Weitere Wortmeldungen zu Zusatzfragen liegen mir nicht vor. Meine Damen und Herren, dann eröffne ich die Aussprache. Jede Fraktion hat vier Minuten zur Verfügung.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Impfschutz ist wichtig - auch wenn das heute in diesem Plenum noch nicht so abgebildet wurde -, auch gegen Masern. Eine Impfpflicht und damit ein aufoktroyierter Zwang wie in diesem Fall, der nur partiell und nur für bestimmte Personenkreise gilt, ist jedoch keine Lösung.
Unter die Impfpflicht fallen nämlich nicht nur Kinder und Mitarbeiter in Kitas, Schulen und Tagespflegeeinrichtungen sowie medizinisches Personal in Gemeinschaftseinrichtungen, sondern auch Asylbewerber und Flüchtlinge müssen den Impfschutz
Erstens wird die Impfpflicht für Gemeinschaftseinrichtungen wie Schulen und Kitas gar nicht helfen, die Impflücken bei Erwachsenen zu schließen, Herr Kollege. Denn die Personengruppe, die am häufigsten an Masern erkrankt, wird immer älter. Das sind Personen, die zwischen 1970 und 2000 geboren sind.
Zweitens werden sich viele überzeugte Impfgegner weiter entziehen, z. B. mit Attesten oder Ähnlichem.
Drittens müssen auch die Impfquoten bei anderen Krankheiten im Auge behalten werden. Manch einer, der sich der Impfpflicht zwar widerwillig beugt, sich aber dadurch in seiner Freiheit beschränkt fühlt, wird sich seine Freiheit danach in dem Sinne wieder zurückholen, dass er dann auf freiwillige Impfungen verzichten wird. Dafür gibt es Hinweise im Zusammenhang mit der Einführung der Impfpflicht in anderen Ländern.
Insgesamt ist eine Impfpflicht, die nur für Masern und - wie bereits erwähnt; das haben wir auch vom Minister gehört - nur für bestimmte Einrichtungen und Personenkreise gelten soll, sehr fragwürdig.
Ich sage vorweg: Jeder Tote und jeder Infizierte ist einer zu viel. Während 2001 - in diesem Jahr wurde die Meldepflicht für Masernerkrankungen eingeführt - bis 2019 acht Todesfälle aufgrund einer Masernerkrankung gemeldet wurden, starben aufgrund von Influenza in den letzten Jahren mehr als 20 000 Menschen jedes Jahr. Allein in der Saison 2016/2017 starben 23 000 Menschen, und in der Saison 2018/2019 starben 25 000 Menschen. Das ist im Übrigen die höchste Todesfallrate in den letzten 30 Jahren. Dieser Vergleich, den man ziehen mag oder nicht, zeigt die Unverhältnismäßigkeit mit Blick auf die Einführung der Impfpflicht im März nächsten Jahres.
Eltern, die ihre Kinder in von der Impfpflicht betroffenen Einrichtungen betreuen lassen und dieser Pflicht nicht nachkommen, droht ein Ausschluss oder ein Bußgeld bis 2 500 Euro.
Was brauchen wir? Was wir brauchen, sind niedrigschwellige Angebote und aktivierende Ansprachen durch die Ärzteschaft, Einladungen relevanter Kohorten zur Impfberatung oder - wie eben schon erwähnt - Impfkampagnen in den Schulen, die ein absolut richtiger Weg sind. Aber auch die Weiterentwicklung der Impfstoffe, die immer noch viel zu große Nebenwirkungen aufweisen, ist ein
Der größte Handlungsbedarf besteht eigentlich darin, eine bessere Akzeptanz durch Wissens- und Vertrauensvermittlung zu erreichen. Vor allen Dingen eine bessere Datenlage und gezielte Öffentlichkeitsarbeit dürften vom Nutzen des Impfens überzeugen und wären der richtige Weg. Aber auch die Stärkung der öffentlichen Gesundheitsdienste ist eine Priorität; denn am Ende werden die öffentlichen Gesundheitsdienste diesen Bereich abdecken und Regelimpfungen in den Einrichtungen anbieten müssen.
