Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! „Aber es ist dasselbe Böse“, hat der Bundespräsident im Yad Vashem gesagt. Er bringt damit die schmerzliche Erkenntnis zum Ausdruck, dass Antisemitismus, Ausgrenzung und Hass - das, was zur Schoah geführt hat - weiter präsent sind, dass sie eben nicht verschwunden und auch nicht bewältigt sind. Im Gegenteil! Wir müssen sogar konstatieren, dass sie zunehmen.
Wir erleben, dass Antisemitismus in verschiedensten Formen auftritt. Wir erleben Antisemitismus in der krassen radikalen Form eines Mordanschlages in Halle. Wir erleben ihn aber auch in subtileren Formen - etwa, wenn man anfängt, darüber zu diskutieren, dass das mit der Erinnerungskultur doch nun auch zu weit gehe. Und das äußert sich nicht nur an den Rändern, sondern trägt bis in die Mitte der Gesellschaft hinein und ist somit ein Thema für alle an jedem Ort.
Nun kann man diesen Entwicklungen auf verschiedene Art und Weise begegnen. Die Mittel des Rechtsstaates, auf die hingewiesen worden ist, sind natürlich von zentraler Bedeutung. Wir haben Verfassungsschutz, Polizei, Staatsanwaltschaften und Justiz, die dort entsprechend handeln und vorgehen müssen.
Sie müssen aber auch - und das ist unsere politische Verpflichtung - dazu in der Lage sein, dort vorzugehen. Wir müssen sie so ausstatten, dass sie dazu in der Lage sind. Wir müssen ihnen die rechtlichen Möglichkeiten dafür geben, sicherzustellen, dass der Rechtsstaat auch im Internet durchsetzbar ist und wir dort keine rechtsfreien Räume haben. Auch das ist unsere gemeinsame Verantwortung. Denn hier entwickeln sich
Wir sind in der Verantwortung, das jüdische Leben zu schützen und zu fördern, wo es nur geht. Ich glaube, dass wir in Hannover und in Niedersachsen tatsächlich viele gute Beispiele haben. Das sollten wir, was die Förderung des jüdischen Lebens angeht, auch als weiteren wichtigen Punkt auf der politischen Agenda behalten. Gleichermaßen sind wir aber auch in der Verantwortung für den Schutz des jüdischen Lebens.
Allen muss klar sein - das ist von Kolleginnen und Kollegen hier bereits gesagt worden; ich will es noch einmal unterstreichen -, dass ein Angriff auf Menschen jüdischen Glaubens ein Angriff auf uns alle ist, weil er ein Angriff auf die Werte ist, für die wir stehen. Wir stehen doch für eine offene, freiheitliche Gesellschaft und für unsere freiheitliche Verfassung, für unser Grundgesetz, das ja auch als Antwort auf die Schoah in Artikel 1 Abs. 1 Satz 1 festlegt: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Dieser zentrale Wert ist es doch, der alles trägt und sich überall widerspiegeln muss. Und es ist dieser Wert, der damit angegriffen wird. Wenn jemand wegen seiner Religion, seines Glaubens, seiner Herkunft oder aus welchen Gründen auch immer angegriffen wird, dann wird dieses im Zentrum Stehende angegriffen.
Deshalb ist es auch Verpflichtung aller demokratisch gesinnten Menschen, die das teilen, was die Mehrheit der Bevölkerung meines Erachtens ohne Zweifel tut, sich hier klar zu bekennen und auch deutlich zu machen, dass sie das genau so sehen. Auch da darf es nicht nur bei Worten bleiben.
Ich finde aber, dass wir bei einem klaren Blick auf die Situation unserer Gesellschaft im Moment auch feststellen müssen, dass das alles wohl nicht mehr so selbstverständlich ist, wie zumindest ich persönlich es noch vor wenigen Jahren - vielleicht sogar Monaten - gehalten hätte. Wenn wir durch demoskopische Umfragen erfahren, dass der Antisemitismus zunimmt, wenn wir erleben, dass uns gesagt wird, dass das Vertrauen in die Demokratie abnimmt und dass andere Herrschaftsformen plötzlich zumindest auch als attraktiv gelten, so ist zwar das eine, dass wir den Rechtsstaat stärken und Justiz, Polizei und alle Institutionen stärken müssen, damit sie gegen antisemitische Bestrebungen vorgehen können.
