einfach nur empörend. Eine haltlose Verallgemeinerung!
Meine Damen und Herren, da das Empfangen von Blutspenden zweifellos mit Risiken behaftet ist, müssen diese Risiken einer Infektion selbstverständlich so weit wie nur irgend möglich minimiert werden, und es bedarf durchaus sehr strenger Kontrollen. Zum einen wird das bereits gespendete Blut nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen untersucht und auf viele Dinge wie Hepatitis A, Hepatitis B, Hepatitis C, HIV und Syphilis getestet. Das geschieht. Zum anderen ist es natürlich unbedingt erforderlich, dass auch zukünftig Befragungen potenzieller Spender stattfinden, Befragungen nach risikobehaftetem Sexualverhalten, nach häufig wechselnden Sexualpartnern oder ungeschütztem Sexualverkehr, aber eben nicht nach sexueller Orientierung.
Individuelles Risikoverhalten soll und muss daher auch zukünftig zum Ausschluss von Blutspendern führen. Jedoch sollte die medizinische Beurteilung zur sicheren Gewinnung von Blut und Blutbestand
teilen heutzutage ganz sicher nicht mehr von der sexuellen oder geschlechtlichen Identität abhängig gemacht werden.
Danke schön, Frau Joumaah. - Für Bündnis 90/Die Grünen erhält jetzt Kollegin Julia Willie Hamburg das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Bruns, ich möchte mich herzlich für Ihren Antrag bedanken; denn es ist tatsächlich wichtig, dass wir diese Diskriminierung endlich beenden. Ich möchte auch Ihnen, Frau Joumaah, herzlich für Ihren Redebeitrag danken. Ich kann mich Ihnen beiden nämlich nur anschließen. Auch wir Grüne fordern seit Jahren, dass diese diskriminierende Praxis im Bereich der Blutspende beendet wird, zum einen, weil es wichtig ist, ausreichend Blutspenden zu haben, zum anderen aber auch, weil wir strukturelle Diskriminierung in solchen Fragen nicht dulden dürfen.
Ich gebe Ihnen völlig recht. Die Ausführungen der Bundesärztekammer sind schockierend und müssen entschieden zurückgewiesen werden; denn tatsächlich, das haben Sie schon gesagt, sagen sexuelle Orientierung und Identität nichts über das Risikoverhalten bei der Blutspende aus.
Es gibt zwar ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs, welches besagt, klar kann man Menschen die Teilnahme an der Blutspende verwehren, aber es besagt auch, dass man es der betreffenden Person explizit nachweisen muss. Obwohl diese Richtlinie geändert wurde, müssen wir festhalten, dass das in dem Bereich nicht geschehen ist. Das können wir als Landtag nicht dulden. Deswegen freue ich mich auf ein großes geschlossenes Zeichen, das wir gemeinsam angehen, dass die Regelungen hier endlich verändert werden.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die wichtigen Stichworte sind von meinen Vorrednerinnen alle schon genannt worden, ich werde sie nicht wiederholen. Wir schließen uns dem als SPD-Fraktion an, und ich denke, das wird wie in der letzten Wahlperiode auf einen gemeinsamen Antrag oder auf breite Zustimmung - wie auch immer - hinauslaufen.
Es ist ernüchternd, zu sehen, wenn sich etwas bewegt - und es hat sich etwas bewegt, seitdem Ihr letzter Antrag gestellt worden ist -, dass sich trotzdem in hochrangig wissenschaftlich besetzten Gremien, wie sie ja zwischen der Bundesärztekammer, dem Paul-Ehrlich-Institut usw. gebildet worden sind, um zu einer neuen Richtlinie zu kommen, quasi durch die Hintertür auch bei hochrangigen, reflektierenden Wissenschaftlern weiterhin Vorurteile halten oder neu einschleichen, die in wesentlichen Punkten gerade nicht dazu führen, dass diskriminierende Formulierungen nicht mehr vorkommen.