Vielen Dank, Herr Kollege Bothe. - Für die CDUFraktion hat sich nun die Kollegin Petra Joumaah gemeldet. Bitte sehr!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich mit meinen Ausführungen beginne: Mir kippt gerade die Stimme, weil ich die junge Dame, von denen ich Ihnen jetzt berichten möchte, sehr gut kenne. Unsere Landwirtschaftsministerin ist vor einer Stunde zum ersten Mal Großmutter geworden und hat jetzt eine kleine Lieke. Ich kann Ihnen versichern: Diese Enkeltochter wird einen ausreichenden und umfangreichen Impfschutz bekommen. Die Ministerin ist gerade nicht da; trotzdem herzlichen Glückwunsch!
Meine Damen und Herren, warum stehen wir hier und führen eine Diskussion über die Frage der AfD, ob Schülerinnen und Schüler bzw. kleinere Kinder aufgrund mangelnden Impfschutzes aus Schulen bzw. Kitas ausgeschlossen werden müssen?
Masernerkrankungen nehmen wieder zu, und zwar massiv. Europaweit wurden im Jahr 2018 weit über 12 000 Masernfälle registriert, in Deutschland in 2018 und bisher in 2019 - das Jahr ist ja fast um - mehr als 500.
Ganz besonders grausam fand ich das, was Dr. Feil im Rahmen einer Unterrichtung im Sozialausschuss berichtet hat: In Madagaskar sind innerhalb weniger Monate über 1 000 Kinder an einer Masernepidemie gestorben. Ich denke, diese Zahl macht uns fassungslos. Allein im Januar und Februar dieses Jahres sind in der Ukraine mehr als 25 000 Menschen aufgrund eines Masernausbruchs erkrankt.
Es muss noch einmal gesagt werden, liebe Kolleginnen und Kollegen: Masern sind wirklich eine sehr, sehr schwerwiegende, hochansteckende Erkrankung, die ganz erhebliche Komplikationen, die Folgeerkrankungen mit sich bringen kann, die teilweise sogar den Tod zur Folge haben.
Im Grunde können wir uns vor einer Ansteckung mit dieser Erkrankung in keiner Weise schützen. Es reicht, wenn jemand, der erkrankt ist, neben uns steht und vielleicht niest - das ist die berühmte Tröpfcheninfektion -, dann stecken wir uns an. Es gibt nur einen einzigen Schutz. Das ist die Impfung.
Deshalb muss unser oberstes Ziel darin bestehen - das ist das oberste Ziel, und das verfolgen wir auch alle -, einen sehr guten Impfschutz bei unseren Kindern, aber auch bei vielen Erwachsenen zu erreichen. Wir alle wissen, dass eine bestimmte Gruppe von Erwachsenen als Kind einmal geimpft wurde. Das galt damals als ausreichend. Später hat man dann gemerkt, dass dieser Impfschutz nicht für ein ganzes Leben ausreicht, und dann eine zweite Impfung vorgenommen. Diese Menschen müssen unbedingt nachgeimpft werden.
Deshalb müssen wir intensiv über die Vorteile von Impfungen informieren, und wir müssen, was ich ganz wichtig finde, jeden von dieser segensreichen Möglichkeit überzeugen. Ziel muss es natürlich sein - das ist das erklärte Ziel unserer Landesregierung -, dass die Menschen sich freiwillig impfen lassen. An oberster Stelle steht: Überzeugen und aufklären, damit die Menschen sich freiwillig impfen lassen.
Wir haben vom Minister gehört, dass es dafür viele Initiativen und Kampagnen gibt, die sicherlich ihre Wirkung zeigen. Aber wir hören auch von Eltern, die nicht bereit sind, ihre Kinder impfen zu lassen, und eine Erkrankung riskieren. Sie riskieren, dass die erkrankten Kinder dann andere Menschen, z. B. Säuglinge, die nicht geimpft werden können, oder sehr alte Menschen anstecken. Das können wir nicht akzeptieren.
Also noch einmal: Wir müssen eine hohe Impfrate erreichen; optimalerweise auf freiwilliger Basis. Für die sehr, sehr wenigen Menschen, die Impfungen ablehnen, müssen wir eine Impfpflicht ins Gesetz schreiben. Ich denke, hier steht das Rechtsgut „Gesundheitsschutz für alle“ über dem Recht auf Selbstbestimmung Einzelner.
