Protokoll der Sitzung vom 19.12.2019

Zur Unterstützung von Schulen mit besonderen sozialen Problemlagen haben wir 2018 mit 20 Schulen das Projekt „Schule [PLUS]“ gestartet. Wir

haben diesen Schulen dazu zusätzlich rund 60 Lehrerstellen u. a. zur Mehrklassenbildung und über 20 Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter zur Verfügung gestellt. Die Unterstützung dieser Schulen ist jedoch nicht ausschließlich mit der Zuweisung von weiteren Ressourcen zu lösen. Es gilt vielmehr, die Schule als Ganzes dabei in den Blick zu nehmen.

Wir haben daher u. a. die Einstellung von Lehrkräften erleichtert, die dauerhafte Budgetierung von Lehrkräftestunden ermöglicht und auch zusätzliche Tage für schulinterne Lehrkräftefortbildung bereitgestellt. Außerdem können besondere pädagogische Konzepte auf Antrag der Schulen erprobt werden. Mit den Schulträgern werden intensive Unterstützungsmaßnahmen abgesprochen.

Wir schauen ferner über den niedersächsischen Tellerrand hinaus und entwickeln gemeinsam mit dem Bund, den Ländern und der Wissenschaft in der neuen Initiative „Schule macht stark“ ab 2021 neue Konzepte, um die Chancengerechtigkeit zu verbessern.

Zu den Inhalten gehört ferner, dass die Kernkompetenzen durch das gesamte Bildungssystem hindurch zu stärken sind. Hierzu soll auch die Einführung des Programms „Lesen macht stark“ beitragen, mit dem zu Beginn des nächsten Jahres mit der Auswahl der Schulen und den ersten Informationsveranstaltungen für die teilnehmenden 100 Grund- und 50 weiterführenden Schulen gestartet wird. Das Programm wird einen wesentlichen Beitrag zur Stärkung der Lesekompetenz leisten.

In der Sekundarstufe I gehen diese Maßnahmen weiter, indem die leseschwachen Schülerinnen und Schüler verstärkte Unterstützung erhalten und ihre Lesekompetenzen fächerübergreifend gestärkt werden.

Dass wir mit dem Start des Programms einen Nerv getroffen haben, zeigen die zahlreichen Anfragen und Bewerbungen von Schulen, die eingegangen sind.

Gleichzeitig planen wir auch weitere Maßnahmen zur Verbesserung der Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler in Bezug auf das Fach Mathematik. Wir erarbeiten zurzeit exemplarische Lernaufgaben für das Fach Mathematik, die jeweils den zu erreichenden Leistungsstand am Ende des zweiten, vierten, sechsten und achten Schuljahrgangs wiedergeben. Lehrkräfte erhalten hiermit eine zusätzliche Orientierung und praktische Un

terstützung bei der Planung und auch bei der Auswertung ihres Unterrichts.

Zu Frage 2: Eine individuelle Förderung für jede Schülerin und jeden Schüler ist das erklärte Ziel aller unserer Schulen. Diese Zielsetzung ist im Niedersächsischen Schulgesetz in § 54 verankert und spiegelt sich auch in allen Grundsatzerlassen wider.

Wir haben die inklusive Schule eingeführt. In Niedersachsen sind damit alle Schulen inklusiv. Das heißt für uns: Jede Schule soll jedem Kind gerecht werden. Jedes Kind soll seine Potenziale bestmöglich entfalten können. Jedem Kind steht auch jede Schule offen. Und wenn die Erziehungsberechtigten befinden, dass ihr Kind wegen besonderer Unterstützungsbedarfe eine Förderschule besuchen soll, steht ihnen auch dies offen. Die Grundlage für eine individuelle Förderung ist damit bei uns gegeben.

Gleichwohl ist völlig klar, dass sich die Gesellschaft verändert. Damit verändern sich natürlich auch Bildung und Bildungsinhalte. Wir haben vor diesem Hintergrund das Projekt „Bildung 2040“ gestartet. Unter Beteiligung von Akteuren aller Bildungsbereiche und unter Einbeziehung vieler Perspektiven diskutieren wir derzeit quer durch Niedersachsen über Bildungsziele, Bildungsstrukturen und Bildungsinhalte der Zukunft. Die Kernfrage ist dabei: Was und wie sollen Kinder und Jugendliche zukünftig lernen, damit sie zu selbstbestimmter Teilhabe fähig sind? Dabei geht es nicht nur um Teilhabe im Sinne von wirtschaftlichen Interessen, sondern um die selbstbestimmte Mitgestaltung einer demokratischen Gesellschaft.

