Protokoll der Sitzung vom 29.01.2020

Gerade die Schaffung neuer Kurzzeitpflegeplätze wird zu einer Entlastung der pflegenden Angehörigen führen. Gerade diesen sind wir es auch schuldig, hier zu Veränderungen zu kommen; denn 75 % aller zu Pflegenden werden im häuslichen Umfeld betreut.

Festgestellt werden kann, dass diese Konferenz - das ergibt sich auch aus den Gesprächen, die wir in den vergangenen Wochen geführt haben - insgesamt zu einem Neustart in der Pflege in Niedersachsen geführt hat. Es gibt Möglichkeiten, die Pflege in Niedersachsen gemeinsam mit den Akteuren neu und auch besser zu gestalten.

Die in dieser Konferenz geführten Gespräche haben darüber hinaus gezeigt, dass alle Akteure an der Verbesserung interessiert sind. Die Gespräche und die Kooperationsvereinbarungen bilden aus meiner Sicht auch eine gute Grundlage für eine zukünftige vertrauensvolle Zusammenarbeit aller Akteure. Darüber hinaus werden die Ergebnisse der Konferenz die Bürokratie in der Pflege verringern und die Qualität sowie Arbeits- und Rahmenbedingungen in der Pflege zum Wohle aller Pflegebedürftigen verbessern.

Diese erste erfolgreiche Konferenz war ein wichtiger Schritt zu einer nachhaltigen Sicherung der pflegerischen Versorgung in Niedersachsen und zeigt, dass SPD und CDU ihre Zusagen aus dem Koalitionsvertrag entsprechend umsetzen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, damit sich der Niedersächsische Landtag bereits im Januar 2020 weiter mit der Pflegekammer beschäftigt, hat sich die AfD-Fraktion entschlossen, ihren Antrag zur Pflegekammer aus dem Jahre 2018 in einen Gesetzentwurf umzuwandeln und hier zur Beratung vorzulegen. Auch hier rate ich zu etwas mehr Geduld. Wie Sie wissen, erfolgt derzeit die Evaluation der Arbeit der Pflegekammer in Niedersachsen, in der wir die Wirkung und die Organisation der Pflegekammer überprüfen, wie es CDU und SPD gemeinsam vereinbart haben. Auch werden wir - das

haben wir immer wieder zugesagt - den entstandenen Protest in diese Evaluation einbinden. Dem Vorschlag von ver.di, dies durch eine qualifizierte Befragung aller Mitglieder in der Pflegekammer zu machen, sollten wir aus unserer Sicht durchaus folgen.

Liebe Kollegin Janssen-Kucz, noch eine Anmerkung zu Ihrem Vorschlag im Rahmen der Enquetekommission. Wir haben das auch schon mehrfach im vergangenen Jahr diskutiert: Ich glaube, die Pflege da mit aufzunehmen, wäre ein riesiger Fehler gewesen. Viele stöhnen schon heute über die Arbeitsbelastung in dieser Enquetekommission. Wir haben uns das Ziel gesetzt, bis Mitte des Jahres zu Ergebnissen zu kommen. Daher erlaubt es der Zeitrahmen gar nicht, das Thema Pflege völlig umfänglich in dieser Kommission zu behandeln. Wir haben es ansatzweise gemacht. Ich glaube, das war auch richtig. Daraus werden sich auch entsprechende Konsequenzen ergeben.

Ich bitte Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen: Geben Sie der Pflegekammer die Möglichkeit, den Weg der Evaluation mit uns gemeinsam bis zum Juni 2020 zu gehen, um dann zu entscheiden, wie wir den engagierten Pflegekräften eine entsprechende Vertretung geben können, die von ihnen gewollt ist und die auch ihr Vertrauen genießt!

Erlauben Sie mir zum Abschluss noch eine Bemerkung - nein, vielleicht ist es sogar ein Wunsch: Geben Sie den Akteuren in der Pflege die Chance, den in der Konzertierten Aktion Pflege beschrittenen Weg ungestört von politischen Interventionen weiterzugehen! Lassen wir sie in Ruhe arbeiten, und lassen Sie uns gemeinsam dafür sorgen, dass wir durch die Ausgestaltung weiterer vereinbarter Maßnahmen die Arbeitsbedingungen in der Pflege weiter verbessern, damit sich auch in Zukunft alle Niedersächsinnen und Niedersachsen darauf verlassen können, bei Pflegebedürftigkeit qualitativ hochwertig versorgt zu werden und ihr Leben im Alter so lange wie möglich in Selbstbestimmtheit und in den eigenen vier Wänden umsetzen zu können!

