Der Kampf gegen Antisemitismus und Rassismus bedeutet, dass jede und jeder von uns täglich in die Verantwortung geht. Das heißt, wir ergreifen Partei, wenn Menschen beleidigt und diskriminiert werden. Antisemitismus und Diskriminierung Einzelner sind ein Angriff auf uns alle. Dagegen setzen wir uns zur Wehr. Polizei, Justiz und eine Zivilgesellschaft mit Zivilcourage: Wir sind die Akteurinnen und Akteure einer wehrhaften Demokratie. Nur gemeinsam und im Schulterschluss können wir mit aller Unnachgiebigkeit Antisemitismus und Rassismus bekämpfen.
Ich bin unserem Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier für seine klaren Worte sehr dankbar. Es ist immer dasselbe Böse, und jede Generation ist neu in der Pflicht, dagegen zu kämpfen.
Deswegen gilt auch 75 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz und Bergen-Belsen: Nie wieder Rassismus! Nie wieder Antisemitismus! Nie wieder Faschismus!
Vielen Dank, Frau Piel. - Es folgt nun für die SPDFraktion die Fraktionsvorsitzende. Frau Modder, bitte!
„Unsere Zeit ist nicht dieselbe Zeit. Es sind nicht dieselben Worte. Es sind nicht dieselben Täter. Aber es ist dasselbe Böse.“
Ich bin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen für diese Aktuelle Stunde, die die mahnenden Worte unseres Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier von letzter Woche in der Gedenkstätte Yad Vashem noch einmal aufgreift, sehr dankbar.
75 Jahre nach der Befreiung kann die Frage, ob wir Deutschen aus der Geschichte wirklich gelernt haben, leider nicht eindeutig beantwortet werden. Hass und Hetze, Rassismus und Antisemitismus, Beleidigungen, Bedrohungen und Angriffe nehmen zu. Denken wir nur an den antisemitischen Anschlag vom 9. Oktober, an Jom Kippur, in Halle, bei dem zwei Menschen ermordet wurden und nur eine verschlossene und verriegelte schwere Holztür der Synagoge Schlimmeres verhindern konnte.
Wir, die Mehrheit in unserer Gesellschaft, dürfen nicht länger schweigen. Es kann nicht sein, dass die, die laut sind, die respektlos sind, die auf Ausgrenzung setzen, die Deutungshoheit in unserer Gesellschaft bekommen.
Wer Minderheiten oder Andersdenkende angreift, der greift uns alle an; denn dies ist ein Angriff auf unsere freiheitlichen demokratischen Grundwerte.
Meine Damen und Herren, wir haben eben die mahnenden und, wie ich finde, erschütternden Worte des Zeitzeugen, des Holocaust-Überlebenden Professor Ladany, gehört. Ich bewundere seine offene und versöhnliche Haltung gegenüber uns Deutschen. Unsere Vergangenheit ist mit tiefer Schuld beladen, doch Professor Ladany reicht uns die Hand zur Versöhnung.
75 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz und Bergen-Belsen ist es für uns Deutsche eine tiefe Schande, dass sich Mitmenschen jüdischen Glaubens ihres Lebens nicht sicher sein können, sie Morddrohungen erhalten und Anschläge verübt werden. Ich sage es hier noch mal in aller Deutlichkeit: Wer sich unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung als Feind in den Weg stellt, wer versucht, sie zu zerstören, der bekommt die volle Entschlossenheit des Staates und einer wehrhaften Demokratie zu spüren.
Dabei spielen nicht nur die staatlichen Akteure eine Rolle, sondern alle Akteure in unserer Gesellschaft. Sie sind die Basis des demokratischen Miteinanders. Sie sind die Initiative, die die Basis des demokratischen Miteinanders ausmachen; denn die Demokratie stirbt von unten, wenn es keine engagierten Demokratinnen und Demokraten mehr gibt.
In diesem Zusammenhang begrüße ich ausdrücklich die Kampagne der paritätischen Wohlfahrtsverbände für 2020. Es ist Zeit - Zeit zu handeln. Dort heißt es: Es ist Zeit, „gegen Antisemitismus, Antiislamismus und Rassismus sowie jede Form von Menschenfeindlichkeit aufzustehen.“ Jede und „jeder Einzelne ist aufgefordert, sich schützend vor Demokratie und Freiheit zu stellen.“
Meine Damen und Herren, aber eines wird mir auch aufgrund der aktuellen Situation immer deutlicher: Wir dürfen niemals aufhören, zu erinnern und zu gedenken.
Ich stimme Landesbischof Ralf Meister völlig zu, wenn er sagt, es gebe eine Verpflichtung zum Erinnern. Mein Dank geht daher an Frau Landtagspräsidentin Dr. Gabriele Andretta für die Erinnerungskultur, die auch in diesem Hause gepflegt wird, und an die Region Hannover, die mit dem Gedenkkonzert „The Night Holocaust Concert“ am Montag ein wirklich beeindruckendes Konzert mit einer solchen Tiefe ermöglicht hat, die alle 3 300 Gäste noch lange begleiten wird.
Mir persönlich haben sich der Besuch im Konzentrationslager Auschwitz, aber auch ein Jugendaustausch zwischen jungen Israelis und Deutschen in Birkenau, an dem ich teilnehmen durfte, so fest eingebrannt, dass ich meine Verpflichtung in zwei Worten gut zusammenfassen kann: Nie wieder!