Diese intensiven Debatten geben einen guten Einblick in Zukunftsvisionen, Wünsche und Ideen im Land. Sie geben aber geben auch einen sehr klaren Hinweis auf die große Breite der Wünsche und Vorstellungen, die dabei formuliert werden. Wir werden genau diese Debatte in den nächsten Jahren sehr intensiv fortführen und auf dieser Basis auch die notwendigen Grundlagen für die Weiterentwicklung der Bildungslandschaft legen.

Zu Frage 3: Für Schulen, die vor großen Herausforderungen in der Sozialstruktur stehen - und dies sind häufig Haupt-, Real- und Oberschulen - wird ein umfassendes Sonderprogramm zur Attraktivitätssteigerung aufgelegt, das am 1. Februar 2020 starten soll. Sie kennen das unter dem Titel „Starke Sek I-Schulen“. Hierdurch sollen auch mehr Lehrkräfte für eine Arbeit an diesen Schulen motiviert werden.

Wir werden zunächst verschiedene Maßnahmen in voraussichtlich fünf Modellregionen erproben. Die Programmteilnahme ist dabei ein freiwilliges Angebot an die Schulen einer Modellregion. Zu erprobende Maßnahmen können dabei sein: die Zahlung von Personalgewinnungszuschlägen für die Besetzung an den entsprechenden Schulen, die Zusage der Umzugskostenvergütung, die Zusage von Beförderungsstellen und der Ansatz, Gymnasiallehrkräften, die sich für drei Jahre an einer solchen Sek-I-Schule verpflichten, im Gegenzug eine Stelle an einem Gymnasium in Aussicht zu stellen.

Unser Ansatz ist es, die Schulen in ihrer Arbeit zu stärken, nicht aber, ihre Leistungen und ihre Arbeit schlechtzureden. Neben Ressourcen gebührt unseren Schulen dringend Wertschätzung für ihre Arbeit. Dazu gehört auch, dass selbstverständlich unsere Haupt-, Real- und Oberschulen eine wertvolle Arbeit leisten und gute Bildungsabschlüsse für ihre Schülerinnen und Schüler vorhalten. Damit eröffnen sie u. a. Wege zu guten Ausbildungsmöglichkeiten. Ich glaube, dass der Wert dieser Arbeit auch in der gesellschaftlichen Debatte nach vorne gestellt werden muss.

Pädagogische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ergänzen die Arbeit der Lehrkräfte und leisten damit einen wichtigen Beitrag zur Erfüllung des Erziehungs- und Bildungsauftrags der Schule. Eine Projektgruppe in meinem Haus entwickelt zurzeit ein Konzept, das die Schulen bei der Weiterentwicklung der multiprofessionellen Zusammenarbeit und dem Aufbau von multiprofessionellen Strukturen unterstützen soll. Der neue PM-Erlass schafft mit der Gewährung von Stunden für weitere Tätigkeiten die Voraussetzungen für eine gelingende multiprofessionelle Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Berufsgruppen in der Schule.

In diesem Zusammenhang werden wir auch in den Blick nehmen, wie die Schulen zukünftig noch stärker auf Basis objektivierbarer und definierter Kriterien mit zusätzlichen Stunden für pädagogische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausgestattet werden können, um möglichst allen Schülerinnen und Schülern die erwartete Chancengleichheit zu eröffnen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister Tonne. - Die erste Zusatzfrage für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen stellt Frau Kollegin Hamburg. Bitte!

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Ich frage die Landesregierung, Herr Tonne, vor dem Hintergrund, dass Sie gerade sehr darauf abgestellt haben, dass es auch darum geht, Kinder mit Migrationshintergrund besonders zu fördern und Sprachförderung zu betreiben, welche Maßnahmen Sie ergreifen wollen, um auch den herkunftssprachlichen Unterricht zu stärken und auszubauen; denn oft wird auf den Zusammenhang verwiesen, dass man fremde Sprachen besser lernt, wenn man die eigene Sprache gut beherrscht.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Es antwortet Herr Minister Tonne.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Hamburg, wir sind bestrebt, den Bedarfen nach herkunftssprachlichem Unterricht, wo sie angemeldet werden, zu entsprechen. Das ist nichts, was man landesweit und pauschal für Schulen ausrollen kann, sondern das ist je nachdem, wo Bedarfe nach herkunftssprachlichem Unterricht an Schulen bestehen, zu gewährleisten.

Dazu gehört, dass wir die entsprechenden Lehrkräfte dafür benötigen. Das ist im Einzelfall nicht immer einfach. Aber ich kann Ihnen sagen: Es gibt keine landesweite Regelung, dass wir das nicht wollen oder dass wir das erschweren wollen - ganz im Gegenteil! Der herkunftssprachliche Unterricht gehört dazu und wird nach Kräften dort ermöglicht, wo wir Bedarfe haben und Lehrkräfte dafür zusammenführen können.