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und Zustimmung bei der SPD)

Danke sehr, Herr Kollege Meyer. - Für die FDPFraktion spricht nun die Kollegin Sylvia Bruns.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch heute reden wir wieder über das Thema Pflege. Das ist gut und richtig so. Auch wenn wir in manchen Bereichen unterschiedliche Lösungsansätze verfolgen, so eint uns doch die Wahrnehmung, dass das Beste für die Menschen in Niedersachsen erreicht werden muss. In Niedersachsen, so ist mein Eindruck, gestaltet es sich besonders schwierig, Einigungen zu finden.

Manchmal kamen tatsächlich schon Zweifel an der Selbstverwaltung auf. Die Situation im Pflegebereich in Niedersachsen ist alles andere als rosig. Zwar gibt es kontinuierliche Steigerungen in der Vergütung. Wenn man aber vom niedrigsten Wert kommt, bringen einen auch die Steigerungen nicht viel weiter. So gehen Pflegekräfte aus Niedersachsen nach Nordrhein-Westfalen, und die zu Pflegenden kommen nach Niedersachsen.

Seitdem ich für die Freien Demokraten das Thema Pflege begleite, stoßen wir immer wieder auf dieselben Probleme. Oftmals war ein Gespräch zwischen den beteiligten Akteuren schwierig, wenn überhaupt noch welche stattgefunden haben. Gerade die Anbieterseite hatte sich immer wieder zerstritten. Wie es anders geht - ich habe das Beispiel schon mehrfach genannt -, habe ich mir im Saarland ansehen können. Dort gibt es eine Arbeitsgemeinschaft zwischen den Privaten und der Freien Wohlfahrtspflege, die sich hinter den Kulissen streitet, nach vorne aber immer mit einer Stimme spricht. So sind die in den Verhandlungen erreichten Konditionen natürlich ganz andere.

Weiterhin nehmen wir im Pflegebereich besorgniserregende Zunahmen von Investitionen internationaler Kapitalanleger wahr, die zurzeit massivst in den Markt drängen und die kleinen und mittleren kommunalen und privaten Träger sowie die Träger der Freien Wohlfahrtspflege aus dem Markt verdrängen. Ich will an dieser Stelle ganz deutlich sagen: Das ist nicht die Art der Pflegelandschaft, die wir uns vorstellen. Es gibt also auch da dringenden Handlungsbedarf.

Dazu muss man - das ist auch schon mehrfach erwähnt worden - die KAP.Ni erwähnen. Für mich war das tatsächlich ein großer Schritt für unser Bundesland. Ich habe das schon im Dezember gesagt. Wenn man sich die beteiligten Akteure ansieht und weiß, woher wir kommen, ist es tatsächlich ein großer Schritt, dieses Papier auf den Weg gebracht zu haben.

Auf zwei Punkte möchte ich eingehen, die sich auch in der KAP.Ni wiederfinden, und noch eine Anmerkung zum Wettbewerb machen. Ich hatte auch das im Dezember gesagt. Es muss für uns einen Wettbewerb um Qualität geben und nicht, wie jetzt, einen Wettbewerb um den Preis. Genauso muss er stattfinden.

Eine gute Vergütung, die auch refinanziert wird, ist eine Säule einer guten Pflege für Niedersachsen. Nicht zu vergessen ist auch hier eine angemessene Beteiligung des Unternehmergewinns. Auch das finden wir wieder. Grundlage dafür müssen Tarifverträge sein - übrigens egal, welcher. Zwingend muss auch eine Refinanzierung der gezahlten Löhne sein. Die Kollegin Janssen-Kucz hat das auch schon angesprochen. Es heißt in der Überschrift Ihres Antrags „Tarifvertrag Soziales zügig realisieren“. Das Problem ist aber tatsächlich, dass es die Akteure, die diesem Tarifvertrag innerhalb der Tarifautonomie zustimmen müssen, nicht geschafft haben, ihm zuzustimmen.

Ehrlicherweise können wir uns als Politik innerhalb der Tarifautonomie viel wünschen - wenn dem aber nicht zugestimmt wird, können wir es einfach nicht erreichen. Es wurde immer gesagt, wir hätten uns gegen den Tarifvertrag ausgesprochen. Wir haben das nicht getan. Ich habe gesagt: Ihr müsst auf der anderen Seite die Refinanzierung der Löhne im Blick haben. Wenn die Löhne steigen und ihr die nicht über die Pflegekassen refinanziert bekommt, dann wird es für den zu Pflegenden teurer werden, weil er sich die Zusatzleistungen kaufen muss. - Ich habe nur immer wieder auf die Tarifautonomie hingewiesen.

