Protokoll der Sitzung vom 19.12.2019

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Meine Damen und Herren! Ich darf Sie namens des Präsidiums herzlich begrüßen und eröffne die 67. Sitzung im 23. Tagungsabschnitt des Niedersächsischen

Landtages der 18. Wahlperiode.

Tagesordnungspunkt 50: Mitteilungen der Präsidentin

Ich darf die Beschlussfähigkeit des Hauses feststellen.

Zur Tagesordnung. Wir beginnen die heutige Sitzung mit der Fragestunde. Anschließend kommen wir zu den Abstimmungen im Rahmen der Haushaltsberatung. Die heutige Sitzung soll gegen 13:10 Uhr enden.

Die mir zugegangenen Entschuldigungen teilt Ihnen nunmehr die Schriftführerin Frau Menge mit. Bitte, Frau Menge!

Guten Morgen! Entschuldigt sind: Frau Sozialministerin Dr. Carola Reimann, von der SPD Holger Ansmann und Immacolata Glosemeyer sowie Axel Brammer, von der Fraktion der AfD Herr Henze ab 11 Uhr.

Vielen Dank. - Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 51: Fragestunde

Die für die Fragestunde geltenden Regelungen unserer Geschäftsordnung setze ich als bekannt voraus. Ich weise wie üblich besonders darauf hin, dass einleitende Bemerkungen zu den Zusatzfragen nicht zulässig sind.

Um dem Präsidium den Überblick zu erleichtern, bitte ich, dass Sie sich schriftlich zu Wort melden, wenn Sie eine Zusatzfrage stellen möchten.

Wir beginnen mit der Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zum Thema

a) Konsequenzen aus PISA-Studie - Was tut die Landesregierung, um die Bildungsqualität

deutlich zu steigern und Bildungsgerechtigkeit herzustellen? - Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 18/5335

Die Anfrage wird von der Abgeordneten Hamburg vorgetragen. Bitte, Frau Kollegin! - Alle anderen darf ich um Aufmerksamkeit bitten.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich verlese unsere Anfrage:

Konsequenzen aus PISA-Studie - Was tut die Landesregierung, um die Bildungsqualität deutlich zu steigern und Bildungsgerechtigkeit herzustellen?

Anfang Dezember wurden die Ergebnisse der neuen PISA-Studie 2018 veröffentlicht. Die Ergebnisse zeigen, dass der Bildungserfolg nach wie vor von der sozialen Herkunft abhängt, insbesondere in den Lesekompetenzen. Etwa 28 % der sozioökonomisch begünstigten Schülerinnen und Schüler in Deutschland erwiesen sich beim Lesekompetenztest 2018 als besonders leistungsstark. Unter den sozioökonomisch benachteiligten Schülern war dies nur für 3 % der Fall. Die Leistungen Lesen, Naturwissenschaften und Mathematik lagen unter den Ergebnissen der letzten Studie. Jedes fünfte Kind gab in der Studie an, mindestens einmal pro Monat von Mitschülerinnen oder Mitschülern drangsaliert zu werden.

Laut den Ergebnissen der Studie berichteten die Schulleitungen über größere Ausstattungs- und Personalmängel als im OECD-Durchschnitt, wobei die sozioökonomisch benachteiligten Schulen häufiger davon betroffen sind. In Deutschland sind 70 % der Schülerinnen und Schüler in benachteiligten Schulen - so laut Angaben der Schulleitungen - zumindest bis zu einem gewissen Grad von Unterrichtsbeeinträchtigungen durch Lehrkräftemangel betroffen.

1. Was plant die Landesregierung, um den Bildungserfolg vom sozioökonomischen Hintergrund der Schülerinnen und Schüler zu entkoppeln und die Bildungsgerechtigkeit zu fördern? - Das bitte aufschlüsseln nach Maßnahmen und gegebenen

falls unter Nennung des geplanten Maßnahmenbeginns.

2. Erwägt die Landesregierung - auch vor dem Hintergrund des Erfolges anderer Länder wie etwa Finnland - Maßnahmen, um Schulen zu schaffen, die Freiräume für individuelle Entwicklung und Förderung anbieten, wenn ja, welche?

3. Welche Maßnahmen will die Landesregierung ergreifen, um dafür Sorge zu tragen, dass Schulen, die vor großen Herausforderungen in der Sozialstruktur stehen, nicht auch noch besonders unter Fachkräftemangel und schlechter Ausstattung leiden?

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Für die Landesregierung antwortet Herr Kultusminister Tonne. Bitte!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist unstrittig wichtig, dass wir u. a. mit einer soliden Datenbasis arbeiten und auch überprüfen, wie gut unser Schulsystem ist. Hierbei geht es nicht um gefühlte Werte, es geht um Zahlen, Daten, Fakten - wie auch in der jüngst veröffentlichten internationalen Studie PISA.

Lassen Sie mich hierzu Frau Professorin Kristina Reiss vom Zentrum für Internationale Bildungsvergleichsstudien an der TU München zitieren, die den deutschen Teil der PISA-Studie leitete. Sie hat ausgeführt:

„Die gute Nachricht ist, dass der Großteil der Jugendlichen in Deutschland hohe Lesekompetenzen hat - eingeschlossen“

- das halte ich für eine wichtige Bestätigung unserer Bemühungen im Bereich der Digitalisierung -

„die Fähigkeit, relevante Informationen im Internet zu finden und zu bewerten.“

Der Blick auf andere Staaten, so Professor Reiss, zeige:

„Es ist keineswegs selbstverständlich, ein solch gutes Niveau halten zu können.“

Meine Damen und Herren, die Tatsache, dass die Leistungen der deutschen Schülerinnen und Schüler im Lesen trotz der stark zugenommenen Heterogenität in den Schulen stabil geblieben sind und

darüber hinaus der Anteil der leistungsstarken Leserinnen und Leser um fast 50 % gestiegen ist, sollten wir wertschätzen und den Lehrkräften und Schulleitungen für ihre hervorragende Arbeit auch danken.