Vielen Dank, Herr Minister. - Die erste Zusatzfrage für die FDP-Fraktion stellt der Kollege Försterling.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor dem Hintergrund der Zusammenhänge zwischen dem sozioökonomischen Hintergrund der

Schüler und dem Bildungserfolg frage ich die Landesregierung, ob sie die sozioökonomischen Verhältnisse in den Quartieren der Schulen erfasst und standardisiert auswertet.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei den GRÜNEN)

Vielen Dank. - Bitte, Herr Minister Tonne!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich erlaube mir zunächst noch einen Satz, um meine Antwort auf die Frage von Frau Hamburg abzurunden: Ein Erlass, wie herkunftssprachlicher Unterricht gestärkt werden kann, ist in Vorbereitung.

Herr Kollege Försterling, Ihre Frage zielt darauf ab, ob wir so etwas wie einen Sozialindex brauchen oder nicht. Das ist ja der Hintergrund der Debatten, die wir auch im Kultusausschuss miteinander führen.

Ich habe eben gerade ausgeführt, dass wir prüfen werden: Auf Basis welcher Kriterien können wir bei der multiprofessionellen Zusammenarbeit eine vernünftige, gestaffelte Zuweisung von Ressourcen vornehmen? Benötigen wir mehr Kriterien als die, die wir momentan zugrunde legen?

Sie kennen aber meine Skepsis gegenüber einem Sozialindexsystem. Denn das müsste eine Umverteilung zur Folge haben, weg von Standorten mit guten Rahmenbedingungen. Das, finde ich, wäre kein gutes Signal.

Wir werden aber insbesondere im Rahmen von Multiprofessionalität schauen: Wie können wir die verstärkte Zuweisung von Ressourcen nach objektiven Kriterien vornehmen? - Eine abschließende Antwort kann allerdings erst gegeben werden, wenn die Debatte um das Gesamtkonzept Multiprofessionalität abgeschlossen ist.

Vielen Dank. - Die zweite und damit letzte Zusatzfrage für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen stellt Frau Abgeordnete Hamburg. Bitte!

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich frage vor dem Hintergrund, dass Herr Tonne ausgeführt hat, dass er 60 Stellen extra für „Schule [PLUS]“ zur Verfügung gestellt hat, um diese den Schulen zuzuweisen, wie die Unterrichtsversor

gung an diesen Schulen zum Zeitpunkt der Planungen war und wie die Stellen, die Sie zugewiesen haben, diese Unterrichtsversorgung entwickelt haben.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Vielen Dank. - Bitte, Herr Minister Tonne.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Hamburg, die prozentualen Werte schreiben wir gerne auf. Die liegen mir nicht vor.

Die Stellen, die wir diesen Schulen zugewiesen haben, sind über die Berechnung der Unterrichtsversorgung hinaus zugewiesen worden. Sie dienen also nicht zur Füllung von Lücken, sondern sind an die Schulen gegangen, damit sie die Qualität des Unterrichts vor Ort verstärken können.

Die genauen Zahlen - zum Ausgangspunkt und dazu, wo man jetzt ist - liefern wir gerne nach.

Vielen Dank, Herr Minister. - Die zweite und damit letzte Zusatzfrage für die FDP-Fraktion stellt der Abgeordnete Försterling.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nachdem der Minister in seiner Antwort auf die Anfrage auf das Programm „Starke Sek ISchulen“ abgestellt hat, das ja zum 1. August verkündet worden ist, und die Modellregionen immer noch nicht festgelegt sind, frage ich die Landesregierung, ob die Ergebnisse der PISA-Studie dazu geführt haben, dass die Auswahlkriterien für die fünf Modellregionen um Kriterien zum sozioökonomischen Hintergrund erweitert wurden, oder warum das Programm eigentlich immer noch nicht so weit ist, dass die Modellregionen genannt werden können.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei den GRÜNEN)

Vielen Dank. - Es antwortet Ihnen Herr Minister Tonne. Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Landesregierung hat die Modellregionen noch nicht festgelegt. Aber die Ergebnisse der PISAStudie haben darauf keinen Einfluss, zumal sie keine länderspezifischen Daten enthalten. Wir haben das Programm am 1. August verkündet und sind in die Entwicklung gegangen. Die Umsetzung findet zum 1. Februar 2020 statt. Dazu gehört auch die Festlegung der Modellregionen nach Abschluss der Willensbildung der Landesregierung.

Vielen Dank. - Die nächste Zusatzfrage stellt nun der Abgeordnete Rykena von der AfD-Fraktion.