Trotzdem beschleicht mich das Gefühl, dass wir zum anderen auch in der Gesellschaft erheblichen Diskussionsbedarf und Probleme haben, die eben
nicht einfach durch rechtsstaatliche Mittel irgendwie zu greifen sind, sondern dass wir in der gesellschaftlichen und politischen Funktion gefordert sind, den Diskurs noch stärker zu suchen. Ich habe den Eindruck, dass wir auch den einen oder anderen Akteur in der politischen Diskussion noch stärker in die Verantwortung nehmen müssen, sich auch diesen Fragestellungen zu stellen und einen entsprechenden Beitrag zu leisten.
Da ist noch viel zu tun und viel miteinander zu reden, und es ist auch nicht auszuschließen, dass wir Gefahr laufen, dass unsere Demokratie in eine Krise gerät. Das muss man mit aller Deutlichkeit sagen.
Ich sage das auch vor dem Hintergrund, dass sich die politischen Institutionen, die demokratischen Institutionen Angriffen ausgesetzt sehen. Es ist ein krass alarmierendes Zeichen, wenn Kommunalpolitiker - Bürgermeisterinnen und Bürgermeister - ihre Ämter niederlegen, weil sie angefeindet werden. Das ist ein direkter Angriff auf die politischen und demokratischen Institutionen in unserer Gesellschaft.
Das darf uns nicht ruhen lassen! Eine geschwächte Demokratie und geschwächte Institutionen sind nicht in der Lage, das, was an antisemitischen Angriffen kommt, mit der Vehemenz abzuwehren, wie sie nötig wäre. Insofern will ich diese Gelegenheit hier nutzen und deutlich machen, dass wir nach meinem Eindruck unter Beschuss stehen, dass die Demokratie unter Beschuss steht und dass wir gegenwärtig bedenkenswerte und kritische Entwicklungen erleben, denen wir als demokratische Kräfte gemeinsam entgegenwirken müssen, um dann diesen berechtigten
- Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss -, absolut zu unterstreichenden und selbstverständlichen Anspruch des „Nie wieder!“ realisieren zu können, damit sich die Schoah und der unfassbare Schrecken, der sich damals ereignet hat, nie wiederholen. Unsere Generation ist jetzt wirklich gefordert, dieses Versprechen einzulösen und umzusetzen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Am 23. Januar hielt Bundespräsident Steinmeier in der Holocaust-Gedenkstätte in Yad Vashem eine Rede, in der er sich zur deutschen Schuld an Weltkrieg und Holocaust bekannte und den Wert der Versöhnung hervorhob. - Bis hierhin eine angemessene, eine präsidiale Rede.
In derselben Rede warnte er weiter vor den Gefahren, die aus - so seine Worte - autoritären Bewegungen kommen. Wen meinte er damit?
In der Presse wurde sofort und flächendeckend geschrieben, Steinmeier habe über die AfD gesprochen. Es wird - ja, auch in diesem Haus - immer wieder der Eindruck erweckt, die Gefahr für die Demokratie käme nur von rechts, schuld sei sowieso die AfD. Prüfen wir mal: Ist das so?
Herr Steinmeier sprach von Antisemiten. Das können wir dann gerne mal mit den Juden in der AfD diskutieren. Ich persönlich habe mich immer wieder ganz klar geäußert. Wenn Sie das nicht hören wollen, ist das irgendwann nicht mehr mein Problem.
Er sprach weiter von Antisemitismus, die sich als Israelkritik tarne. - Stimmt, das gibt es. Aber nicht bei der AfD, sondern bei den Grünen und bei Teilen der SPD.
(Unruhe bei der SPD und bei den GRÜNEN - Christian Meyer [GRÜNE]: Sagen Sie doch einmal etwas zu Herrn Gauland!)