Für die ambulante Pflege ist die zweite Säule auch eine Refinanzierung der Wegepauschalen. Wir haben vor zwei Jahren, als das Thema das erste Mal wieder aufkam, gesagt, dass man sich nahe an einer Verdoppelung der jetzigen Pauschalen bewegen muss, damit die ambulanten Dienste wieder auskömmlich arbeiten können. Diese beiden Punkte finden sich in ihrer Einigung wieder.

Bei den Wegepauschalen muss man ja auf den Bund warten. Laut KAP.Ni soll der höhere Satz angenommen und gleich 1 : 1 umgesetzt und nicht auf die nächste Verhandlungsrunde gewartet werden. Das finde ich schon ganz gut. Aber man muss an dem Thema dranbleiben, weil sich der Bund schon Ende letzten Jahres einigen wollte und es bis jetzt eben nicht getan hat. Deswegen gilt das, was die Kollegin Janssen-Kucz gesagt hat: Haken

Sie da einfach nach! Sonst ist es das Papier nicht wert, auf dem es geschrieben ist.

Ich kann Ihnen auch ein Beispiel dazu geben, das ich aktuell von einem ambulanten Dienst zugeschickt bekommen habe. Zitat: Ich versorge einen Patienten in Bothel morgens um sechs. Dies bedeutet eine Fahrzeit von 15 Minuten von Unterstedt aus. Dafür erhalte ich - also der Pflegedienst - eine Wegepauschale von 3,70 Euro. Die Versorgung für eine halbe Stunde liegt bei 22 Euro. Wie soll ich dann Bruttolöhne von 20 Euro zahlen? - Allein, wenn Sie an der Wegepauschale dranbleiben, erreichen Sie also schon eine ganze Menge im Rahmen der Refinanzierung der Pflege. Sie sehen aber: Das ist ein riesiger Knackpunkt.

Weiterhin fordern wir für die Bezahlung nach dem SGB V eine identische Regelung wie im SGB XI. Die Tariflöhne müssen vollständig refinanziert werden.

Der gemeinsame Antrag von Bündnis 90/Die Grünen und der FDP hat sich nach der KAP.Ni natürlich nicht erledigt. Wir haben im Ausschuss auch zu dem Bereich Hebammen darüber gesprochen, wie wichtig es ist, valide Zahlen zu haben. Daraufhin haben wir die Meldepflicht wieder eingeführt. Im Bereich der ambulanten Pflege haben wir aber keine validen Zahlen. Uns wurde im Ausschuss gesagt: Wir haben mit drei Kommunen gesprochen. Die haben uns alle gesagt, das ist kein Problem. - So rosig sieht die Welt für uns nicht aus.

Wir wissen ungefähr, wie viele Pflegebedürftige wir haben. Wir schätzen, dass ca. 70 bis 75 % der zu Pflegenden zu Hause gepflegt werden. Wir wissen aber nicht, wie viele gerne einen ambulanten Pflegedienst in Anspruch nehmen würden, diesen aber nicht finden. Immer noch berichten alle ambulanten Dienste, dass sie Pflegebedürftige ablehnen müssen. Auch die Zahlen, die bis jetzt von der Freien Wohlfahrtspflege und vom bpa erhoben worden sind, halten wir immer noch für besorgniserregend. So bestehen wir weiterhin darauf, dass eine Erhebung stattfindet. Sie ist nämlich Voraussetzung dafür, eine Versorgungsgefährdung festzustellen. Sollte das bei der Vollerhebung nicht herauskommen, sind wir doch alle froh.

Sie haben eben auch selber kritisiert, aufsichtsrechtliche Möglichkeiten seien nicht gegeben. Spannend ist ja, dass sich das in Ihrem Antrag selber wiederfindet. In Ihrem Antrag „Ambulante Pflege sichern - Tarifvertrag Soziales zügig realisieren“ ist die Bitte enthalten, alle aufsichtsrechtli

chen Möglichkeiten gegenüber den Kostenträgern landesseitig auszuschöpfen. Im Prinzip haben Sie also auch vor, die aufsichtsrechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen.