Vielen Dank, Frau Modder. - Es hat nun für die CDU-Fraktion Herr Abgeordneter Nacke das Wort. Bitte, Herr Kollege!
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat am 23. Januar als erstes deutsches Staatsoberhaupt in der Gedenkhalle von Yad Vashem eine Rede gehalten. Die Bilder dieser Rede haben mich an viele emotionale Momente erinnert, bei denen ich selbst vor fünf Jahren bei einem Besuch der CDULandtagsfraktion in Israel und Yad Vashem dabei war.
Ich erinnere mich an die Gedenkhalle, in der uns erlaubt wurde, einen Kranz für die Opfer niederzulegen. Ich erinnere mich an das Tal der Gemein
den und an die vielen niedersächsischen Städte und Orte, die dort auf den Gedenktafeln aufgelistet waren.
Ich erinnere mich an die Kindergedenkstätte, in der endlos die Namen von ermordeten Kindern und Jugendlichen vorgelesen wurden. Es dauert drei Monate, um alle diese Namen vorzulesen. An diesen Ort muss ich oft denken.
Meine Damen und Herren, der Bundespräsident hat für uns Deutsche in seiner Rede folgendes Versprechen erneuert:
„Dieses Deutschland wird sich selbst nur dann gerecht, wenn es seiner historischen Verantwortung gerecht wird:
Wir bekämpfen den Antisemitismus! Wir trotzen dem Gift des Nationalismus! Wir schützen jüdisches Leben! Wir stehen an der Seite Israels!“
Meine Damen und Herren, wer einmal in Yad Vashem war, weiß, wie sehr Deutschland dieser Verantwortung verpflichtet ist.
Aber der Bundespräsident erinnert uns auch daran, dass in dem Unrecht und dem Grauen, dem Krieg und dem Terror auch der Beginn eines anderen Deutschlands zu finden ist.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin 1971 geboren. Meine Eltern sind noch in der Kriegszeit geboren. Sie waren Kinder, als die Frauen und Männer des Parlamentarischen Rates unsere Verfassung berieten und die Bundesrepublik gegründet wurde. Ich dagegen bin mit dem sicheren Gefühl der Freiheit und des Rechtsstaates aufgewachsen. Freie Meinungsäußerung und freie Presse waren für mich in meiner Jugend selbstverständlich. Dabei war das alles bei meiner Geburt erst 22 Jahre alt - nur 22 Jahre. Später kam dann auch ein erstes eigenes politisches Engagement hinzu. Auch das galt für mich als selbstverständlich.
Im nächsten Jahr wird die Bundesrepublik ihren 75. Geburtstag feiern - immer noch jung und schon die älteste Demokratie auf deutschem Boden.
Aber so selbstverständlich wie in meiner Jugend erscheinen mir die großartigen Errungenschaften der Bundesrepublik schon lange nicht mehr. Heute ist mir klar, welch großes Glück meiner Generation
Anlässlich des 20. Jahrestages der deutschen Einheit stellte der damalige Bundestagspräsident Norbert Lammert zu Recht fest, dass Demokratien ausbluten oder erodieren können und dass wir, wenn wir heute auf die politischen Verhältnisse schauen, feststellen, dass sich weder die Parteien noch die Parlamente, dass sich weder die Regierungen noch die Opposition auf dem Höhepunkt ihres öffentlichen Ansehens befinden.
Und darin liegt eine besondere Pflicht der politischen Mitte, wie es der Präsident des Bundesverfassungsgerichtes, Andreas Voßkuhle, sinngemäß in seinem Buch „Die Verfassung der Mitte“ formuliert. Mit dieser Mitte sind nicht nur Parteimitglieder oder Parlamentarier gemeint. Gemeint ist die gesellschaftliche Mitte.
Die gesellschaftliche Mitte darf nicht schweigen oder es gar hinnehmen, wenn sich in unserem Land politische Kräfte breitmachen wollen, welche die Verfassung und die staatlichen Institutionen infrage stellen.
Der politische Diskurs darf nicht in die Unversöhnlichkeit führen. Der Kompromiss darf nicht als Niederlage empfunden werden.
Natürlich darf keine Institution für sich in Anspruch nehmen, sie mache keine Fehler. Das gilt ganz bestimmt auch für Regierungen, Parlamente, Verwaltungen, Sicherheitsbehörden, Gerichte oder Medien. Aber die Gesellschaft als Ganzes darf für sich in Anspruch nehmen, Macht, Kontrolle und Freiheiten so ausgewogen verteilt zu haben, dass Fehler auffallen und immer wieder korrigiert werden - nicht zuletzt durch Wahlen. Unsere Verfassung ist der Garant dafür.
Wer aber unseren staatlichen und gesellschaftlichen Einrichtungen diese Fähigkeit abspricht, der muss die Gegenwehr einer streitbaren und wehrhaften Demokratie zu spüren bekommen, damit auch die nächsten Generationen noch das große Glück der Freiheit und der Rechtsstaatlichkeit erfahren werden.
So, und wohl nur so, werden wir das Versprechen erfüllen können, das der Bundespräsident am 23. Januar 2020 für uns Deutsche in Yad Vashem wiederholt hat.
Vielen Dank, Herr Nacke. - Nun hat für die FDPFraktion der Fraktionsvorsitzende das Wort. Herr Dr. Birkner, bitte!