Protokoll der Sitzung vom 18.12.2019

Regierungsfraktionen beschlossen - das ist hier schon mehrfach angeführt worden -, für den Haushalt 2020 die Staatsanwaltschaften mit insgesamt 18 zusätzlichen Stellen - 9 Staatsanwälte, 9 Sachbearbeiter - auszustatten, die sich nicht nur mit Clankriminalität befassen sollen.

Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, was können wir darüber hinaus kurzfristig tun, um solchen Einschüchterungsversuchen zu begegnen? Es ist wichtig, jeden Bedrohungsfall ernst zu nehmen und darüber nachzudenken, wie in jedem Einzelfall am besten reagiert werden kann.

Auch vor dem Überschreiten der Schwelle zur Straftat kann und muss bereits reagiert werden, z. B. durch gezielte Gefährderansprachen, Platzverweise, Kontakt- und Aufenthaltsverbote. Ich bin mir sicher, dass unsere Behörden hier flexibel und intelligent agieren, um ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu schützen.

Darüber hinaus müssen wir aber auch darüber nachdenken, gegebenenfalls das Strafrecht weiter anzupassen - an der Stelle sind wir anderer Auffassung als Grüne und FDP -,

(Dr. Marco Genthe [FDP]: Ich habe doch gerade gesagt, wie wir das se- hen!)

um auch derartige subtile Bedrohungsszenarien zu erfassen. Insofern bin ich Frau Justizministerin Barbara Havliza dankbar, die hierzu bereits einen konkreten Vorschlag unterbreitet hat, um den Bedrohungstatbestand des § 241 StGB weiter zu fassen, sodass künftig nicht nur Drohungen mit einem Verbrechen unter Strafe gestellt werden.

Zudem brauchen wir dringend eine unbürokratische Auskunftssperre im Melderegister für diejenigen Personen in Polizei und Justiz, die mit Clankriminalität befasst sind.

(Zustimmung bei allen Fraktionen)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wer versucht, unseren Rechtsstaat auszuhebeln, den müssen wir mit allen Mitteln des Rechtsstaats bekämpfen. Polizei und Justiz können sich dabei auf die Rückendeckung der CDU-Fraktion verlassen.

(Susanne Menge [GRÜNE]: Nicht nur die der CDU-Fraktion!)

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Danke schön, lieber Kollege Adasch. - Jetzt erhält für die SPD-Fraktion der Abgeordnete Karsten Becker das Wort.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Eigentlich bin ich der Meinung, dass propagandistische Skandalisierungsbemühungen der AfD keine vertiefte Befassung hier im Plenum verdienen, allein um zu verhindern, dass der Kollege Ahrends hier auftreten und behaupten kann, er werde in irgendeiner Form politisch wirksam.

Aber die Polizeibeamtinnen und die Polizeibeamten verdienen es natürlich, dass man sich mit den sie betreffenden Bedrohungsszenarien befasst. Sie sind die Garanten unserer individuellen Freiheit und unserer Sicherheit.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei der CDU)

Es ist übrigens keine Selbstverständlichkeit, dass wir die Sorge für unsere individuelle Sicherheit dem Staat und damit der Polizei übertragen haben. Dahinter steht ein hohes Maß an Vertrauen: das Vertrauen in das Handeln und in das Wertegerüst der Polizei als Institution und in jede einzelne Mitarbeiterin und in jeden einzelnen Mitarbeiter. Dieses Vertrauen ist auch nötig; denn wir haben das archaische Faustrecht nur überwinden können, indem wir an die Stelle des Rechts des Stärkeren das Gewaltmonopol des Staates und das Versprechen des Staates gesetzt haben, die Rechtspositionen der Bürgerinnen und Bürger zu schützen - eben in letzter Konsequenz auch unter Inanspruchnahme dieses Gewaltmonopols. Das gefällt natürlich nicht allen, vor allem nicht den Stärkeren und den Gewalttätigen und den Rücksichtslosen.

Meine Damen und Herren, jede Drohung mit Gewalt gegen die Träger dieses Gewaltmonopols ist nicht weniger als ein Angriff auf das staatliche Gewaltmonopol selbst und damit auf das zivilisatorische Selbstverständnis dieser Gesellschaft.

Darum ist es völlig selbstverständlich, dass diese Koalition und die von ihr getragene Landesregierung allen Kräften, die darauf zielen, das Recht in die eigene Hand zu nehmen, keinen Fingerbreit Spielraum zugestehen wird.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN sowie Zustimmung von Sebastian Lechner [CDU])

Ebenso selbstverständlich ist, dass wir uns schützend vor jene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stellen, die unser aller Sicherheit nach diesen Prinzipien verteidigen.

Wenn Sie, meine Damen und Herren von der AfD, die Antworten der Landesregierung auf all Ihre parlamentarischen Anfragen lesen würden, wüssten Sie, dass die niedersächsische Polizei bei der Bekämpfung der Clankriminalität bereits seit Langem einen Schwerpunkt gebildet hat - Niedersachsen war eines der ersten Bundesländer überhaupt - und eine konsequente Nulltoleranzstrategie praktiziert.

Meine Damen und Herren von der AfD, Sie haben die Überschrift Ihres Antrages zur Aktuellen Stunde - „Polizisten bedroht! Was unternimmt die Landesregierung?“ - recht allgemein gewählt. Da will ich das Thema ein wenig auffächern.