(Beifall bei der SPD)

Fast drei Viertel der Schülerinnen und Schüler geben übrigens an, dass ihre Lehrkräfte offensichtlich gern unterrichten. Auch das, finde ich, ist ein schönes Ergebnis.

Gleichzeitig allerdings geben die Ergebnisse auch Anlass zur Sorge. Ein Fünftel der 15-Jährigen in Deutschland ist kaum in der Lage, den Sinn von Texten zu erfassen und zu reflektieren. Der Zusammenhang zwischen Lesekompetenz und sozialer Herkunft der Jugendlichen ist dabei stark ausgeprägt. Das ist schlicht ein nicht akzeptables Ergebnis. Da gebe ich mich auch nicht damit zufrieden, dass wir in Niedersachsen - wie der IQBBildungstrend deutlich gemacht hat - besser dastehen als der bundesdeutsche Schnitt. Darauf müssen wir schwerpunktmäßig unsere Anstrengungen und Bemühungen lenken.

Vor diesem Hintergrund beantworte ich die Fragen wie folgt.

Frage 1: Chancengleichheit gehört für mich zu den wichtigsten Handlungsfeldern überhaupt. Den Zugang zu Bildung, auch zur frühkindlichen Bildung, für alle Kinder unabhängig von ihrer Herkunft zu eröffnen, ist ein wesentlicher Schwerpunkt der Landesregierung. Die Einführung der Beitragsfreiheit für über Dreijährige ist eine wichtige Maßnahme, um die Bildungsteilhabe für alle Kinder, unabhängig von ihrer Herkunft, zu erhöhen. Das setzen wir gemäß unserem Koalitionsvertrag auch konsequent um.

(Zuruf von Julia Willie Hamburg [GRÜNE])

Das gilt aber auch für das Bildungssystem in Gänze. Es geht darum, Gebühren dort, wo sie anfallen, wegzunehmen, um Teilhabe für alle zu ermöglichen. Schulgeldzahlungen dürfen einer Berufswahl im Bereich der Sozial-, Gesundheitsfach- und Pflegeberufe nicht im Wege stehen.

Ab dem 1. August 2019 haben wir jeweils aufsteigend in den ersten Klassen der sozialpädagogischen Bildungsgänge, z. B. „Fachschule Sozialpädagogik“, die Gebührenfreiheit sowie für die Ausbildungsgänge der Berufsrichtungen Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie und Podologie die

Schulgeldfreiheit eingeführt. Im kommenden Jahr geht es weiter. Da werden die Atem-, Sprech- und Stimmlehrer in die Förderung aufgenommen. Auch das ist ein Schritt im Hinblick auf mehr Bildungsgerechtigkeit.

Wir sind damit auf einem guten Weg, eine umfassende Schulgeld- und Gebührenfreiheit von der frühkindlichen Bildung bis hin zur Universität einzuführen.

Zum Schwerpunkt Chancengleichheit gehört für mich auch, dass wir diejenigen Schulen mit insgesamt 3 600 Lehrkräftestunden zusätzlich ausstatten, die beispielsweise einen hohen Anteil an Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund haben, die in einem besonderen sozialökonomischen Brennpunkt liegen oder die einen hohen Anteil an Kindern mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf im Förderschwerpunkt

„Emotionale und soziale Entwicklung“ haben. Eine nahtlose Sprachförderung vom Elementarbereich bis zum Einstieg in das Berufsleben ist unabdingbar.

Seit dem Schuljahr 2018/2019 wird die Sprachentwicklung aller Kinder, die eine Kita besuchen, dort durch die sozialpädagogischen Fachkräfte beobachtet, dokumentiert und auch alltagsintegriert gefördert. Spätestens mit Beginn des Kindergartenjahres, das der Schulpflicht unmittelbar vorausgeht, ist die Sprachkompetenz des Kindes zu erfassen, ein Entwicklungsgespräch mit den Erziehungsberechtigten darüber zu führen und bei Bedarf eine individuelle und differenzierte Sprachförderung einzuleiten. Hierzu investieren wir über die besondere Finanzhilfe Sprachbildung und Sprachförderung jährlich - gesetzlich garantiert - 32,5 Millionen Euro.

Die Sprachförderung in Deutsch als Zweitsprache bleibt selbstverständlich weiterhin wichtig. Sie ermöglicht beste Chancen für Bildungserfolg und Teilhabe. Die landesweit insgesamt 37 000 Stunden für Sprachfördermaßnahmen an den allgemeinbildenden Schulen werden hierfür bedarfsgerecht auf die einzelnen Schulen verteilt.

Der sehr erfolgreiche Schulversuch SPRINT wird in die neu eingeführte zweijährige Berufseinstiegsschule überführt und dahin gehend erweitert, die Sprachförderung für alle Schülerinnen und Schüler mit Unterstützungsbedarf zu ermöglichen.

Zur Unterstützung von Schulen mit besonderen sozialen Problemlagen haben wir 2018 mit 20 Schulen das Projekt „Schule [PLUS]“ gestartet. Wir