Das ist bemerkenswert, weil die SPD nämlich zu der Zeit den Finanzminister stellte, der in der damaligen Debatte auch nicht in der Lage war, das Kerngeschäft zu definieren.
Wir sehen also: Schon vor 17 Jahren, also im Jahr 2002, ist es unseren Vorgängern schwergefallen, das Kerngeschäft der Norddeutschen Landesbank überhaupt nur zu definieren.
Oder im Jahr 2011 - das war vor acht Jahren -: Frau Merkel hatte gerade ihre zweite Amtszeit angetreten, und Dirk Niebel war Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Kennen Sie den noch? - Das ist der mit dieser Treckerfahrermütze und dem Fallschirmjägerminiaturabzeichen an der rechten Seite.
Die NORD/LB war gerade durch den Stresstest gefallen; es ging um die Eigenkapitalquote. Auch das wurde hier besprochen - am 14. April 2011. Ich zitiere jetzt jemanden, und ich könnte schwören, dass wir diese Sätze später auch noch hören werden. Der damalige Abgeordnete Hilbers, der auch noch heute in verantwortlicher Position, was Geld betrifft, in Niedersachsen steht, hatte damals gesagt:
„würden wir an dieser Stelle unser Asset, unsere Anlage, unsere wichtige NORD/LB … mehr schwächen als stärken.“
Zusammenfassung: Auch 2011 - kein Geschäftsmodell. Keine Maßnahme der Vergangenheit hat dazu geführt, die NORD/LB mittelfristig am Markt selbstständig und lebensfähig aufzustellen. Ich habe auch kein einziges Indiz gefunden, was mich zu der Annahme bringen könnte, dass es in Zukunft anders sein sollte.
Der zweite Bereich ist das Geschäftsmodell. Herr Wenzel hat eben gesagt, er sehe das Geschäftsmodell der NORD/LB ausgesprochen kritisch. Herr Wenzel, da sind Sie schon einen Schritt weiter als ich. Ich sehe das Geschäftsmodell gar nicht; denn einfach nur auf irgendetwas zu verzichten - in diesem Fall Schiffe -, macht für mich noch kein Geschäftsmodell aus.
Aber der Reihe nach: Die NORD/LB agiert künftig auf einem Markt, der zunehmend digitalisiert ist. Andere Kreditinstitute, Fintechs, Nichtbanken, aber auch die Genossenschaftsbanken und die Sparkassen haben den Schritt in die Digitalisierung in den letzten drei Jahren seriös umgesetzt und sind da Meilen weiter, als es die NORD/LB jemals sein könnte. Das Problem an der Digitalisierung ist ein Denkansatz - das hat in erster Linie nichts mit Technik zu tun. Das können Sie nicht mal eben in zwei Jahren aufholen. Erschwerend kommt hinzu, dass die Bank jetzt in einen Transformationsprozess schreitet. In diesem Transformationsprozess die Änderung eines Mindsets zu schaffen, nämlich hin zur Digitalisierung, wird nicht funktionieren.
Der nächste Punkt ist die Regionalität. Das ist einer der Kernpfeiler des neuen Geschäftsmodells. Was das mit einem Geschäftsmodell zu tun hat, bleibt einmal dahingestellt; denn auch Regionalität sagt ja erst einmal überhaupt nichts darüber aus, was man macht, sondern nur wo. Auch Regionalität kann übrigens zu einem Klumpenrisiko führen.
Auch hier sind die Genossenschaftsbanken und die Sparkassen deutlich weiter. Schauen Sie einmal in die öffentlichen Geschäfts- und Lageberichte der großen Sparkassen Norddeutschlands, z. B.
in Hamburg. Die kümmern sich um drei Millionen Kunden im Großraum Hamburg. Genau in diesen Markt, in dem Sparkassen seit rund 200 Jahren erfolgreich unterwegs sind, will jetzt die NORD/LB stoßen. Im besten Fall etabliert sich die NORD/LB auf diesem Markt und kannibalisiert die Sparkassen. Weit wahrscheinlicher ist aber, dass sie in diesem Markt gar nicht Fuß fassen kann, weil da ein unfassbar starker Wettbewerb mit den Genossenschaftsbanken und den Sparkassen herrscht.
Der nächste Punkt ist, dass sich die NORD/LB verstärkt um erneuerbare Energien kümmern möchte. Das ist zumindest einigermaßen hip. Trotzdem ist dieser Markt künstlich; er lebt insbesondere von Subventionen. Er hat mit Blick auf die Künstlichkeit etwas mit den Schiffen gemeinsam, die nämlich nicht aus betriebswirtschaftlichen Gründen gekauft wurden, sondern als Steuersparmodell. Wenn ich da in die aktuelle Zeit blicke und mir das Beispiel Enercon ansehe, dann kriege ich Bauchschmerzen, wenn ich daran denke, dass die Bank in diesem Bereich ganz wesentliche Ambitionen hat.