Meine Damen und Herren, Bedrohungen von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten nehmen zu. Täter sind bedauerlicherweise nicht immer Angehörige krimineller Clans. Das Mittel persönlicher Bedrohung scheint überall da, wo die Polizei als störend empfunden wird, zunehmend populär zu werden. Die Akteure machen auch vor höchsten Repräsentanten unserer Polizei nicht halt.

Wenn die AfD den Polizeipräsidenten der Polizeidirektion Oldenburg, Herrn Johann Kühme, persönlich angreift, ihn als „Scharfmacher“ diskreditiert und den Innenminister auffordert, „disziplinarische Maßnahmen“ zu ergreifen, weil Herr Kühme sich - völlig zu Recht! - öffentlich gegen Hass und Hetze in Form sprachlicher Entgleisungen der beiden Vorsitzenden der AfD-Bundestagsfraktion gestellt hat, dann hat die angedrohte Konsequenz zwar eine andere Qualität;

(Zuruf von der AfD: Aha!)

das zugrunde liegende Prinzip, meine Damen und Herren, ist aber völlig identisch: Polizeibeschäftigte werden diskreditiert und bedroht, wenn es den Zielen der eigenen Organisation nützlich erscheint.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN sowie Zustimmung von Thomas Adasch [CDU])

Darum haben die Polizeipräsidenten und die Leiter der Einrichtungen der Polizei völlig zu Recht festgestellt, dass die gegen Herrn Polizeipräsident

Kühme formulierten Vorwürfe „nur den Zweck verfolgen“ können, „politischen Druck auf Führungskräfte der Polizei“ auszuüben, „um sie an ihrer berechtigten Widerspruchspflicht zu hindern“.

Meine Damen und Herren von der AfD, die von Ihnen vorgetragene Sorge über Drohungen gegenüber Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten ist unecht. Sie entspringt taktischen Überlegungen.

(Lachen und Widerspruch bei der AfD)

Überdenken Sie Ihr Verhalten! Nur so können Sie glaubhaft werden. Ich glaube allerdings nicht, dass Sie den Willen und die Kraft dazu haben.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Starker Beifall bei der SPD, bei der CDU und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Becker. - Abschließend erhält nun der Innenminister, Herr Boris Pistorius, das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Arbeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der niedersächsischen Polizei ist für die Sicherheit der Menschen in unserem Land unverzichtbar. Es sind unsere Polizistinnen und Polizisten, die rund um die Uhr für die Menschen in Niedersachsen da sind. Es sind unsere Polizistinnen und Polizisten, die Niedersachsen zu einem sicheren Bundesland machen. Das verdient Dankbarkeit, und das verdient Wertschätzung.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN sowie Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Die ganz überwiegende Mehrheit der Bevölkerung sieht das zum Glück genauso. In Umfragen wird immer wieder deutlich: Die Bürgerinnen und Bürger in Niedersachsen vertrauen ihrer Polizei, und das zu Recht.

Es mutet ein klein wenig merkwürdig an, wenn ausgerechnet die AfD sich zur Schutzpatronin der Polizei aufschwingen will, eine Partei, die immer wieder dadurch auffällt, dass sie andere mundtot machen will - durch Meldeportale in Bezug auf Schulen, durch Aufrufe zu Disziplinarmaßnahmen gegen Polizeipräsidenten, die sich als aufrechte Demokraten zeigen. Das alles zeigt, wo Sie tat

sächlich stehen, meine Damen und Herren von der AfD. Viel Vergnügen bei Ihrem weiteren Weg!

(Zustimmung bei der SPD und von Thomas Adasch [CDU] - Zuruf von der AfD)

- Ja, das haben Sie. Das glaube ich Ihnen sogar. Das ist sehr bezeichnend.

Aber klar ist auch - meine Damen und Herren, da darf überhaupt nicht relativiert oder beschönigt werden -: Wir erleben immer wieder, dass Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte bedroht, beleidigt oder sogar körperlich angegriffen werden, und das eben nicht obwohl, sondern weil sie Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte sind.

Ich kann Ihnen versichern: Wir müssen und wir werden dieser Entwicklung weiter - ich betone: weiter - entschieden entgegentreten. Diese Landesregierung, die sie tragenden Fraktionen und der überwiegende Teil dieses Parlaments stehen fest an der Seite der Polizei.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN sowie Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Zur Wertschätzung dieser unverzichtbaren Arbeit gehört es deshalb auch, unsere Polizistinnen und Polizisten bestmöglich zu schützen. Mir als zuständigem Innenminister ist das auch ganz persönlich ein zentrales und wichtiges Anliegen.

Schon während der Ausbildung an der niedersächsischen Polizeiakademie spielt der Umgang mit Provokationen, mit verbaler und körperlicher Gewalt deshalb eine ganz wichtige Rolle.

Es ist eben leider keine Ausnahme oder Seltenheit. Immer wieder werden unsere Polizistinnen und Polizisten mit derartigen Vorfällen konfrontiert, in unterschiedlichsten Situationen und aus verschiedensten Motiven: von zunehmender Hasskriminalität über psychische Störungen der Täter bis hin zu Taten unter Alkohol- oder Drogeneinfluss; von aggressiven Gruppen oder Einzelpersonen bei Großveranstaltungen bis hin zu Angriffen und Drohungen bei vermeintlich harmlosen Verkehrskontrollen. Eine dieser Facetten, meine Damen und Herren, ist eben auch die Bedrohung von Polizeibeamtinnen und -beamten durch kriminelle Clanangehörige.

Bezeichnend ist an dieser Stelle, dass Herr Ahrends von der AfD hier wieder alles mit allem vermischt hat. Wir reden laut Antrag der AfD über die Bedrohung von Polizeiangehörigen durch