Vielen Dank, Frau Kollegin Petra Joumaah. Für die SPD-Fraktion hat sich nun die Kollegin Claudia Schüßler gemeldet. Bitte sehr!
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Drohen Schülern aus Niedersachsen Schulausschlüsse aufgrund der Impfpflicht? Das ist die Frage, die gestellt wurde. Ihre Frage und die damit verbundenen Unterfragen wurden durch das Ministerium und durch den Minister ausführlich beantwortet.
Ich bin froh, dass geklärt werden konnte, dass derzeit keine Schulausschlüsse aufgrund einer Impfpflicht erfolgen. Warum ist das so? Bislang existiert eine solche Pflicht gar nicht, sondern sie wird erst durch das Masernschutzgesetz für bestimmte Gruppen begründet; und das ab März 2020.
Weil eine solche Pflicht bislang nicht bestanden hat, kann es auch keine Schulausschlüsse aufgrund einer Impfpflicht geben. Ihre Frage ist insoweit falsch und führt in die Irre.
Aber es ist auch deutlich geworden, dass die Frage gestellt wurde, Herr Bothe, um Ihre Position zum Masernschutzgesetz im Bund darzustellen. Ich verstehe dabei nicht genau, was Sie eigentlich wollen. Sie reden von den Gefahren, sind aber gegen ein Masernschutzgesetz, das dazu dienen soll, die Impfungen zu forcieren, damit wir eine höhere Durchimpfungsrate erzielen.
Richtig ist, dass es zu Beginn des Jahres einen größeren Masernausbruch gegeben hat. Das ist für sich betrachtet schon schlimm genug. Aber ein solcher Masernausbruch wäre theoretisch zu verhindern, wenn es eine ausreichende Durchimpfungsrate in der Bevölkerung gäbe. Eine solche Durchimpfungsrate ist leider nicht mehr überall vorhanden, obwohl die Masern so schrecklich sind,
Im Land und im Bund gibt es viele Kampagnen, mit dem Ziel, die Impfrate zu erhöhen, z. B. „Deutschland sucht den Impfpass“. Herr Minister Tonne hat auf die zahlreichen Kampagnen der Landesregierung hingewiesen. Aber in einer Gesellschaft wie der unseren ist es natürlich möglich, sich über die Nachteile des Impfens zu informieren und insoweit auch eine Entscheidung gegen das Impfen zu treffen. Die Gründe hierfür sind vielfältig und müssen von uns sehr ernst genommen werden. Eltern halten in diesen Fällen das Risiko einer Impfung für höher als den Nutzen. Ich finde, dass wir diese Haltung tatsächlich sehr ernst nehmen müssen, weil sich ja Eltern nicht leichtfertig entscheiden, sondern im Interesse ihrer Kinder handeln.
Es wird also in Zukunft darum gehen, diesen Eltern den Nutzen des Impfens näherzubringen und sie zu überzeugen, ohne dass man ihre Entscheidung an den Pranger stellt. Es muss aber auch deutlich werden, dass eine individuelle Entscheidung gegen eine Impfung negative Folgen für andere Menschen haben kann. Auch das gehört zu einer vernünftigen Abwägung.
Wir sind in Niedersachsen gut aufgestellt. Mit den bisherigen Strukturen in unserem Gesundheitssystem ist es gelungen, den Ausbruch der Masern in diesem Frühjahr einzudämmen. Ich erlebe unsere Landesbehörden, sowohl die Gesundheitsbehörden als auch die Behörden aus dem Kultusbereich, als ausgesprochen besonnen und klug agierend. Das ist auch der richtige Weg: aufklären und Akzeptanz erhöhen, aber auch allen Schutz zu gewähren. Dies war bislang schon möglich, z. B. durch die Betretungsverbote, über die Herr Minister Tonne schon berichtet hat.
Wenn es mit dem Masernschutzgesetz gelingt, den Schutz der Menschen weiter zu erhöhen und die Masern schlussendlich zu eliminieren, dann ist dies vernünftig und aus diesem Grund auch zu begrüßen.
Vielen Dank, Frau Kollegin Schüßler. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat sich nun die Kollegin Meta Janssen-Kucz gemeldet. Bitte sehr, Frau Kollegin!