(Beifall bei der AfD - Christian Meyer [GRÜNE]: Sagen Sie doch einmal et- was zum „Vogelschiss“! Herr Gauland ist doch noch Ihr Vorsitzender, oder?)
Er sprach weiter von „völkischem Denken“ und missachtet dabei, dass das eigene Grundgesetz 28-mal vom deutschen Volk spricht. Er verwechselt also die Sorge um das eigene Volk mit völkischem
Denken. Dabei ist „völkisches Denken“ definiert als die Überhöhung des eigenen Volkes bei Schmähung und Herabsetzung anderer Völker. So einfach kann man also gegen den Auftrag des Grundgesetzes handeln und zugleich noch die anderen zu Feinden des Grundgesetzes erklären. Respekt!
Für einen solchen Umgang mit der Sprache waren in der deutschen Geschichte bisher allerdings andere zuständig.
Nur damit wir uns nicht missverstehen: Selbstverständlich gibt es in unserem Land Feinde der Demokratie; das muss man auch ganz klar ansprechen. Die Zahlen des Verfassungsschutzes sind für Niedersachsen seit Jahren etwa gleichbleibend bei Links- und Rechtsextremisten, im Bereich Islamismus steigen sie an, im Bereich Antisemitismus steigen sie besorgniserregend an. Natürlich muss man diese Zahlen ernst nehmen, und natürlich muss Demokratie wehrhaft sein; das kann doch gar keine Frage sein. Wenn aber die Zahlen in bestimmten Bereichen seit Jahren mehr oder weniger gleich bleiben, dann ist der permanente Schrei in diesen Bereichen nach Alarm nicht verständlich - es sei denn, es geht einem gar nicht um die Demokratie.
„Kampf gegen rechts“ ist Ihr Credo, gegen alles und jeden, ist Ihre Grundüberzeugung, ist Ihr politisches Programm und ist Ihre Heilslehre. „Kampf gegen rechts“: Was ist rechts? Woher kommt der Begriff? - Er kommt aus der französischen Nationalversammlung. Als sie erstmals zusammentrat, setzten sich die Konservativen rechts und die Modernisten links hin. Rechts bedeutet erst einmal konservativ und nur konservativ.
Wenn Sie einen „Kampf gegen rechts“ ausrufen, dann wollen Sie die Konservativen in diesem Land mundtot machen.
Wenn Sie einen Kampf gegen Rechtsextremismus ausrufen würden, dann wäre ich ja dabei - wie bei jedem Kampf gegen Extremismus. Aber darum geht es Ihnen doch gar nicht. Nein, es soll schon der ganz große Kampf sein. Sie meinen, was Sie
(Wiard Siebels [SPD]: Wieso stellen Sie sich denn selbst in den Mittelpunkt der Debatte? - Christian Meyer [GRÜNE]: Sie fühlen sich von Herrn Steinmeier angesprochen! Fühlen Sie sich beim „neuen Bösen“ angespro- chen?)
Aber es tut mir leid: Wenn ich der Auffassung bin, dass die flächendeckende Inklusion in der Regelschule keine gute Idee ist, dann ist das keine NaziPosition, sondern eine konservative.
(Ulf Thiele [CDU]: Wenn Sie die Nazi- Geschichte als „Vogelschiss in der Geschichte“ beschreiben, ist das kon- servativ, oder was? Ich glaub‘ es nicht!)
Wenn ich der Meinung bin, dass wir durch die Politik der offenen Grenzen dieses Land überfordern, dann ist das keine Nazi-Position, sondern eine konservative. Wenn ich der Meinung bin, dass ich nicht mehrere Rechtssysteme in meinem Land nebeneinander haben möchte - und bitte auch keine religiösen -, dann ist das keine Nazi-Position, sondern eine konservative.
Herr Kollege, einen Moment, bitte! - Meine Damen und Herren, egal aus welcher Fraktion: Bitte keine Zwischenrufe, und provozieren Sie den Redner auch nicht!