Der wichtigste Punkt ist aber der folgende: Was genau bringt uns eigentlich die NORD/LB? Welches wichtige Landesinteresse kann nur mit der NORD/LB und anders nicht besser und anders nicht wirtschaftlicher verwirklicht werden? Ganz praktisch steht dahinter die Frage: Welcher Vertrag, welcher Kreditabschluss kommt nicht zustande, wenn es die NORD/LB nicht mehr gibt? - Ich sage es Ihnen: gar keiner! Es gibt kein Geschäft, das ich mir vorstellen kann, für das Sie zwingend diese NORD/LB noch brauchen. Nichts, was nicht auch eine große Sparkasse, die Deutsche Bank oder, oder, oder übernehmen könnte!
Ich möchte damit schließen und mich einmal an die Kollegen der Grünen-Fraktion wenden. Ich habe bei der Recherche der Krisenberatungen über diese Bank auch gesehen, dass Sie sich permanent enthalten haben. Sie haben das, glaube ich, auch heute wieder vor, zumindest in den wesentlichen Punkten. An dem Punkt stimme ich allerdings mit Herrn Fühner überein: Heute steht die Frage im Raum: „NORD/LB - ja oder nein?“ - Jetzt nehmen wir all die Anträge, die Sie von den Grünen dankenswerterweise eingebracht haben,
weg. Heute ist die Frage zu beantworten: Stehen wir zu der Bank? Gehen wir diesen Weg irgendwie weiter? Oder sagen wir ganz klar - so wie wir das tun -: Nein, bis hierher, und keinen Meter weiter! Keinen Steuereuro mehr!
Da würde ich mir von Ihnen wünschen - und ich habe Sie eigentlich immer als sehr deutlichen Menschen erlebt -, dass Sie hierzu klare Kante fahren und sagen, was Sie wollen. Sie haben im Ausschuss immer wieder das Modell „Bail-in“ ins Spiel gebracht, um irgendwelche Anteilseigner an dem ganzen Desaster beteiligen zu können. Das sehe auch ich so. Aber das geht nur in einem Abwicklungsregime. So ehrlich müssen Sie sein! Wenn Sie das wollen: Sagen Sie Ihren Leuten das!
Ich wünsche Ihnen allen eine kluge Entscheidung. Wenn wir uns heute dafür entscheiden, dass die NORD/LB weiter am Markt bleibt, dann bin ich mir ganz sicher, dass Sie sie über diese Legislatur retten. Spätestens mit Beginn der nächsten Legislatur stehen hier unsere Nachfolger und führen dieselbe Diskussion wieder - mit dem Vorteil, dass wir jetzt in den Protokollen auch Herrn Fühner finden; es ist ja sehr einfach, nach den Namen zu suchen. Ich vermute, deshalb hat die Fraktion Sie hier vorne hingestellt.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Debatte um die Eigenkapitalstärkung der NORD/LB kann man seriös führen. Man kann sie aber auch sehr populistisch führen. Ich habe bei den Beiträgen in dieser Debatte insbesondere von der Seite der Opposition sehr deutlich merken können, dass es hier doch wohl eher populistisch zugeht:
„Vorstandsgehälter“, „Geld verbrennen“, „Steuergelder“ - das sind Begriffe, mit denen Sie aufwiegeln möchten.
Auch draußen vor der Tür im Rahmen einer kleinen Demonstration wird sehr populistisch Spielgeld verbrannt. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte in meinem Beitrag gerne deutlich machen, dass das Bild des Geldverbrennens für die Rettung der NORD/LB und die Eigenkapitalstärkung im Jahr 2019 gerade nicht gilt. Ganz im Gegenteil: Ich bin sogar der Meinung, dass diejenigen, die sich heute der Zustimmung zu den geplanten Maßnahmen verweigern, das Vermögen des Landes gefährden und auch zahlreiche Arbeitsplätze in Niedersachsen aufs Spiel setzen.
(Beifall bei der SPD und bei der CDU - Christian Grascha [FDP]: Ein biss- chen mehr Demut, Frau Kollegin!)
Lassen Sie mich daher zu Beginn ganz kurz ausführen, warum wir uns überhaupt mit der Eigenkapitalstärkung der NORD/LB beschäftigen.
Das Land Niedersachsen ist größter Eigentümer der NORD/LB. Das ist schon einmal eine ganz andere Ausgangslage, als sie bei den Bankenrettungen in der Finanzkrise der Fall gewesen ist. Das Land Niedersachsen hat also ein ureigenes Interesse daran, dieses Vermögen zu erhalten und die NORD/LB mit entsprechendem Eigenkapital auszustatten, um den Anforderungen der Bankenaufsicht zu genügen. Der Grund ist ganz einfach, meine sehr verehrten Damen und Herren: Ansonsten wäre auch das Vermögen nicht mehr vorhanden, wenn es zu einer Abwicklung der Bank käme. Deswegen kümmern wir uns um das Vermögen des Landes Niedersachsen.