Natürlich haben Sie uns auch ein Rechtsgutachten zukommen lassen, in dem steht, das sei alles ganz schwierig, weil auch nicht alle Kassen beteiligt seien. Aber die Dinge sind nun auch hin und wieder schwierig. Dann muss man mal politisch entscheiden, ob man das jetzt möchte oder nicht, und darf sich nicht dahinter verstecken.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Als Letztes würde ich gerne, weil es immer noch um den Finanzierungsbereich geht, eine Anmerkung zu den gestiegenen Zuzahlungen im Pflegeheim machen. Die Landesregierung plant hier einen Landeszuschuss. Übrigens kommt die gleiche Idee - das hatte ich schon einmal angesprochen - aus Schleswig-Holstein von dem Kollegen

Dr. Heiner Garg. Ich sehe das tatsächlich etwas kritisch. Im Fall einer Zuzahlung von 1 500 Euro bleiben, wenn Sie einen Landeszuschuss von 500 Euro einführen, immer noch 1 000 Euro übrig, die die Leute als Eigenbeitrag leisten müssen. Ich frage ganz offen: Wer kann denn 1 000 Euro als Eigenbeitrag zahlen? - Das ist nämlich schon die erste Schwierigkeit.

Insofern möchte ich noch einmal folgendes Plädoyer an Sie richten: Wir müssen uns um eine andere Aufstellung der Pflegeversicherung kümmern. So wird das nicht mehr weitergehen. Das ist ein Riesenproblem. Alle Maßnahmen, die wir jetzt ergreifen, verhindern nicht, dass die Zuzahlungen weiter nach oben gehen. Selbst wenn Sie künftig einen Landeszuschuss zahlen, erreichen Sie damit leider nicht die sozial Schwachen, sondern diejenigen, die einfach mal so 1 000 Euro dazuzahlen können.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP)

Danke schön, Frau Kollegin Bruns. - Für die SPDFraktion erhält nun der Kollege Uwe Schwarz das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Zielrichtung des kurzfristig erneut eingereichten Gesetzentwurfes

der AfD ist nach meiner Auffassung genauso durchsichtig wie platt. Das hat übrigens Herr Bothe noch einmal eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Inhaltlich ist er sogar rechtswidrig.

Warum ist das so? - Das Kammerwesen in Deutschland baut auf Pflichtmitgliedschaft und auf die Möglichkeit der Öffnung für freiwillige Mitglieder auf. Das ist mehrfach, auch seitens des GBD, im Fachausschuss bestätigt worden. Meine Damen und Herren, genau so haben wir das bei der Pflegekammer Niedersachsen geregelt.

Herr Bothe, wenn Sie hier nicht nur Klamauk machen wollen, haben Sie jetzt einen falschen Antrag gestellt. Denn das, was Sie haben wollen, ist ein Verein, ein Pflegering oder sonst irgendetwas. Aber das haben Sie nicht beantragt.

Sie regen sich darüber auf, dass ich im Vorstand der Pflegekammer gewesen bin. Ich muss mich nicht dafür rechtfertigen, dass ich dorthin eingeladen worden bin.

(Wiard Siebels [SPD]: So ist es! Ge- nau! - Stephan Bothe [AfD]: Das hat aber ein Geschmäckle!)

Wenn man so auftritt wie Sie, liegt es vielleicht ganz nahe, dass man nicht als Erster eingeladen wird.

(Zustimmung bei der SPD - Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Aber manchmal ist es, ehrlich gesagt, besser, wenn man miteinander redet und nicht nur übereinander. Das täte Ihnen bei diesem Thema auch gut, würde aber eventuell Ihr Weltbild etwas durcheinanderbringen.

Ich habe bei dieser Pflegekammer keine Verbandsfunktionäre erlebt. Ich habe dort auch keine Politprofis erlebt, sondern Pflegekräfte, die etwas Positives für den Berufsstand erreichen wollen und die es nicht verstehen, warum sie ständig persönlichen Hassangriffen ausgesetzt sind und von außen provoziert werden.

Wenn Sie sich mit der Thematik beschäftigt hätten, wüssten Sie auch, dass bei zwei der drei ausgeschiedenen Vorstandsmitglieder ihr Ausscheiden schon sehr lange feststand - u. a. bei einer hochschwangeren Kollegin, die das sehr früh angezeigt hat. Aber das interessiert Sie natürlich alles nicht.

Es ist auch keine Frage, dass diese junge Kammer Fehler gemacht hat. Sie wurden teilweise auch von außen provoziert. Wir wissen sehr genau, dass

bewusst Zigtausende Fehlmeldungen von angeblichen Mitgliedern der Pflegekammer gekommen sind, um den Ärger gegen die Kammer hochzuschaukeln. Und aktuell wird offenkundig versucht, die Kammer in Teilen von innen zu destabilisieren.

Sie wissen, dass es in der Koalition unterschiedliche Grundauffassungen zu diesem Thema gibt. Dennoch haben es CDU und SPD auch bei diesem Thema geschafft, im Haushalt erneut ihre Kompromissfähigkeit und ihren Handlungswillen unter Beweis zu stellen. Das finde ich auch gut und wichtig.