Wir sichern aber nicht nur das Vermögen des Landes durch ein Investment, sondern wir wollen auch die Bank als wichtige Arbeitgeberin von - zumindest zurzeit - mehr als 5 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Blick nehmen. Ich denke, dass wir in der Politik gut daran tun, wenn wir uns um Unternehmen kümmern, die in eine wirtschaftliche Schieflage geraten sind und bei denen ein großer Arbeitsplatzverlust droht. Auch wenn wir durch die geplanten Maßnahmen nicht alle vorhandenen Arbeitsplätze werden erhalten können, so ist es jedenfalls uns seitens der SPD-Fraktion sehr wichtig, dass wir einen Großteil der Arbeitsplätze - und damit qualifizierte Arbeitsplätze in Niedersachsen sowie das Know-how am Finanzstandort Niedersachsen - erhalten können. Damit können wir einen wichtigen Arbeitgeber in unserer Region stützen, meine Damen und Herren.
Hinzu kommt, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass die NORD/LB eine besondere Bedeutung im Bereich des sogenannten Agrarbankings in Niedersachsen und auch sonst in Norddeutschland hat. Wir betonen immer wieder, dass Niedersachsen das Agrarland Nummer eins ist. Wir scheinen aber nicht einen einzigen Gedanken daran zu verschwenden, wie das Agrarland Nummer eins die notwendigen Investitionen zum Erhalt dieses Agrarspitzenplatzes tatsächlich bewältigen kann.
Einen Moment, bitte, Frau Kollegin Heiligenstadt! - Darf ich um etwas mehr Ruhe im Plenarsaal bitten? - Bitte, Frau Kollegin!
Hierfür ist natürlich auch im Rahmen einer gut funktionierenden Aufgabenteilung in einer sozialen Marktwirtschaft eine gut funktionierende und mit Know-how versehene Großbank notwendig. Diese ist z. B. die NORD/LB, und sie wird es in Zukunft hoffentlich auch bleiben können, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Ein wichtiger weiterer Grund, warum wir uns mit der Eigenkapitalstärkung der NORD/LB beschäftigen, ist die Tatsache, dass die NORD/LB ein großes Know-how im Bereich der Finanzierung von Investitionen bei regenerativen Energien hat. Sie ist weltweit die Bank mit dem größten Know-how in diesem Bereich. Wir sollten in der Politik nicht tagein, tagaus - insbesondere die Grünen - vom Klimawandel und von Klimaschutzmaßnahmen sprechen, ohne uns gleichzeitig um Finanzierungsmöglichkeiten für die Investitionen in diesem Bereich zu kümmern! Das passt nicht zusammen, meine sehr verehrten Damen und Herren und Kolleginnen von den Grünen.
Nicht zuletzt ist die NORD/LB auch eine wichtige Bank als quasi zentrale Bank für unsere niedersächsischen Sparkassen. Dies ist u. a. ein Grund, warum sich der Niedersächsische Sparkassen- und Giroverband hierbei massiv engagiert.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich hoffe, allein diese - es gäbe noch mehr - sind ausreichende Argumente, warum es wichtig ist, dass wir
uns um den Erhalt der Bank und um die Eigenkapitalstärkung kümmern und uns nicht mit einem Abwicklungsszenario beschäftigen.
Da hier allerdings die Opposition dazu neigen wird, die unterschiedlichen Varianten einer Abwicklung zu bevorzugen, will ich nicht darauf verzichten, auch dieses Szenario einmal näher zu beleuchten. Sollten wir den Weg, den die AfD oder auch die FDP oder auch die Grünen vorschlagen, nachvollziehen und die NORD/LB vollständig veräußern oder über das sogenannte Single Resolution Board abwickeln, so hätten wir erstens das Problem, dass ein potenzieller Investor überhaupt nicht an einem Erwerb einer Bank interessiert ist, solange das Land nicht in mindestens gleicher Höhe - sogar mit deutlich höheren Garantien - den Kaufpreis entsprechend stützt. Dies hat uns jedenfalls das Angebot einer privaten Investmentbank im Januar sehr gut deutlich gemacht.
Auch eine Abwicklung über das sogenannte Single Resolution Board wäre zusätzlich mit dem Problem verbunden - Herr Fühner hat darauf hingewiesen -, dass wir die gesamte Federführung in dem Prozess abgeben würden. Dritte würden die NORD/LB abwickeln! Das Land Niedersachsen könnte nichts mehr dazu beitragen. Wollen wir uns wirklich diesen Kräften ausliefern, meine sehr verehrten Damen und Herren?